Protocol of the Session on October 5, 2006

Das heißt, jedes dritte Kraftwerk in Deutschland müsste erneuert werden. Frau Ypsilanti, dafür müssten 50 Milliarden c investiert werden. Sie haben eben von 40 Milliarden c gesprochen.Über die 10 Milliarden c brauchen wir uns vom Grundsatz her nicht zu streiten.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Das ist das,was die Landesregierung in den letzten sieben Jahren an Schulden aufgenommen hat!)

Ich denke, dass Sie nicht zugleich aus der Kernenergie und der Kohleförderung aussteigen können; denn dann wäre die Abhängigkeit von Erdgas und Erdöl extrem hoch.

Aber es geht auch um den Klimaschutz. Es ist immer wieder ein Thema,dass 4 % der CO2-Emissionen auf der Welt aus Deutschland stammen. Das Ziel, die CO2-Emissionen zu verringern – also die Ziele des Kyoto-Protokolls –, unterstützt die Hessische Landesregierung daher eindeutig. In dem Zeitraum von 1999 bis 2012 sollen die CO2Emissionen in der Bundesrepublik Deutschland um 21 % verringert werden.

Wir sprechen auch immer wieder über das Thema erneuerbare Energien. Wir wollen sie aufwerten und ihre Nutzung durchsetzen. In Deutschland soll der Anteil der erneuerbaren Energien von 6,2 % im Jahr 2000 auf 12,5 % im Jahr 2010 gesteigert werden. Die Hessische Landesregierung hat sich vorgenommen, den Anteil der erneuerbaren Energien aus nachwachsenden Rohstoffen bis zum Jahr 2015 auf 15 % zu erhöhen. Ich denke, das werden wir auch schaffen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was tun Sie dafür? Sie nichts mehr, das ist sicher! – Norbert Schmitt (SPD): Den Antrag haben Sie im letzten Plenum abgelehnt!)

Wenn wir all das sehen, müssen wir uns hier auch über Treibhausgase unterhalten, die durch den verstärkten Einsatz fossiler Energien entstehen. Wenn wir das Kernkraftwerk Biblis abschalteten und durch Kohlekraftwerke ersetzten, würde das 11,5 Millionen t CO2 mehr pro Jahr bedeuten. Wenn wir alle Kernkraftwerke in Deutschland abschalteten und durch Kohlekraftwerke ersetzten, würde das 190 Millionen t CO2 mehr pro Jahr bedeuten.

Wie gesagt, es war falsch, dass man sich in Deutschland politisch und gesetzlich auf den Atomausstieg festgelegt hat. Die Hessische Landesregierung unterstützt den Antrag von RWE.Ich denke,wir sollten die Bundesregierung auffordern, dies zügig und ideologiefrei zu prüfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wars?)

Vielen Dank,Herr Staatsminister.– Das Wort hat der Kollege Norbert Schmitt, SPD-Fraktion.

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen noch vier Wortmeldungen vor. Der Kollege Schmitt hat das Wort.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Der Herr Minister hat eben noch einmal die Bedeutung des Klimaschutzes betont. Auch der Kollege Lenhart von der CDU hat eben unter Beweis stellen wollen, welche Bedeutung die CDU dem Klimaschutz beimisst. Ich will Ihnen vortragen – ich gebe Ihnen nachher das Original –, was der Kollege Dr. Lennert, damals energiepolitischer Sprecher der CDU, im Jahr 2001 vor dem Landtag gesagt hat. Ich glaube, das macht deutlich, wie viel Ihnen der Klimaschutz wirklich bedeutet. Ich zitiere wörtlich aus einer Rede während der Plenarsitzung am 22.02.2001.Es lag ein Antrag der GRÜNEN zu dem Thema Klimaschutz vor. Dr. Lennert führt aus:

Herr Pawlik, das mit der Klimakatastrophe ist so eine Sache. Noch ist die Katastrophe nicht da.... Noch ist die Katastrophe nicht da, und die Szenarien beruhen rein auf Berechnungen.Wenn man die letzten 20 Jahre verfolgt, dann stellt man fest, dass immer dann die Temperaturen steigen, die vorausgesagt werden, wenn die Förderperioden für diese Gremien anstehen.

