Protocol of the Session on October 6, 2006

Ich fordere Sie noch einmal auf: Hören Sie auf, den Menschen zu sagen, dass wir diese apodiktischen Definitionen von der politischen Seite her schon zum jetzigen Zeitpunkt vornehmen können.Wenn Sie das behaupten – das versuchen Sie, meine Damen und Herren –, erzählen Sie den Menschen etwas Unwahres, und das wissen Sie auch.

Lassen Sie uns den Landesentwicklungsplan und die uns überlassenen Unterlagen in den nächsten Monaten intensiv auswerten. Ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende zu einem guten Urteil und zu einer richtigen, hoffentlich von

einer breiten Mehrheit getragenen Entscheidung kommen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Der nächste Redner ist Herr Dieter Posch für die FDPFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei der Landesregierung – bei Herrn Wirtschaftsminister Dr. Rhiel und seinen Mitarbeitern – recht herzlich dafür bedanken, dass wir heute über den Entwurf für den Landesentwicklungsplan diskutieren können. Ich sage das deswegen, weil ich glaube, dass das, was uns heute vorgelegt worden ist, eines der für die Fortentwicklung Hessens wichtigsten Werke ist. Vielen herzlichen Dank für diese Arbeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich glaube, ich brauche nicht zu betonen, dass die FDPFraktion des Hessischen Landtags den Ausbau des Frankfurter Flughafens will. Das haben wir mehrfach betont. Wir haben Initiativen gestartet, die dazu beigetragen haben, dass die parlamentarische Diskussion über den Ausbau des Frankfurter Flughafens überhaupt erst beginnen konnte. Da wir für den Ausbau sind, wollten wir auch die parlamentarische Begleitung sicherstellen und dadurch dafür sorgen,dass in dem Verfahren Recht und Gesetz angewandt werden und die Transparenz gewährleistet ist.

Wir haben keinen Zweifel daran,dass dies seitens der Verwaltung angestrebt wird. Aber es geht um die Frage, in welcher Weise dieses Parlament – der Hessische Landtag – in den Genehmigungsprozess im weitesten Sinne überhaupt eingeschaltet ist. Ich glaube, es ist ein bisher einmaliger Vorgang, dass ein Parlament in dieser Weise, nämlich durch die Änderung des Landesplanungsgesetzes, in den Genehmigungsprozess eingebunden ist: Wir haben, auch dem bayerischen Beispiel folgend, darin aufgenommen, dass eine Rechtsverordnung nicht einfach von der Landesregierung erlassen werden kann, sondern der Zustimmung des Hessischen Landtags bedarf. Ich glaube, das ist von besonderer Bedeutung.

Wenn man ehrlich ist, muss man zugeben, dass alle anderen Diskussionen, die wir in diesem Haus über diese Fragen geführt haben, zwar immer recht interessant, aber für das Genehmigungsverfahren mehr oder minder belanglos waren.

(Beifall bei der FDP)

Umso wichtiger ist die Phase, in die wir jetzt eintreten. Deswegen komme ich auf den Landesentwicklungsplan und auch auf die zwei Essentials, die Herr Walter erwähnt hat, zu sprechen.

Es geht um den Standort der neuen Landebahn und um die betrieblichen Regelungen – Stichwörter: Lärmschutz und Nachtflugbeschränkungen.Wir haben damals gesagt: Die Standortfrage betrifft nicht nur den Vorhabensträger, sondern sie ist für das gesamte Land Hessen essenziell,sodass sie in den Landesentwicklungsplan gehört.

Damit übernehmen wir in vielfältiger Hinsicht Verantwortung. Darauf werde ich zurückkommen. Wenn wir nämlich im Landesentwicklungsplan z. B. von einem Sied

lungsstrukturkonzept sprechen und darauf hinweisen, dort seien Vorsorgemaßnahmen für den Lärmschutz zu ergreifen, ist das unsere Angelegenheit, nicht mehr ausschließlich die des Vorhabensträgers.

Wenn es so ist – auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Flughafen Schönefeld ist schon hingewiesen worden –, dass über den Standort der Landebahn überwiegend, wenn nicht ausschließlich im Landesentwicklungsplan zu entscheiden ist, ist die Forderung zu stellen, dass sämtliche Probleme hinsichtlich des Standorts im Landesentwicklungsplan verbindlich abgearbeitet werden.

(Beifall bei der FDP)

Diese Frage hat Herr Walter zu Recht angeschnitten. Dann können wir nicht sagen, dass wir das im Moment offen lassen und erst ein bisschen später machen.Wenn über die essenzielle Frage des Standorts im Landesentwicklungsplan entschieden und die Vorgabe der Standortwahl im Planfeststellungsverfahren bzw. im Planfeststellungsbeschluss gewissermaßen übernommen wird, muss sichergestellt sein – ich betone das ganz bewusst –, dass alle Fragen tatsächlich in der jetzigen Phase des Verfahrens abgearbeitet werden.

