Protocol of the Session on January 31, 2007

Man hört von Ihnen die Aussage: Macht euch keine Sorgen; wenn es dazu kommt, kann man 2009 mit einer bürgerlich-liberalen Mehrheit im Bundestag das alles wieder rückgängig machen.– Meine Damen und Herren,Sie denken doch nicht im Traum daran, dass das, was Sie jetzt verabschieden wollen, 2009 einfach rückgängig zu machen ist. Sie legen den Hebel doch nicht einfach wieder um. Es ist absolut unmöglich, dass das, was Sie jetzt mit der PKV vorhaben, spurlos an ihr vorbeigeht. Sie können doch den medizinischen Fortschritt, den Sie jetzt abwürgen, 2009 nicht einfach wieder einschalten.

Das sind Trugschlüsse. Sie versuchen auch, die Kolleginnen und Kollegen in Ihren eigenen Reihen für dumm zu verkaufen, weil Sie deren Zustimmung brauchen – die Sie aber immer weniger bekommen.

(Beifall bei der FDP)

Die Hessische Landesregierung hat auf die Einbringung ihrer eigenen Vorstellungen verzichtet. Dabei ist sie progressiv gestartet. Das darf man von den eigenen Überlegungen schon sagen, Frau Ministerin Lautenschläger. Auch Herr Koch hat sich in diesem Bereich sehr profiliert.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wo ist er eigentlich?)

Er hat gerade den Saal verlassen.Wir müssen also in seiner Abwesenheit über ihn sprechen. Das macht man eigentlich nicht.

Was steckt denn dahinter,dass Roland Koch auf einmal zu diesen Themen schweigt?

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP):Tja!)

Seitdem Roland Koch stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU ist, hören wir aus seinem Munde keine Reformvorschläge mehr. Wir hören nichts Progressives mehr.Vielmehr kettet er sich auf Gedeih und Verderb an Frau Merkel.

(Beifall bei der FDP – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Vom Kettenhund zu angekettet!)

Es kann doch nicht sein, dass die Hessen dafür zahlen müssen, dass Roland Koch nun in Berlin eine Parteikarriere macht. Das kann es doch nicht sein.

(Beifall bei der FDP)

Der Herr Ministerpräsident – das wissen Sie in Ihrer Fraktion sicherlich genau – erwähnt immer die sogenannte Oma Lena als die Bürgerin in unserem Lande,der man erklären müsse, worum es geht.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Bouffier, ich weiß, auch Sie verfechten das. Ich glaube, Sie haben sie sogar erfunden. Ich will Ihnen die Urheberschaft nicht streitig machen. Erklären Sie doch einmal der Oma Lena, warum es im nächsten Jahr zu Bei

tragssteigerungen von durchschnittlich 14,3 auf ca. 16 % kommen wird. Erklären Sie der Oma Lena, wie es dazu kommt, dass die Hessen einen eigenen Solidaritätszuschlag für die Parteikarriere von Roland Koch zahlen müssen. Das ist nämlich die Realität.

(Beifall bei der FDP)

Bei dem geplanten zweiten Länderfinanzausgleich, den wir bekommen, muss Hessen zwischen 59 und 64 Millionen c zahlen. Das sagt Herr Rürup, und das sagt Herr Wille. Ob das so ist, ob diese Zahlen wirklich stimmen, weiß zurzeit, glaube ich, überhaupt niemand. Aber das heißt für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, dass jeder 10 c in die Hand nehmen muss, um die Parteikarriere von Roland Koch zu fördern. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei der FDP)

Es ist nicht die Aufgabe der hessischen Bürgerinnen und Bürger, sich Gedanken darüber zu machen, ob sich Roland Koch in Berlin mit Frau Merkel versteht oder nicht. Es ist seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Hessinnen und Hessen eine gute Gesundheitsversorgung haben. Meine Damen und Herren, Sie machen das Gegenteil.

(Beifall bei der FDP)

Kommen wir zum Wahlprogramm; das passt sehr gut. In dem Wahlprogramm heißt es:

Die letzte Gesundheitsreform hat die Lohnzusatzkosten nicht spürbar gesenkt. Die Senkung von Lohnzusatzkosten ist aber entscheidend für neue Arbeitsplätze.

Diesen Tenor hatte gestern Abend auch die Rede des CDU-Fraktionsvorsitzenden Dr. Christean Wagner. Dr. Christean Wagner hat gestern beim Handwerk gesagt – da teile ich seine Meinung völlig –:Wir brauchen in Deutschland endlich eine Lohnzusatzkostensenkung, damit neue Arbeitsplätze entstehen. – Haben aber Dr. Christean Wagner, die Mitglieder der hessischen CDU und die Mitglieder der Bundes-CDU nicht das gelesen, was im sogenannten Wettbewerbsstärkungsgesetz steht? Aufgrund des Wettbewerbsstärkungsgesetzes wird der Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenkasse erheblich steigen – in zwei Jahren auf bis zu 16 %. Belastet das die Lohnzusatzkosten in Deutschland denn nicht? Erschwert das nicht die Schaffung neuer Arbeitsplätze?

(Beifall bei der FDP)

Das, was Sie hier veranstalten, ist doch illusionär.Auf der einen Seite erzählen Sie überall, man müsse die Lohnzusatzkosten senken.Auf der anderen Seite beschließen Sie eine solche Gesundheitsreform. Das kann nicht zusammenpassen. Es ist schizophren. Vielleicht sollte man, wenn man eine solche Position vertritt, auch einmal zum Arzt gehen.

