Ich stelle fest:Auch das Bundesland Baden-Württemberg hat nach wie vor das Triple-A als Rating. Herr Ministerpräsident, damit stelle ich fest, dass offensichtlich in den Ländern, die vergleichbar sind – Bayern und BadenWürttemberg –, besser regiert wurde als in Hessen, dass Hessen das einzige Land von diesen dreien ist, das sein Triple-A verloren hat.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Hoff (CDU): Ich finde es gut, wenn der Oppositionsführer zur Wahl von Stoiber aufruft! Weiter so!)
Zweitens. Sie haben hier festgestellt, wir seien in diesem Haushaltsjahr 2003 schon besser als im Haushaltsjahr 2002.
Herr Ministerpräsident, im letzten Haushaltsjahr hatten wir den historischen Höchststand bei der Neuverschuldung, eine Neuverschuldung von 2 Milliarden c. Dass wir in diesem Jahr möglicherweise bei 100 oder 150 Millionen
c weniger ankommen, als einen Erfolg darzustellen – – Ich rede ja gerne in Bildern, die man als Jurist hat. Ich stelle mir die Gerichtssituation vor, in der ein Angeklagter dem Richter sagt: Herr Richter, im letzten Jahr habe ich 100 Raubüberfälle gemacht,in diesem Jahr nur 99 – sehen Sie, die Resozialisierung schreitet voran.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Hoff (CDU): Lesen Sie nur Bilderbücher, weil Sie in Bildern denken? Ihre Beispiele sind ein bisschen flach!)
Drittens haben Sie gesagt, wir hätten auch schon vor zwei Jahren, vor einem Jahr mit den Einsparungen anfangen können. Ja, Herr Ministerpräsident, das ist das, was Ihnen die Kahls, die Klemms, die Schmitts dieser Welt in diesen Jahren gesagt haben. Denn es war absehbar, dass Sie an diesem Punkt landen werden, an dem Sie jetzt landen. Es ist eben nicht so, dass wir zwei Extreme haben müssen – erst machen wir diese völlig verantwortungslose Haushaltspolitik, die Sie betrieben haben, um dann in einer katastrophalen Situation mit den Einschnitten zu reagieren, die Sie jetzt vorstellen. Stattdessen kann man eine vorausschauende, konsequente Politik machen.
Nein, Herr Ministerpräsident, es ist nicht so, dass Sie das nicht wissen. Es ist auch nicht so, dass Sie und Ihr famoser Finanzminister das nicht gesehen haben. Der eigentliche Grund – und wenn dies die Stunde der Wahrheit ist, dann gehört dies doch auch in eine solche Regierungserklärung –, warum Sie nicht im letzten oder im vorletzten Jahr eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik betrieben haben,ist doch ganz einfach,dass wir im Frühjahr dieses Jahres die Landtagswahl hatten. Sie haben politische Konkursverschleppung betrieben.
Sie haben versucht, sich über die Landtagswahl zu retten, und das haben Sie auch wunderbar hinbekommen. Das aber ist der Grund, warum wir jetzt an dieser Stelle stehen, an der wir stehen.
Herr Ministerpräsident, propagandistisch gesehen haben Sie Ihre „Operation sichere Zukunft“ ganz ordentlich angelegt. Das muss man zugeben.
Dieser Begriff suggeriert Positives. Appelle an das Gemeinwohl fallen in schwierigen Zeiten auf fruchtbaren Boden. Die Vorstellung, dass wir hier ein Programm zur dauerhaften und nachhaltigen Sanierung der Landesfinanzen von geradezu historischem Stellenwert haben, ist etwas, was zunächst einmal beeindrucken wird.
Na ja, man muss aber sagen, wenn man sich Ihre Operation etwas genauer anschaut – und ich habe den Eindruck, dass das zurzeit nicht nur die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten tun, sondern auch alle sozialen Initiativen, die Kirchen, die Gewerkschaften, die Bildungseinrichtungen, diejenigen, die etwas von Steuern und Finanzen verstehen –, dann kommt man zu einem ganz anderen Ergebnis.
Herr Ministerpräsident, einmal unterstellt, sämtliche Prognosen, die Sie hier vorgestellt haben, würden so eintreffen. Dann kann ich von einem historischen Stellenwert wirklich nichts mehr erkennen. Denn die Zielvorgabe, die Sie sich gesetzt haben, ist das, was Ihnen schon allein die
Herr Ministerpräsident, nicht einmal dies werden Sie mit den Zahlen, die Sie selbst vorlegen, erreichen. Nach Ihren eigenen Daten – Vorziehen der Steuerreform eingerechnet – prognostizieren Sie am Ende des Haushaltsjahres 2004 einen Stand der Neuverschuldung von 1,34 Milliarden c – bei einer Verfassungsgrenze, die Sie mit 900 Millionen c angeben.
Nur einmal zum Vergleich: Im letzten Jahr der rot-grünen Regierungspolitik hier in Hessen hatten wir eine Nettoneuverschuldung von 700 Millionen c. Das ist gerade einmal die Hälfte von dem, was uns der Ministerpräsident heute als historisches Programm vorlegt.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))
Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, Ihr Programm sei ein durchdachtes Programm zur Sanierung des Haushalts.
Tatsächlich ist es nichts anderes als eine Panikreaktion. Denn das, was vor der Sommerpause und im Sommer über Sie hereingebrochen ist, war die eigentliche Motivation, nun einen radikalen Kurswechsel Ihrer Politik vorzunehmen.
