Wir setzen daher weiterhin auf unseren eigenen verfassungskonformen Gesetzentwurf, denn nur mit einer autonomen Entscheidung,ob,wofür und in welcher Höhe – bis zu 500 c – sie Studiengebühren erheben wollen, werden die Universitäten und Fachhochschulen unseres Landes dazu animiert, ihr Profil zu schärfen und ihre Angebote differenziert auf die Wünsche der Studierenden abzustimmen.
Wir möchten den hessischen Hochschulen die Möglichkeit erhalten, z. B. zu entscheiden, beitragsfreie Schnuppersemester anzubieten, um Studierenden den Zugang zu den Hochschulen zu erleichtern. Wir möchten ihnen die Möglichkeit geben, ihre Studienbeiträge an der Nachfrage für einzelne Studiengänge zu orientieren und dabei z. B. auf kleinere Studiengänge Rücksicht zu nehmen, wie wir es im Zusammenhang mit den sogenannten Orchideenfächern in diesem Hause schon öfter diskutiert haben.Wir möchten, dass unsere Hochschulen ihre Studienbeiträge an ihren ganz besonderen Stärken ausrichten, und wir möchten auch, dass es ihnen möglich ist, so sie dies wollen, ihre Studienbeiträge an den unterschiedlichen Einkommenserwartungen der verschiedenen Fachrichtungen auszurichten.
Dass sich die Landesregierung und die CDU-Mehrheitsfraktion in diesem Hause bei ihrem Gesetzentwurf nicht dazu durchringen konnten, eine autonome Gebührenerhebung in unserem Lande zuzulassen, ist sehr, sehr bedauerlich. Das führt bei uns dazu, liebe Frau Kollegin Kühne-Hörmann, dass wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen können, sondern uns, um auch den Abstand zur SPD und zu den GRÜNEN deutlich zu machen, bei der Abstimmung enthalten werden. Ich finde es ausgesprochen schade – das sage ich gerade in Richtung der CDUFraktion –, dass Sie die Chance verpasst haben, in dieser wichtigen und zentralen Frage der hessischen Hochschulpolitik – bei der schwierigen Verfassungslage, was keiner leugnen wird – in diesem Hause eine breite Mehrheit zu finden.
Das ist schade, lieber Herr Kollege Dr. Wagner, auch vor dem Hintergrund, dass die Anhörung, die der Hessische Landtag zu den beiden Gesetzentwürfen durchgeführt
hat, eindeutig ergeben hat, dass wir gerade in der Frage, ob die Hochschulen autonom über die Einführung von Studiengebühren entscheiden sollen, recht haben.
Sämtliche Anzuhörende, die zu diesem Punkt befragt worden sind – vom Deutschen Hochschulverband über das Centrum für Hochschulentwicklung bis zum Hochschul-Informations-System –, haben uns recht gegeben, dass allein die autonome und damit vor allem differenzierte Erhebung von Studienbeiträgen der Lage gerecht wird.
Frau Kollegin Kühne-Hörmann, gerade in der letzten Woche ist ein Rechtsgutachten des Stifterverbandes vorgelegt worden, in dem der Richter am Bundesfinanzhof Dr. Kronthaler ausführt, dass er es sogar für rechtswidrig hält, einen Einheitsbetrag abzukassieren, wenn es, wie in den Gesetzentwürfen vorgesehen, eine Zweckbindung im Hinblick auf die Qualitätssteigerung von Studium und Lehre gibt.
Das heißt, er stellt eindeutig fest, dass auch vor dem Hintergrund der Verfassungsgemäßheit und der Rechtmäßigkeit die Einführung von Studiengebühren nur dann möglich ist, wenn dies in differenzierter und autonomer Weise geschieht. Ich darf aus dem Rechtsgutachten wie folgt zitieren:
Die Notwendigkeit einer derartigen Differenzierung verbietet eine pauschale Erhebung von „Einheitsbeträgen“. Die Studierenden haben ein Recht, zu erfahren, für welche konkreten Leistungen sie zahlen sollen – schließlich sollen sie diese als „zahlende Kunden“ auch einfordern können und dürfen. Dieser Weg ist nicht nur rechtlich geboten, sondern dient auch der Qualitätsentwicklung des Studiums im Leistungswettbewerb der Hochschulen. Der Stifterverband empfiehlt den Hochschulen, die berechtigten Anliegen der Studierenden ernst zu nehmen und die leistungsgerechte Differenzierung der Studienbeiträge als Chance für ihr Qualitätsmanagement aufzufassen.
