Protocol of the Session on March 27, 2007

Meine Damen und Herren, vielleicht wäre es ganz gut, wenn Sie mir wenigstens bei den Mitteilungen zur Tagesordnung Ihr Ohr leihen würden. Ich gebe es Ihnen nachher am Ausgang wieder zurück.

Im Anschluss an die Plenarsitzung findet im Raum 510 W des Landtagsgebäudes eine Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr statt, sofern eine dritte Lesung des Sparkassengesetzes gewünscht wird.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident, es tut mir leid, ich leihe Ihnen mein Ohr, aber ich habe nichts verstanden!)

Ihre Fraktion ist so laut, Herr Kollege Kahl.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine ist es nicht!)

Ich habe gesagt: Kollege Kahl. – Ich wiederhole mich, wenn Ruhe ist.

Heute Abend findet im Anschluss an die Sitzung des Landtags eine Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr statt, sofern eine dritte Lesung des Sparkassengesetzes gewünscht wird. Es ist angekündigt, ergo findet sie statt.

Meine Damen und Herren, das waren die Mitteilungen. Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 1:

Fragestunde – Drucks. 16/7017 –

Frage 728, Frau Kollegin Kölsch. Bitte schön. – Wo ist Frau Kölsch? – Herr Landau, bitte.

Ich frage die Landesregierung – in Vertretung der Abg. Kölsch –:

Welche radtouristischen Großprojekte wurden im Jahr 2006 mit Mitteln aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) gefördert?

Herr Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung.

Herr Abgeordneter, im zurückliegenden Jahr, also im Jahr 2006, wurden den hessischen Kreisen und Kommunen Fördermittel in Höhe von rund 11 Millionen c zur Verbesserung des Radwegeverkehrs zur Verfügung gestellt. Insgesamt konnten 31 neue Maßnahmen bewilligt werden. Die Mittel stammten aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und dem Finanzausgleichsgesetz des Landes Hessen. Neben einer Vielzahl kleinerer Projekte war für die Fahrradfahrer unter anderem die Förderung des Neubaus des sogenannten Kegelspielradwegs in der Rhön, der bis nach Thüringen reicht, von hohem Interesse. Für diese Maßnahme wurden insgesamt 2,26 Millionen c ausgegeben. Auch in der Stadt Kassel wurde eine der größeren Maßnahmen realisiert, nämlich der Neubau der Radwegebrücke über die Fulda bei der Neuen Mühle.

Ebenfalls zu erwähnen ist der Bau eines Radwegs auf der stillgelegten Bahnstrecke zwischen Bromskirchen und Allendorf (Eder) mit Netzanschluss nach Nordrhein-Westfalen. Ferner hat der Wasserverband Lumda für den Bau des Radrundweges Lumda-Wieseck eine Förderung von einer Dreiviertelmillion Euro erhalten.Insgesamt wurden für die eben von mir erwähnten Maßnahmen 4,6 Millionen c ausgegeben, die weiteren 6,4 Millionen c für die übrigen Maßnahmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Fahrradwegebau erschließt vor allem touristische Gebiete,fördert aber auch die Wegeverbindungen zwischen Stadtzentren und Stadtteilen und schlägt in vielen Bereichen einen Bogen zwischen dem Land Hessen und seinen Nachbarländern, sei es Thüringen, Bayern oder – wie in dem eben genannten Fall – Nordrhein-Westfalen.

Ich möchte eine besondere Attraktion erwähnen. Vielleicht bietet sich auch Ihnen einmal die Gelegenheit, den Selbstbedienungslift über die Fulda bei Malsfeld zu nutzen. Dieser Selbstbedienungslift soll im Sommer in Betrieb gehen. Das Land hat die 150.000 c teure Maßnahme mit 50 % der Kosten unterstützt.Der Lift kann sechs Radler aufnehmen, die sich in ca. 4 m Höhe selbst über die Fulda transportieren.

(Axel Wintermeyer (CDU):Wenn sie schwindelfrei sind!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das zeigt, dass Fahrradwegebau nicht nur eine touristische Attraktivität hat, sondern auch dem Spaß dienen kann.

Vielen Dank. – Keine weiteren Fragen dazu.

Ich rufe Frage 729 auf. Frau Abg.Wagner (Darmstadt).

Ich frage die Landesregierung:

Wie hoch ist die Zahl der aus Hessen ausgewanderten Bürgerinnen und Bürger sowie der Einwanderinnen und Einwanderer in den Jahren 2005 und 2006, gegliedert nach Bildungsabschlüssen?

Herr Minister des Innern und für Sport.

