Protocol of the Session on July 12, 2006

Die Verbreitung von Unwahrheit kann nicht dauerhaft Grundlage Ihrer grünen Politik sein.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Beer, FDPFraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube,wir sollten wirklich zur Sachdebatte zurückkehren – es geht um ein wichtiges Thema.

(Beifall bei der FDP)

Weil es um ein so wichtiges Thema geht, freue ich mich, freut sich die FDP-Fraktion,dass die CDU endlich auf das liberale Studiengebührenmodell eingeschwenkt ist.

(Lachen bei der CDU)

Es ist erst ein erster Schritt, wenn Sie in Ihren Ankündigungen jetzt davon sprechen, dass Sie das Modell der Hochbegabtenförderung aufnehmen und erweitern wollen, dass Sie – wie in unserem Gesetzentwurf ebenfalls vorgeschlagen;er wurde bereits vor einem Monat hier diskutiert – die Befreiung für ehrenamtlich, sozial oder politisch Tätige in Ihren Gesetzentwurf einfügen wollen. Das ist erst ein erster Schritt, aber wir, die FDP, sind zuversichtlich, dass es uns durch Argumentation in der Sache gelingen wird,

(Beifall bei der FDP)

die drei Kernkomponenten des FDP-Gesetzentwurfs – nämlich Qualitätssteigerung, Hochschulautonomie und Sozialverträglichkeit – auch in den Beratungen des CDUGesetzentwurfs in den Mittelpunkt zu stellen.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich muss dazu sagen: Ihr Entschließungsantrag, den wir hier mitberaten, hat uns in diesem Zusammenhang ein bisschen verwundert. Als Parlamentarierin empfinde ich es als durchaus etwas unüblich, die Landesregierung mittels eines parlamentarischen Antrags zu bitten, doch einmal ihre Vorschläge zu unterbreiten, damit wir als Gesetzgeber dann unsere Gesetze an die Wünsche der Landesregierung anpassen.Aber seis drum.

(Beifall bei der FDP)

In Ihrem Antrag stellen Sie die richtigen Fragen. Sie stellen die Frage danach, wie das vollständige Lehrangebot gemäß Studienplan verwirklicht werden kann. Sie stellen die Frage, wie eine sozial verträgliche Lösung für die Erhebung von Studiengebühren aussehen kann. Sie werfen auch richtig die Frage auf, wie wir in diesem Land zu einem ausreichenden und tragfähigen Stipendienwesen gelangen.

Das alles sind wichtige und richtige Fragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich sage Ihnen dazu aber: Der Gesetzentwurf der FDP, den wir hier das letzte Mal beraten haben, gibt Ihnen die Antwort auf diese Fragen, über die Sie sich erst klar werden wollen.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen führe ich hier gerne noch einmal für die FDPFraktion die Kernpunkte dieses alternativen Gesetzentwurfs, den wir bereits eingebracht haben, aus.

Erster Punkt – das ist ein maßgeblicher Punkt,bei dem ich hoffe, Herr Kollege Wagner, dass wir auch Sie noch überzeugen können –:Nur Qualität rechtfertigt Studiengebühren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen in den Hochschulen mit den Studierenden, den Professoren und den Hochschulleitungen einen Diskussionsprozess darum beginnen, welche Qualitätsstandards wir erreichen wollen, welche Qualität wir brauchen, um national, aber auch international wettbewerbsfähig zu sein.Wir müssen darüber diskutieren, mit welchen Instrumenten wir diese Qualitätsstandards erreichen, ob wir sie mit oder ohne Stu

diengebühren erreichen und wie dann die auf diesem Weg eingenommenen Mittel vor Ort verwendet werden sollen.

(Beifall bei der FDP)

Zweiter Punkt. Herr Kollege Wagner, wir brauchen eine Qualitätsgarantie. Wir brauchen einen Qualitätssicherungsprozess,der fortlaufend die erreichte Qualität evaluiert. Wir sind doch alle miteinander genügend in die Materie eingearbeitet, um zu sehen, dass das, was momentan an unseren Hochschulen in Hessen an Studienbedingungen angeboten wird, nicht das Nonplusultra ist. Hier sind erhebliche Mängel zu verzeichnen.