Weiter führt er aus:

Deswegen möchte ich sagen, dass auch hier etwas Gelassenheit angebracht ist.

Das hat Ihr energiepolitischer Sprecher vor wenigen Jahren gesagt. Das macht Ihre Philosophie deutlich. Es wird so dargestellt, als ob das alles eine Erfindung irgendwelcher Wissenschaftler wäre, die, wenn sie sagen, dass es eine Klimakatastrophe gibt, eigentlich meinen, dass sie Staatsknete haben wollen. Das war über Jahre hinweg Ihre Philosophie. Deshalb hat die CDU-geführte Landesregierung jahrelang nichts in Bezug auf die erneuerbaren Energien gemacht, sondern stattdessen immer nur auf die Atomenergie gesetzt. Das ist die schlichte Wahrheit an dieser Stelle.

(Zurufe von der CDU)

Der Herr Minister hat eben gesagt, die Übertragung von Restlaufzeiten des AKW Mülheim-Kärlich sei als problematisch zu beurteilen. Herr Minister, es ist noch nicht einmal ein Jahr her, dass Sie auf die Anfrage der Kollegin Hammann ausgeführt haben:

Eine Übertragung von Strommengen aus dem stillgelegten KKW Mülheim-Kärlich ist für Biblis A nicht erlaubt.

Das war Ihre Formulierung. Genau so ist es. Das ist die richtige juristische Auffassung. Da kann Herr Kollege Lenhart machen, was er will. Er hat die entscheidende Passage des Atomgesetzes nicht zitiert. Das ist nämlich § 7 Abs. 1d. Dort wird eine Sonderregelung für das KKW

Mülheim-Kärlich getroffen. In der Anlage wird ausgeführt, wohin Strommengen übertragen werden können. Biblis A taucht darin nicht auf.

Herr Kollege Hahn, ich denke, auch für einen Jurastudenten im ersten Semester ist eindeutig, dass eines nicht geht: Wie der Herr Umweltminister zu Recht festgestellt hat,ist eine Übertragung der Laufzeiten von Mülheim-Kärlich auf Biblis A unzulässig. Deshalb ist das eine Provokation. Deshalb soll hier seitens der Atomindustrie ein bewusst provokatives Zeichen gesetzt werden.

Aber es ist erstaunlich, dass sich die FDP, die auch ins Nachdenken über die Atomenergie gekommen ist und nicht mehr von einer „Zukunftstechnologie“, sondern nur noch von einer „Übergangstechnologie“ spricht, nun zu einem Büttel der Vertreter der Atomenergie macht, indem sie deren Auffassungen teilt. Das ist eine ganz traurige Situation.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD:Aber nur ein Teil! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Eieiei!)

Jetzt komme ich zu den Sicherheitsstandards von Biblis A. Neben der juristischen Auseinandersetzung ist das die entscheidende Frage. Dazu muss man sagen, dass nur die Hälfte des Betrags, der eben genannt wurde, investiert worden ist. Es wurden nicht 1 Milliarde c investiert.Vielmehr gehörten auch Modernisierungsmaßnahmen und laufende Revisionsarbeiten dazu. 540 Millionen c wurden wirklich in Sicherheitsmaßnahmen investiert. Immerhin ist auch das eine große Summe. Aber das zeigt den Nachholbedarf. Trotzdem bleibt Biblis A weiterhin das unsicherste Kraftwerk in Deutschland. Es ist auch das älteste Kraftwerk; aber das kann durch eine Nachrüstung nicht behoben werden.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU)

Sie Superkönner, jetzt will ich Ihnen sagen, warum das so ist. Es fängt beispielsweise mit der Frage an, wie dick der Betonmantel um das Kraftwerk herum ist.Er ist 60 cm dick. Bei den meisten Anlagen neueren Datums ist er dreimal so dick: 1,80 m. Das ist auch notwendig; denn ob es sich nun um absichtlich herbeigeführte Flugzeugabstürze oder um Unglücke handelt, nur ein 1,80 m dicker Betonmantel kann überhaupt verhindern,dass die Anlage zerstört wird. Sie können noch so viel nachrüsten; das ist systemimmanent.

