Protocol of the Session on July 13, 2006

men der CDU und der FDP gegen die Stimmen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN den zuvor genannten Beschluss gefasst. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Weinmeister. – Wir kommen zur Aussprache. Vorgesehen sind zehn Minuten Redezeit. Erste Rednerin der SPD-Fraktion ist Frau Habermann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Weinmeister, zunächst möchte ich Sie zu der korrekten Berichterstattung beglückwünschen. Allerdings habe ich Ihren Worten entnommen, dass Sie auch eine persönliche Bewertung eingefügt hatten.

(Axel Wintermeyer (CDU): Nein! Das habe ich sofort gerügt, Frau Habermann!)

Vielleicht sollten Sie sich mit Ihrem Geschäftsführer noch einmal darüber verständigen, ob das notwendig war.

Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist wahrscheinlich kürzer als diese Berichterstattung. Deswegen will ich gleich in medias res einsteigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Schülerbeförderung ohne Belastung des Familienetats, gut erreichbare Bildungsangebote für alle Abschlüsse, eine Verbesserung des Schuleingangs und individuelle Förderung statt Sanktion und Misserfolg – all dies sind Faktoren, die zu höherer Chancengleichheit in hessischen Schulen führen. Das Hessische Schulgesetz dagegen lässt mehr Chancengleichheit nicht zu und versäumt, aus den Ergebnissen der PISA-Studie die richtigen Schlüsse zu ziehen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, wir haben in unseren Gesetzentwürfen vier Punkte aus diesem Schulgesetz herausgegriffen. Die Liste wäre leicht zu verlängern.

(Reinhard Kahl (SPD): Das stimmt!)

Nun ziehen wir es aber vor, ab 2008 ein Schulgesetz vorzulegen, das die Bezeichnung „Herstellung der Chancengleichheit“ wirklich verdient,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das wird doch auch wieder abgelehnt!)

und verzichten deshalb darauf, Ihnen weitere Gesetzentwürfe mit Details vorzulegen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber zu den einzelnen Punkten noch etwas sagen. Alle Fraktionen in diesem Haus haben den Modellversuch Schuleingangsstufe und seine Ergebnisse positiv bewertet. Ich will noch einmal auf diese Ergebnisse eingehen. Die Zahl der Kannkinder ist in diesen Modellversuchen zurückgegangen. Die Verweildauer in den Klassen 1 und 2 wurde kürzer. Es gab nur noch sehr vereinzelte Rückstellungen. Der Einsatz von Sozialpädagogen hat dazu beigetragen, dass die Kinder individuell gefördert werden konnten, und die Beteiligten hielten eine Rückkehr zu den alten Strukturen

nicht für wünschenswert. Auch die Eltern haben sich dafür ausgesprochen, dieses Modell beizubehalten.

Insgesamt bietet die Schuleingangsstufe die Chance für einen gelungenen Schulstart,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

der individuell fördert und jedes Kind dort abholt, wo es steht. Das sieht auch die hessische CDU so, und die Kultusministerin hat das Modell der Schuleingangsstufe in das Schulgesetz übernommen. In der dazugehörigen Verordnung ist allerdings geregelt, dass die Schulen zwar einen Antrag auf veränderten Schuleingang stellen können. Dessen Genehmigung wird jedoch an die Haushaltslage geknüpft. Noch nicht einmal ein Progrämmchen wie bei den Ganztagsschulen wurde hier in Hessen aufgelegt.

Meine Damen und Herren, deshalb sind die Bekenntnisse zur Schuleingangsstufe letztlich Lippenbekenntnisse. Sie versäumen eine Chance, die ungleichen Startvoraussetzungen beim Bildungszugang für die Kinder abzumildern. Nur durch eine gezielte individuelle Förderung lässt sich die Abhängigkeit zwischen Sozialstatus und Bildungserfolg auflösen. Im Zusammenhang mit der Einführung eines Bildungs- und Erziehungsplans und im Zusammenhang mit dem dritten gebührenfreien Vorschuljahr, das unsere Fraktion seit längerem fordert, bietet die Schuleingangsstufe die Chance, die Kinder zu einem besseren Schulstart zu führen. Das ist nicht, wie es in dem Antrag der CDU-Fraktion heißt, ein Weg, um das pädagogische Profil einer Schule zu stärken, sondern es ist wirklich eine Chance, bessere Zugangsvoraussetzungen zur Bildung zu schaffen. Deswegen halten wir auch die flächendeckende Einführung der Schuleingangsstufe für notwendig. Sie dagegen bieten das an, aber Sie lassen es überhaupt nicht zu. Aber ich bin etwas optimistischer. Nachdem jetzt das dritte gebührenfreie Kindergartenjahr eingeführt wird, nachdem wir drei Jahre gebohrt haben, wird es vielleicht auch in diesem Bereich noch Fortschritte mit Ihnen geben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, über das Thema Querversetzung und Nichtversetzung haben wir in diesem Haus schon oft gestritten. Ich weiß, dass Sie uns nicht glauben: Besser als Sitzenbleiben und Querversetzung ist, die Kinder individuell zu fördern, mit Heterogenität in den Klassen umzugehen und den Kindern so Misserfolgserlebnisse zu ersparen.