Frau Kollegin Kühne-Hörmann, es ist doch ganz klar, dass wir bei unserem Gesetzentwurf,der sich an die gesetzliche Regelung in Nordrhein-Westfalen anlehnt, die Wesentlichkeitsanforderungen des Grundgesetzes beachten; denn auch in unserem Gesetzentwurf steht – deshalb wird darüber vom Parlament entschieden –, dass wir Studiengebühren einführen wollen. Wir überlassen es aber den Hochschulen, die näheren Ausformulierungen dieser Studiengebühren vorzunehmen, indem sie von Studienfach zu Studienfach, von Gebührenhöhe zu Gebührenhöhe innerhalb eines gesetzten Rahmens differenzieren können. Dieses Argument, Frau Kollegin Kühne-Hörmann, geht also ins Leere.
Ich frage mich vielmehr, wovor Sie eigentlich Angst haben, wenn es hier um die Autonomie geht. Das frage ich mich, sehr verehrte Damen und Herren von der SPD und den GRÜNEN, auch in Ihre Richtung, denn auch Sie haben Angst, den Hochschulen die Freiheit zu überlassen, Studiengebühren einzuführen oder eben nicht einzufüh
ren. Das heißt, auf der linken Seite des Hauses scheint die Angst zu bestehen, dass zu viele Hochschulen diese Qualitätssteigerungsmöglichkeit ergreifen wollen, und auf der rechten Seite des Hauses scheint die Angst zu bestehen, dass nicht alle Hochschulen diese Möglichkeit ergreifen wollen.
(Beifall bei der FDP – Michael Siebel (SPD): Frau Beer, Sie wissen doch genau, dass das nicht so ist! Davor haben wir keine Angst! So ein blöder Kram! – Weitere Zurufe von der SPD)
Ansonsten könnten beide Seiten, die ich in diesem Hause eben angesprochen habe, den Hochschulen diese Freiheit einfach gewähren. Im Nachbarland Nordrhein-Westfalen, wo eine Regierung, gebildet von CDU und Liberalen, dieses Modell erfolgreich exerziert, zeigt sich, dass es funktioniert.
In Nordrhein-Westfalen haben mittlerweile 28 der insgesamt 33 staatlichen Hochschulen in eigener Verantwortung unter Beteiligung aller Gruppen der Hochschulen, also auch unter Beteiligung der Studierenden, die Entscheidung für die Einführung von Studiengebühren getroffen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dies belegt die breite Akzeptanz für die Erhebung von Studiengebühren und zeigt gleichzeitig auch das Interesse der Hochschulen, mit den dann autonom zu verwendenden Mitteln die Qualität des Angebots deutlich zu steigern. Das sollte unser zentrales Ziel sein. Es geht um Qualitätssteigerung, und es geht um Qualitätssicherung für eine gute Ausbildung unserer Studierenden.
Aber nur vor dem Hintergrund der Autonomie – das zeigt Nordrhein-Westfalen sehr eindeutig – der Hochschulen in dieser Frage werden die Studiengebühren von den Studierenden auch akzeptiert, da sie differenziert auf die Leistungen abgestellt sind, die für die Gebühren dann auch eingefordert werden können.
Zudem hat das FDP-Konzept, das diesem Hause heute in dritter Lesung vorliegt, noch einen weiteren sehr, sehr wichtigen Vorteil gegenüber dem Gesetzentwurf der CDU. Mit unserem Gesetzentwurf wäre gesichert, dass die Studiengebühren nicht die staatliche Grundfinanzierung ersetzen, und zwar zu gar keinem Zeitpunkt, weder vor noch nach dem jetzt gültigen Hochschulpakt. Wir haben in den Gesetzentwurf nämlich eine Formulierung aufgenommen, die genau diese Anrechnung unterbindet.Wir haben in dem Gesetzentwurf vorgesehen, dass die Einnahmen direkt an die Hochschulen fließen und eben nicht den Umweg über den Landeshaushalt und über den Säckel des Finanzministers machen.Es ist einleuchtend,dass dort, wo die Hochschulen autonom entscheiden können, die Einnahmen aus den Studienbeiträgen für den Finanzminister gar nicht sicher berechenbar sind, er von daher gar keine Möglichkeit hat, einen Betrag zu finden, den er nachher an der Grundfinanzierung absetzen könnte.