Deswegen haben auch alle gesagt, dass es nur noch um eine Übergangszeit geht. Die Übergangszeit ist im Mai 2008 zu Ende. Dass dieses Atomkraftwerk noch läuft, ist nur zu ertragen, wenn man weiß, dass es sich lediglich um eine Übergangszeit handelt. Das ist ein Punkt, der nicht wegdiskutiert werden kann.

Im Zusammenhang mit dem nächsten Punkt, der nicht wegdiskutiert werden kann, spreche ich den heutigen Finanzminister und damaligen Umweltminister Karlheinz Weimar an.

Herr Kollege Schmitt, Sie müssen zum Ende kommen.

Ich komme zu meinem letzten Satz. – Herr Weimar, Sie haben Ende des Jahres 1990 Auflagen erlassen, z. B. in Bezug auf ein externes separates Notstandssystem. Diese

Auflage ist bis heute nicht erfüllt, wenigstens nicht so, wie es Herr Weimar vorgegeben hat. Deswegen sage ich: Die Restlaufzeit von Biblis A ist im Mai 2008 zu Ende. Die Restlaufzeit dieser Regierung ist in 18 Monaten zu Ende, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Al-Wazir.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erleben hier eine sehr bemerkenswerte Debatte, und es war ein sehr bemerkenswerter Auftritt des zuständigen Ministers, der nur einige Minuten geredet hat. Herr Dietzel, als Sie im Jahr 2003 heftig dafür gekämpft haben, die Zuständigkeit für die Atomkraft zu behalten, habe ich eigentlich gedacht, da habe einer etwas gelernt. Inzwischen muss ich feststellen,dass Sie leider überhaupt nichts gelernt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich frage Sie jetzt noch einmal, wobei ich das verstärken möchte,was Herr Schmitt hier gerade gesagt hat:Herr Minister Dietzel, Sie haben von diesem Pult aus erklärt, Sie hielten eine Übertragung der Laufzeiten so, wie RWE es beantragt hat, für mit dem Atomkonsens vereinbar.

(Norbert Schmitt (SPD): Für innerhalb des Gesetzes möglich!)

Sie haben am 2. September 2005 auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geantwortet:

Eine Übertragung von Strommengen aus dem stillgelegten KKW Mülheim-Kärlich ist für Biblis A nicht erlaubt.

Unterschrift: Wilhelm Dietzel, 2. September 2005. Herr Minister, ich frage Sie:Was gilt denn nun aus Ihrer Sicht? Darauf hätten wir gern eine Antwort.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie haben im letzten Herbst einen Koalitionsvertrag auf Bundesebene unterzeichnet, in dem auf Seite 51 steht, dass es unterschiedliche Meinungen gebe. Dann steht dort dieser schöne Satz: Wegen der unterschiedlichen Meinungen in der Frage der Atomstromproduktion kann der Konsens vom 14. Juni 2000 nicht verändert werden.

Der erste Punkt dieses Konsenses ist die geordnete Beendigung der Nutzung der Atomenergie in Deutschland. Sehr verehrte Damen und Herren von der Union, ich frage Sie: Stehen Sie eigentlich noch zu Ihrem Koalitionsvertrag auf Bundesebene? Diese Frage könnten Sie einmal beantworten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Außerdem ist mir aufgefallen, dass die Befürworter einer verlängerten Nutzung der Atomkraft kein Wort zu dem Atommüll verloren haben. Deshalb bitte ich die Mitglieder von CDU und FDP, mir zu sagen, wo auf der Welt ein einziges Endlager existiert.

(Zuruf der Abg.Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP) – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Verehrte Kollegin Wagner, es ist schön, dass Sie wieder da sind. Es wäre schön gewesen, wenn Sie sich auch bei der Abstimmung über das Gesetz zur Einführung von Studiengebühren im Saal aufgehalten hätten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen nicht dafür verantwortlich ist, dass es weltweit kein Endlager gibt, müsste sich selbst Ihnen erschließen, werte Kollegin.