Meine Damen und Herren, wir haben alle gleichberechtigte Rechte auf Aufmerksamkeit. Da alle ein bisschen überzogen haben,darf auch Herr Al-Wazir zwölf Minuten reden. – Bitte sehr.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich um genau diese sachliche Diskussion, die Reinhard Kahl gerade eingefordert hat, bemühen.
Vielleicht eine Vorbemerkung. Ich beglückwünsche den Abg. Lortz zu seinen rhetorisch gelungenen Bildern, was die Qual und Mühsal eines Abgeordnetenlebens angeht. Lieber Frank Lortz, wenn das alles so schlimm ist, warum machst du das schon seit 25 Jahren und kandidierst wieder? Insofern glaube ich, man kann an einem bestimmten Punkt sehen, dass wir aufgerufen sind, uns genau zu überlegen, warum es Reformbedarf gibt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als GRÜNE sind der Meinung, dass es diesen Systemwechsel in der Abgeordnetenversorgung geben muss.
Wo standen wir eigentlich 2003? Der Kollege Walter sagte – ich zitiere aus der „Frankfurter Rundschau“ vom 10.03.2003 –:
Stattdessen sollen die gewählten Abgeordneten wie Freiberufler für ihre angemessene Altersabsicherung selbst sorgen.
Ich zitiere den Abg. Reinhard Kahl, der in einer Presseerklärung der SPD-Fraktion vom 28. Mai 2003 gesagt hat:
Wenn von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gefordert wird, ihre private Altersvorsorge zu stärken, dann muss das auch für die Parlamentarier gelten.
Die Kommission erhält den Auftrag,Empfehlungen für eine Neuordnung der Entschädigung und Versorgung der Abgeordneten zu erarbeiten, die insbesondere die Frage der selbstständigen privaten Altersversorgung der Abgeordneten berücksichtigt.
Der Landtag beauftragt das Präsidium des Hessischen Landtags, einen Vorschlag zur Reform der Struktur der Abgeordnetenentschädigung und -versorgung zu erarbeiten...
Meine Damen und Herren, Sie müssen doch sehen, dass das, was CDU und SPD hier vorgelegt haben, nicht dem entspricht, was dieses Parlament 2003 in Auftrag gegeben hat.
Als der Hessische Landtag dies 2003 auf den Weg gebracht hat, begann aus meiner Sicht das große Bremsen. Die erste große Bremse wurde betätigt, als man gesagt hat: Wir wollen abwarten, was Nordrhein-Westfalen macht. – Unter uns gesagt: Viele haben gehofft, dass Nordrhein-Westfalen es nicht hinbekommt. Aber Nordrhein-Westfalen hat den Systemwechsel geschafft. Das heißt, dann musste man endlich auch hier anfangen.
Das Ergebnis der Arbeit der von uns beauftragten Kommission, das im letzten Jahr vorgelegt wurde, war der Vorschlag, einen Systemwechsel nach dem Prinzip „Weg von der Staatsversorgung, hin zur privaten Eigenvorsorge“ vorzunehmen.
Lieber Kollege Kahl, das Ergebnis war: weg von der Staatsversorgung, hin zur Eigenvorsorge. – Selbst da haben einige gehofft, dass es eine öffentliche Empörung geben würde, die dazu geführt hätte, dass das Ganze wieder beseitigt wird. Aber siehe da, das Ergebnis war ein Lob allerorten.
Ich frage Sie, was eigentlich dagegen spricht, dass man das einfach macht, wenn wir als Parlamentarier eine Kommission beauftragen und diese Kommission ein Ergebnis vorlegt,das in der Öffentlichkeit auf große Zustimmung stößt und genau dem entspricht, was wir vorher wollten.
Warum kommt diese Koalition aus CDU und SPD dann mit kosmetischen Korrekturen am bestehenden System? Ich bleibe dabei, dass es kosmetische Korrekturen am bestehenden System sind.An der Mindestversorgung ändert sich nichts. Man bekommt sie eben nicht nach sechs, sondern erst nach acht Jahren. Man kann nicht mehr mit 55, sondern „erst“ mit 60 Jahren in Rente gehen. Ich glaube, das ist nicht die Reform, die wir 2003 wollten. Das ist sie nicht.
Die Abgeordneten von CDU und SPD können am Ende zu dem Ergebnis kommen, dass sie, aus welchen Gründen auch immer, am bestehenden System festhalten wollen. Herr Kollege Kahl und Herr Kollege Wintermeyer, ich lasse aber keine abenteuerlichen Rechnungen durchgehen, mit denen das Privatmodell so dargestellt wird, als ob es teurer wäre. Das geht nicht.