Damit sind wir in der Tat bei einer neuralgischen Frage: der Überfliegung von Ticona. Wir können uns auf den Kopf stellen und wieder auf die Beine. Ich sage an dieser Stelle: Wir wissen nicht, wie der VGH hinsichtlich der Flugrouten tatsächlich entscheidet. Ich gehe davon aus – ich hoffe es –, dass die Entscheidung positiv ausfallen wird. Aber es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung über die Flugrouten auf dem Wege der Revision beim Bundesverwaltungsgericht landet.

Welche Auswirkungen das dann auf den Landesentwicklungsplan hat, weiß ich nicht und kann ich auch nicht beurteilen. Ich stelle nur die Frage. Ich hoffe nicht, dass wir dann auf einmal in die Situation geraten,dass der LEP auf der Grundlage der jetzt vorliegenden Daten nicht festgestellt werden kann. Ich hoffe, dass das nicht so ist. Aber dafür treten wir in diese Diskussion ein.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kaufmann, mich brauchen Sie nicht zu belehren. Für die FDP gelten immer die Grundsätze des Rechtsstaats und der Transparenz, und gerade weil wir ein sicheres Verfahren haben wollen, scheuen wir uns nicht, kritische Fragen zu stellen. Ich brauche mich von Ihnen nicht belehren zu lassen.

(Beifall bei der FDP)

Das werden wir in den Diskussionen intensiv fortsetzen müssen. Herr Minister Rhiel, Sie haben in dem Entwurf für den Landesentwicklungsplan eine Vielzahl von Ausführungen gemacht und darauf hingewiesen, welche Gutachten erstellt worden sind. Am Schluss kommen Sie zu einer Abwägung. In dieser Abwägung wird das zukünftige Risiko mit dem Istrisiko verglichen. Sie kommen in der Abwägung zu dem Ergebnis, das künftige Risiko sei nicht höher als das Istrisiko.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist sehr viel höher!)

Ergo ist der Abwägungsvorgang in dem Sinne abzuschließen, dass man sich für den Bau der Nordwestbahn ausspricht. Meine Damen und Herren, ich sage in allem Ernst: Das setzt allerdings voraus, dass sich in den folgen

den Wochen, in denen wir das erörtern werden, keine Fragen mehr ergeben, die diesen Abwägungsprozess infrage stellen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Kollege Boddenberg, ich hoffe, dass die Fragen beantwortet werden können. Das ist eine ganz wichtige Angelegenheit.Wenn in diesem Verfahren die Fragen, ob der Bestand so bleiben kann oder ob Produktionsstätten von Ticona teilweise verlagert werden müssen, nicht zufriedenstellend beantwortet werden können – ich lasse mich gern belehren, wenn es anders ist –, kann die abschließende Entscheidung möglicherweise nicht getroffen werden.

(Michael Boddenberg (CDU): Die Frage ist doch angesprochen worden!)

Ich sage nur, dass das eine Folge der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist, wonach die Standortfrage im Landesentwicklungsplan geregelt wird.

Damit haben wir etwas, von dem auch ich, ehrlich gesagt, anfangs nicht ausgegangen bin: Die Standortfrage wird in dieser Art und Weise tatsächlich schon im Landesentwicklungsplan geregelt. Ich begrüße das außerordentlich, weil es in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auch heißt – so interpretiere ich sie zumindest –, dies sei nicht wie die in einem Planverfahren übliche Abwägungsentscheidung, sondern gleichzeitig auch eine politische Entscheidung. Es geht darum, an welchen Standort es zumutbar ist, eine Erweiterung des Flughafens Frankfurt vorzunehmen.

Das ist sogar von Vorteil, weil, wie wir alle wissen – das halte ich auch für richtig –, politische Entscheidungen nur einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen, wenn sie gesetzlichen Geboten oder Verboten widersprechen. Der Spielraum, den uns das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung gewährt hat, ist positiv zu sehen. Allerdings müssen die Hausaufgaben auch gemacht werden. Ich sage das, weil wir uns an diesem Diskussionsprozess sehr gern beteiligen.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen möchte ich noch etwas zum Nachtflugverbot sagen. In dem alten Landesentwicklungsplan wurde dazu – auch zu dem Mediationsergebnis – etwas gesagt. Aber ich weise darauf hin, dass dies an einer bestimmten Stelle steht, nämlich im Vorwort zum Landesentwicklungsplan. Dies ist seinerzeit aus guten Gründen erfolgt. Auch diese Fragen werden wir intensiv erörtern müssen. Sie haben jetzt die Frage des Standorts der neuen Landebahn zu einem Ziel im Sinne des Landesplanungsrechts – mit den entsprechenden Flächen – gemacht. Das ist völlig in Ordnung.

