Protocol of the Session on September 17, 2003

(Beifall bei der SPD – Volker Hoff (CDU): Was wollen Sie denn eigentlich? Sagen Sie das doch!)

Herr Ministerpräsident, Herr Finanzminister, es ist doch auch nicht so, dass wir Ihnen das nicht gesagt hätten. Sie haben sich jahrelang über die Warnungen der Opposition – die Warnungen des Herrn Kahl, des Herrn Schmitt und des Herrn Klemm – lustig gemacht.

(Volker Hoff (CDU): Bökel!)

Wir haben Ihnen prophezeit und auch konkret nachgewiesen, dass Sie bei einer Fortsetzung Ihrer verantwortungslosen Politik exakt vor dem Trümmerhaufen stehen würden, vor dem Sie jetzt stehen. Das Gleiche gilt für die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der GRÜNEN und – allerdings erst nach der Landtagswahl – die Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die haben jetzt mit dem Schuldenstand nichts mehr zu tun!)

Wir alle haben schon vor der Sommerpause einen Nachtragshaushalt gefordert; denn es war für jeden erkennbar, dass die verfassungsrechtlich zulässige Grenze für die Neuverschuldung auch in diesem Jahr um mehr als das Doppelte überschritten wird. Genau so ist es gekommen.

Ganz so unverständlich ist die Ausgabenpolitik nicht.Wir haben nun einmal einen Ministerpräsidenten mit sehr hoch fliegenden Karriereplänen. Ich halte das für vertretbar.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Roland, da würde ich jetzt Danke sagen!)

Wenn man im Zuge einer Spendenaffäre ernsthafte Glaubwürdigkeitsprobleme in diesem Land hat, ist der Drang, Geld einzusparen, nicht ganz so groß entwickelt. Um die Glaubwürdigkeitsprobleme sozusagen etwas zu überdecken, hat man eher den Drang, das Geld mit beiden Händen auszugeben. Herr Ministerpräsident, von Ihrer Position aus gesehen ist das nachvollziehbar.

Die Begehrlichkeiten eines Karrierepolitikers sind das eine.Aber es gibt eine Funktion in einem Kabinett, deren Inhaber diese Begehrlichkeiten eigentlich bremsen müsste.

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Diese Funktion hat nun einmal der Finanzminister. Aber wenn ich mir die Ausgabensteigerungen und die Steigerungen bei der Nettoneuverschuldung anschaue, muss ich sagen: Der Herr Finanzminister hat der Disziplin, die er gegenüber seinem Ministerpräsidenten zu wahren hat, den Vorrang vor der Haushaltsdisziplin gegeben.

(Beifall bei der SPD)

Dass der Herr Finanzminister nach wie vor nicht in der Lage ist, Einsparungen selbstverantwortlich umzusetzen,

hat uns die Pressekonferenz vor 15 Tagen gezeigt. Es war nämlich nicht der Finanzminister, der für so etwas eigentlich zuständig sein sollte, sondern der Ministerpräsident selbst, der unter Rückgriff auf seine Richtlinienentscheidung das Sparprogramm vorgestellt hat.

(Lachen des Ministers Karlheinz Weimar)

Der Herr Finanzminister lacht. Das hat er bei der Pressekonferenz auch gemacht; denn er musste ja nicht reden.

(Heiterkeit bei der SPD)

Herr Finanzminister, ich kann mir das schon vorstellen. Das muss eine schlimme Situation für Sie gewesen sein. Bei vielen Bürgerinnen und Bürgern kam das nämlich so an: Wenn der Ministerpräsident doziert und Sie dazu nicken, ist das Ganze ein Schauspiel der Deklassierung des hessischen Finanzministers.

(Beifall bei der SPD)

Ich persönlich hatte den Eindruck, dass es Ihr Job war, die Folien zu wechseln.Aber dafür muss ich mich entschuldigen. Ich wurde jetzt darauf hingewiesen, dass das Ganze elektronisch erledigt wurde. Deshalb wäre der Ausdruck „Folienwechsler“ an dieser Stelle eine unzulässige politische Beschreibung.

(Norbert Schmitt (SPD): Er hat die Folien verwechselt! – Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Finanzminister, die Aufregung in meiner Fraktion liegt daran, dass man Ihnen unterstellt, dass Sie die Folien beim Vorlegen wahrscheinlich verwechselt haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Michael Bod- denberg (CDU): Jetzt wird das ein bisschen albern!)

Aber leider bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Sehen Sie, so war das auch gestern bei der Vorstellung der konkreten Einsparvorschläge, die uns dankenswerterweise via Internet zur Verfügung gestellt wurden. Man muss einmal genau hinschauen: Da stehen die Haushaltsansätze 2003, die Ergebnisse der Chefgespräche und das Ergebnis der Einsparungen. Das heißt doch nichts anderes, als dass sich der Finanzminister in den Chefgesprächen bei den Einsparungen nicht hat durchsetzen können. Der Ministerpräsident musste kommen und ihm zeigen, wie man so etwas macht.Wegen eben dieser Schwäche bedurfte es des Rückgriffs auf die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten.

