Meine Damen und Herren, das ist eine persönliche Meinung. Aber sie widerspricht der Mehrheit der Menschen mit zum Teil unterschiedlicher religiöser Auffassung. Die sagen: Auch die körperliche Integrität nach dem Tod ist für uns eine ethische Grundauffassung. – Ich bin der Überzeugung, dass das die mehrheitliche Auffassung aller Menschen in Deutschland, unabhängig von ihrer religiösen Überzeugung, ist.
Meine Damen und Herren, wir glauben, dass diese Empfehlung geradezu ein Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht der Bürger ist. Nicht der Staat hat die Verfügungsgewalt über den Körper eines Menschen. Nicht der Einzelne soll von seinem Recht absehen müssen, sondern umgekehrt: Der Staat muss alles daransetzen, dass die körperliche Integrität und Selbstbestimmung des Menschen während seines Lebens und auch nach seinem Tod eingehalten werden.
Deshalb sage ich Ihnen: Ich finde das Schlimme an dieser Empfehlung, dass eine erstaunliche Umkehrung des Verhältnisses von Regel und Ausnahme durch die Mitglieder des Ethikrates vorgenommen wird.
Frau Kollegin Wagner, ich bitte Sie um Nachsicht. Hier läuft die Stoppuhr. Ich kann es auch nicht ändern. Die Zeit ist schon abgelaufen. Sie bekommen natürlich gern noch einen Nachsatz.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mein Recht zur Zustimmung zu einer Organspende, einem Geschenk
eines Teils meines Körpers für einen anderen,darf nicht in das Recht des Staates zum widerspruchslosen Verzicht umgekehrt werden. Das ist meine Rechtsauffassung, die meiner Fraktion und, ich denke, auch der meisten Mitglieder dieses Hauses. Wir fordern die Landesregierung auf, ihren Einfluss auf Bundesebene geltend zu machen, dass dieser Empfehlung des Ethikrates keinesfalls entsprochen wird. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, wir wollen uns nicht über die Uhrzeit streiten. Hier wird von den Schriftführern gestoppt. Die fünf Minuten waren bereits abgelaufen. Ich bitte einfach um Nachsicht dafür, dass wir hier oben die Uhr so wahrnehmen, wie sie überall in Deutschland geht. – Das Wort hat die Frau Kollegin Oppermann, CDUFraktion.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema Organspende ist ein hochsensibles und bedarf einer äußerst behutsamen Diskussion. Unser aller Bemühen ist es – das haben wir im Dezember des vergangenen Jahres mit der Verabschiedung des hessischen Transplantationsgesetzes bewiesen, Sie haben gerade darauf hingewiesen, Frau Kollegin Wagner –, die Organspendenbereitschaft zu erhöhen, die Bevölkerung für dieses immens wichtige Thema zu sensibilisieren und die Wartezeit für die Betroffenen, also die Empfänger, zu verkürzen.
Meine Damen und Herren,derzeit warten in Deutschland etwa 11.000 Patientinnen und Patienten auf ein Spenderorgan und 10.000 von ihnen auf eine Niere. Die Warteliste für die Nierentransplantation steigt seit Jahren kontinuierlich an, da immer mehr Patienten dialysepflichtig werden.Aber auch für andere Spenderorgane gilt, dass einige Patienten wegen des schlechten Allgemeinzustandes von der Warteliste genommen werden müssen oder andere Menschen sterben, weil kein Organ rechtzeitig zur Verfügung steht.
Wir haben im Transplantationsgesetz gerade die Aufklärung der Bevölkerung neu geregelt.Wir haben die Befugnisse der Transplantationsbeauftragten gestärkt, und die Landesregierung macht eine Informationskampagne „Initiative Organspende Hessen“. Meine Damen und Herren, wir wissen aber auch, dass wir noch viel, viel mehr Überzeugungsarbeit leisten müssen, denn das Thema Tod ist in unserer Gesellschaft nach wie vor mit einem Tabu belegt.
