Das hat nur eine Folge. Wenn die Steuerreform wirklich nur auf Pump zu machen ist, dann geht sie nicht.Wenn jemand sagt, es geht ohne Pump, dann soll er ein Konzept vorlegen. Deswegen ist die Antwort richtig. Was Sie über die interne Lage bei der CDU und CSU, und was wir miteinander gemacht haben, sagten – das betrifft mich ebenso wie andere –, mag alles richtig sein. Wir haben Herrn Schröder einige Tage erlaubt, mit den Scheinwerfern auf uns zu zeigen,als hätten wir die Finanzierung vorzulegen,und von sich abzulenken,der bis heute dazu nicht in der Lage ist. Da er leider immer noch Bundeskanzler ist,wird er ein bisschen weniger fröhlich nach Italien,oder wohin er gerne fahren möchte, fahren müssen. Er hat den Job, zu sagen, wie er seine eigenen Vorschläge finanzieren will. Das hat er bis heute nicht getan.
Das ist gar kein Unterschied. An dieser Stelle sind wir in einer vergleichbaren Position – bedauerlicherweise. Das ist in einer Strukturkrise der Wirtschaft nicht ganz zu vermeiden.
Vielleicht darf ich den Ausflug einmal machen: Meine größte Sorge ist, dass Ihr Bundeskanzler und die rotgrüne Koalition in der langsam dämmernden Erkenntnis, was das zweite Halbjahr 2003 uns in der politischen und realen Diskussion bringen wird, versuchen, von den wirklich notwendigen Strukturreformen abzulenken, und sagen: Wenn ich eine Steuerreform mache, dann habe ich euch doch für nächstes Jahr schon Geld gegeben, und dann wird alles besser.
Wir haben in diesem Bundesland – das ist nicht untypisch, sondern wir sind nach wie vor eines der besseren Länder
in Deutschland – heute 50.000 Menschen ohne Arbeit, die wir letztes Jahr noch nicht hatten. Wir sind in einer ökonomischen Krise, die auf die Arbeitsplätze durchschlägt und die es wahrscheinlicher macht – das bestreitet auch niemand bei den Sozialdemokraten –, dass wir im Oktober oder November die 5-Millionen-Grenze überschreiten und wir hier eher eine Diskussion haben werden, wie es weitergeht, als die Hoffnung, dass es in irgendeiner Weise besser werden könnte.
Meine Damen und Herren, wir sind in einer Situation, in der ich nicht akademisch das Wort „antizyklisch“ diskutieren will. Alle Haushalte, auch dem des Bundes, der gerade mit Ihrer grünen Zustimmung vorlegt worden ist, reduzieren das Einkommen aller öffentlich Bediensteten. Ist das eine antizyklische Politik in einer Wirtschaftskrise? Alle Haushalte, einschließlich der des Bundes, sind dabei, die Sozialausgaben zu kürzen. Zum Beispiel reden Sie darüber, die Renten im nächsten Jahr nicht zu erhöhen. Ist das eine antizyklische Wirtschaftspolitik?
Sie sind dabei, der Wirtschaft derzeit vom Staat zur Verfügung gestelltes Geld, Subventionen, für das nächste Jahr zu streichen, in allen Ländern; ich vielleicht auch. Ist das eine antizyklische Wirtschaftspolitik? – Hören Sie doch auf mit den Begriffen. Weil wir kein Geld mehr haben, sind wir völlig unabhängig von der Frage, ob die Steuerreform vorgezogen werden soll oder nicht, dabei, allen öffentlichen Haushalten in der Zeit einer schweren Wirtschaftskrise durch staatliche Entscheidungen weitere Kaufkraft zu entziehen, weil die Haushalte sonst nicht mehr finanzierbar sind. Das ist eine Dramatik, die wir noch nie in der deutschen Nachkriegsgeschichte hatten, und das ist der wirkliche Kern der Wirtschafts- und Strukturkrise, über die wir zurzeit in Deutschland reden.
Herr Kahl hat sich sicher auf die Rede für morgen vorbereitet. Aber da nicht alle immer zuhören, will ich es bei dieser Gelegenheit schon einmal sagen: Ich bin es in aller Freundschaft allmählich im Interesse des Landes leid, wenn Sie dauernd über die Art und Weise unserer Verschuldung und unserer Verhältnisse im Vergleich zu anderen reden. Ich will das relativ einfach machen, weil ich glaube, dass ich eine Quelle habe, die Sie akzeptieren: unseren eigenen Landesrechnungshof, der am 19.02.03 – eine Zahl, die wir gemeinsam akzeptieren – seinen Schuldenbericht abgegeben hat. Da steht der schlichte Satz: „Hessen schneidet besser ab als der Durchschnitt der Flächenländer
und als der Durchschnitt aller Bundesländer, in den die Stadtstaaten einbezogen sind.“ Dann ist der Schuldenstand noch einmal höher, wie Sie wissen.
„Im Verhältnis zu den Einnahmen aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben macht der Schuldenstand Hessens 167 v. H. aus.“ Dies bedeutet im Ländervergleich eine Platzierung besser als der Länderdurchschnitt.
Nach den Ländern Bayern,Sachsen und Baden-Württemberg sind wir die besten in Deutschland. Ich sage Ihnen: Wir bleiben das auch in Zukunft, und dafür werden wir sorgen.
