Protocol of the Session on March 8, 2007

(Michael Boddenberg (CDU): Die sind sogar zu Ihnen gekommen und haben darum gebeten!)

Das hat RWE vollkommen freiwillig getan. Ziel ist es, nach Produktion der Reststrommengen die beiden Reaktorblöcke in Biblis stillzulegen. Sie wissen ganz genau: Niemals war die Übertragung von Reststrommengen auf den Reaktorblock A in Biblis Bestandteil des Atomausstiegsvertrags.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dass die Hessische Landesregierung Herrn Gabriel jetzt vorwirft,eine ideologisch motivierte Entscheidung getroffen zu haben, spricht Bände und nicht für diese Landesregierung. Denn vor Kurzem – das wissen Sie alle ganz genau – entsprach die Art, wie Herr Gabriel entscheiden wird, auch der Rechtsauffassung des Atomministers Dietzel.

(Norbert Schmitt (SPD): Genau so ist es!)

Ich erinnere Sie an die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage, Drucks. 16/4580. Da können Sie es nachlesen.Wir haben gefragt,ob es überhaupt möglich ist, eine Übertragung der Reststrommengen vorzunehmen. Da antwortet der Atomminister Dietzel:

Eine Übertragung von Strommengen aus dem stillgelegten KKW Mülheim-Kärlich ist für Biblis A nicht erlaubt.

Recht hat Herr Minister Dietzel. Recht hat Herr Gabriel, wenn er diesen Antrag negativ bescheidet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir erwarten aber auch für den zweiten Antrag der RWE von Herrn Umweltminister Gabriel eine abschlägige Entscheidung. Sie wissen: RWE hat gleichzeitig für den Fall, dass dem ersten Antrag nicht stattgegeben wird, hilfsweise – so hat das RWE genannt – beantragt, eine Übertragung der Reststrommengen von ebenfalls 30 TWh aus dem zweitjüngsten Kernkraftwerk, nämlich Emsland, auf den Reaktorblock Biblis A vorzunehmen.

(Norbert Schmitt (SPD): Das Kraftwerk wurde 1988 in Betrieb genommen!)

Diese Vorgehensweise der RWE ist absolut absurd und zeigt, wie wenig offensichtlich dieses Unternehmen die berechtigten Sicherheitsinteressen der Bevölkerung wahrnimmt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Pannenserie des Reaktors Biblis A ist doch inzwischen sprichwörtlich geworden. Der endgültige Beweis, wie unzuverlässig dieses Atomkraftwerk ist, wurde doch im September des letzten Jahres deutlich erbracht. Jeder Autofahrer würde sein Auto verschrotten lassen, wenn mehr als die Hälfte der Schrauben nicht mehr richtig hält.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Daran führt kein Weg vorbei!)

Ich erinnere Sie daran: Im Atomkraftwerk Biblis sind über 7.500 Dübel falsch, also entgegen den Vorschriften, eingebaut worden. Für uns GRÜNE gibt es deshalb nur eine sinnvolle Lösung. Sie lautet: Wir fordern RWE auf, das Geld,das das Nachbessern der Dübel kosten würde,in die Nutzung erneuerbarer Energien zu investieren und den Reaktorblock Biblis A erst gar nicht mehr anzufahren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dieses alte, risikobehaftete Atomkraftwerk wird für die Stromversorgung in Deutschland nicht gebraucht. Das zeigt die Strombilanz des Jahres 2006 ganz eindrucksvoll. Die Exportüberschüsse Deutschlands an Strom in den Jahren von 2003 bis 2005 konnten im Jahr 2006 noch einmal mehr als verdoppelt werden. Das heißt, etwa 20 Millionen MWh Strom wurden exportiert. Sie wissen alle ganz genau: Damit liegt der Export an Strom deutlich höher als die Jahresproduktion der beiden alten Reaktorblöcke Biblis A und B. Sie produzieren zusammen 15,9 Millionen MWh Strom pro Jahr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Petra Fuhrmann und Christel Hoff- mann (SPD))

