Protocol of the Session on May 17, 2006

Derzeit stellt sich die Situation wie folgt dar – Herr Siebel, da bin ich beim Gerechtigkeitsgedanken –: Der überwiegende Bevölkerungsanteil, die Nichtakademiker, zahlt durch Steuern das Studium der Akademiker, die dann ein entsprechend höheres Gehalt erzielen können. Meine Damen und Herren, das allein ist jedenfalls im Sinne der Gerechtigkeit – wie Sie das von der SPD sagen – so nicht zu vertreten.

(Beifall bei der CDU)

Gleichzeitig zahlen andere Auszubildende für ihre Prüfungen eigene Leistungen. Ich nenne nur die Meisterprüfung, die ca. 10.000 c kostet, oder die Fachschulen für Physiotherapeuten, die ebenfalls selbst bezahlt werden müssen. Die Ungerechtigkeit besteht darin, dass einkommensschwächere Familien, aus denen noch immer zu wenige Kinder studieren, das Studium der Kinder, die aus einkommensstärkeren Familien kommen,komplett finanzieren. Die Studienbeiträge sind eine Investition in die eigene berufliche und damit wirtschaftliche Zukunft. Herr Siebel, das ist ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit,

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD):Abwegig!)

und deswegen ist das, was Sie hier erzählen, eine glatte Volksverdummung.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der Herr Minister hat darauf hingewiesen, dass es zahlreiche Ausnahmeregelungen gebe, die sowohl Familienals auch Urlaubs-, Praxis- und Auslandssemester ausnehmen sowie Krankheitsfälle, Härtefallregelungen der Universitäten und Hochbegabte berücksichtigen würden. Es gibt also viele individuelle Ausnahmeregelungen,die dazu führen, dass es eine soziale Struktur gibt.

Uns kommt es darauf an, dass in Hessen jeder studieren kann. Das kann nach dem Gesetzentwurf, den die Regierung ins Verfahren gebracht hat, jeder. Es kann auch jeder studieren, ohne diese Beiträge zu bezahlen. Sie müssen erst zurückgezahlt werden, nachdem jemand eine Tätigkeit aufgenommen hat, die dazu führt, dass auch abgezahlt werden kann. Das ist einer der sozialsten Entwürfe, den ich in Bezug auf das Studium kenne.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben auch noch nicht viel gesehen! – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Was haben Sie denn gesehen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen werden wir die Studiengebühren auch in Hessen einführen.

Ich will noch darauf zu sprechen kommen, dass die Marburger Stadtautobahn blockiert worden ist. Ich habe der Presse entnommen, dass der Herr Kollege Spies an dieser Blockade teilgenommen habe. Herr Kollege Spies, wenn es stimmt, dass Sie an der Blockade in Marburg teilgenommen haben, dann halte ich das für höchst bedenklich, weil damit der Tatbestand der Nötigung erfüllt sein könnte.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Seien Sie vorsichtig mit falschen Beschuldigungen!)

Als Abgeordnete haben wir die Pflicht, an der Rechtstreue keinerlei Zweifel aufkommen zu lassen. Herr Kollege Spies, das haben Sie getan.

(Norbert Schmitt (SPD): Das haben wir bei dem Schwarzgeldskandal gesehen! Die Rechtstreue der hiesigen CDU haben wir gesehen!)

Die „Frankfurter Neue Presse“ berichtet, dass bei den Studierenden in Bezug auf ihre Proteste inzwischen ein Umdenken stattgefunden habe.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Ach ja? – Norbert Schmitt (SPD): Gehen Sie doch einmal vor die Tür!)

Ich zitiere aus dem Artikel der „Frankfurter Neuen Presse“ vom 16.05.2006:

Vorlesungsboykott und Studentenstreik wie in den vergangenen Jahrzehnten halten viele nicht mehr für ein taugliches Mittel.... viele Studierende hätten gemerkt, dass sie mit Boykott und Streik nicht viel weiter gekommen seien, „sich aber ins eigene Fleisch schneiden“.