Deswegen schlägt Ihnen die FDP an dieser Stelle vor, den Qualitätsprozess fortlaufend zu evaluieren und eine Kommission einzurichten,die darüber wacht,ob die gesteckten Qualitätsziele erreicht werden, die aufzeigt, wenn diese Qualitätsziele nicht erreicht werden, und die dann festlegen kann – Herr Kollege Wagner, ich glaube, auch das gehört zur Ehrlichkeit in dieser Diskussion –, dass, wenn diese Qualitätsziele über einen längeren Zeitraum maßgeblich nicht erreicht werden, die Studierenden ein Anrecht darauf haben, ihr Geld zurückzuerhalten. Denn das, was Sie ihnen für ihre Beiträge versprochen haben, haben Sie dann an dieser Stelle nicht eingehalten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Das heißt dann für Studierende ganz konkret: Wenn mir für mein Hochschulstudium Geld abverlangt wird, dann muss es mit überfüllten Hörsälen, fehlenden Laborplätzen, mit Examensvorbereitungen auf dem Flur oder völlig veralteten Bibliotheksbeständen vorbei sein, denn dafür haben dann die Studierenden bezahlt.Wenn diese Mängel nicht abgestellt werden, dann haben sie auch ihr Geld zurückzuerhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Dritter Punkt. Herr Kollege Wagner, Sie haben Recht: Hier unterscheiden sich der FDP-Gesetzentwurf und der CDU-Gesetzentwurf maßgeblich.Wir wollen den Prozess der Hochschulautonomie, den wir in diesem Land eingeführt haben, auch bei den Studiengebühren fortsetzen. Für uns ist es selbstverständlich, dass in den einzelnen Hochschulen vor Ort entschieden wird, ob, für welchen Studiengang und in welcher Höhe Studiengebühren eingeführt werden.

Die Situation vor Ort ist unterschiedlich. Auch die verschiedenen Qualitätsstandards, die in absehbarer Zeit erreicht werden können, sind unterschiedlich. Es muss ein Ausfluss dieses Qualitätsdiskurses vor Ort sein, für welchen Studiengang ich welche Studiengebühren erhebe. Nur so ist auch ein Wettbewerb zwischen den Hochschulen, zwischen den einzelnen Studiengängen an den verschiedenen Studienstandorten möglich. Herr Kollege Wagner, alles andere – insbesondere, wenn es keine Geldzurück-Garantie gibt, wie wir sie Ihnen vorschlagen – ist zentrales Abkassieren, ohne dass den Studierenden dafür etwas garantiert wird.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Herr Wagner,es ist ja nicht richtig,wenn Sie hier vorne behaupten, die FDP wolle sich mit diesem Autonomiemodell um eine Entscheidung im Hessischen Landtag herumdrücken.

(Michael Denzin (FDP): Das ist Unsinn!)

Wir sagen eindeutig: Wir sind – auch mit der Vorlage unseres Gesetzentwurfes – der Meinung, dass für die Finan

zierung eines Plus an Qualität in unseren Hochschulen Studiengebühren in den Hochschulen einzuführen sind; aber wir nehmen den einzelnen Hochschulen eben nicht die Freiheit, darüber zu befinden, in welchem Zeitraum und für genau welchen Studiengang sie diese Studiengebühren erheben wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Herr Kollege Wagner, die CDU zeigt hier leider erneut ihre Regulierungswut. Sie wollen den Hochschulen nicht nur vorschreiben, dass und wie viel Studiengebühren sie zu erheben haben; Sie wollen jetzt mit den neu angekündigten Regelungen zur Befreiung auch vorschreiben, wie viele Studierende aus welchen Gründen jeweils befreit werden können.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das ist auch rechtlich angreifbar!)