Sie haben das Thema Regelung der Nachtruhe zum Grundsatz gemacht.

Meine Damen und Herren, das Landesplanungsgesetz sagt sehr deutlich, was unter einem Grundsatz zu verstehen ist: „Grundsätze der Raumordnung [sind] allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums... als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- und Ermessensentscheidungen“.

Ich persönlich neige dazu – gerade im Hinblick auf die Tatsache, dass das Bundesverwaltungsgericht gesagt hat, dass die betrieblichen Regelungen in den Planfeststellungsbeschluss gehören –, einen solchen Grundsatz im Landesentwicklungsplan für entbehrlich zu halten. Denn

ich habe eben zitiert, was ein Grundsatz bedeutet. Das ist eine Grundlage, auf der dann die Abwägungsentscheidung zu treffen ist.

Das mag rechtlich so in Ordnung sein. Ich stelle das hier infrage. Das gilt eigentlich auch für das Flughafensystem. Wir alle kennen die Probleme des Flughafensystems. Die sind nicht neu.Der Ministerpräsident hat eben in aller Offenheit dargestellt, welche Diskussionen es gibt. Die Airlines haben andere Interessen als wir. Es ist völlig nachvollziehbar, dass die nicht möchten, dass wir ihnen vorgeben, statt in Frankfurt in Frankfurt-Hahn zu landen. Das alles halte ich für nachvollziehbar. Aber wir haben ein Interesse daran, dass dieses Flughafensystem realisiert wird.

Ich sage aber sehr deutlich: Das ist keine zwingende Voraussetzung dafür – Herr Kollege Walter hat darauf hingewiesen –, dass die Nachtflugbeschränkung, wie sie die Mediation vorsieht, auch tatsächlich realisiert wird. Wenn dies eben, aus welchen Gründen auch immer, in absehbarer Zeit nicht geht, dann muss die Entscheidung auch ohne ein solches Flughafensystem getroffen werden. Der Herr Ministerpräsident hat eben gesagt, die Änderung der Richtlinien kann sechs bis sieben Jahre dauern, vielleicht kommt sie auch morgen. Deswegen ist es richtig, dass auf der Grundlage der jetzt gültigen Richtlinien entschieden werden muss. Es ist nicht die Conditio sine qua non zur Lösung dieses Problems.

Wenn es das ist, dann müssen wir das auch im Moment nicht unbedingt als betriebliche Regelung im Landesentwicklungsplan tatsächlich ansprechen. Wir haben es hier mit einem Grundproblem zu tun, mit dem wir uns beim Frankfurter Flughafen immer wieder auseinandersetzen: Wir haben eine Paralleldiskussion zwischen einer genehmigungsrechtlichen Abarbeitung der Fragen und einer politischen Diskussion auf der anderen Seite, natürlich maßgebend präjudiziert durch die Aussage der Politik: Wir als Politik favorisieren die Nordwestbahn. – Seither haben wir eine Paralleldiskussion.

Aber in dem Moment, in dem ich im Landesentwicklungsplan ansatzweise versuche, betriebliche Regelungen zu definieren, ermutige ich doch alle, sich daran zu beteiligen, im Zusammenhang mit dem Landesentwicklungsplan jetzt auf einmal das Nachtflugverbot zu diskutieren. Meine Damen und Herren, das halte ich für fatal.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Walter, sehen Sie, Sie haben natürlich recht, wenn Sie sagen, der Minister soll einmal sagen, auf welchen Wegen er das Nachtflugverbot hinkriegen will. Erstens gehört das jetzt nicht hierher. Zweitens. Wenn er das täte, würden Sie hinterher sagen, er ist befangen. Meine Damen und Herren, das ist geradezu abenteuerlich.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Michael Bod- denberg (CDU): Deswegen hätte er es ja gerne!)

Ich kann ja Ihre Neugierde verstehen, zu fragen:Wie wollen Sie das denn hinbekommen? – Aber wenn er sich jetzt hinstellt und sagt, es könnte vielleicht so aussehen,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wie der Gabriel!)

und sich auf diese ganze, nur noch semantisch zu betrachtende Darstellung zwischen Mediationsnacht, gesetzlicher Nacht, planbaren Flüge, nicht planbaren Flüge usw. einlassen würde, dann wäre er in der Tat in der Gefahr, etwas zu tun, von dem ich ihm nur abraten kann. Er würde

sich nämlich den Vorwurf einhandeln,den er schon immer wieder einmal bekommen hat,

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))