Protocol of the Session on January 31, 2007

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Meine Damen und Herren, Frau Ministerin, uns interessiert das, was auf Hessen wirklich zukommt.Was bedeutet diese Reform für den Landeshaushalt?

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das fragen wir uns auch!)

Was bedeutet diese Reform für die hessischen Krankenhäuser? Es ist doch aberwitzig,dass wir einerseits über die Landespolitik dafür sorgen,dass die Krankenhäuser mehr Wettbewerb bekommen und dass mehr Betten abgebaut werden, und dass andererseits die Bundesregierung mit dem sogenannten Sonderopfer viele Krankenhäuser in den Ruin treiben wird.Wollen wir denn, dass es in Hessen zu einem Krankenhaussterben kommen wird? Wollen wir denn, dass Krankenhäuser schließen müssen, weil sie finanziell völlig überfordert sind? Auch das geht gegen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, in den letzten Tagen konnte man lesen, was sich auf dem Gesundheitsmarkt und insbesondere im Pharmabereich abspielt. Das ist geradezu abstrus. Wir haben erlebt, dass in einer Zeit, als Joschka Fischer verschiedene Betriebe aus Hanau und auch aus Frankfurt vertrieben hat, große Pharmaunternehmen in Hessen keine Investitionsentscheidungen mehr für Hessen getroffen haben. Es gibt einen großen Hersteller von günstigem Insulin, der damals seine Insulinproduktion mit 2.400 Arbeitsplätzen nach Straßburg verlagert hat. Wir haben uns in dieser Woche informiert:Davon sind immer noch 2.200 Arbeitsplätze vorhanden. Diese sind nicht in Hessen entstanden.

Genauso sieht es bei Sanofi-Aventis aus. Sanofi-Aventis überlegt jetzt,ob im Bereich des Forschungslabors hier investiert werden soll.Man hat gesagt:Nein,das machen wir nicht. – Es ist eine Konzernentscheidung gewesen, zu sagen: In einen Gesundheitsstandort, in dem Gesundheitsforschung erschwert wird und wo Arzneimittelpreisver

ordnungen Wettbewerb und Innovationen erschweren, wollen wir nicht investieren.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Lassen Sie es jetzt 150 Arbeitsplätze sein. Sanofi-Aventis hat in Frankfurt 7.700 Arbeitsplätze. Mit dieser Reform gefährden Sie nicht nur 150 Arbeitsplätze, Sie gefährden langfristig 7.700 Arbeitsplätze alleine bei Sanofi-Aventis.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist abstrus, was Sie hier veranstalten. Sie werden uns gleich erzählen, Frau Ministerin – der Ministerpräsident ist nicht mehr da; deshalb kann er zu dem Thema nichts sagen –, das sei alles notwendig gewesen. Schließlich hat er gesagt, es sei ein Stück Staatsräson, dass die Große Koalition zusammenhält und eine Lösung findet.

Meine Damen und Herren, man kann Staatsräson auch mit dem Wort „Umfallen“ übersetzen.

(Beifall bei der FDP)

Das ist nichts anderes. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, in Ihrem Wahlprogramm haben Sie das Gegenteil davon versprochen. Wir kennen das von der SPD, die gesagt hat, mit ihr gebe es keine Mehrwertsteuererhöhung. Okay, es ist klar, die SPD ist die Steuersenkungspartei in Deutschland. Insofern hätten die Bürgerinnen und Bürger das wissen müssen.

Aber, meine Damen und Herren, wo sind Ihre Überlegungen aus dem Wahlprogramm geblieben? Sie haben sich von Frau Schmidt über den Tisch ziehen lassen. Es ist eine abenteuerliche Geschichte.

Abschließend: Herr Kollege Bouffier, die Oma Lena wird von dieser Reform nichts haben. Sie wird eine Verschlechterung der Gesundheitsversorgung haben. Sie wird erhöhte Beiträge haben. Sie wird dafür 10 c zusätzlich über den Landeshaushalt abdrücken müssen, und sie wird zusehen müssen, wie Lohnzusatzkosten in Deutschland weiter erhöht werden. – Das kann doch nicht in Ihrem Interesse sein.

Falls wir Sie bis jetzt nicht überzeugen konnten, will ich Ihnen sagen, dass die Redakteurin Heike Göbel in der „FAZ“ etwas gesagt hat, was Ihnen zu denken geben sollte. Sie hat gesagt, dass das, was die CDU mit beschließen will, ein genauso großer historischer Fehler ist wie die Umstellung der Renten von Kapitaldeckung auf Umlage im Jahre 1957.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Richtig!)

Wir werden an den Folgen dieser Reform noch Jahrzehnte knapsen, wenn Sie dieses Reformwerk nicht umdrehen. Überlegen Sie genau, ob Sie sich für einen historischen Fehler so mitverantwortlich machen wollen, wie Sie das in den letzten Tagen gesagt haben.

