Protocol of the Session on June 21, 2006

Meine Damen und Herren, es liegt ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der FDP betreffend sechs Jahre Erfolgsmodell Wachpolizei, Drucks. 15/5727, vor. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Sie wird bejaht. Dann wird der Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 82 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit Tagesordnungspunkt 28 aufgerufen werden.

(Axel Wintermeyer (CDU): Dem wird widersprochen!)

Dem wird widersprochen. Dann ist es Tagesordnungspunkt 82. Müssen wir darüber abstimmen? – Müssen wir nicht. Die Mehrheitsverhältnisse sind klar. Also ist es Tagesordnungspunkt 82, okay? – Kein Widerspruch.

(Nicola Beer (FDP): Protest!)

Den Protest nehmen wir zur Kenntnis, er bewirkt aber nichts.

(Allgemeine Heiterkeit – Gerhard Bökel (SPD): Unglaublich!)

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 37 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend hessische Polizei ist Opfer politischer Fehlentscheidungen der Landesregierung – Drucks. 16/5680 –

mit dem Tagesordnungspunkt 72:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend Zwischenbilanz der Sicherheitslage zur WM 2006 zeigt einmal mehr: Polizei und Hilfsdienste in Hessen optimal aufgestellt und einsatzbereit – Drucks. 16/5712 –

Vereinbarte Redezeit: 15 Minuten je Fraktion. Es beginnt der Kollege Rudolph für die SPD-Fraktion.

(Zuruf von der CDU: Der Erbsenzähler! – Jürgen Walter (SPD): Lass dir Zeit!)

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Demonstrativer Beifall bei der SPD und des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Michael Boddenberg (CDU): Dafür Beifall zu bekommen?)

Herr Boddenberg, ob die bei Ihnen vorher abgeguckt haben? Ich weiß es nicht. – Ich habe das mit dem „Erbsenzähler“ gehört. Ich komme im Laufe der Auseinandersetzung darauf zurück.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Weltmeisterschaft ist ein Ereignis, auf das wir uns gemeinsam freuen können. Die bisherigen Erfahrungen – ich glaube, die sind positiv, das sollten wir deutlich sagen – zeigen: Deutschland ist ein guter Gastgeber, und die Mannschaft spielt gut und erfolgreich – ein Grund, sich gemeinsam zu freuen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rüdiger Hermanns (CDU): Ich habe selten einmal so etwas Vernünftiges von Ihnen gehört! – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Frömmrich,die ist deswegen so gut,weil es mit der Landesregierung nichts zu tun hat. Das ist ausdrücklich richtig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Polizei und viele andere, die bei einem solchen Großereignis im Sicherheitsbereich tätig sind, werden dabei vor besondere Herausforderungen gestellt. Wir dan

ken daher zunächst der hessischen Polizei, allen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten für ihren Einsatz, den sie bereits in den letzten Tagen geleistet haben. Sie sind hervorragende Repräsentanten eines demokratischen Rechtsstaates. Deswegen ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die innere Sicherheit zu gewährleisten ist Aufgabe der Polizei. Sie wird gut erfüllt, obwohl die Hessische Landesregierung unter der Verantwortung von Innenminister Bouffier alles dazu beiträgt, dass die Rahmenbedingungen für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten nicht die besten sind. Seit Jahren betreibt diese Landesregierung in konsequenter Art und Weise einen Stellenabbau und schadet damit der inneren Sicherheit der hessischen Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beginnend mit der Amtszeit dieser Regierung und dieses Innenministers im Jahre 1999 – immerhin schon siebeneinhalb Jahre her,

(Zurufe von der CDU:Tolle Leistung!)

tolle Leistung, manche glauben gar nicht, wie lange so etwas sein kann; da haben Sie völlig Recht; deswegen werden wir das bald ändern –

(Beifall bei der SPD)