Ich frage mich allerdings, warum die Kultusministerkonferenz Studien wie die Studie „Bildung in Deutschland“, die jetzt erstmals vorliegt, in Auftrag gibt und finanziert, wenn zumindest die hessische Kultusministerin die Ergebnisse dieser Studie ignoriert. Es gibt dort klare Aussagen darüber, dass Klassenwiederholer deutlich schlechtere Leistungen zeigen als Schüler und Schülerinnen, die die Schuljahre regulär durchlaufen. Da das in dieser Studie sehr anschaulich beschrieben ist, werde ich daraus zitieren.

Die Ergebnisse von PISA 2000 haben gezeigt, dass Wiederholerinnen und Wiederholer (wie auch Späteingeschulte) im Allgemeinen signifikante Leistungsnachteile gegenüber Schülerinnen und Schülern haben, die sich nach einem regulären Durchlauf in derselben Jahrgangsstufe befinden. Die Zweifel an der Praxis der Klassenwiederholung

verstärken sich noch, wenn man die damit verbundenen Kosten für den zusätzlichen Personalbedarf in Rechnung stellt. Soweit an dieser Praxis festgehalten wird, dürfte der Grund nicht zuletzt in der verbreiteten Vorstellung zu suchen sein, dass auf dem Wege der Nachsteuerung durch Wiederholen möglichst leistungshomogene Lerngruppen erhalten bleiben.

Individuelle Erfahrungen zeigen,dass genau das ein Holzweg ist. Ich meine, Sie sollten sich dieses Werk einmal in Bezug auf hessische Schulpolitik zu Gemüte führen. Da können Sie nicht nur etwas über Sitzenbleiben finden, sondern auch über den Umgang mit Migrationskindern im Bildungsbereich. Das wäre mit Sicherheit sehr lehrreich.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens belegt Hessen, was die Zahl der Wiederholer angeht,mit 3,2 % im Schuljahr 2004/2005 immer noch den zwölften Platz. Elf Länder haben niedrigere Quoten. Einige davon sind auf dem Weg, das Sitzenbleiben gänzlich abzuschaffen. Dass Hessen als einziges Bundesland auch noch die Querversetzung erfunden hat, zeigt einen rückwärts gewandten Weg in der Schulpolitik. Sie sprechen zwar von individueller Förderung, aber Sie schaffen gleichzeitig Strukturen, die Auslese begünstigen und zu viele Kinder auf dem Bildungsweg zurücklassen.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie sprechen von Einheitsschule, Frau Kollegin! Nur, dass es jeder weiß!)

Sie wissen es offensichtlich noch nicht. Sonst würden Sie ein anderes Schulgesetz machen, Herr Boddenberg.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Sie sprechen von Einheitsschule!)

Meine Damen und Herren, noch wenige Sätze zu den Richtwerten und den Auswirkungen des § 44a. Die SPDFraktion hat immer betont,dass die Auswirkungen der demographischen Entwicklung bei der Schulentwicklungsplanung berücksichtigt werden müssen. Ihr formalistischer Ansatz mit der Einführung der Richtwerte führt jedoch zu Entscheidungen,die nicht an der Qualität der Bildungsangebote, sondern am Rechenschieber orientiert sind. Vorausschauende Schulentwicklungsplanung muss in erster Linie dafür Sorge tragen, dass alle Schulabschlüsse auch für alle räumlich zu erreichen sind.

(Beifall des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Integrierte Angebote und Schulen, die unter ihrem Dach jeden Abschluss anbieten, sind eine bessere Antwort und können auch die Phase gemeinsamen Lernens verlängern. Richtwerte sind fantasielos und erhöhen die Ungerechtigkeit beim Bildungszugang.

