Protocol of the Session on March 29, 2007

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie schreiben das zum Teil selbst, jedenfalls die Ziele, in ihre Broschüren.

In der letzten Woche hat die Sozialministerin eine Integrationsvereinbarung mit den Kommunen unterzeichnet. Im Vorwort schreibt Sozialministerin Lautenschläger:

Integration ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Lebensbereiche und alle Politikfelder auf Bundes-, Landes- und insbesondere auf kommunaler Ebene betrifft. Integration erfordert das Engagement und

die gemeinsame Verantwortlichkeit aller Beteiligten am Integrationsgeschehen vor Ort.

Wie könnte man das besser unterstützen, als indem man den Menschen, die betroffen sind, ein Wahlrecht gibt?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Spitzenverbände sagen das in dieser Vereinbarung. Sie sagen:

Denn Integration spielt sich vor allen Dingen in den Gemeinden,in den Stadtteilen vor Ort ab.Hier treffen Menschen aus unterschiedlichen Lebensbereichen, Kulturen und Nationen zusammen. Hier werden Probleme, aber auch die Chancen für ein friedliches Miteinander sichtbar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann man nur unterstützen. Wenn wir ein Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer schaffen, dann vor Ort, in den Kommunen – dort sind die Menschen am nächsten dran, da wird über ihren Kindergarten, über den Spielplatz und über Dinge diskutiert und entschieden, die sie unmittelbar betreffen. Dann soll man den Menschen auch die Möglichkeit geben, hier mitzubestimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch einmal zu Ihrem Integrationskonzept. Das ist sehr interessant, Sie definieren den Begriff Integration so:

Integration zielt auf Partizipation der zugewanderten Menschen am gesellschaftlichen, am wirtschaftlichen, am kulturellen und am politischen Leben.

Wenn Sie Ihre Broschüren und die Vereinbarung, die Sie mit den Kommunen schließen,ernst nehmen,dann sollten Sie unserem Vorschlag beitreten und hier einen Antrag verabschieden, der die Landesregierung auffordert, im Bundesrat aktiv zu werden und dafür Sorge zu tragen, dass das Grundgesetz geändert wird, damit wir endlich auch in der Bundesrepublik Deutschland ein Wahlrecht für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger einführen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Änderung des Grundgesetzes ist notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht eine landesgesetzliche Regelung in Schleswig-Holstein und in Hamburg kassiert und gesagt hat, dass man dafür das Grundgesetz ändern muss.

Das wäre ein wirkliches Zeichen in Richtung Integration. Das wäre ein wirkliches Zeichen der aufnehmenden Gesellschaft an die Menschen, die zugewandert sind, das lautet: Wir wollen, dass ihr beteiligt werdet, wir geben euch die Möglichkeit der politischen Partizipation, wir wollen, dass ihr hier in Deutschland wählen dürft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Bellino das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion begrüßt natürlich jede Maßnahme, die dazu geeignet ist, die Wahlbeteiligung vor Ort, aber auch bei Landtags- und Bundestagswahlen zu erhö

hen, und jede Maßnahme, die geeignet ist, beim Themenkomplex Integration ein Stück weiter nach vorne zu kommen. Insofern haben Sie sehr richtig aus der letzten Publikation unserer Sozialministerin zitiert.

Hier gibt es aber überhaupt keinen Widerspruch. Die Integration, die von dieser Landesregierung in der Tat als eine Querschnittsaufgabe begriffen und vor allen Dingen auch umgesetzt wird, hängt doch nicht davon ab, ob vor Ort ein kommunales Wahlrecht existiert oder nicht.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt, wie wir wissen, viele Maßnahmen – auch unterstützende Maßnahmen des Landes –,die vor Ort dazu beitragen, dass diejenigen, die integrationswillig sind, integriert werden können. Die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für alle Ausländer ist unseres Erachtens aber kein probates Mittel, die Wahlbeteiligung zu erhöhen oder die Integration zusätzlich zu fördern.Alleine der Blick auf die Quote der Beteiligung an den Wahlen zu Ausländerbeiräten und auf die Wahlbeteiligung unter EU-Ausländern auf kommunaler Ebene zeigt, dass die Wahlbeteiligung hierdurch nicht erhöht werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Sie zeigt auch – das ist sehr bedauerlich –, dass gerade bei den Wahlen zu den Ausländerbeiräten zum Teil selbst Werbekampagnen nichts mehr nutzen, dass vor Ort nur noch unter ganz großen Schwierigkeiten und hohem Aufwand gewählt werden kann.

Der Antrag der SPD-Fraktion ist unseres Erachtens sachlich nicht richtig,

(Reinhard Kahl (SPD):Was für ein Antrag?)

denn eine Gesetzesinitiative auf Landesebene wird aufgrund der grundgesetzlichen Regelung nicht erfolgreich sein.

