Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein sehr komplexes Thema, über das wir jetzt diskutieren.
Für das Thema dritter Arbeitsmarkt bräuchten wir eigentlich viele Stunden. Denn das, was Herr Kollege Bocklet in seinem Antrag niedergeschrieben hat, ist natürlich etwas völlig anderes als das, was in der Arbeitsgruppe der Bundesregierung unter dem Stichwort Brandner/Laumann diskutiert wird.
Über einen dritten Arbeitsmarkt kann man sicher aus meiner Sicht in einem ganz eingeschränkten Bereich sprechen.Aber das halten Sie in Ihrem Antrag an keiner Stelle fest. Sie reden über alle Langzeitarbeitslosen und schlagen vor, mit 5.000 anzufangen. In der Arbeitsgruppe wird darüber gesprochen, was man mit Menschen macht, bei denen man feststellt, dass sie wahrscheinlich dauerhaft nicht mehr als vier oder fünf Stunden täglich, und das nur mit großen Anstrengungen, in der Lage sind, zu arbeiten. Das ist also die Möglichkeit, Menschen überhaupt zu beschäftigen, was z. B. das Stichwort Drogen betrifft.
In diesem kleinen Bereich – das trifft nun wirklich nicht auf die ganz große Gruppe der Langzeitarbeitslosen zu – wird über das Thema dritter Arbeitsmarkt gesprochen. Diese Einschränkung muss man ganz deutlich machen, denn sonst organisieren Sie schlichtweg im großen Stil ABM, wie es das früher gab und was wir endlich abgeschafft haben.
Das kann nicht Sinn der Sache sein. Alle Experten sind sich darüber einig,dass es das Wichtigste ist,wenn wir eine Änderung am SGB II vornehmen, eine Änderung bei den Hinzuverdienstregelungen zu bewirken. Das ist unter allen Experten unumstritten, egal welches Wirtschaftsinstitut Sie fragen, ob Bofinger, ob Walwei, ob Sinn oder ob IW. Alle sind der Auffassung, bei den Hinzuverdienstregelungen muss etwas geändert werden.
Es geht vor allem darum, dass Menschen nicht dauerhaft in niedrigen Löhnen gehalten werden. Wir haben heute eine völlig falsche Anreizsetzung.Wenn die Menschen einen 400-c-Job annehmen, haben sie den größtmöglichen Zugewinn, und es lohnt sich nicht, dort herauszugehen. Alle sind sich darüber einig – die großen Institute, und langsam setzt es sich auch in den unterschiedlichen Parteien durch –, dass genau in diesem Minijobbereich die Anrechnungen weggenommen werden müssen, damit es attraktiver ist, eine Ganztagsstelle auch mit niedrigen Löhnen anzunehmen, die dann aber aufgestockt werden.
Ob Sie das nun Kombilohn oder negative Einkommensteuer nennen, ist mir zum Schluss egal. Die negative Einkommensteuer – auch darüber haben wir erst vor wenigen Tagen eine Anhörung mit Experten durchgeführt, und alle sind sich einig – ist nicht die Finanzamtslösung; denn sie ist viel zu kompliziert umzusetzen. Die negative Einkommensteuer,wie Sinn und andere sie vorsehen,ist auch im heutigen System möglich. Bei dem Stichwort negative Einkommensteuer geht es darum, wie man Tarifverläufe vernünftig anpassen kann.
Zum Bürgergeld würde ich nur einen Unterschied anbringen wollen.Viele rechnen in das Bürgergeld alle Leistungen, auch die für behinderte Menschen, ein und verteilen das auf alle Köpfe um. Das halte ich für hochgefährlich; denn das führt dazu, dass wir keine Leistungen mehr für behinderte Menschen und alle anderen haben, für die der Staat derzeit Sonderleistungen anbietet, die ganz gezielt einer Gruppe zugute kommen.Wenn wir das auf alle Köpfe, die genau das nicht brauchen, umverteilen, machen wir funktionierende Systeme kaputt. Deswegen muss man dort sehr vorsichtig sein bei dem, was jeweils unter dem Stichwort Bürgergeld diskutiert wird.
Aber ich glaube, die Einigkeit besteht darin, dass wir die Hinzuverdienstmöglichkeiten ändern und auch die Arbeitsanreize richtig setzen müssen. Das Thema Leistung und Gegenleistung ist bisher nicht vernünftig im SGB II verankert.
Das Thema Leiharbeit muss dort selbstverständlich auch eine Rolle spielen, damit Menschen aus einer kommunalen Beschäftigung heraus in den ersten Arbeitsmarkt kommen. Über einen dritten Arbeitsmarkt kann man dann sprechen, wenn die Personengruppe ganz eng eingegrenzt ist und entsprechende Maßnahmen nicht dazu dienen, Menschen dauerhaft auf ein Abstellgleis zu schicken und ABM im großen Stil zu organisieren.
All das ist im Antrag der GRÜNEN überhaupt nicht berücksichtigt. Ich halte ihn aus diesem Grund für äußerst problematisch. Im Antrag der CDU-Fraktion ist genau dieser Schwerpunkt gesetzt: Hinzuverdienstregelungen ändern, das, was alle Institute empfehlen. Ich hoffe auch, die Gruppe im Bund wird sich darauf verständigen, dort den ersten Schritt zu machen, sodass man das weiter ausbauen kann.
Wenn dann ein Bereich bleibt,in dem wirklich schwer vermittelbare Menschen mit Einschränkungen, z. B. unter dem Gesichtspunkt Drogen,übrig bleiben,die nicht in der Lage sind, mehr als drei oder vier Stunden lang irgendeiner vernünftigen Beschäftigung nachzugehen, dann kann man über diesen kleinen Bereich sprechen, aber bitte nicht so, dass alle in einen dauerhaften dritten Arbeitsmarkt kommen und keinerlei Anreize mehr bestehen, dauerhaft selbstständig tätig zu sein.