werden wir bis zum Jahre 2008 über 1.200 Stellen bei der Vollzugspolizei weniger haben, im Bereich der Tarifangestellten – so die bisher vom Innenminister unwidersprochene Feststellung der GdP – über 1.600 Stellen weniger. Sie haben 250 Stellen mit Wachpolizisten und 460 Stellen im Angestelltenbereich aus den Stellen der Vollzugspolizei besetzt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein unverantwortlicher Vorgang, den Sie zu verantworten haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allein in den nächsten zweieinhalb Jahren werden im Rahmen der „Aktion düstere Zukunft“ 360 Stellen bei der Vollzugspolizei, 608 Stellen im Bereich der Angestellten abgebaut. Es sind die falschen Weichenstellungen dieser Landesregierung. Deswegen sind Hessens Polizeibeamte und damit alle Bürgerinnen und Bürger in Hessen die Leidtragenden. Das ist das Bedauerliche an dieser Politik.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens haben wir im Rahmen der Haushaltsplanberatungen den Antrag eingebracht, die PVS-Vermerke für die 360 Stellen zu streichen. In der arroganten Art und Weise der CDU-Mehrheit wurde dies nach dem Motto abgelehnt: kein Bedarf dafür. Bisher haben Hessens Polizeibeamte bereits über zwei Millionen Überstunden angehäuft, allein eine riesige Menge. Etwa 500.000 Überstunden kommen durch die WM dazu. Es gab einmal, als die GdP diese Zahl genannt hat, Pressemitteilungen des Innenministers und des Landespolizeipräsidenten, es sei maßlos übertrieben. Mittlerweile muss selbst dieser Innenminister zugeben: mindestens 500.000 Überstunden fallen an. Deswegen sind es am Ende der Fußballweltmeisterschaft zweieinhalb Millionen Überstunden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, diese Landesregierung schadet mit ihrer Politik Hessens Polizeibeamten. Auf dem Rücken der Polizeibeamten wird eine weitere Diskussion begonnen, als ob man mit einem Großereignis wie der WM nicht genug zu tun hätte. Weiß Gott, die Aufgaben sind vielfältig, wenn es etwa darum geht, Hooligans keine Chance zu geben.Es ist gut,dass Hooligans in Hessen und in Deutschland keine Chance haben. Dafür brauchen wir viel Polizei, gut ausgebildete Polizei.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Trotzdem hatte diese Landesregierung die glorreiche Idee, die Diskussion um Studiengebühren zu entfachen und gleichzeitig ein Gesetzgebungsverfahren anzukündigen, zu beschleunigen und damit zusätzlich die Stimmung in diesem Lande anzuheizen und sich dann zu wundern, wenn demokratische Grundrechte, dagegen zu demonstrieren, in Anspruch genommen werden. Deswegen war das der falsche Ansatz, eine falsche Weichenstellung durch diese CDU.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt übrigens überhaupt keine Rechtfertigung, das alles jetzt zu machen.

(Horst Klee (CDU):Wer greift hier ein?)

Meine Damen und Herren, ein geordnetes Verfahren sieht anders aus. Das Schlimme ist, die politische Fehlentscheidung, Studiengebühren einzuführen und sie im zeitlichen Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft bekannt zu geben, muss wie eine blanke Provokation wirken.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern daher diese Landesregierung auf,die Debatte über Studiengebühren unverzüglich zu beenden und zu einem geordneten Gesetzgebungsverfahren zurückzukehren – noch besser aber: die Idee über die Einführung von Studiengebühren in den Papierkorb zu versenken.Da gehört sie nämlich hin.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hessens Polizeibeamte sind von dieser Landesregierung und dem Innenminister genug malträtiert worden. Allein die Einführung der Wochenarbeitszeit von 42 Stunden bedeutet für Polizeivollzugsbeamte im Schichtdienst eine zusätzliche Arbeitsbelastung von 14 bis 15 Tagen im Jahr. Das ist keine Petitesse, sondern eine enorme Mehrbelastung für diese Frauen und Männer. Sie tragen die politische Verantwortung für diese falsche Entscheidung.

(Beifall bei der SPD)

Es scheiden in den nächsten Jahren jährlich rund 300 Polizeibeamte aus. Die Einstellungsquote beträgt nach Innenminister Bouffier 250. In den nächsten Jahren fallen 15 Spitzensportler, als Gruppe eingerichtet, schon einmal aus dem normalen Dienst. Das heißt relativ klar und nachvollziehbar, wir werden in den nächsten Jahren weniger Polizeibeamte haben. Freiwilliger Polizeidienst und Wachpolizei sind kein Ersatz für eine gut ausgebildete und qualifizierte Polizei, die wir dringend brauchen. Deswegen ist Placebo an der Stelle falsch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Horst Klee (CDU): Es ist immer dasselbe!)

Sie sind die falsche Antwort auf die veränderten Herausforderungen. – Herr Klee, das werden wir Ihnen so lange sagen, bis Sie es kapieren. Ich bin guter Hoffnung, irgendwann kommt es bei Horst Klee an. Ich bin mir da sicher.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Horst Klee (CDU): Bring doch etwas Neues und nicht immer dasselbe!)

Wissen Sie, dass Sie auf diese Vorwürfe autistisch reagieren, stört mich nicht. Entscheidend ist, was die Menschen im Land darüber denken. Sie erteilen Ihrer Politik mit den Füßen eine deutliche Abstimmungsniederlage. Das ist gut so, und das werden wir konsequent weiter aufklärend betreiben.