Protocol of the Session on May 16, 2006

vertretern, von Schulen, von Personalräten bei uns an, die alle die gleiche Aussage haben, dass nämlich diese „Unterrichtsgarantie plus“ nicht die Qualität der Schulen erhöht, sondern die Qualität des Unterrichts absenkt und nicht geeignet ist,für mehr und bessere Bildung zu sorgen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist festzustellen, dass Ihr verzweifelter Versuch, die Glaubwürdigkeit der Unterrichtsgarantie der Öffentlichkeit zu vermitteln, gescheitert ist. Der Realitätsverlust dieser Landesregierung erreicht mit dem Konzept Unterrichtsgarantie ein bedrohliches Ausmaß. Es ist deswegen bedrohlich, weil Sie dabei sind, jede Reformbereitschaft in den hessischen Schulen gründlich zu zerstören.

„Mehr Selbstverantwortung“ hieß es ursprünglich. „Unterrichtsgarantie plus“ war ein Teil des Konzeptes „Mehr Selbstverantwortung“, das die Kultusministerin uns vorgestellt hat.Mehr Selbstverantwortung ist ein Ziel, das alle Fraktionen in diesem Hause haben. Aber die „Unterrichtsgarantie plus“ – darauf habe ich damals schon hingewiesen – hat mit dieser Zielsetzung nicht das Geringste zu tun.Sie ist lediglich der untaugliche Versuch, die Verantwortung für fehlende Lehrkräfte auf dem Rücken der Schulen abzuladen.

Ich kann Sie nur noch einmal eindringlich vor diesem Weg warnen. Wenn der Weg zu mehr Selbstverantwortung in der Wahrnehmung der Schulleiter und der Lehrkräfte mit dem Gefühl verknüpft wird, man solle den Prügelknaben für eine verfehle Personalpolitik dieser Landesregierung spielen, dann wird der Wille der Schulgemeinde zerstört, diesen Weg aktiv und engagiert mitzugestalten.

Frau Kultusministerin, Sie sind dabei, nicht nur die Qualität der hessischen Schulen abzusenken,sondern auch die Motivation der Lehrkräfte in diesem Land auf null zu fahren.

Der von der CDU eingebrachte Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes, den wir heute diskutieren, vervollständigt das Bild einer gescheiterten Bildungspolitik, die lieber Gesetze ändert, als sich der Verantwortung zu stellen, Kritik aufzunehmen und dafür zu sorgen, dass es gemeinsam mit den Schulen eine Lösung gibt, die diese auch voranbringt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren,die SPD-Fraktion lehnt diesen Versuch, demokratische Mitbestimmung an den Schulen auszuhebeln, entschieden ab. Damit geben Sie klar zu erkennen,dass Sie unfähig sind,Ihre Lippenbekenntnisse zu einer selbst verantworteten Schule in konkretes Handeln umzusetzen. Denn eine selbst verantwortliche Schule ist eine demokratisch verfasste Schule und wird nur dann funktionieren, wenn Schulleiter, Kollegium, Schüler und Eltern gemeinsam den besten Weg für ihre Schulgemeinde definieren – und nicht, indem die Kollegien in ihrem Recht ausgehebelt werden,dabei mitzureden,wer auf die Kinder in ihren Klassen losgelassen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese selbst verantwortliche Schule ist zum Scheitern verurteilt, wenn sie ganz offensichtlich in erster Linie nur das Interesse hat, was die Mehrheit in diesem Hause durchsetzen will: die Bilanz dieser Regierung aufzupolieren.

Ich kann nur eindrücklich davor warnen, man könne Kritik verhindern, indem man sie durch Gesetzesänderungen aushebelt. Sie werden keine Freude am Ergebnis haben.

Denn Sie können nicht verhindern, dass die offene und sachliche Auseinandersetzung mit Ihrem Selbstdarstellungsprojekt weitergeht.

Ich glaube, eine verlässliche Schule ist allen hier im Hause und vor allen Dingen auch den Schulen selbst ein berechtigtes Anliegen. Aber die Realisierung setzt eine ausreichende Personalausstattung voraus. Stellen Sie die Referendare ein, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Füllen Sie endlich die gewaltige Lücke zwischen Anspruch und Realität. Dann gibt es auch eine Chance, die verlässliche Schule umzusetzen.