(Beifall bei der FDP – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Die Mehrheit der CDU-Abgeordneten ist schon beim Arzt! Es sind nur noch 13 Abgeordnete da!)

Man kann das den Leuten nicht erklären. Es ist ihnen nicht zu erklären, dass man einerseits immer sagt: „Man muss die Lohnzusatzkosten senken“, sie andererseits jedoch durch die Beitragssteigerungen in der gesetzlichen Krankenkasse erhöht.

Eines ist erstaunlich. Wir haben es in Deutschland geschafft – Sie haben es geschafft, wir Liberale nehmen uns

davon vollständig aus –, einen Fuß in Richtung Staatsmedizin in die Tür zu setzen. Ja, meine Damen und Herren, Staatsmedizin. Was bekommen wir von Schwarz-Rot denn präsentiert? Wir bekommen staatlich festgelegte Beitragssätze. Wir bekommen einen gemeinsamen Bundesausschuss, der in Zukunft Entscheidungen hinsichtlich der Medikamente fällen wird

(Dr.Thomas Spies (SPD): Den gibt es schon!)

und der allein von Frau Schmidt abhängig ist.Auch dieser Ausschuss wird staatlich gelenkt werden.

Was bekommen wir weiterhin? Dazu gehört das, was die Koalition für die Krankenkassen vorsieht. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts hatten die Krankenkassen bis jetzt die Möglichkeit, die Beitragssätze selbstständig festzulegen, sich aber auch zur Gesundheitspolitik zu äußern. Wie sieht die Realität jetzt aus? Die hessischen Krankenkassen erhalten die Order aus Berlin, sich nicht mehr zur Gesundheitspolitik zu äußern. Das ist die Realität.

(Beifall bei der FDP)

Die Vertreter einer großen hessischen Krankenkasse sind von Frau Schmidt zurückgepfiffen worden, weil sie das Machwerk von Frau Schmidt und der Koalition kritisiert hatten. Das kann es doch nicht sein.

(Beifall bei der FDP)

Ein weiterer Punkt – ich finde, das ist das Highlight dieser Reform – ist der sogenannte Gesundheitsfonds. Sie haben sich gedacht – das ist ähnlich wie in Hessen –, dass Sie mit dem Wort „Fonds“ einen Titel haben, der den Leuten suggeriert, es gehe darum, Geld anzulegen, es für die Gesundheitspolitik zurückzulegen. In Wahrheit ist das eine Geldumverteilung.

Meine Damen und Herren, Sie machen eines sehr geschickt: Sie geben ein Beitragseinzugssystem auf, das bisher hervorragend funktioniert hat. Sie schaffen einen Bundesgesundheitsfonds und eine Bundesfondsagentur nach dem erfolgreichen Vorbild der Bundesagentur für Arbeit, die, mit 100.000 Mitarbeitern, in Deutschland immerhin ein Drittel der Jobs vermittelt.

(Beifall bei der FDP)

Das ist ein sehr erfolgreiches Vorbild, das Sie sich gewählt haben. Diese Bundesgesundheitsfondsagentur zieht nun die Beiträge ein. Ich weiß nicht, ob irgendjemand von Ihnen in der Diskussion über die Gesundheitspolitik schon einmal gehört hat, die Tatsache, dass wir in Deutschland steigende Beiträge hätten, habe etwas mit dem Einzugssystem zu tun. Das, was Sie dort machen, beruht doch auf Illusionen.

Auf der anderen Seite werden die Beitragseinzugsstellen bei den Krankenkassen nicht abgeschafft. Sie wissen vielleicht, dass wir letztes Jahr in Hessen ein großes Ereignis feiern konnten: Die Techniker Krankenkasse hat hier 400 Arbeitsplätze geschaffen. Sie hat ihr Beitragseinzugssystem in Hessen zentralisiert. Diese Arbeitsplätze werden erst einmal bestehen bleiben, weil sich der Beitragseinzug der Krankenkassen auf den sogenannten Zusatzbeitrag konzentriert. Der Fonds zieht den Hauptbeitrag ein; die Krankenkassen ziehen den Zusatzbeitrag ein. Dass das zu weniger Bürokratie führt, können Sie mir nicht begreiflich machen – dass das günstiger ist, auch nicht.

(Beifall bei der FDP – Dr.Thomas Spies (SPD): Sie sollten das Gesetz lesen, Herr Rentsch!)

Der Gesundheitsfonds wird die Kassen des Landes Hessen erheblich belasten. Ich habe schon gesagt, dass die Schätzungen von 59 bis 64 Millionen c ausgehen. Das heißt, neben der Beitragssteigerung, die es sowieso gibt, kommen zusätzlich 10 c auf jeden Hessen zu – der sich aber gar nicht dagegen wehren kann.

Was hätten wir gebraucht? Wir hätten einen wirklichen Systemwechsel gebraucht.

(Beifall bei der FDP)

Wir Liberale haben vorgeschlagen, die gesetzlichen Krankenkassen zu privatisieren. Das hat zwei Gründe. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts – jetzt sieht man, was dabei herauskommt – ist vom Staat und von der Politik abhängig, und sie wird staatlich gelenkt.

(Beifall bei der FDP)

Aber wir Liberale wollen auch die Rückstellung von Beiträgen. Wir wollen Rückstellungen für das Alter. Diese Rückstellungen sind vor dem Staat nur sicher, wenn das über private Versicherungsagenturen läuft.

(Beifall bei der FDP)

Man sieht doch, was passiert, wenn der Staat auf Geld zugreifen kann. Er greift immer wieder in die Kasse.Wir haben das 1957 bei der Rentenreform erlebt, und wir werden das auch jetzt wieder erleben.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))