Der Antrag der GRÜNEN ist aus den Gründen, die ich eben dargelegt habe, ebenfalls nicht tauglich.

Zu den rechtlichen Zusammenhängen: § 30 HGO und § 22 HKO beziehen sich auf Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz, dass das aktive Wahlrecht nur der Personengruppe zusteht,die die deutsche Staatsangehörigkeit hat.Das aktive Wahlrecht ist aufgrund der Grundgesetzänderung vom Jahre 1992 auch den EU-Ausländern zugestanden worden. Ich nehme aber ausdrücklich Bezug auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das – der Vorredner hat darauf hingewiesen – ein Landesparlament zurückgepfiffen hat, als es darum ging, ein kommunales Wahlrecht für ausländische Mitbürger zu verankern.

Diese rechtliche Würdigung der Bedenken bezüglich einer Beteiligung ausländischer Mitbürger an Wahlen, der Erhöhung derselben durch die Gewährung des Wahlrechts und der Hinweis darauf, dass Integration mit dem Wahlrecht nichts zu tun hat, führen dazu, dass wir beide Anträge ablehnen werden.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Waschke das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Bellino, es gibt nur einen Antrag der GRÜNEN dazu,keinen Antrag der SPD-Fraktion.Wir als SPD-Fraktion begrüßen den von den GRÜNEN vorgelegten Antrag zum kommunalen Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und Nicht-EU-Bürger.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Kollegen. – Dieser Antrag fußt auf einem Vorstoß der Oberbürgermeisterin von Frankfurt, Petra Roth, die der CDU angehört. Ich finde Frau Roth sehr mutig, und ich finde, sie ist eine gute Praktikerin.

(Zurufe von der CDU)

Sie weiß, wie man die Probleme vor Ort richtig angeht. Jetzt wird es spannend, denn es ist die Frage: Wie holt sie ihre Parteikollegen mit ins Boot?

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Gar nicht!)

Angesichts dessen, was Herrn Bellino gesagt hat, wird das bestimmt sehr schwierig. Frau Roth hat aber allemal recht mit ihrem Vorstoß, Herr Irmer. Auch die SPD in Hessen befürwortet seit Langem ein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und Nicht-EU-Bürger. Dazu gibt es entsprechende Parteitagsbeschlüsse. Für uns ist die Möglichkeit, auf kommunaler Ebene wählen zu dürfen, und damit die Teilhabe an politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Entwicklungen ein sehr wichtiger Beitrag zur Integration unserer ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Nur wer in Entscheidungen eingebunden wird, fühlt sich willkommen und als vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft.Wer über eine längere Zeit bei uns lebt, arbeitet und Steuern zahlt, muss auch die Möglichkeit haben, über die Geschicke der Kommune, in der er oder sie lebt, mitentscheiden zu können.

(Beifall bei der SPD)

Wir als SPD-Fraktion in diesem Hause fordern daher die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative zu starten, den entsprechenden Artikel des Grundgesetzes zu ändern, um den Nicht-EU-Bürgerinnen und Nicht-EU-Bürgern ein kommunales Wahlrecht und damit die politische Partizipation zu ermöglichen. Das wäre in unseren Augen ein ganz konkreter Beitrag zur Integration.

Bisher fordern wir von Migrantinnen und Migranten das Erlernen der Sprache. Wir fordern das Bekenntnis zu unseren Werten, wir fordern ein Wissen über unsere Geschichte bis hin zu den von der CDU geforderten Einbürgerungstests mit Fragen nach dem „Wunder von Bern“ und den Kreidefelsen auf Rügen.

(Zurufe von der CDU)

Integration ist aber keine Einbahnstraße und darf nicht nur aus Forderungen an ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger bestehen. Als Gesellschaft müssen wir auch etwas im Gegenzug tun, und die Gewährung eines kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-Bürgerinnen und Nicht-EU-Bürger wäre hierzu ein guter Weg. Das wäre ein sehr klares Signal, und es wäre einmal mehr etwas anderes als nur ein politisches Lippenbekenntnis.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat Kollege Hahn das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Aufgerufen ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,Drucks.16/6960,vom 27.Februar 2007.Außerdem haben wir einen fast gleich lautenden Antrag der SPD-Fraktion vom 14. Februar, Drucks. 16/6908. Beide Anträge haben in den Augen der FDP-Fraktion das sehr große Problem, dass sie ein wichtiges Thema nur deshalb zur Schau stellen, weil die Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main eine Presseerklärung abgegeben hat. Ich halte es dem Thema Integration für überhaupt nicht angemessen,

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

dass man Schaufensteranträge stellt, nur weil die Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main eine Presseerklärung abgegeben hat.