Protocol of the Session on June 20, 2006

Deshalb werden Augenmaß und Vernunft bei den Diskussionen der nächsten Tage weiterhin notwendig sein. Denn wir sind nicht in einer Position, dass der Staat befehlen kann.Aber wir sind in einer Pflicht, dass der Staat in einer Region auch den Unternehmern offen und klar sagt, wo ihre Verantwortung liegt. Das habe ich auch heute versucht zu formulieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Als Nächster hat Herr Walter für die SPD-Fraktion das Wort. Den Oppositionsfraktionen sind zusätzliche Redezeiten zugewachsen, es stehen jetzt jeweils acht Minuten zur Verfügung.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Der Ball ist rund!)

Ich höre die Hinweise wohl.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hätten uns gewünscht, dass diese Debatte gemeinsam mit der Regierungserklärung des Wirtschaftsministers geführt werden kann, weil, ganz offen gesprochen, nicht nur wir, sondern auch die Journalisten geistig schon beim Warmlaufen für das Spiel um 16 Uhr sind.Deshalb ist es sehr bedauerlich, dass diese Debatte über ein unbestritten wichtiges Thema jetzt stattzufinden hat.

(Zurufe von der CDU:Ah!)

Der zweite Punkt, warum wir so großen Wert darauf gelegt haben, dass dies mit in der Regierungserklärung be

handelt wird, ist, Herr Ministerpräsident, dass wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ein Stück weit auch daran interessiert waren, ob derjenige Fachminister, der sich zumindest theoretisch tagtäglich mit diesen Fragen auseinander zu setzen hat, in der Lage ist, nicht nur das vorzulesen, was ihm seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Regierungserklärung aufgeschrieben haben, sondern über ein aktuelles Problem zu reden. Herr Wirtschaftsminister Rhiel, wir stellen fest, dass Sie dazu nicht in der Lage sind.

(Beifall bei der SPD – Lebhafte Zurufe von der CDU – Minister Karlheinz Weimar: Das ist nur noch schäbig! – Glockenzeichen des Präsidenten)

Einen Moment, Herr Walter. – Lassen wir den Lärmpegel etwas absinken.

(Norbert Schmitt (SPD): Ich glaube, das gibt Verlängerung!)

Das geht nicht auf Kosten Ihrer Redezeit.

(Minister Karlheinz Weimar: Aber sich selbst nicht für Höheres für geeignet halten! – Horst Klee (CDU): Jeder disqualifiziert sich, so gut er kann! – Zuruf von der CDU: Dummes Geschwätz!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, offensichtlich ist die Erwartungshaltung der CDU-Fraktion an ihren Fachminister nicht so groß, dass sie von ihrem eigenen Minister erwartet, dass er über eines der zentralen wirtschaftspolitischen Themen, nämlich den Finanzplatz Frankfurt, redet. Aber das ist ihr Problem, das ist nicht unser Problem.

(Beifall bei der SPD – Ulrich Caspar (CDU): Warum redet nicht der Fachsprecher für Wirtschaft bei der SPD?)

Herr Ministerpräsident, ich spreche Sie jetzt als Fachminister an. Ich beginne einmal mit den Teilen Ihrer Ausführungen, denen ich zustimme. Das sind nicht allzu viele. Ich stelle fest, dass das ein zentral wichtiges Thema ist. Ich stelle fest, dass das, was aktuell verlautbart wird, ein großes Problem, eine Gefahr für den Finanzplatz Frankfurt darstellt.

(Michael Boddenberg (CDU): Was wollen Sie uns jetzt eigentlich sagen?)