Wenn Sie im staatlichen System mit Bezugszeiten von durchschnittlich 15 Jahren rechnen, kann ich Ihnen sagen: Die Abgeordneten dieses Landtags sind glücklicherweise nicht mehr nur ledige Männer. Das wäre der einzige Punkt, an dem die Daten der Sterbetafel zutreffen würden. Wenn Sie das Privatmodell so berechnen, als ob der durchschnittliche Abgeordnete 35 Jahre im Landtag säße, sage ich Ihnen: Das hat noch nicht einmal Armin Clauss
Der Kollege Kahl hat eben noch einmal dasselbe Problem angesprochen. Er hat im Zusammenhang mit dem Privatmodell davon geredet, dass jemand im Alter von 25 Jahren hierher kommt und bis zum 60. Lebensjahr bleibt. Im nächsten Satz hat er gesagt, die durchschnittliche Bezugsdauer liege bei elf Jahren. An diesem Punkt können Sie sehen, dass die Argumentation leider nicht sehr seriös ist.
Ich sage Ihnen ausdrücklich, ich finde es nicht gut, so zu tun, als ob man für Abgeordnete keine Rückstellungen vornehmen müsste und als ob das billiger wäre.
Die damalige Landesregierung,von CDU und FDP getragen, hat zu Recht die Regelung eingeführt, dass für die Beamten, die neu eingestellt werden, eine Rückstellung gemacht wird. Dann kann man doch nicht so tun, als wäre es für Abgeordnete völlig absurd, sich zu überlegen, wie man die Kosten jetzt verteilt, damit man sie später nicht tragen muss.
Wenn Ihre Rechnung, wonach das billiger ist, richtig wäre, müssten Sie konsequenterweise alle Angestellten des Landes morgen verbeamten lassen.Auf diese Idee kommt wohl niemand ernsthaft.
Meine Damen und Herren, es gilt das, was meine Kollegin Wagner hier schon mehrfach gesagt hat: Gerade in dieser Debatte genießen alle Redner die gleiche Aufmerksamkeit. Darum möchte ich Sie hier dringend bitten. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Deswegen glaube ich, hier für meine Fraktion feststellen zu müssen, dass CDU und SPD mit dem, was sie vorgelegt haben, eindeutig zu kurz gesprungen sind.
Wir glauben, dass wir einen Systemwechsel hin zu einer kapitalgedeckten Altersversorgung durch Eigenvorsorge der einzelnen Abgeordneten und weg von der Staatsversorgung brauchen, um Transparenz herzustellen, und damit klar wird, wie die realen Kosten – pro Abgeordneten und Monat die Summe X – aussehen. Wir brauchen eine Abkehr vom System auch deshalb, damit wir endlich eine transparente, nachvollziehbare und saubere Regelung haben, die uns von dem Vorwurf der Selbstbedienung befreit. Eigentlich müssten auch Sie ein Interesse daran haben.
An diesem Punkt nicht. – Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir uns, wenn Sie sich weiterhin auf dem bisherigen Weg bewegen und bei dem bestehenden System bleiben, auch in Zukunft immer wieder über die Altersversorgung unterhalten müssen, und zwar nicht, weil wir so viel Spaß daran haben, sondern weil die Leute, die sich das betrachten und mit ihrer Lebensrealität vergleichen, sagen, dass dies nicht sein kann. Ich glaube, dass sich das am Ende gegen die Politik insgesamt richtet – auch gegen uns, obwohl wir das nicht unterstützen. Am Ende könnte sich das auch gegen das demokratische System insgesamt richten. Ich bitte Sie, noch einmal darüber nachzudenken.
Deswegen werbe ich noch einmal für einen Systemwechsel, mit dem ein für alle Mal eine transparente, saubere und nachvollziehbare Regelung geschaffen wird, die uns von dem Vorwurf der Selbstbedienung endgültig befreit.
Deswegen bitte ich Sie, noch einmal darüber nachzudenken. Ich sage ausdrücklich, dass die Abgeordneten nicht überbezahlt sind. Aber ich erkläre, dass sie überversorgt sind.Wenn wir dies endlich beenden wollen,müssen wir in unser aller Interesse einen Systemwechsel vornehmen. – Vielen herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Al-Wazir. – Nun haben sich drei Kolleginnen und Kollegen zu Kurzinterventionen gemeldet.Als Erster erteile ich Frau Kollegin Wagner das Wort. Dann kommen Herr Kollege Kartmann und Herr Kollege Wintermeyer an die Reihe. Im Anschluss daran hat Herr Kollege Al-Wazir die Gelegenheit zu einer Antwort.