Dieser Stromexport war möglich, obwohl die Atomkraftwerke Stade und Obrigheim nicht mehr am Netz sind und obwohl die beiden Atomkraftwerksblöcke in Biblis heute den 144.Tag Stillstand haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien stieg in dieser Zeit auf 73 Millionen MWh an. Das ist wirklich eindruckvoll. Das ist auch der Grund, weshalb das, was Inhalt der Unkenrufe der großen Stromversorgungsunternehmen war, nämlich die Preise würden sich erhöhen, nicht eingetroffen ist.

Frau Kollegin Hammann, Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Ich komme zum Schluss meiner Rede. – Vor drei Tagen, nämlich am 5. März 2007, wurde in Brüssel eine Meinungsumfrage im Rahmen des Eurobarometers veröffentlicht. Eine der Aussagen ist: 61 % der Bevölkerung der Europäischen Union erklärten, sie seien gegen die Nutzung der Kernenergie, und zwar wegen der Probleme mit den Nuklearabfällen und wegen der Unfallgefahr.

Wir fordern daher RWE und die Hessische Landesregierung auf, endlich die Energiepolitik zu betreiben, die sich die Mehrheit der Bevölkerung wünscht. Sie wünschen sich die Nutzung der erneuerbaren Energien. Nicht das Nachbessern der Dübel ist angesagt, sondern das Abschalten des Reaktorblocks Biblis A. – Ich danke Ihnen.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank.– Das Wort hat Herr Kollege Lenhart für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hatte schon die Befürchtung, Frau Hammann würde ihre gesamte Redezeit zu einem Antrag verwenden wollen, den ihre Fraktion gar nicht gestellt hat.Der Inhalt des Antrags ihrer Fraktion lautet: „Biblis A abschalten statt nachdübeln“.

Sie sind dann aber auf die Entscheidung des Umweltministers Gabriel eingegangen. Es ist richtig: Diese Entscheidung wurde getroffen. – Aber hinsichtlich der Übertragung der Reststrommengen handelt es sich dabei nur um einen Teilentscheid.In der Sache ist also letzten Endes noch nichts entschieden.

Umweltminister Gabriel sagte auch, hinsichtlich der Übertragung von Reststrommengen vom Atomkraftwerk Emsland in Lingen werde es aufgrund der Komplexität länger dauern, bis die Entscheidung fallen wird. Die wollen wir zunächst einmal abwarten.

Ich möchte auf eine andere Sache zu sprechen kommen. Nach der Rechtslage ist es so, dass RWE die Möglichkeit hat, Reststrommengen für das Atomkraftwerk Biblis, Block A, zu verwenden. Es ist nicht bekannt, ob der Betreiber diese Reststrommengen produzieren und auf den Markt bringen will. Es ist einfach konsequent, dass die Sicherheitsaspekte beachtet werden. Da die Rechtslage so ist, kann RWE die Reststrommengen produzieren.

Unsere Position ist: Es darf keine Abstriche bei der Sicherheit geben. – Es ist deshalb logisch, dass die Revision fortgeführt wird.

Insofern ist in der Angelegenheit nichts Aktuelles zu vermelden. Das wollte ich an der Stelle einmal sagen.Auf Ihren Wunsch hin wurde eine Sondersitzung des zuständigen Ausschusses einberufen. Dort wurden Ihre Fragen ausführlich beantwortet. Minister Dietzel sagte zu, regelmäßig über den Stand der Revision zu berichten. Er hat berichtet. Er hat berichtet, dass die Revision weiterhin läuft.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es wurde kein einziger Dübel gesetzt!)

Frau Hammann, insofern bitte ich Sie, in Zukunft Aktuelle Stunden für aktuelle Themen zu verwenden.