Danke sehr, Frau Ministerin. – Herr Bocklet hat sich nochmals zu Wort gemeldet. Sie haben fünf Minuten Zeit, Herr Bocklet.
Wissen Sie, wenn die FDP von Armut spricht, dann ist es so, als wenn die süddeutschen Bischöfe vom Kinderkriegen reden.
Deswegen beschäftige ich mich lieber mit dem, was die Frau Ministerin gesagt hat. Es geht um die eng eingegrenzte Gruppe. Ich hätte von Ihnen schon so viel intellektuelle Redlichkeit erwartet – –
Herr Bocklet, es gibt Vergleiche, die vom Gehalt her sinnvoller sind als der, den Sie gebracht haben. – Gleichwohl bitte ich um Gehör für den Redner.
Es ging um die eng eingegrenzte Gruppe, richtig. Frau Lautenschläger, wenn Sie unseren Antrag richtig gelesen haben, dann haben Sie auch gelesen, dass darin von vielen Tausenden von den 160.000 Langzeitarbeitslosen gesprochen wird.Viele Tausende davon, das ist ein Bruchteil der Langzeitarbeitslosen. Das ist eine eng eingegrenzte Gruppe.
Aber wenn man einen Funken Ahnung von den Zahlen hat, die es aus Hessen gibt, dann wüsste man, dass diese eng eingegrenzte Gruppe sich mittlerweile bei etwa 50.000 bewegt. So eng eingegrenzt ist nämlich diejenige Gruppe, die dem Arbeitsmarkt fern ist.
Wir wollen als GRÜNE alles daransetzen, dass alle Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden.Aber wir haben keinen Realitätsverlust; denn wir wissen, dass es eine kleine Gruppe von Menschen gibt, etwa ein Drittel,die nicht vermittelbar sind.Das sagen uns die Menschen, die z. B. mit den 1-c-Jobbern zusammenarbeiten. Die sagen, etwa ein Drittel der 1-c-Jobber ist nicht vermittelbar, selbst wenn wir sie mit allen Arbeitsförderungsprogrammen stopfen, die wir haben. Selbst
Wir wünschen dies zwar als GRÜNE, aber wir nehmen zur Kenntnis, dass es nicht möglich ist. Deswegen muss man diesen Menschen ein Angebot unterbreiten. Da ist es sinnvoll, bei den 15.000 1-c-Jobs anzusetzen. Sie stehen sicherlich in Konkurrenzsituation, aber sie werden doch vor Ort in den Jobcentern mit den Beiräten und den Handwerkskammern abgestimmt. Sie existieren doch jetzt schon, ohne dass es einen Aufschrei der Konkurrenz gibt. Es wäre ein Leichtes, von den bereits existierenden 15.000 1-c-Jobs ein Drittel zu nehmen und sie in dauerhafte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze umzuwandeln. Das wäre ein Leichtes.
Lassen Sie mich noch einmal meine große Verwunderung zum Ausdruck bringen. Frau Fuhrmann, Wolfgang Böhmer von Sachsen-Anhalt – das ist jetzt an die CDU gerichtet –, die Große Koalition in Brandenburg, also auch mit SPD-Beteiligung, bewegen sich in diese Richtung. Sogar die Große Koalition in Berlin
hat sich auf einen dritten Arbeitsmarkt für 100.000 chancenlose Langzeitarbeitslose verständigt. Die Brandenburger sagen, auf Bundesebene sollen künftig passive Leistungen mit Mitteln für aktive Arbeitsmarktmaßnahmen realisiert werden,für einen dritten Arbeitsmarkt.Also tun Sie nicht so, als ob andere Parteien das nicht wollten und die GRÜNEN völlig auf dem Trip seien.
Der Punkt ist, dass die hessische SPD und die hessische CDU offensichtlich nicht in der Lage sind, sich der aktuellen Situation anzupassen, um einer Gruppe von Vergessenen endlich Möglichkeiten für eine dauerhafte Beschäftigung anzubieten. Das ist die traurige Realität.
Vielen Dank, Herr Bocklet. – Meine Damen und Herren, die Aussprache zu den beiden Anträgen ist beendet. Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Aktion 5.000 Menschen in Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren soll gemeinsam mit dem Dringlichen Antrag der Fraktion der CDU betreffend rasche bundesweite Arbeitsmarktreform notwendig dem Sozialpolitischen Ausschuss überwiesen werden.– So machen wir das.
Beschlussempfehlung und Bericht des Ältestenrats zu dem Antrag der Fraktion der FDP betreffend die Geschäftsordnung des Hessischen Landtags – Drucks. 16/6571 zu Drucks. 16/6039 –
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns in den nächsten 15 oder 20 Minuten mit einem Thema, das uns als Hessischer Landtag direkt angeht.Wir haben in der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags notiert, zu welchen Themenbereichen wir ordentliche Ausschüsse einsetzen. Wir haben darüber hinaus notiert, wo wir Unterausschüsse einsetzen.
Es gibt den Unterausschuss Justizvollzug. Es gibt ihn im 60. Lebensjahr, und am 11. Mai dieses Jahres werden wir alle gemeinsam den Geburtstag des Unterausschusses Justizvollzug in einer Justizvollzugsanstalt in Hessen feiern.
Ich glaube, Jürgen Banzer steht wie auch früher Christean Wagner dagegen, dass das ein Tag der offenen Tür in der Justizvollzugsanstalt sein wird, Herr Kollege Schmitt. Ich wollte den Zwischenruf, der mir gut gefällt, gleich kommentieren.