Vierter Punkt. Hier wende ich mich insbesondere auch an SPD und GRÜNE, denn ich glaube, ihre Beiträge hier könnten noch etwas treffschärfer werden, wenn es um die Ausgestaltung geht. Es geht nämlich um den Punkt einer sozial verträglichen Lösung für Studierende wie auch – nach Abschluss des Studiums – für die Absolventen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir eine solche sozial verträgliche Lösung in Übereinstimmung mit Art. 59 der Hessischen Verfassung und den entsprechenden Regeln des Grundgesetzes durch eine Kombination aus Befreiungstatbeständen, Darlehensanspruch und Stipendienwesen finden können.

Ich glaube, mit Befreiungstatbeständen – wie wir sie z. B. für die Kindererziehung vorgeschlagen haben, im Falle von Behinderungen; für Promotionsstudiengänge und auch für ehrenamtliches Engagement, genauso wie beim Darlehensanspruch, den es, ohne dass Sicherheiten gegeben werden müssen, ohne eine Bonitätsprüfung geben muss und der auch zum Zeitpunkt der Rückzahlung allein auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Absolventen abstellt – kann eine mit Art. 59 verträgliche Lösung gefunden werden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

An dieser Stelle sage ich aber auch: Gleichzeitig – hier gibt es überhaupt keine Zeit zu verlieren – müssen wir alle Kraft daransetzen, das Stipendienwesen in Hessen, aber auch insgesamt in Deutschland, auszubauen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen genauso deutlich, dass nach unserer Meinung – der Meinung der FDP – an dieser Stelle ganz zuvorderst auch die Wirtschaft gefordert ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Michael Sie- bel (SPD): Darlehen!)

In den letzten Tagen konnten Sie aus den verschiedenen Verbänden und Kammern entsprechende Stellungnahmen lesen: Die Wirtschaft fordert seit Jahren die Einführung von Studiengebühren.

(Michael Siebel (SPD): Diese Front bröckelt aber!)

Ich bin der Meinung, sie täte gut daran, gezeigte Leistungen einzelner Studierender mit Stipendien zu belohnen.

Gleichzeitig – Herr Kollege Wagner, an dieser Stelle lässt Ihr Gesetzentwurf nach Auffassung der FDP ganz erheblich zu wünschen übrig – ist für die FDP unumstößlich, dass der Staat weiterhin, insbesondere angesichts steigender Studierendenzahlen, eine auskömmliche Grundfinanzierung des Hochschulwesens sicherstellen muss. Daran

darf es weder vor noch nach Ablauf des Hochschulpakts irgendwelche Abstriche geben.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Wagner, daran darf es keinerlei Abstriche geben, unabhängig davon, auf welchem Umweg und mit welcher Kosmetik Sie möglicherweise daran denken, in ein paar Jahren die eingenommenen Studienbeiträge auf die Grundfinanzierung anzurechnen. Das darf es nicht geben. Das halte ich für einen maßgeblichen Punkt der Glaubwürdigkeit von Politik. Deshalb gehört diese Absicherung in das Gesetz hinein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss möchte ich noch einen weiteren Punkt ansprechen. Wenn man sich die öffentliche Debatte anschaut, wenn man sich den Ablauf der Demonstrationen anschaut, die auch zu meinem sehr großen Bedauern zunehmend gewalttätiger und gewaltbereiter werden, müssen wir eines sehr gründlich betrachten: Ausdruck dieser Meinungsäußerungen insbesondere auf der Straße ist vielfältig, dass in diesem Zusammenhang Ängste bestehen. Zum Teil kann man sogar von Existenzängsten sprechen. Dies halte ich unter mehreren Gesichtspunkten für gefährlich.Deshalb fordere ich an dieser Stelle sowohl die Sozialdemokraten als auch die GRÜNEN dazu auf, damit Schluss zu machen, diese Ängste der Studierenden weiter zu schüren und mit ihnen zu spielen.