Aber, Herr Ministerpräsident, Sie tun so, als sei diese Entwicklung wie ein Unwetter über dieses Land gezogen, als sei diese Entwicklung etwas völlig Neues. Dies ist, und das weiß jeder hier im Raum, völlig falsch. Die Debatte um die Börse in Frankfurt läuft seit sechs, sieben, acht, wahrscheinlich schon mehr Jahren. Was uns hier gefehlt hat, war die Antwort auf die Frage:Was haben Sie denn in den letzten Jahren dafür getan, dass eine Strategie für diesen Finanzplatz, eine Strategie für diese Börse erarbeitet wird? Sie kritisieren das, was jetzt passiert.Aber Sie sagen uns nicht, was die Landesregierung positiv dafür tut, dass etwas anderes passiert.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Nicht kollabieren, Herr Walter! Sie wollten doch zurücktreten!)

Herr Boddenberg, die Börse war schon immer ein großes Problem des Herrn Ministerpräsidenten.

(Zuruf des Ministers Karlheinz Weimar)

Ich habe schon einmal aus diesem feinen Buch, der Biografie Roland Kochs, zitiert.Auch darin steht einiges über die Börse. – Herr Weimar, Sie kommen darin vor. – Dabei wird deutlich, dass wir uns über die aktuellen Entwicklungen nicht zu wundern haben. Herr Minister Posch kommt auch darin vor; er wird ausgesprochen positiv bewertet. Da heißt es:

Der Verwaltungsjurist Posch rettete Koch noch ein zweites Mal vor seiner Begeisterung für große Operationen. Koch als „Großmeister der Ökonomie“, wie ihn ein Kabinettsmitglied spöttisch nennt, war z. B. ein Anhänger des Planes von Rolf Breuer, dem Boss der Deutschen Bank, und Werner Seifert, dem Chef der Deutschen Börse, die sich eine gigantische Umverteilung des europäischen Börsengeschäfts ausgedacht hatten: Die Börsenplätze Frankfurt und London sollten fusionieren zum Monsterhandelsplatz..., wobei an der Themse die Papiere der Old Economy gehandelt werden sollten und in Frankfurt die des Neuen Marktes.

Der Autor weiß sehr genau, was passiert ist; denn er sagt, dass der Börsenchef sogar ins Kabinett gekommen ist. Nur der wackere – er wird hier als „ruhig,aber beharrlich“ beschrieben, das mag so sein – Herr Posch hätte zunächst dagegen argumentiert.

Die Börse, so argumentierte Posch, sei für die Menschen in der Stadt, aber auch für den Finanzplatz Frankfurt von immenser symbolischer Bedeutung.

(Beifall bei der FDP)

„Die könne man nicht so einfach wegfusionieren“, habe Herr Posch zu Recht gesagt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo er Recht hat, hat er Recht!)

Zudem schob Posch noch aufsichtsrechtliche Bedenken nach. Ohne deren Klärung, so der tapfere Minister, „genehmigen wir hier gar nichts“.

Dann kommen Sie ins Spiel. – Herr Weimar ist hinausgegangen, weil er die Passage kennt.

Finanzminister Weimar wollte die Situation retten. „Das ist doch nicht so wichtig, Dieter“, warf er ein, „das können wir doch hinterher klären.“

Wie immer: Minister Weimar ein wenig desinteressiert, aber immer vollständig uninformiert.

(Lachen bei der SPD)

Doch Posch blieb hartnäckig. „Nö, so nicht“, entgegnete er knapp. Seifert verließ den Kabinettssaal ohne eine Entscheidung. Koch war entsetzt. Damals. Heute ist er heilfroh, dass er den Standort Frankfurt nicht dem Nemax-Hype geopfert hat.Die Hessen hätten ihn geteert und gefedert.

(Axel Wintermeyer (CDU): Was wollen Sie für die Deutsche Börse tun?)

Herr Ministerpräsident, wir stellen fest: Sie haben in den letzten sechs Jahren, was das Thema Börse Frankfurt angeht, nichts hinzugelernt.

(Beifall bei der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Ja, ein klarer Fall!)