Die verlässliche Schule ist auch kein isoliertes Projekt, im Rahmen dessen man den Schulen ein Vertretungsbudget gibt. Deswegen halten wir die Vorschläge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP auch nicht für weitgehend genug.

(Roland von Hunnius (FDP): Das darf doch nicht wahr sein!)

Wir brauchen ein Gesamtkonzept der selbst verantworteten Schule. Nur dann ist die Schule in der Lage, mit ihrer Mittelausstattung, mit ihrer Verfügung über die Personalmittel – nicht nur bei der Vertretung – dafür zu sorgen, dass pädagogisch hochwertige Konzepte entwickelt werden, dass Unterricht gewährleistet werden kann und dass Schüler auch in der Schule das mitbekommen, was sie brauchen – nämlich eine bessere Bildung.

Frau Kultusministerin, mir ist aufgefallen, dass die Mehrzahl Ihrer Best-Practice-Beispiele, die Sie in den Handreichungen und im Internet aufzählen, aus hessischen Gesamtschulen stammt.

(Andrea Ypsilanti (SPD):Ach, wie schön!)

Beispielsweise ist die Arbeit in Jahrgangsteams – die hier auch für andere Schulformen der Sekundarstufe empfohlen wird – ein pädagogisches Konzept an vielen Gesamtschulen, um für die Schüler und Schülerinnen ein Höchstmaß an Kontinuität und Verlässlichkeit im Unterricht herzustellen und sie gleichzeitig durch abgestimmtes pädagogisches Handeln besser und individueller zu fördern.

Ihre ständige Gesamtschulschelte und Ihre gleichzeitige Empfehlung für diese Unterrichtsorganisation passen nicht zusammen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es ist auch ignorant, diese pädagogischen Konzepte nur im Lichte einer verlässlichen Schulzeit bewerten zu wollen. Vielmehr ist die daraus resultierende höhere Flexibilität bei Erkrankung eines Teamkollegen zwar Voraussetzung für verlässliche Schulzeiten;im Vordergrund steht jedoch wirklich die Qualitätsdebatte:der Anspruch,Schüler und Schülerinnen individuell zu fördern und ihnen größtmögliche Entwicklungschancen zu geben. Materialpools oder Wochenarbeitspläne, wie sie in den Grundschulen eingesetzt werden, sind ebenfalls primär Möglichkeiten, auch in heterogenen Gruppen jedes einzelne Kind seinen Begabungen und Fortschritten entsprechend zu fördern – und sie sind nicht einer Unterrichtsgarantie der Kultusministerin untergeordnet.

Wer solche Entwicklungen fördern will, darf eine Übertragung von Vertretungsmitteln nicht mit der Abbildung der Stundentafel verknüpfen, sondern Sie müssen dann wirklich sagen: Gebt die Mittel an die Schulen, lasst die Schule frei entscheiden, was sie mit diesen Mitteln macht – ob sie Vertretungskräfte einsetzen will, ob sie anderes Personal an den Schulen einsetzen will und beispielsweise

eine medienpädagogische Ausstattung der Schulbibliothek erreichen möchte. Lassen Sie darüber die Schulen entscheiden. Dann habe ich auch kein Problem, wenn bei einer ausreichenden Lehrerzahl am Ende eine verlässliche Schulzeit herauskommt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kultusministerin, auch die von uns seit langem geforderte Ausweitung des Ganztagsschulprogramms bietet zusätzliche pädagogisch sinnvolle Möglichkeiten, kurzfristigen Unterrichtsausfall an der Schule zu kompensieren.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Meine Damen und Herren, zusammenfassend will ich für die SPD-Fraktion Folgendes formulieren.

Erstens. Die Schulen brauchen eine ausreichende Zahl von Lehrkräften, um auf kurzfristigen Unterrichtsausfall mit pädagogisch sinnvollen Angeboten reagieren zu können. Das Streichen von 1.000 Stellen im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ hat Ansätze zur Verbesserung der personellen Versorgung der Schule zunichte gemacht.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zweitens. Das Konzept „Unterrichtsgarantie plus“ führt zum Abbau von Qualität in Schule und Unterricht. An eine Schule gehören nicht nur Lehrer und Lehrerinnen. Doch der Zwang zum Unterrichtsersatz analog zur Stundentafel und ohne Festlegung von Qualifikationsstandards führt Qualitätsentwicklung ad absurdum.

