Protocol of the Session on July 12, 2006

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren,es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache zu den beiden Tagesordnungspunkten beendet.

Vereinbarungsgemäß überweisen wir diese Punkte dem Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr. – Dem widerspricht keiner. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 44 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend Steuern, Steuern und nochmals Steuern – Drucks. 16/5764 –

Als Redezeit sind 15 Minuten je Fraktion vereinbart. Das Wort hat für die Fraktion der FDP Herr Kollege von Hunnius.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fast hätte es ja geklappt. Deutschland war im Fußballfieber, die Deutschen kümmerten sich um Klinsmann und Ballack und hatten keine Lust auf schwierige Politmaterie. Da gab es ein paar nächtliche Reformversuche der Bundesregierung. Aber wenn wir uns das Ergebnis einmal ansehen, dann müssen wir, glaube ich, sagen, dass sie nicht wirklich mit dem Gesundheitssystem oder der Unternehmensbesteuerung gepunktet hat.

Das ist kein Wunder. Denn die so genannten Eckpunkte der Steuerreform sind sorgfältig abgerundet worden. Sie sind dermaßen unpräzise und lassen nach dem Motto „Jedem wohl und keinem weh“ sehr viele Interpretationen zu. Das Ganze funktioniert in der Reihenfolge: Zunächst gibt es eine lockere Ankündigung; dann gibt es eine Abschwächung; anschließend heißt es, es sei noch nichts entschieden;schließlich kommt der Hinweis,es könne ja auch ganz anders kommen; und zum Schluss dann die Feststellung:Aber irgendetwas müsse doch passieren. – Genau so war es bei der Steuerreform.

(Beifall bei der FDP)

Ministerpräsident Roland Koch hat im „Wiesbadener Kurier“ vom 29.06. mit großer Entschlossenheit Folgendes geäußert:

Steuererhöhungen im Jahre 2008 wegen der Gesundheitsreform halte ich für nicht vertretbar.

Wer wollte ihm da widersprechen?

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir ein bisschen genauer hinsehen, sagte er aber nicht, ob er im Jahr 2008 Steuererhöhungen aus einem anderen Grund als der Gesundheitsreform möglicherweise für vertretbar hält, und er unterlässt tunlichst jeden Hin

weis darauf,ob er nach dem Jahr 2008 auch wegen der Gesundheitsreform Steuererhöhungen für möglich hält. Wenn man sie also richtig betrachtet, ist diese Aussage nichts anderes als ein Nonvaleur.

In einem sehr interessanten Gespräch, das fast steuerpolitische Geschichte geschrieben hat, hat sich der gleiche Roland Koch am 23.06.2006 im „Handelsblatt“ wie folgt geäußert:

Es gehört zur professionellen Verhandlung, nicht jede Alternative, die gedacht wird, zur Beunruhigung aller Bevölkerungskreise zu publizieren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Heiterkeit bei der CDU)

Ja, eben.Wie passt dazu die Einlassung des Ministerpräsidenten in der „Wirtschaftswoche“ vom 10.07.? Sie lautet:

Wir sind ja noch in einem frühen Stadium, in dem vernünftigerweise verschiedene Modelle und unterschiedliche Bestandteile einer neuen Unternehmensbesteuerung durchdacht und durchgerechnet werden.

Sehr richtig,aber völlig unpräzise.Irgendetwas wird durchdacht, irgendetwas wird gerechnet, aber es gibt keinerlei Gesetzesvorhaben, keinerlei konkrete Ankündigungen.

(Zurufe der Abg. Gottfried Milde (Griesheim) und Michael Boddenberg (CDU))

Herr Kollege Milde, wenn neue Eckpunkte vorliegen, sprechen wir auch gern darüber. – Fest steht offenbar das Ziel, eine gesamtsteuerlichen Belastung von unter 30 % zu erreichen – wenn nicht gleich, so doch irgendwann. Es soll eine Entlastung von 5 Milliarden c erreicht werden, möglicherweise; es ist auch die Rede von 10 Milliarden c. Ob in diesen 10 Milliarden c die 5 Milliarden c enthalten sind oder ob sie hinzukommen, wann diese 10 Milliarden c jemals kommen und wie sie erreicht werden – alles ist total im Nebel.

