Protocol of the Session on June 22, 2006

Aber, meine Damen und Herren, wir müssen auch sehen, dass es gute Gründe gab, das anders zu sehen. – Das sage ich gerade zur FDP: Theodor Heuss hat das anders gesehen.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ja, 1948! – JörgUwe Hahn (FDP):Wann hat er das gesagt?)

Er hat gesagt, dass viele Menschen auf diesem Kontinent, die diese Erinnerung an die eigene republikanische Tradition nicht mehr hätten, eine andere Assoziation hätten – –

(Zurufe)

Herr Kollege Holzapfel, Sie müssen bitte langsam zum Schluss kommen.

Er hat versucht, den Standort, den wir dabei gewinnen können, neu zu bestimmen. Vielleicht sollten wir uns einfach einmal zusammensetzen, um – jenseits der Art und Weise, wie wir sie heute diskutieren – die ungeteilte und ganze Geschichte dieses Liedes und der nationalen Symbole zu beschreiben, und dies nicht nur einäugig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Holzapfel, Sie müssen wirklich zum Schluss kommen.

Die in den Stadien, auf den Plätzen schreiben ein neues Kapitel in der Geschichte des Deutschlandliedes. Sie schreiben es so deutlich, dass selbst die GEW ihren sonderbaren Beitrag noch vor dem Achtelfinale aus dem Verkehr gezogen hat.

(Axel Wintermeyer (CDU): Aber nicht die hessische! – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Was soll das denn?)

Sie schreiben ein neues Kapitel, in dem deutsche, italienische und portugiesische Flaggen am Hause gegenüber meiner Wohnung nebeneinander hängen und wir uns über die Freude anderer auf den Straßen genauso freuen wie sich diese über unsere Freude.

(Axel Wintermeyer (CDU): Herr Präsident, jetzt reicht es aber! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Es sind elf Minuten!)

Herr Kollege Holzapfel, Sie bringen das Präsidium in erhebliche Probleme. Ich bitte Sie – wir haben schon etwas dazugegeben –, kommen Sie zum Schluss.

Im Zweifelsfall singen sie in den Stadien auch:„Oh,wie ist das schön“, und denjenigen, die das singen, ist es von Herzen gleichgültig, dass man in Hessen nur GEW-Funktionär werden kann, wenn man griesgrämig und schlecht gelaunt in die Welt schaut.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber, meine Damen und Herren von der CDU, es ist Ihnen auch – –

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Es sind elf Minuten! – Weitere Zurufe)

Meine Damen und Herren, wir haben bei allen Rednern etwas Zeit dazugegeben. Herr Kollege Holzapfel ist mehrfach unterbrochen worden, doch die Zeit ist jetzt abgelaufen. Herr Kollege Hahn, es sind keine elf Minuten. Ich bitte Herrn Kollegen Holzapfel, jetzt zum Schluss zu kommen.

Ich war bei meinem letzten Satz.Es ist ihnen auch herzlich gleichgültig, ob Sie sich darüber freuen, dass sie sich freuen, und ob Sie darüber gar noch einen Beschluss fassen wollen. Sie freuen sich nämlich von ganz allein und ohne Segen der Politik. „Und das ist“, wenn ich einen gegenwärtigen Sozialdemokraten zitieren darf, „auch gut so“.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die SPD hat mir signalisiert, dass sie auf ihren zweiten Redebeitrag verzichte. – Das Wort hat jetzt Herr Kollege Al-Wazir.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben während dieser Debatte schon ein wenig in die Vergangenheit geblickt, und zwar aus guten Gründen. Zu dieser Vergangenheit gehört auch, dass diese Neuauflage der GEW-Broschüre eine relativ unveränderte Neuauflage einer Broschüre aus dem Jahre 1989 ist.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Da war sie auch nicht besser!)

Herr Wagner, genau um Sie geht es. Die GEW-Broschüre aus dem Jahre 1989 wiederum war eine Reaktion auf die Anweisung des Kultusministers, Dr. Christean Wagner, alle drei Strophen des Deutschlandliedes im Schulunterricht zu lernen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Alle drei Strophen lebendig lernen! Wir wollen historisch korrekt bleiben! – Norbert Kartmann (CDU): Sie wissen nicht, was Sie reden! Das ist das Problem!)

Herr Kollege Wagner – –

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Herr Kollege Wagner, warum sind Sie denn so aufgeregt?