(Ulrike Gottschalck (SPD): Der Zeitungsartikel geht aber noch weiter!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Sinne werbe ich um eine sachliche Beratung, damit unsere hessischen Hochschulen im Wettbewerb mithalten können und hessische Absolventen auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen haben.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU – Zu- ruf von der SPD: Das war mehr Beifall als für den Minister!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe jetzt drei Meldungen für Kurzinterventionen vorliegen. Wir beginnen mit Frau Kollegin Wagner. – Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrte Frau Kühne-Hörmann, Sie haben eingefordert, dass man sich hier als Reformer, als gerecht denkender Mensch und als vernunftbegabt darstellen sollte. Das will ich tun. Mein Lebensweg, der mich an dieses Rednerpult des Hessischen Landtags geführt hat, wäre mit Schulgeld und Studiengebühren anders verlaufen. Die Hessische Verfassung hat es mir mit dem Gebot der Gebührenfreiheit ermöglicht, als Tochter einer verwitweten Schneiderin das Gymnasium zu besuchen, als erstes Mädchen eines Dorfes Abitur zu machen und erfolgreich ein Studium abzuschließen.

Frau Kühne-Hörmann, ich nehme für mich in Anspruch, dass ich als Politikerin in diesem Land Reformen insbesondere an den Hochschulen eingeleitet habe und dass ich nicht zu Dank verpflichtet bin, da ich mir auf meinem Lebensweg wirklich vieles erarbeitet habe. Ich sage Ihnen aus eigener Erfahrung – anders als meine Fraktion –, dass ich Studiengebühren aus verfassungsrechtlichen Gründen, aus sozialpolitischer und bildungspolitischer Verantwortung für das Erststudium ablehne.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich respektiere die Argumente anderer Kollegen und insbesondere das Modell meiner FDP-Fraktion, die die Option freier Entscheidungen autonom handelnder Hochschulen vertritt und die die Gebühren von Studierenden zur Qualitätssteigerung an Hochschulen verwendet wissen will.

Meine Damen und Herren von der Regierung, es bleibt dabei: Es gibt nicht nur e i n Gerechtigkeitsmodell, sondern eine Abwägung darüber, ob junge Eltern überhaupt Eltern werden, ob sie von der schwarz-roten Koalition in Berlin weiterhin steuerlich belastet werden, ob sie weiterhin Kindergartengebühren und zusätzlich Studiengebühren bezahlen müssen, ohne dass die 2-prozentige Möglichkeit eines Stipendienerwerbs besteht. Ich sage Ihnen daher: Ich will aus Gerechtigkeitsgründen für das Erststudium keine Studiengebühren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf Frau Kollegin Kühne-Hörmann darauf hinweisen, dass sie die Möglichkeit hat, entweder zu jedem Punkt zu antworten oder nachher in der Summe, aber auch nur in zwei Minuten. Das entscheiden Sie. – Das Wort hat Frau Kollegin Sorge zu einer Kurzintervention.

Vielen Dank,Herr Präsident.– Zuerst möchte ich kurz sagen, dass ich es vonseiten der CDU-Fraktion für eine ziemliche Unverschämtheit halte, bei der Rede der Kollegin Wagner so laut zu murmeln und ihr nicht zuzuhören. Sie wissen alle, dass es wirklich kein leichtes Unterfangen ist, gegen seine Fraktion eine Position vertreten zu müssen oder zu wollen. Ich finde, dass es ein Gebot des Respekts ist, ihr aufmerksamer zuzuhören.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Das muss gerade ein Mitglied der GRÜNEN sagen!)