Dann lese ich die Feststellung der bekannten hessischen Finanzpolitikerin Andrea Ypsilanti vom 10. Juli, in der sie schreibt:

Die hessische SPD hält deshalb an ihrer Position fest, dass es bei der Unternehmensteuerreform nur zu einer nominalen Senkung der Steuern kommen kann, wenn diese voll aus dem Unternehmenslager gegenfinanziert wird.

Mit anderen Worten: Es darf keine Senkung der Unternehmensteuer geben. Das ist ihre Position.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Kollege Boddenberg hat natürlich sofort repliziert, am gleichen Tag. Er stellt fest:

Mit ihrer Steuerpolitik würde die SPD den Menschen die Existenzgrundlage entziehen.

Recht hat Herr Boddenberg,aber ich frage mich:Wie wird die Steuerpolitik der großen Koalition in Berlin aufgrund dieser Faktenlage, die wir vor uns haben, aussehen?

Aber wenn wir uns in der Meinung wiegten, die CDU wäre sich einig in dem, was sie will, dann wäre auch das weit gefehlt. Denn es ist noch kein Jahr her, da plädierte Finanzminister Karlheinz Weimar – der gerade mit sei

nem Regionalkollegen spricht – für eine Abgeltungsteuer von 17 % und für eine Berücksichtigung einer Eigenkapitalrendite von 5 %, die zum gleichen Satz besteuert werden sollte. Dieses Modell wurde im Finanzministerium entwickelt, durchgerechnet und uns schriftlich vorgelegt. Es macht einen sehr guten Eindruck.

Aber von dieser Abgeltungsteuer ist überhaupt keine Rede mehr. Gesprochen wird von einer Abgeltungsteuer von 30 %. Davon, dass das Eigenkapital nicht diskriminiert werden darf, spricht kein Mensch mehr.Trotzdem ist Kollege Milde der Meinung, das, was jetzt kommt, sei genau die Abgeltungsteuer,die man immer hätte haben wollen. – Ich habe den Eindruck, da hat er irgendetwas verwechselt.

(Beifall bei der FDP)

Oder vielleicht haben Sie, als Sie diese Presseinformation in Irland diktiert haben, ein paar Fakten durcheinander geworfen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Was gilt denn nun:17 % oder 30%? Wird Eigenkapital berücksichtigt oder nicht berücksichtigt? – Keiner weiß es. Ein klarer Kurs der CDU oder ihres steuerpolitischen Vordenkers Roland Koch ist bedauerlicherweise nicht auszumachen. Der Kurs der CDU ist eher ein Wechselkurs.

Nun habe ich grundsätzlich nichts gegen einen Wechselkurs,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ein Pingpong-Kurs!)

auch nichts gegen einen flexiblen Wechselkurs; aber Wechselkurse gehören in die Währungspolitik und nicht in das Steuersystem.

(Beifall bei der FDP)

Im Interview mit dem Deutschland-Radio sagte Ministerpräsident Koch am 10.06.2005:

Das Problem der deutschen Steuerpolitik der letzten Jahre ist, dass wir immer an Einzelheiten diskutiert haben, immer mit guter Absicht, aber letzten Endes immer mit der Folge einer weiteren Komplexität, einer weiteren Komplizierung des Systems.

Etwas später sagte er dort:

Das derzeitige Steuersystem ist durch Details nicht reformfähig, sondern es muss prinzipiell verändert werden.

Vollkommen richtig, was er hier sagte. Aber dann ist es unverständlich, dass sich die große Koalition in unzähligen Interventionen ohne jedes Konzept verzettelt. Erkennbar ist einzig der dringende Wunsch nach Einnahmeerzielung.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Genau!)

Über der Politik dieser Bundesregierung steht als leuchtendes Fanal das große Wort „Abkassieren“ und nichts anderes.

(Beifall bei der FDP)

Das gilt von der willkürlichen Festlegung einer Kilometergrenze für den Weg zum Arbeitsplatz bis hin zur Streichung der steuerlichen Anerkennung des Arbeitszimmers für Lehrer. Das führt nicht zu einer Vereinfachung des Steuersystems und schon gar nicht zu einer grundsätzlichen Reform. Es ist einfach nur die Quadratur des Blöd