Herr Ministerpräsident, Herr Finanzminister Weimar, ich aber sage Ihnen: Hessen ist ein starkes Land, das eine schwache Regierung hat. Aber Hessen kann sich keinen schwachen Finanzminister leisten. Dieses Land kann sich Sie im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe gelesen – der Herr Ministerpräsident hat es heute Morgen auch gesagt –, dass dieser Entlassungsantrag „Klamauk“ sei. Herr Ministerpräsident, ich würde mit dieser Formulierung sehr vorsichtig umgehen angesichts der Verfehlungen – es ist ja eine ganze Kette –, die sich Herr Weimar in den letzten Jahren nicht nur zulasten der Regierung, sondern auch zulasten des Landes hat zuschulden kommen lassen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Boddenberg, wir in der Opposition müssen uns eine Frage stellen. Wir müssen eine Entscheidung zwischen den Interessen des Landes und den Interessen der Oppo

sition treffen. Eigentlich müssten wir froh sein, dass dieser Finanzminister im Amt bleibt. Denn es kann einer Opposition, die versucht, eine Regierung abzulösen, wenig Besseres passieren als ein solch schlechter Finanzminister.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Allerdings sind wir der Auffassung, dass sich das Land Hessen einen solchen Finanzminister nicht leisten kann. Deshalb fordern wir auch, dass dieser Finanzminister entlassen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aus dieser Kette der Verfehlungen möchte ich nur zwei Punkte ansprechen: Downgrade – das habe ich bereits erwähnt – und die Burg Staufenberg, und zwar aus aktuellem Anlass.

(Michael Boddenberg (CDU): Wusste ich es doch! – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Da haben wir jetzt getagt! Ein schönes Hotel! – Zurufe von der CDU: Oh!)

Wir haben einen Finanzminister, der so lange verhandelt hat, bis er es endlich geschafft hat, eine Immobilie um 1 Million DM günstiger zu verkaufen.Als Anwalt würde ich mir einen solchen Vertragspartner auf der anderen Seite wünschen.

Herr Ministerpräsident, ich sage: „aus aktuellem Anlass“. Wir haben jetzt der Zeitung entnommen, dass Sie – das war überfällig – den Vorsitz im Aufsichtsrat der Fraport niedergelegt haben. Das ist gut. Das Zweite ist allerdings eine Drohung, sowohl für die Firma Fraport als auch für das Land Hessen, und zwar dass dieser Finanzminister nun den Vorsitz im Aufsichtsrat der Fraport übernehmen soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jemand, der noch nicht einmal eine kleine Immobilie ordentlich verkaufen kann,

(Lebhafter Widerspruch des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

soll nun eine der wichtigsten Firmen des Landes Hessen lenken und leiten. Dies ist mehr als fahrlässig. Herr Ministerpräsident, Sie haben eine schwache Regierung; dass Sie aber den schwächsten Minister Ihrer Regierung in die wichtigste Position dieser Firma setzen,ist eine fahrlässige Entscheidung.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Günter Ru- dolph (SPD): Unglaublich!)

Herr Finanzminister, wir diskutieren die Amnestiefrage, die Bankenfälle gleich anschließend. Deswegen kann ich es relativ kurz machen. Nur so viel: Die Verfügung, die erlassen wurde, kommt im Ergebnis einer Amnestie für Steuerhinterzieher gleich.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Das ist ein Signal. Der „Spiegel“ hat das so geschrieben: Hessen ist eine Oase für Steuerhinterzieher. – Das heißt: Wenn ihr ein bisschen Steuern hinterzogen habt, ist das Schlimmste, was euch passieren kann, dass ihr einen Teil der Steuern nachbezahlen müsst. Ihr werdet aber nicht zur Rechenschaft gezogen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Finanzminister, wenn das stimmt, was der „Spiegel“ schreibt, dass in Hessen durch die Verfahren gegen Banken insgesamt 595 Millionen c an Einnahmen zusammengekommen sind, dass es nach dieser streitgegenständlichen Verfügung aber nur noch 13,8 Millionen c waren, dann würde dies bedeuten, dass unserem Land durch diese Verfügung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein erheblicher Steuerausfall entstanden ist.

(Zuruf von der SPD: So ist es! – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Die Antworten liegen doch vor! – Wortmeldung des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Im Zusammenhang mit der „Operation sichere Zukunft“: Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frauenhäuser exekutieren, die soziale Infrastruktur amputieren und Steuerhinterzieher amnestieren – das ist die Politik dieser Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?