Drittens. „Unterrichtsgarantie plus“ hat nichts mit mehr Selbstverantwortung der Schulen zu tun. Vielmehr soll dieses Konzept Erfolge signalisieren, die diese Kultusministerin gar nicht aufzuweisen hat. Den schwarzen Peter bekommt die Schule. Die Motivation, sich auf den Weg zur Selbstverantwortung zu begeben, wird nachhaltig zerstört.

(Norbert Schmitt (SPD): Genau so ist es!)

Viertens. Der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion unternimmt den Versuch, berechtigte Kritik zu ersticken und die Mitbestimmungsrechte auszuhöhlen. Die Arroganz der absoluten Mehrheit in diesem Hause erreicht damit einen weiteren Höhepunkt.Wir weisen dies aufs Schärfste zurück.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, bereits bei meiner ersten Auseinandersetzung mit der „Unterrichtsgarantie plus“ habe ich die griechische Mythologie bemüht und sie mit dem Geschenk der listigen Griechen an Troja verglichen.

Frau Kultusministerin, heute kann man sagen: Die Schulen sind schlauer als die Trojaner,die wollen Ihr Geschenk nicht haben. Deswegen sollten Sie sich mit den Schulen und mit der Kritik auseinander setzen, Ihr Konzept zurückziehen und gemeinsam mit Schulen und Schulträgern ein tragfähiges Modell der selbst verantworteten Schule erarbeiten, in dem – auch auf der Grundlage einer ausreichenden Personalausstattung – die Verlässlichkeit des Schulalltags organisiert werden soll.

Meine Damen und Herren,ansonsten hat „Unterrichtsgarantie plus“ gute Chancen, in die Auswahl zum Unwort des Jahres 2006 aufgenommen zu werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Habermann. – Frau Staatsministerin Wolff, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ohne Zorn und Eifer will ich am Anfang einfach einmal gegenüberstellen, was die heutigen Anträge vorsehen. Ich will dies anhand der Maßstäbe des Vorhabens „Verlässliche Schule“ und „Unterrichtsgarantie plus“ tun und beginne gleich mit dem Namen. Ich frage – zugegebenermaßen rhetorisch – in diesen Raum: Unser Begriff heißt „Unterrichtsgarantie plus – für eine verlässliche Schule“; der Begriff der FDP heißt – zugegebenermaßen dezent anders –: „Garantierte Schulzeit mit Bildungsangeboten“.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist das Gleiche!)

Meine Damen und Herren, was ist der Unterschied?

Die SPD hat eben bekundet, sie möchte im Grunde überhaupt kein festes, formiertes Programm „Verlässliche Schule“,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ist es!)

sondern ein Zufallsprodukt durch zusätzliche Mittel an den Schulen, ungeachtet, ob das dabei herauskommt. Die GRÜNEN sagen zum Titel erst einmal gar nichts.

Meine Damen und Herren, wir haben gesagt, die Schulen sollen ein festes Budget von 1.000 c pro voller Stelle und Jahr erhalten. Das ist wirklich viel Geld, das sind in der Summe 30 Millionen c.Die Mittel für die BAT-Kräfte,die Unterricht abdecken,sind darin selbstverständlich enthalten.

Die SPD fordert pauschal mehr Stellen – sonst keine Aussage über die Finanzierung. Die GRÜNEN sind unscharf. Mit der FDP sind wir, denke ich, einvernehmlich einer Meinung. 1.000 c ist der Vorschlag der Landesregierung.

Meine Damen und Herren, zum Vertretungspool sagt die Landesregierung: Aus pensionierten Lehrern, aus beurlaubten Lehrkräften im Rahmen der Elternzeit, aus Studierenden des Lehramts nach dem zweiten Praktikum und auch aus anderen qualifizierten Kräften soll ein Pool von Personen aufgestellt werden, die von Schulleiterinnen und -leitern ausgesucht sind, weil sie ein Zutrauen in ihre Qualifikation haben, sodass sie Vertretung oder zumindest Betreuung auch wirklich übernehmen können.

Was sagt die SPD? – Nein, auf keinen Fall. Sie sagt gar nichts zu diesem Konzept und hat auch kein eigenes Konzept.