Frau Kollegin Wagner,bedauerlicherweise kann ich Ihnen die Frage in dieser Form nicht beantworten, weil darüber keine Statistiken geführt werden. Zum einen sind die Begriffe Einwanderung und Auswanderung keine Rechtsbegriffe; zum anderen – was die Bildungsabschlüsse angeht, hatten wir gerade neulich im Bundesrat eine neue gesetzgeberische Initiative – werden in Deutschland außer über den Doktortitel keine Statistiken über Bildungsgrade derer, die über die Landesgrenze hereinkommen oder hinausgehen, geführt.

Daraus folgt, dass wir Ihnen nur einige Daten bieten können, die aus dem Ausländerzentralregister und aus den Zahlen des Hessischen Statistischen Landesamtes stammen.Sie hatten nach dem Jahr 2005 gefragt.In der Summe sind im Jahr 2005 61.094 Personen aus dem Ausland nach Hessen gezogen, darunter waren 7.945 Deutsche. Gleichzeitig sind 59.186 Personen von Hessen ins Ausland gezogen, darunter waren 12.047 Deutsche. In den zurückliegenden Jahren war die Zahl der weggezogenen Deutschen höher als die Zahl der zugezogenen Deutschen – durchaus signifikant, wenn auch vielleicht nicht dramatisch.

Bei der Zahl der in Hessen aufhältigen Ausländer haben wir im langfristigen Vergleich seit 1999 einen kontinuierlichen Rückgang zu verzeichnen. Damals waren es noch 845.000 Personen, 2006 liegen wir bei 736.000. Das hat allerdings auch den Grund, dass über diese Jahre eine erhebliche Zahl von Einbürgerungen erfolgt ist, sodass diese Zahlen nicht unbedingt etwas mit Zu- und Wegzug zu tun haben. Das Register kennt praktisch nur den Istzustand, nicht, warum etwas wie ist. Es kommt hinzu, dass

die Weg- und Zuzüge aus den einzelnen Bundesländern statistisch – bedauerlicherweise, möchte ich sagen – überhaupt nicht erfasst sind. Das hat zum Ergebnis, dass wir bei diesen Zahlen auf allgemeine Deutungen angewiesen sind.

Ich verspreche mir – wie wahrscheinlich auch Sie – von der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion ein bisschen mehr. Es gibt einen neueren Artikel aus der „Zeit“, der im Ergebnis festhält, dass der sogenannte Braindrain aus Deutschland hinaus höher ist als derjenige nach Deutschland oder auch nach Hessen herein. Die Zahlen lassen eine solche Annahme begründet erscheinen.

Zusatzfrage, Frau Abg.Wagner.

Herr Minister, wie beurteilen Sie die Berichterstattung der „FAZ-Sonntagszeitung“, die sich auf Feststellungen des Statistischen Bundesamtes bezieht, das sich auf die 16 Bundesländer stützt? In dem Artikel wurde für die Jahre 2005 und 2006 mitgeteilt, dass zum ersten Mal seit 30 Jahren für ganz Deutschland die Zahl der Auswanderungen ungleich höher sei als die der Zuwanderungen. Zweitens wurde behauptet – was dann offensichtlich nicht begründbar ist –, dass die Zahl der Akademiker, insbesondere von Medizinern, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern, bei den Auswanderungen außerordentlich hoch sei. Können Sie dies mit Daten des hessischen Landesamtes beurteilen?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist fast schon ein Berichtsantrag!)

Herr Minister Bouffier.

Frau Kollegin, die Daten haben wir nicht. Ich bin aber natürlich selbst daran interessiert, das ein bisschen besser zu fassen.Unter dem Strich bleibt sicher festzuhalten,dass es für bestimmte Berufsgruppen im Vergleich zur Auswanderung in andere Länder wahrscheinlich nicht attraktiv ist, in der Bundesrepublik Deutschland zu bleiben, wobei ich den Begriff „auswandern“ nicht im Rechtssinne verwenden würde. Wir haben auch eine ganze Reihe Menschen, die temporär das Land verlassen und dann wieder zurückkommen.

Was richtig ist: Diejenigen, die, mit welcher Begründung auch immer, nach Deutschland kommen, sind nur zu einem sehr geringen Teil Menschen, die diese hohe Qualifikation, von der Sie sprachen – Ärzte, Ingenieure und Ähnliches –, mitbringen, sodass der Grundgedanke des Braindrain wahrscheinlich für uns zutrifft.

Ich darf Sie noch darüber unterrichten: Am 27.04. führt die Landesregierung zu dieser Thematik eine Fachtagung durch. Ich bin selbst sehr gespannt, ob wir dort tiefere Erkenntnisse gewinnen können. Im Kern habe ich keinen Zweifel daran – das ist auch die politische Grundüberlegung –, dass es darum gehen muss, Qualifizierte hier zu halten, um diesen Braindrain zu vermeiden.