Das heißt, dieses System stellt langfristig sicher, dass die Qualität von Forschung, Studium und Lehre gesichert ist und entsprechend verbessert werden kann. Wir hätten sehr gerne – das sage ich gerade in Richtung der CDUFraktion – einem akzeptablen Kompromiss zugestimmt, der diesen Anforderungen gerecht geworden wäre. Aber leider haben auch die verschiedenen Änderungen, die Frau Kollegin Kühne-Hörmann hier jetzt aufgeführt hat, nicht dazu geführt, ein inhaltlich und formal konsequen
Frau Kollegin Kühne-Hörmann, eine Sache muss aber auf jeden Fall noch erwähnt werden, weil Sie sich so mit dem Thema des Abschreibens beschäftigt haben. Es gibt nicht eine einzige Änderung, die Sie heute hier vorgetragen haben, die als Idee nicht schon im FDP-Gesetzentwurf angelegt ist.
Das fängt bei der von uns erfundenen Geld-zurück-Garantie an. Ich wurde hier in der ersten Lesung von beiden Seiten doch ganz erheblich belächelt. Das geht weiter bei der Deckelung des Gesamtvolumens der Kredite auf 15.000 c. Da hatten Sie 17.000 c vorgesehen. Das geht weiter bei der Frage von Hochschulstipendien, die wir in unserem Gesetzentwurf ganz explizit angelegt haben, bis hin zur Gleichbehandlung von ausländischen Studierenden, bis hin zur Freistellung von Doktoranden und bis dahin, dass auch solche, die auf dem zweiten Bildungsweg ein Studium aufnehmen – Stichwort: Meistertitel –, einen entsprechenden Darlehensanspruch haben sollen.
Herr Kollege Dr. Wagner, es ist lediglich schade – genau deswegen können wir trotz dieser Änderungen nicht zustimmen –, dass viele dieser Ideen zwar gut gedacht sind, von der CDU dann aber leider schlecht gemacht werden. Dies gilt z. B. – lassen Sie mich einen einzigen Punkt herausgreifen, aber einen sehr wesentlichen – für die Geldzurück-Garantie. Grundsätzlich ist es völlig richtig, zu sagen: Wer Geld bezahlt hat, darf auch Leistung erwarten. Wenn die Leistung nicht gegeben wird, muss das Geld zurückgezahlt werden.
Frau Kollegin Kühne-Hörmann, aber anstatt dass Sie, so wie wir, über das Hilfsinstrument der Qualitätskommission ganz klar eine Grenze ziehen, wo der individualrechtliche Anspruch entsteht und dementsprechend auch befriedigt werden muss, greifen Sie in Ihrem Gesetzentwurf lediglich zu einer schwammigen Generalklausel. Die Hochschulpräsidenten haben an dieser Stelle schon sehr genau gemerkt, dass die Gefahr einer großen Prozesslawine droht.Ich sage Ihnen voraus,dass jeder einzelne Studierende, der gegen Studiengebühren eingestellt ist, demnächst einen entsprechenden Antrag an das Präsidium seiner Hochschule schicken und behaupten wird, dass die derzeitigen Zustände an der Hochschule es ihm leider nicht möglich machen, im vorgesehenen Zeitraum zu studieren. Dann wünsche ich gute Verrichtung. Dann werden Sie die dadurch entstehenden bürokratischen Aufwendungen sehen,wenn diese gesamten Anträge in ihrer Vielzahl abgearbeitet werden müssen.