Ich möchte mit der Klage der SPD vor dem Staatsgerichtshof beginnen. Es wurde am Anfang vielleicht als nicht so ernst angesehen, dass wir gegen den Nachtragshaushalt 2002 des Herrn Finanzministers vor dem Staatsgerichtshof geklagt haben.Aber ich glaube, spätestens mit der Entscheidung des nordrhein-westfälischen Staatsgerichtshofs – unter umgekehrten Farben – ist klar geworden, dass Sie sich außerhalb des rechtlich Zulässigen bewegen und dass wohl auch in Hessen der Staatsgerichtshof dieser Politik, die wir für rechtswidrig halten, mit seiner Entscheidung ein Ende bereiten wird.
Zweitens. Herr Ministerpräsident, das, was Herr Stoiber vor den Sommerferien gesagt hat, muss Sie ernstlich getroffen haben. Das muss wirklich wehgetan haben.
Das tut weh; denn Herr Stoiber ist niemand, der verdächtig ist, den Sozialdemokraten besonders nahe zu stehen. Aber er hat sich über das, was Sie machen, genauso geärgert, wie wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in diesem Parlament das tun. Er sagt: Herr Koch spielt immer Wünsch-dir-was nach Berlin und macht groß auf Kanzlerkandidatur. Er soll doch erst einmal seine Hausaufgaben in Hessen machen.
Ich weiß ja, Herr Koch, mir würde das auch wehtun. – Aber dann unterfüttert er das Ganze noch mit Zahlen und sagt: Wir haben in Bayern ein doppelt so hohes Haushaltsvolumen wie unsere Freunde in Hessen.Wir nehmen aber nur 350 Millionen c an neuen Schulden auf.Wenn er sagt: „Ministerpräsident, Freund, Kollege Koch, mach die
Der dritte Punkt, der bei Ihnen mit Sicherheit alle roten Lampen – oder schwarze Lampen; ich weiß nicht, wie das bei Ihnen organisiert ist – angehen lässt,
ist das Downgrade. Der Finanzminister sagt an der Stelle: Das ist alles nicht so wild, das ist halt die Berliner Politik. – Ich glaube, dass der Herr Finanzminister tatsächlich noch nicht verstanden hat, welche Bedeutung diese internationalen Ratingagenturen mittlerweile im internationalen Finanzgeschäft haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Downgrade führt nämlich unmittelbar zu einer Verteuerung der Zinsen.Allein bei 2 Milliarden c in diesem Jahr – vielleicht 100 oder 150 Millionen c weniger – kostet dies das Land Hessen ganz kurzfristig mehrere Millionen c. Bei einem Gesamtschuldenstand des Landes von 28 Milliarden c, deren Zinsbindung auch irgendwann einmal ausläuft, kostet uns das mittelfristig ein Vermögen. Dieser Finanzminister sagt: Na ja, das ist alles halb so wild. Wir haben alles versucht. – Herr Finanzminister, nichts haben Sie versucht, um dies zu vermeiden.
Wenn ich mir diese Neuverschuldungszahlen anschaue und einen Bezug zu der Regierungserklärung herstelle, fällt mir auf, dass wir heute Morgen einen Ministerpräsidenten gesehen haben, der hier sozusagen in der Feuerwehruniform aufgetreten ist und dabei gesagt hat:Alles in Hessen ist ganz schlimm, die Berliner sind daran schuld, und deshalb müssen wir jetzt antreten, um diesen Brand zu löschen.
Herr Ministerpräsident, angesichts dieser Neuverschuldungszahlen stelle ich fest: Wenn man Ihnen die Feuerwehruniform auszieht, kommt der Brandstifter zum Vorschein.
(Beifall bei der SPD – Volker Hoff (CDU): Wenn man Ihnen den Anzug auszieht, was kommt denn dann zum Vorschein?)
Ich habe Ihnen das anhand der Neuverschuldung nachgewiesen; ich kann es auch anhand der Ausgabensteigerung machen. Ich sage das nur, weil der Finanzminister immer diesen einen Satz von sich gibt: Wir haben ein Einnahmenproblem, wir haben kein Ausgabenproblem.
Herr Finanzminister, ich kann Ihnen das an der Ausgabensteigerung nachweisen: 1999 2,1 %, 2000 0,8 %, 2001 3,2 %, 2002 1,9 % und nach dem Haushaltsplan 2003 wiederum 3,2 % Ausgabensteigerung. Ich habe an dieser Stelle schon einmal gesagt, dass das die mit Abstand größte Ausgabensteigerung ist, mit Ausnahme des Bundeslandes Sachsen, das die Flutkatastrophe hatte. Einige Länder haben in ihrem Plan sogar Minderausgaben vorgesehen. Das Land Hessen ist der absolute Spitzenreiter.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Ausgabensteigerung von 3 % ist auch die von den Maastrichtkriterien vorgesehene Höchstgrenze. Allein in dem Plan, der hier
vorgelegt wird, ist eine Ausgabensteigerung vorgesehen, die die Kriterien von Maastricht verletzen würde. Es hat einiges zur Erheiterung beigetragen, als ich hier gesagt habe: Die Sachsen hatten ihre Flutkatastrophe, aber wir haben dafür Karlheinz Weimar und Roland Koch. – Tatsächlich ist das aber nicht erheiternd, weil die Folge der Politik, die Sie zu verantworten haben, ist, dass wir von Ihnen jetzt mit Einsparungsprogrammen konfrontiert werden, die die soziale Infrastruktur in unserem Lande tatsächlich so rasieren werden, dass sie in dieser Art und Weise nie mehr herzustellen sein wird.