Und das heißt eben, dass sich viele Menschen viel zu spät die Frage nach einer Organspende bzw. nach dem Ausfüllen eines Organspendeausweises stellen. Nun schlägt der Ethikrat ein Stufenmodell als Kombination von Erklärungs- und Widerspruchsregelung vor. Er ist sich der ethischen Aspekte wohl bewusst und geht in seiner Stellungnahme auch auf verfassungsrechtliche Zulässigkeiten ein. Er weiß auch, dass die Widerspruchsregelung in verschiedenen Hinsichten in das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen eingreift. Wir haben nach Art. 1 Grundgesetz die Würde eines jeden Menschen zu achten, und wir haben
Meine Damen und Herren, ich bin mir nicht sicher, ob es der Sache förderlich ist, wenn Menschen zu einer Entscheidung gezwungen werden. Wenn in Deutschland mehr als 80 % eine positive Einstellung zur Organspende haben, aber nur ungefähr 20 % im Besitz eines Organspendeausweises sind, verdeutlicht dieses die Diskrepanz.
Wir müssen mehr Überzeugungsarbeit leisten, um diese potenzielle Bereitschaft in echte Bereitschaft auch über den Tod hinaus zu manifestieren.Wir müssen alles daransetzen, die Zahl der Organspender zu erhöhen. Wir müssen weitere und intensive Aufklärungsarbeit betreiben.
Meine Damen und Herren, wir sollten zunächst einmal abwarten,welche Früchte das neue hessische Transplantationsgesetz und die landesweite Kampagne tragen. Selbstverständlich werden wir in unserem Werben nicht nachlassen und weiter nach Verbesserungsvorschlägen suchen. Das aktuelle Ansinnen des Nationalen Ethikrates,statt einer Erklärungs- eine sogenannte Widerspruchslösung bzw. eine stufenweise Kombination von beidem durchzuführen,halten wir nicht für förderlich,um Menschen in ihrer positiven Haltung gegenüber der Organspende zu bestärken. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Oppermann. – Das Wort hat Frau Kollegin Schulz-Asche, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch aus Sicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist die Empfehlung des Nationalen Ethikrates ein Widerspruch zum verfassungsrechtlichen und ethischen Selbstbestimmungsrecht der Menschen in diesem Lande auch über den Tod hinaus.
Insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte denke ich, dass die Frage des Selbstbestimmungsrechts gerade im medizinischen Bereich eine der ganz wesentlichen schützenswerten Maßnahmen ist.
Deswegen sollten wir umso deutlicher zeigen,dass wir der Empfehlung nicht folgen wollen. Trotzdem hat sie einen ernsten Hintergrund, wenn wir über das Thema Organspende reden.
In diesem Hause haben wir alle im letzten Jahr in großer Einmütigkeit ein Gesetz verabschiedet, das versucht, die Bereitschaft zur Organspende, die Frau Oppermann angesprochen hat, wirklich umzusetzen. Wir wissen – das gibt der Nationale Ethikrat auch zu –, dass ein wesentliches Problem, warum so wenige Organspenden stattfinden, in den Krankenhäusern selbst liegt, und zwar an der Organisationsform, wie das bisher in den Krankenhäusern geregelt wird. Von daher haben wir – ich hoffe, dass
das durch die Zahlen bewiesen wird – in Hessen durch das Transplantationsgesetz gute Voraussetzungen dafür geschaffen, die Zahl der Organspenden zu erhöhen.
Wir hatten in Hessen ein gesondertes Problem. Das wissen wir.Wir hatten im Vergleich zu anderen Bundesländern eine sehr niedrige Organspendequote von 11,7 pro 1 Million Einwohnern. Wir wissen, dass es in anderen Ländern durch eine konsequente Aufklärungspolitik möglich war, den Menschen die Angst zu nehmen. Und wir wissen, dass es trotzdem noch Probleme gibt. Allein bei den Nierentransplantationen haben in Gießen im Jahre 2006 die meisten der dort Operierten sieben Jahre auf diese Operation gewartet. Das ist ein unhaltbarer Zustand, und es besteht dringender Handlungsbedarf.