Nun aber zu meiner Kurzintervention. Frau Kollegin Kühne-Hörmann, Sie sagen, der Geldbeutel entscheide in Hessen nicht über den Bildungserfolg. Das ist wirklich die größte Unwahrheit, die Sie hätten verbreiten können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kennen alle die Studien. Es geht nicht darum, dass wir die Politik der Landesregierung angreifen, sondern wir wissen seit PISA doch alle, dass der Bildungserfolg in Deutschland – und zwar sehr viel stärker als in anderen Industrienationen – extrem vom Geldbeutel der Eltern bzw. der Herkunftsfamilie abhängig ist. Wir wissen, dass das bei dem Abitur schon der Fall ist und dass sich das bei den Hochschulen noch einmal verschärft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deswegen bedarf es der Anstrengung aller, dass wir diese Chancenungleichheit beseitigen bzw. schmälern und dass wir uns anstrengen, es hinzubekommen, dass auch Menschen aus bildungsfernen Schichten oder aus Familien mit Migrationshintergrund bei gleicher Eignung dieselben Chancen haben,ein Abitur oder Hochschulstudium zu absolvieren.

Dann schaue ich mir das Gesetz an. Sie reden immer wieder davon, dass es sozial gerecht sei und dass es sich um nachgelagerte Studiengebühren handle. Ich möchte noch einmal klipp und klar sagen, dass das bei diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht der Fall ist.Wir haben es hier mit der Einführung von ganz klassischen Studiengebühren zu tun. Für diejenigen, die sich die Studiengebühren momentan nicht leisten können, für die Papa oder Mama morgens nicht den Scheck auf den Küchentisch legen, gibt es die Möglichkeit, ein Darlehen aufzunehmen, was eine enorme Verschuldung mit sich bringt und wahrscheinlich eher diejenigen vom Studium abhalten wird, die das Geld von zu Hause eben nicht mitbekommen. Ich glaube, dass Sie hier wirklich einen großen Fehler begehen.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist um.

Das ist genau der falsche Weg, in Deutschland die Chancengerechtigkeit wieder herzustellen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort zu einer Kurzintervention hat Frau Kollegin Beer.

Herr Präsident! Frau Kollegin Kühne-Hörmann, da Sie vorhin keine Zwischenfragen zugelassen haben, nutze ich jetzt die Gelegenheit,zwei Punkte aufzuzeigen,die uns als FDP sehr wichtig sind und bei denen ich glaube, dass das CDU-Modell nicht das einhält, was es verspricht.

Zum einen haben Sie hier sehr breit davon gesprochen, dass Sie die Autonomie der Hochschulen respektieren wollen. Dann stelle ich die Frage: Wenn Sie die Autonomie der Hochschulen so hoch halten, wieso überlassen Sie es dann nicht den Hochschulen, zu entscheiden, ob, für welchen Studiengang und in welcher Höhe sie Studienbeiträge erheben wollen?

Sie haben davon gesprochen, dass auch Ihr Modell dazu dienen soll, Gelder einzunehmen, um die Studienbedingungen zu verbessern. Doch wenn Sie die Studienbedingungen wirklich nachhaltig verbessern wollen, warum sieht Ihr Modell nicht vor, dass die Verpflichtung den Hochschulen auferlegt wird und dass die Erfüllung dieser Verpflichtung unter Mitwirkung der Studierenden überprüft wird und bei Nichterfüllung Konsequenzen vorgesehen werden?

Ich glaube, die Tatsache, dass diese beiden Bereiche, die ich eben angesprochen habe, nicht vorgesehen sind, legt den Schluss nahe, dass Sie nur Gelder erheben wollen, um die Löcher an den hessischen Hochschulen zu stopfen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren,es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. – Wir haben vier Anträge vorliegen, und wir kommen zum Verfahren. Ich gehe davon aus, dass über Punkt 45 abgestimmt wird. Sollen die anderen Anträge dem Ausschuss überwiesen werden?

(Reinhard Kahl (SPD): Dann alles abstimmen!)

Über alle abstimmen, alles klar. – Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung.

Ich rufe Punkt 43 auf, Antrag der Fraktion der SPD, Drucks. 16/5543. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit stelle ich fest, dass dieser Antrag bei Zustimmung der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Ablehnung durch die Fraktionen der CDU und der FDP abgelehnt worden ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 45 auf, Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend keine Studiengebühren in Hessen, Drucks. 16/5547. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit stelle ich fest, dass dieser Antrag bei Zustimmung durch die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Ablehnung durch die Fraktionen der CDU und der FDP abgelehnt worden ist.