Im Übrigen, wenn Sie uns berichten, dass Sie gestern um 22 Uhr ungerade vom Aufsichtsrat mitgeteilt bekommen hätten,dass es neue Entwicklungen gibt,die anders lauten als das, was Sie sich erhofft hatten, dann verwundert mich das schon.Wir würden erwarten, dass entweder der Fachminister, der aber bei diesen wichtigen Fragen offensichtlich ausgeschaltet ist, oder aber, wenn er es in die eigenen Hände nimmt, der Hessische Ministerpräsident nicht nachts um 22 Uhr ungerade von einer solchen Entwicklung erfährt, die am nächsten Tag in allen Publikationen steht, sondern dass ein Ministerpräsident in dauerndem Gespräch über diese Fragestellung steht.

(Norbert Schmitt (SPD): Genau so ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man sich vergegenwärtigt, wer alles als Ansprechpartner in diesem Aufsichtsrat sitzt, dann stellt man fest, es sind nicht alles Leute mit ganz internationalem Hintergrund, die man hier nicht kennt. Da sitzt z. B. Friedrich Merz.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich wusste es, ich habe gewettet!)

Gut, er vertritt eine Anwaltskanzlei, die an der Stelle andere Interessen zu vertreten hat. Ein Privatbanker, Herr von Metzler aus Frankfurt, sitzt darin. Josef Lamberti sitzt mit drin. Die Dresdner Bank ist vertreten, die Commerzbank ist vertreten.Es ist nicht so,dass diese Menschen,die im Aufsichtsrat sitzen, überhaupt kein Interesse an der Region haben. Herr Ministerpräsident, ich kann mir auch nicht vorstellen – die Wahrung der Aufsichtsratsgeheimnisse ist überhaupt nicht mein Thema –, dass diese Mitglieder nicht bereit sind, die entsprechenden Gespräche zur Wahrung der Interessen unserer Region zu führen.

(Norbert Schmitt (SPD): Genau so ist es!)

Wenn Sie uns hier mitteilen, dass Sie um 22 Uhr ungerade die negative Botschaft erhalten haben, dann stellen wir fest,dass Sie sich zumindest die letzten Monate überhaupt nicht um dieses Thema gekümmert haben, und das ist diesem Thema nicht angemessen.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Lächerlich, was Sie hier vortragen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen, dass Sie ob der Eigentümerstruktur relativ wenige Möglichkeiten haben, als Landespolitik Entscheidungen zu revidieren. Aber, Herr Ministerpräsident, Ihre Argumentation ist gemeinhin beliebig. Sie kritisieren Herrn Eichel, weil er die Veräußerung von Aktienanteilen erleichtert hat – etwas, wo Sie gelegentlich anders diskutieren. In der Tat ist es dann so, dass Politik nicht mehr einfach durch Mehrheitsbeteiligungen entscheiden kann: Frankfurter Börse, ihr bleibt in dieser Form in der Region. – Nur, dies ist etwas, Herr Ministerpräsident, was Sie an anderer Stelle positiv darstellen.

Es bedeutet auch nicht, dass, wenn das entschieden wird, die Börse automatisch weg ist. Ein Unternehmen bleibt da, wo es die attraktiven Standortvorteile hat. Ein Unternehmen Frankfurter Börse bleibt in Frankfurt, wenn der Finanzplatz entsprechend gestärkt wird. Ein Unternehmen Börse Frankfurt hat keinerlei Interesse daran,zu verlagern, wenn – jetzt sage ich es einmal einfach – in Frankfurt die Musik spielt.

Aber seit Sie Ministerpräsident sind – seitdem bin ich in diesem Landtag –, höre ich von Ihnen eine Beschreibung von Hoffnungsschimmern am Himmel, was in Frankfurt alles passieren wird. Ich höre immer den Bau des House

of Finance – übrigens ein Projekt, das noch in sozialdemokratischer Zeit angedacht worden ist. All diese Geschichten höre ich seit acht Jahren. Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stelle seit acht Jahren fest, dass der Bankenstandort London zunehmend Personen beschäftigt, übrigens heute mehr als im Boomjahr 2000, und dass es mit unserem Finanzzentrum Frankfurt seit Amtsantritt dieser Landesregierung objektiv nach unten geht.

(Beifall bei der SPD – Lachen des Ministers Karl- heinz Weimar)