Von daher denke ich, dass wir mit der Grundfrage, die der Nationale Ethikrat angesprochen hat, in Hessen auf einem guten Weg sind. Wie gesagt, wir müssen erst abwarten, inwieweit die jetzige Gesetzeslage und die Öffentlichkeitsarbeit ausreichen, das zu tun. Das werden wir erst einmal evaluieren. Wir werden am Ende des Jahres vielleicht mehr als zum jetzigen Zeitpunkt wissen, ob es hier weiteren Handlungsbedarf gibt. Ich denke, wir sind in Hessen auf gutem Weg. Wir brauchen einfach mehr Organspenden, um kranken Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Lassen Sie mich noch einen ethischen Aspekt ansprechen, der bei dieser immer sehr auf Deutschland bezogenen Diskussion zu kurz kommt. Das ist der Organhandel. Die langen Wartelisten bei uns führen dazu, dass es einen Organhandel von Lebendspendern in ärmeren Ländern um Deutschland herum gibt. Das ist ein extremes, auch sehr ethisches Problem, das wir nicht aussparen dürfen, wenn wir über die Selbstbestimmung von Menschen und über ethischen Umgang im Bereich des Organspendens reden.
Die EU-Kommission beschäftigt sich mit dieser Frage. Es ist notwendig, Aufklärungsarbeit zu leisten. Es gibt das Recht der Menschen darauf, medizinische Hilfe zu bekommen, es gibt aber nicht das Recht des Menschen auf das Organ eines anderen Menschen. Das kann nur über Selbstbestimmung und Freiwilligkeit passieren. Dafür sollten wir uns alle gemeinsam einsetzen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Nationale Ethikrat ist ohne Zweifel ein Gremium, das unseren größten Respekt verdient und genießt. Die Integrität und die Kompetenz seiner Mitglieder stehen außer Frage. Manch einem Parlament würden sie gut zu Gesicht stehen.
Ich hätte mir gewünscht, dass das Thema, das Gegenstand dieser Aktuellen Stunde ist, einen angemesseneren Rah
Ich hätte mir ein Format gewünscht, das dem Thema des Nationalen Ethikrats angemessener gewesen wäre. Ich hätte mir außerdem gewünscht, dass wir uns der tagespolitischen Reaktionsschemata enthalten hätten.
Der Nationale Ethikrat hat sich, wie es seine Aufgabe ist, einem Thema zugewandt, dem man sich ohne Zweifel zuwenden muss. Es ist von den Vorrednern mehrfach darauf verwiesen worden:Der Mangel an Spenderorganen ist ein ernsthaftes Problem. Darüber haben wir in diesem Haus schon mehrfach diskutiert. Die Tatsache des Imports von Spenderorganen aus Ländern mit einer Widerspruchslösung sollte allerdings ein hinreichender Grund sein, das Thema tiefgreifender zu reflektieren, als dieser Rahmen es erlaubt.
Frau Schulz-Asche hat darauf hingewiesen, dass ein wesentlicher Punkt an einer anderen Stelle liegt, nämlich der Kooperation der Krankenhäuser. Wir haben uns mit dem Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz dieser Frage angenommen und können dem Ergebnis entschlossen entgegensehen. Die Frage der Lebendspenden und des Potenzials des Organhandels hat in diesem Zusammenhang allerdings eine viel höhere Dringlichkeit.
Wenn Frau Kollegin Wagner allerdings erklärt, alle Fraktionen des Deutschen Bundestags hätten einmütig die Stellungnahme des Nationalen Ethikrats abgelehnt, täuscht sie sich.
Ich persönlich glaube, dass die Stellungnahme des Nationalen Ethikrats von einem hohen Niveau von Abgegrenztheit und Differenziertheit getragen ist. Der Nationale Ethikrat hat keineswegs das Selbstbestimmungsrecht des Organspenders infrage gestellt.
Der Nationale Ethikrat hat die Frage aufgeworfen, ob einem zunächst umfassend aufgeklärten Menschen zugemutet werden kann, sich in dieser ohne Zweifel außerordentlich schwierigen Frage zu entscheiden. Das ist etwas anderes, als die Selbstbestimmung infrage zu stellen.