Zusatzfrage, Herr Al-Wazir.

Herr Minister, da Sie schon die Veranstaltung angesprochen haben: Wie tragen Sie Sorge dafür, dass Auswanderung im Sinne von Weggehen mit dem Ziel, nicht zurückzukommen, nicht verwechselt wird mit Austauschjahren, Auslandssemestern oder gar Auslandsjahren, die statistisch denselben Effekt haben, aber die wir eigentlich in dem Sinne, mehr Erfahrung in anderen Ländern zu sammeln, fördern wollen?

Herr Minister Bouffier.

Das kann man nicht ausschließen. Das liegt aber schlicht daran, dass wir den Begriff „auswandern“ juristisch nicht definiert haben. Wir haben definiert, dass jemand die Grenze überschreitet. Wir haben definiert, dass jemand eine Aufenthalts-,Arbeits- oder Studiengenehmigung bekommt. Ich könnte mir vorstellen, dass eine Überlegung nach diesem Kongress sein wird, dass wir das in Zukunft besser fassen müssen, ohne dass wir eine neue Bürokratie aufmachen.

Zusatzfrage, Frau Kollegin Schulz-Asche.

Herr Minister, liegen denn Erkenntnisse aus den Ländern vor, die immer als Zuwanderungsländer genannt werden, über Deutsche und ihre Motivation,die dorthin kommen? Es kann sein, dass es dort, wenn dort große Gruppen aus Deutschland einwandern oder zuwandern, Erkenntnisse über deren Motivation gibt, z. B. in Schweden die familienfreundliche Gestaltung von Arbeitsplätzen gerade im Gesundheitsbereich.

Herr Minister Bouffier.

Frau Kollegin,ich kann Ihnen nur mit einem Segment dienen.Sie werden sich vielleicht erinnern,dass wir vor etwas über einem Jahr engagiert die Frage diskutiert haben, wie wir einbürgern, sinnvoll oder weniger sinnvoll. In diesem Zusammenhang haben wir uns sehr intensiv bemüht, herauszubekommen, wie z. B. die drei Staaten USA, Australien und Kanada ihre Einbürgerungen durchführen. Daraus haben wir Berichte gewonnen, in denen auch etwas zur Motivation steht. Sehr stark ist es arbeitsplatzbezogen. Für einen nicht unbeachtlichen Bereich sind es Forschung und Wissenschaft. Das hat dort große Attraktivität. Aber ich glaube, das Wesentliche sind die Arbeitsplatzentwicklung sowie viele persönliche Dinge. Ich

würde jetzt nicht so weit gehen, daraus eine allgemeine Antwort abzuleiten.

Zusatzfrage, Frau Kollegin Ruth Wagner (Darmstadt).

Herr Minister, wir beschäftigen uns in der Enquetekommission sehr genau mit diesen Zahlen. Ich will nachfragen. Die Daten, von denen Sie sprechen, sind identisch mit dem, was wir an sonstigen Befunden bezüglich der Mitte-Situation Hessens haben. Die Auswanderung ist noch geringer als die Einwanderung. Das ist in anderen Ländern anders.

Meine Frage ist: Wissen Sie, ob die Statistischen Landesämter versuchen, methodisch an genauere Zahlen zu kommen, die Spekulationen verhindern, wie sie Herr Tarek Al-Wazir angedeutet hat: allgemeine Auswanderung, zeitweise Auswanderung, mit den Konsequenzen für unser Land?

Herr Minister Bouffier.

Frau Kollegin, im Zusammenhang mit dem Thema Zuwanderung im weitesten Sinne ist darüber auch auf Fachebene diskutiert worden. Die Statistischen Landesämter unterstehen in der Regel den Staatskanzleien. Das Statistische Bundesamt muss mitwirken, außerdem das Ausländerzentralregister, damit man überhaupt einen sachgerechten Datenkranz hat.Was es bisher noch nicht gab und was wahrscheinlich eine Begründung dafür ist, warum man Zurückhaltung geübt hat:Man hat keine Spalte „Warum gehen Sie? Warum kommen Sie?“ gehabt.

Da vernünftigerweise die Menschen, aber auch die Betriebe nicht mit immer mehr statistischen Abfragen belastet werden sollten, sind zwei Dinge gegenläufig passiert: Man wollte keine neue Statistik einführen aus den Gründen, die allgemein Zustimmung finden. Ich sehe aber hier, dass wir im Grunde einen erheblichen Aufklärungsbedarf haben.