Ich möchte mich aber, bevor ich zum Schluss komme, noch einmal mit den Vorwürfen insbesondere von Frau Ypsilanti im Hinblick auf die soziale Ausgrenzung auseinandersetzen. Frau Ypsilanti, Sie haben zwar offensichtlich sehr, sehr viele Papiere mit nach vorne gebracht, aber insgesamt gelesen haben Sie die Gutachten und Berichte leider nicht,
sonst wäre Ihnen nämlich aufgefallen – möglicherweise hat der Rest der Fraktion auch nicht alles gelesen –,
dass der jüngste Bericht der Europäischen Kommission zu den europäischen Hochschulsystemen genau zu dem umgekehrten Schluss kommt.
Ich gebe Ihnen diesen Bericht gerne mit.Die Europäische Kommission hat in ihrem jüngsten Bericht aus dem September dieses Jahres nämlich festgestellt, dass eine kostenlose Hochschulbildung nicht automatisch gerecht ist. Sie hat nämlich die europäischen Länder verglichen. Wenn wir uns in Europa umschauen, müssen wir feststellen, dass wir in der Vielzahl der anderen Länder entsprechende Studiengebühren haben. Die Europäische Kommission hat den unterschiedlichen Zugang zu Hochschulen untersucht und festgestellt, dass der Zugang bei Ländern, die bereits Studiengebühren eingeführt haben, mitnichten schlechter ist als der in den Ländern, wo, wie in Deutschland, bislang keinerlei Studiengebühren genommen werden.Ausschlaggebend ist nach der Untersuchung der Europäischen Kommission nicht die Abhängigkeit von Studiengebühren, sondern der sozioökonomische Hintergrund.
Die Europäische Kommission empfiehlt deswegen auch, dass die verschiedenen Länder in ihrer Hochschulpolitik darauf achten sollten, dass sie eine effiziente und stringente Ausbildung anbieten und dass sie auch versuchen sollten, die Gerechtigkeit dadurch zu steigern, dass Bedingungen und Anreize für öffentliche und private Investitionen gesetzt werden, einschließlich Studiengebühren, sofern es für benachteiligte Personen entsprechende finanzielle Unterstützungen gibt.
Ich komme sofort zum Schluss. – Ich glaube, dass es vielmehr an uns sein wird, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier die Vorteile einer Hochschulausbildung breit zu kommunizieren. Es wird auch eine Aufgabe der Hochschulen sein, hier frühzeitig Schülerinnen und Schüler samt ihren Familien einzubeziehen, damit wir in dieser Nation endlich auch zu einer Mentalität des Bildungssparens kommen, die sieht, dass eine Ausbildung, auch eine Hochschulausbildung, eine Investition in die eigene Zukunft ist, und zwar die beste Investition in die eigene Zukunft. Denn nach wie vor kann nachgewiesen werden, dass es keine wirksamere Arbeitslosenversicherung gibt, als das Absolvieren eines Hochschulstudiums. Die Herausforderung besteht darin, differenzierte Systeme zu schaffen, die eine gerechte Teilnahme aller Bürger ermöglichen und zugleich finanziell tragbar sind. Dieser Herausforderung wird in unseren Augen in diesem Hause nur der Gesetzentwurf der FDP gerecht. Deswegen werden wir an diesem Gesetzentwurf auch festhalten.
Danke sehr, Frau Beer. – Als Nächster hat Herr Siebel für die SPD-Fraktion das Wort. Herr Siebel, Sie haben noch viereinhalb Minuten Redezeit.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde in den mir verbleibenden Minuten hauptsächlich auf die Fragen der Verfassung eingehen.Aber ich wollte wenigstens zwei Punkte aus der Debatte aufgreifen. Frau Kollegin Ypsilanti hatte der Landesregierung den Hinweis gegeben, dass es durchaus Alternativen, beispielsweise die Alternative des Vorteilsausgleichs, gebe. Wir haben in der Kollegenschaft, in der Fraktion mit Herrn Bökel ein Beispiel dafür gefunden, wie das funktionieren kann. Es kann nämlich funktionieren. Es wird im Schulbereich praktiziert, und zwar alle naselang. Nachdem die Hauptschule in Lorch geschlossen worden ist, haben die Gemeinden Ransel und Wollmerschied auf der einen Seite und St. Goarshausen auf der anderen Seite einen Staatsvertrag geschlossen. Dort wird in der Tat ein Ausgleich in der Frage der Beschulung geschaffen.