(Beifall der Abg. Lothar Quanz (SPD) und Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, wenn Sie unsere Gesetzentwürfe annehmen würden, würde das Hessische Schulgesetz um Nuancen besser. Insgesamt bleibt es aber ungeeignet,die Herausforderungen an ein modernes Bildungssystem, ein Ausschöpfen der Begabungen und eine höhere Qualifikation unserer Schulabgänger zu erreichen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU hat Herr Beuth das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Habermann, ich will ganz kurz zu den Gesetzentwürfen 1, 2 und 4 Ihrer Fraktion ein paar Worte verlieren.

Zunächst einmal will ich sagen, wir sind sehr dankbar, dass Sie sich bereit erklärt haben, dass wir nunmehr endlich diese vier Gesetzentwürfe hier gemeinsam beraten können. Dieses politische Spielchen habe ich bereits viermal hier am Rednerpult beklagen dürfen. Die Absurdität dieses ganzen Vorgehens hat sich eben gezeigt, als der Kollege Weinmeister hier viermal die Berichterstattung für diese vier Gesetzentwürfe vortragen musste. Ich denke, das könnten wir uns gegenseitig ersparen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, der Titel dieser vier Gesetzentwürfe ist schon irreführend.Auch darauf durfte ich bereits hinweisen. Die Frage der Wiederherstellung der Chancengleichheit ist bei uns in allerbesten Händen. Wir haben in den vergangenen sieben Jahren seit 1999 gezeigt, dass wir dafür sorgen, dass die Chancengleichheit an hessischen Schulen ausgebaut wird. Als Beispiele nenne ich die Unterrichtsgarantie, die Einstellung von Lehrern und Referendaren, die Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer, Ganztagsangebote, Betreuungsangebote oder – jetzt zuletzt von uns auf den Weg gebracht – die Erhöhung der Abschlussquoten z. B. im Bereich der Hauptschulen oder auch die SchuB-Klassen, die wir eingeführt haben – von Vorlaufkursen, G 8 und Abschlussprofilen gar nicht zu reden. Die Chancengleichheit hessischer Schülerinnen und Schüler wird durch die Mehrheit auf dieser Seite des Hauses gewahrt, und darauf dürfen sich die Eltern und die Schüler verlassen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich schon trauen, hier mit Gesetzen anzutreten, dann will ich Ihnen auch nicht ersparen, Ihnen vorzuhalten, dass das, was Sie hier vorlegen, natürlich ein schulpolitisches Armutszeugnis ist. Das ist ja kein Gegenentwurf, was Sie hier in vier Schulgesetzen bringen, sondern das sind Nörgeleien der SPDFraktion dieses Hauses an einigen kleinen Stellen, wo Sie vermeintlich populistische Themen aufgreifen,um Wählerinnen und Wähler hinter sich zu scharen.

Meine Damen und Herren, das muss man dazusagen. Die Gesetzentwürfe,die Sie in das Plenum eingebracht haben, sind ein Armutszeugnis der sozialdemokratischen Schulpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich zu den einzelnen Themen etwas sagen. Zu den Schülerbeförderungskosten. Hier sind wir dem Wunsch der Spitzenverbände nachgekommen. Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Anhörung. Ich glaube, Herr Dr. Dieter war es – er ist kein ausgewiesener Christdemokrat –, der die Wünsche der Spitzenverbände vorgetragen hat, dass wir es den Schulträgern ermöglichen, selbst darüber zu entscheiden, ob Schülerbeförderungskosten zu zahlen sind oder nicht; um nichts anderes geht es.

Selbst wenn man der Auffassung ist, dass man grundsätzlich die Schülerinnen und Schüler zur Schule frei beför

dern sollte, kann es gleichwohl noch dazu kommen, dass vielleicht der private Nutzen des Schülertickets so groß ist, dass man doch zu dem Entschluss kommen könnte, einen entsprechenden kleinen Obolus abzuverlangen. Sogar dann, wenn man grundsätzlich die Erhebung von Schülerbeförderungskosten an dieser Stelle ablehnt, könnte man dazu kommen.

Lassen Sie mich zur Querversetzung ein paar Sätze sagen. Die Querversetzung ist nicht das alltägliche Mittel in den hessischen Schulen. Das ist die absolute Ausnahme, die aber für einen bestimmten Schüler, für eine bestimmte Schülerin eine geeignete Maßnahme sein kann,