Meine Damen und Herren, wir werden auch nicht akzeptieren, dass Sie sagen: Wir konnten auch nicht mehr ausrichten. – Es ist und bleibt Ihre Pflicht, das, was Sie den Bürgerinnen und Bürgern in Ihrem Wahlprogramm versprochen haben, umzusetzen.

Herr Rentsch, Sie müssen zum Schluss kommen.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Wir werden in der nächsten Sitzung auf jeden Fall in namentlicher Abstimmung beschließen. Sie haben am Freitag im Bundestag die Möglichkeit,das Gesetz abzulehnen.Wir erwarten von unserer Landesregierung, dass sie sich für die hessischen Interessen, für die Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger einsetzt.Aber diese Interessen werden mit der Reform nicht bedient.

Meine Damen und Herren, das wissen Sie genau. Deshalb werden wir von Ihnen verlangen, dass Sie sich namentlich zu diesem Reformwerk äußern. Wir bitten Sie eindringlich – und wirklich nur Sie; denn auf der anderen Seite ist Hopfen und Malz verloren –,dass Sie sich gegen diese Reform aussprechen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der FDP – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): So viel Zeit muss sein!)

Vielen Dank, Herr Rentsch. – Frau Oppermann, ich darf Ihnen das Wort erteilen.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Herr Rentsch, Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das eint uns!)

Aber ich muss Ihnen sagen, bei der heutigen Diskussion wäre es außerordentlich hilfreich gewesen, sich mit den Änderungsanträgen zu befassen, die gemeinsam

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Mit denen von heute Nacht, oder wie? – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nein, nicht die von heute Nacht – von den Koalitionsfraktionen in Berlin verhandelt worden sind und die übrigens zeitgleich heute im Ausschuss beraten werden.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich sage ja: von heute Nacht!)

Denn Sachwissen soll manchmal nicht schädlich sein.

(Beifall des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD) – Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Während Sie hier reden, gibt es schon wieder neue Änderungsanträge, Frau Oppermann!)

Die CDU – das werde ich Ihnen gleich noch aufzeigen – hat sich in vielen Bereichen durchgesetzt, auch zum Vorteil von Hessen.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Zu den heftigst diskutierten Reformen gehört zweifellos die Gesundheitsreform. In kaum einem anderen Bereich werden Reformanstrengungen so kontrovers diskutiert wie bei der Gesundheit; denn schließlich ist von Gesundheitsfragen jeder betroffen. Die entscheidende Frage, über die zu Recht gestritten und diskutiert wird, lautet: Wie finanzieren wir unser Gesundheitssystem?

Da ist die neuerliche Forderung von Teilen der SPD – ich will durchaus sagen, dass sie nur von Teilen der SPD stammt, weil der Bundesfinanzminister dies auch schon

gleich abgelehnt hat – nach Steuererhöhungen mit Sicherheit der falsche Weg.

(Beifall des Ministers Volker Bouffier)

Richtig ist aber auch – um das klar zu sagen –, dass die Kinder auf Dauer über einen Kinderzuschuss finanziert werden.

(Florian Rentsch (FDP): Ja, aber nur in der GKV! – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Was ist mit der PKV?)

Im Übrigen werden für 2007 und 2008 je 2,5 Milliarden c aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt. Darauf hat sich der Koalitionsausschuss gestern geeinigt.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf hat in den letzten Tagen und Wochen einige wesentliche Änderungen erfahren, die richtig und wichtig waren und nicht zuletzt den Verhandlungen dieser Hessischen Landesregierung zu verdanken sind. Ich nenne hier an erster Stelle die Kürzungen bei den Krankenhäusern.Um es klar zu sagen: Der Sparbeitrag für die Krankenhäuser war ursprünglich von der SPD eingebracht worden.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Die ursprünglich vorgesehenen Kürzungen im Krankenhausbereich würden die Krankenhäuser zu einem Zeitpunkt belasten, zu dem sie ohnehin schon zahlreiche Einsparungen aufgrund von DRGs, Arbeitszeiten, Tariferhöhungen usw. vornehmen müssen. Also war es richtig, den Sparbeitrag der Krankenhäuser zu reduzieren.

Als zweiten Punkt will ich die vorgesehene dreiprozentige Kürzung bei den Rettungsdiensten nennen. Diese Einsparvorgabe ist glücklicherweise vom Tisch.

(Heinrich Heidel (FDP): Sehr gut!)

Sie wäre nämlich für die lebensnotwendigen Rettungsdienste mehr als problematisch gewesen. Gerade die Notfallversorgung im ländlichen Raum wäre dadurch gefährdet. Dass die Einsparvorgabe vom Tisch ist, ist im Wesentlichen dieser Hessischen Landesregierung zu verdanken, allen voran unserer Sozialministerin Silke Lautenschläger.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Auch das Einsparvolumen bei Ärzten und Apothekern wird deutlich reduziert.