Protocol of the Session on June 20, 2006

Herr Posch hat das Wort. Er hat acht Minuten Redezeit.

Es tut mir Leid. – Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, ich teile – insbesondere nach den Entscheidungen des Aufsichtsrats am gestrigen Tage – uneingeschränkt die Analyse, die Sie heute vor dem Hessischen Landtag vorgetragen haben. Das gilt sowohl im Hinblick auf die unterschiedlichen Bereiche, die auf verschiedene Standorte verteilt werden sollen, als auch im Hinblick auf die Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen.

Allerdings möchte ich auf Folgendes hinweisen – ich kann an das anknüpfen, was ich vorhin gesagt habe –: Es hat, im

Gegensatz zu dem, worum es jetzt geht, zwei Situationen gegeben, die sich in der Sache unterschieden haben. Damals ging es um den Erwerb der Stock Exchange in London. Wir haben damals befürchtet, dass der Erwerb einer anderen Börse letztendlich dazu führen würde, dass die Standortinteressen Frankfurts nicht ausreichend gewährleistet werden.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, der Unterschied zu heute liegt in dem Verfahren. Das gilt in zweierlei Hinsicht: Erstens. Das, was Sie heute hier dargestellt haben, hat in den vergangenen Wochen niemand in diesem Hause gehört. Dabei hätten Sie die Parlamentarier sehr wohl in angemessener Weise über diese Veränderungen informieren können. Herr Boddenberg, es gibt auch eine Bringschuld der Landesregierung gegenüber dem Parlament.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))

Sie rufen jetzt dazwischen, diese Meldung gebe es erst seit 22 Uhr.

(Michael Boddenberg (CDU): Wir können doch nicht jeden Tag eine Plenarsitzung machen!)

Das mag sein. Aber Sie haben in dem Bericht, den Sie gerade abgeliefert haben, auch dargestellt, dass es bereits eine Vorgeschichte zu der Entwicklung in der Aufsichtsratssitzung am gestrigen Abend gegeben habe. Deswegen sage ich, dass wir in solche Entscheidungen eingebunden werden wollen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich will auf einen weiteren Unterschied eingehen. Herr Al-Wazir hat gesagt, es habe eine politische Diskussion gegeben – eine unzureichende politische Diskussion, wie ich meine. Angesichts der Tatsache, dass 90 % der Aktionäre nicht aus Deutschland kommen und die Börse daher letztendlich kein deutsches Unternehmen mehr ist, weiß ich sehr wohl, dass unsere Handlungsmöglichkeiten de jure minimal sind. Gleichwohl erwarte ich, dass wir Standortinteressen in diese Diskussion einbringen. Als es um den Erwerb der London Stock Exchange ging, haben wir Veranstaltungen gemacht – –

(Zurufe:Tor! – Allgemeiner Beifall)

Wir haben Grund zur Freude. Diese Freude teilen wir mit allen.Aber ich finde es ungerecht,dass nur ein kleiner Teil die Möglichkeit hat, sich darüber zu freuen, das Präsidium jedoch z. B. nicht.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Meine Damen und Herren, es gibt weiterhin einen geordneten Parlamentsbetrieb. Herr Posch hat das Wort.

Ich mache es kurz. Aber wenn das wirklich ein Tor war, hätten wir jetzt durchaus Zeit zum Diskutieren; denn dann hätten wir uns ja schon einen Vorteil verschafft.

Ich komme auf die damalige Situation zurück. Herr Ministerpräsident, deswegen sage ich das. Herr Seifert musste sich für seine Entscheidungen bzw. für seine Absichten vor dem hessischen Kabinett rechtfertigen.Warum haben Sie das mit Herrn Francioni nicht gemacht? Warum haben solche Diskussionen nicht stattgefunden?

Ich habe die Bitte – darum geht es mir im Interesse des Ganzen –, diesen Landtag, diese Fraktionen, über das, was sich in den nächsten Tagen und Stunden abspielt, zu informieren und alle Möglichkeiten zu nutzen,um in Bezug auf den Standort zu einer positiven Entscheidung zu kommen. Ich weiß, dass es in der Situation, in der wir uns befinden, eigentlich völlig egal ist, wo die Plattform steht und von wo aus was gemacht wird.

Aber ich glaube, die Politik hat mehr Aufgaben, als lediglich festzustellen, was betriebswirtschaftlich notwendig ist oder nicht. Deswegen sollte diese Diskussion ein Anlass dazu sein, in Zukunft die Informationsstränge zwischen der Landesregierung und dem Parlament zu verbessern und nach Möglichkeiten zu suchen, die Standortinteressen in die Diskussionen mit den Aufsichtsräten, die etwas zu bewirken haben, einzubringen und das Ganze doch noch zu einem positiven Ende zu führen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Vielen Dank, Herr Posch. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Es ist vorgeschlagen, den Dringlichen Antrag der Fraktion der SPD betreffend Finanz- und Wirtschaftszentrum Frankfurt unter Druck – Wirtschaftsminister sprachlos?, zur abschließenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft,Verkehr und Landesentwicklung zu überweisen.

Wir sind damit am Ende der heutigen Parlamentssitzung. Ich darf Ihnen einen vergnüglichen Fernsehabend bei der Begleitung unserer Mannschaft auf dem Weg zum Weltmeistertitel wünschen.

(Schluss: 16.07 Uhr)