(Norbert Schmitt (SPD): Wenn die Ablehnung erfolgt, ist das aktuell!)

Sie haben hier ein Thema eingebracht, das Sie immer bedienen.

Hinsichtlich der Investitionen in die Nutzung regenerativer Energien kann ich sagen, dass wir nach wie vor der Auffassung sind, man sollte beim Energiemix bleiben. Ich bitte Sie aber, sich einfach vor Augen zu halten, dass auf der Energiekonferenz, die gestern in Mainz stattfand, Frau Umweltministerin Conrad gesagt hat, dass es ohne die Nutzung der Kohle nicht gehen wird. Das heißt, wir können nicht nur regenerative Energien nutzen.Wir werden von der Nutzung fossiler Energieträger nicht wegkommen.

Gleiches hat gestern auch Kurt Beck, der Chef der SPD, gesagt. Herr Gabriel sagte gestern in der Sendung „Ich stelle mich“, es sei illusionär, gleichzeitig den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie und aus der Nutzung fossiler Energieträger betreiben zu wollen. Es ergibt sich hier also eine Bewegung, die sehr in die Richtung der Positionen geht, die wir, die Mitglieder der CDU, vertreten.

Zu den längeren Laufzeiten hat sich auch Herr Linkohr, ein Energieexperte der SPD, geäußert. Er sagte, wir bräuchten längere Laufzeiten, und dagegen würde nichts sprechen.

Wir können jetzt einmal in die Reihen der Vertreter der Nutzung der regenerativen Energien schauen. Herr Fritz Vahrenholt hat gesagt, man bräuchte noch Zeit, um Alternativen zu entwickeln.Recht hat er.Er sagte auch,es gebe keinen Grund, aus der Nutzung der Kernenergie mit ideologisch gesetzten Fristen auszusteigen. Er sagte auch, niemand könne doch im Ernst glauben, dass die Nutzung der Windenergie die Nutzung der Kernenergie vollständig ersetzen könne, da müsse man glaubwürdig bleiben. Recht hat er.

(Beifall der Abg. Judith Lannert (CDU))

Das sagte gestern auch Energieminister Gabriel. Er sagte, wir dürften den Leuten nicht irgendetwas erzählen, was nicht zutreffe, die Glaubwürdigkeit müsse erhalten bleiben. Wir, die Mitglieder der CDU-Fraktion, orientieren uns an der Sachlage und nicht an irgendwelchen ideologischen Ausrichtungen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Lachen des Abg. Tarek Al- Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Lenhart,vielen Dank.– Das Wort erhält nun Herr Kollege Schmitt für die SPD-Fraktion.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Er entschuldigt sich jetzt erst einmal!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jeder, der sich im Atomrecht ein wenig auskennt und erwartet, dass die Entscheidung nach Recht und Gesetz erfolgt, wird nicht überrascht sein, dass dem Antrag der RWE, Reststrommengen vom Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich auf den Reaktorblock Biblis A zu übertragen, nicht gefolgt werden wird. Ich bin mir sehr sicher, dass ein Minister, der der SPD angehört, nach Recht und Gesetz verfahren wird. Das heißt ganz eindeutig, der Antrag, den RWE gestellt hat, muss und wird abgelehnt werden.

Momentan gibt es bei den Stromversorgern, die Atomkraft nutzen, sehr viel Bewegung. Aber es wäre doch völlig unakzeptabel, Strommengen auf das älteste deutsche Atomkraftwerk zu übertragen. Denn es hat doch den schlechtesten Sicherheitsstandard. Es ist das Atomkraftwerk, das am anfälligsten und im Übrigen auch am wenigsten gegen Flugzeugabstürze gesichert ist.

Welches andere Atomkraftwerk hat es denn zuwege gebracht, sogar noch Störfälle zu produzieren, wenn es stillsteht?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt!)

Das wurde am 5. Januar 2007 bekannt. Das ist schon eine „große Leistung“.