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Weil Sie die Unwahrheit verbreiten!)

Das ganze Land freut sich und feiert eine riesige Party. Alle sind unverkrampft, der Einzige, der verkrampft ist, ist Christean Wagner.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren,darf ich Sie bitten,die Debatte von allen Seiten mit etwas mehr Gelassenheit zu führen?

Ich stelle deshalb bei Betrachtung der Historie der deutschen Nationalhymne fest: Es gab in der Bundesrepublik Deutschland in zwei historischen Situationen Diskussionen darüber, ob diese Nationalhymne die richtige sei. Die erste war der Briefwechsel zwischen Konrad Adenauer und Theodor Heuss, bei dem Theodor Heuss – aus meiner Sicht zu Recht – darauf hingewiesen hat, man müsse natürlich beachten, dass es nicht die dritte Strophe gewesen sei, die im Dritten Reich zur Nationalhymne gehört habe – wohl aber die Melodie und die erste Strophe in Verbindung mit einem anderen Lied.

Zweitens. Es gab 1990 eine Diskussion darüber, ob es nicht ein Zeichen für eine wirkliche Wiedervereinigung wäre – Sie erinnern sich an die Debatte: Beitritt oder Wiedervereinigung –, wenn dieses wirkliche neue Deutschland, dieses wiedervereinigte Deutschland eine neue Nationalhymne bekommen würde. Damals haben sich Mehrheiten dafür entschieden, es bei der dritten

Strophe des Deutschlandliedes und bei der Melodie zu belassen.

Wir können doch nüchtern feststellen, dass wir im Jahre 2006 leben, Herr Kollege Wagner. Im Jahre 2006 ist es so, dass diese Nationalhymne zwar eine Geschichte hat, aber nicht mehr als das wahrgenommen wird, als das sie in den Jahren 1952 und 1990 wahrgenommen wurde. Das muss die GEW lernen, und das muss die hessische CDU lernen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Helmut Peuser (CDU): Gerade von Ihnen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Die Debatte über die Melodie und die Geschichte des Deutschlandliedes trenne ich ausdrücklich – –

(Norbert Schmitt (SPD): Was heißt das, Herr Peuser? – Weitere Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Kollege AlWazir. Machen Sie es mir heute Vormittag doch nicht so schwer.

(Zurufe von der SPD)

Können wir in der Debatte fortfahren? – Das Wort hat der Kollege Al-Wazir.

Ich trenne die Debatte über die Historie, auch über den Missbrauch der Nationalhymne im Dritten Reich ausdrücklich von der Frage der schwarz-rot-goldenen Fahne, weil die Nationalsozialisten nicht ohne Grund im Jahre 1933 die schwarz-rot-goldene Fahne abgeschafft haben. Ich glaube, dass die Frage der Historie, der Entwicklung der deutschen Demokratie vor diesem Hintergrund zu sehen ist. Ich lege Wert darauf, dass ich es für eine gute Entwicklung halte, dass Schwarz-Rot-Gold nicht den Rechten in diesem Lande überlassen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich begrüße die Debatte sehr, die vom Bundesvorsitzenden der GEW begonnen wurde, der das, was dort gemacht worden ist, inzwischen mehr oder weniger zurückgezogen hat. Ich würde mir wünschen, dass auch bei dem, der Auslöser der Erstellung der Broschüre im Jahre 1988 war, nämlich beim Kollegen Christean Wagner, ein ähnlicher Denkprozess beginnen würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Eine hervorragende Broschüre! Lesen Sie sie einmal durch!)

Jetzt komme ich zu der Frage der Stimmung in Zeiten der WM. Wir haben eine unglaublich unverkrampfte, fröhliche Stimmung, ein unglaublich schönes, multikulturelles Fest, das stattfindet, seit die WM begonnen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Wie dieses „unverkrampft“ aussieht, können Sie auch daran sehen, Herr Kollege Wagner, was mit der schwarzrot-goldenen Fahne angestellt wird.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Die Nationalhymne auf Türkisch!)

Bei den öffentlichen Veranstaltungen sieht man schwarzrot-goldene Fahnen als Bikini-Ersatz oder als Harlekinmützen. Da wäre noch in den Fünfzigerjahren der Staatsanwalt wegen Verunglimpfung nationaler Symbole auf den Plan getreten.