Wenn Sie dann sagen, wie unverantwortlich wir im Augenblick finanzieren, dann schauen Sie sich doch in den Nachbarländern um. Der Kollege Dieckmann in Nordrhein-Westfalen hat bereits einen Nachtragshaushalt vorgelegt, bei dem er davon ausgeht, dass er in diesem Jahr bei 7,5 Milliarden c Nettoneuverschuldung liegt. Im letzten Jahr war das noch höher, nahezu 10 Milliarden c, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.
Der Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen ist eineinhalbmal so groß wie der unsere. Meine Damen und Herren, da müssten Sie uns allmählich ankündigen, wir wären bei 2,5 Milliarden c Nettoneuverschuldung in diesem Jahr. Das kommt noch nicht einmal in Ihren kühnsten Beschimpfungen vor.
Sind wir das, die die Schwierigkeiten haben, oder haben andere größere Schwierigkeiten? Ich sage nicht, dass wir keine haben. Wenn Sie in Ihr ehemaliges Schröder-Land schauen, das Christian Wulff jetzt in Ordnung bringen muss,
dann sehen Sie, dass die einen Haushalt haben, der etwa 20 % größer ist als unserer. Die liegen bei 4 Milliarden c Nettoneuverschuldung in diesem Jahr, und nicht weil in den ersten drei Monaten Geld ausgegeben worden ist, sondern nur, weil die einsparen. Denn sonst würde es noch mehr werden.
Also hören Sie bitte auf mit dem dummen Gerede darüber, es gebe eine Hessische Landesregierung, die ein Problem habe. Wir haben ein Deutschlandproblem, und wir haben es besser gelöst als andere, sonst wären wir in einer wesentlich schwierigeren Lage.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ziehen wir jetzt vor oder nicht? Nach zehn Minuten Nebelwerferei! – Gegenrufe von der CDU)
Aber, Herr Kollege, das habe ich schon im zweiten Satz gesagt: Auf Schulden wird nicht vorgezogen. – Wenn Sie jetzt sagen, Ihnen seien die Schulden egal, wir ziehen vor, dann ist das eine ordentliche Auseinandersetzung. Ich sage Ihnen nur: Dann müssen Sie im Bundeshaushalt noch ein paar Begründungen nachliefern, die für unseren Landeshaushalt von Bedeutung sind. Der Bundeshaushalt, den Hans Eichel ohne Berücksichtigung der Steuersenkung vorgelegt hat, ist nämlich falsch. Er ist in wesentlichen Eckdaten falsch. Das Erste ist etwas, was uns gemeinsam betrifft und wozu ich deshalb etwas sagen will. Dieser Bundeshaushalt geht von einer Wachstumsannahme von 2 % im kommenden Jahr aus.
Meine Damen und Herren, das ist offensichtlich falsch, und das sage nicht nur ich, das sagt z. B. auch die Bundesbank im Finanzplanungsrat. Dies ist eine Zahl, die die Bundesregierung par ordre du mufti vorgibt, für die ein Arbeitskreis Steuerschätzungen, ein Finanzplanungsrat keine Kompetenz haben. Diese Zahl, die schon im letzten Jahr für dieses Jahr falsch war, ist der Grund für alle der
Wir haben uns gemeinsam die Frage zu stellen, oder hätten uns gemeinsam die Frage zu stellen: Sind wir bereit, auf einer solchen Plangröße für das nächste Jahr wieder Haushalte zu machen, die Wolkenschieberei bedeuten, die am Ende bedeuten, dass Strukturreformen nicht wahrgenommen werden, weil es im Haushalt besser aussieht, als es am Ende ist? Oder haben wir die innere Kraft, uns endlich einmal auf das zu einigen, was bei nüchterner Analyse einer Wirtschaftsstrukturkrise nach drei Jahren Stagnation, auf die Hans Eichel warten wollte, für das nächste Jahr noch möglich ist? Deshalb sage ich Ihnen ganz klar – darauf müssen Sie sich bis morgen Mittag einlassen; ich wollte Herrn Kahl Vorbereitungszeit geben –: Ich habe den Finanzminister gebeten, den Haushaltsplan des Jahres 2004 auf der Basis der Annahme eines Wirtschaftswachstums von 1 % zu rechnen und nicht von 2 %, weil ich keine Lust habe, dass wieder auf falschen Zahlengrundlagen gerechnet wird, nur weil die Regierung schönt.
(Beifall bei der CDU – Zurufe der Abg.Jürgen Wal- ter (SPD) und Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Meine Damen und Herren, damit Sie wissen, was die Zahl bedeutet: Nach dem, was ich sehe, sind wir das erste Mal in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik ein Land, das nicht bereit ist, die Planungsvorgaben der Bundesregierung zu akzeptieren. Wenn ich mich am Ende irre, haben wir ein bisschen weniger Neuverschuldung, als eingeplant ist.Dann ist das prima für unsere Kinder und für uns auch. Aber wenn die Bundesregierung ihre geschönten Zahlen weiterhin verwendet, dann stolpern wir von Krise zu Krise, und das muss man beenden.Wir wollen an unserer Stelle jedenfalls damit anfangen.
Der Bundesfinanzminister, der eine große Erfahrung im Beschönigen dieser Zahlen hat, der vor der Bundestagswahl wider besseres Wissen falsche Zahlen gesagt hat, der sie in diesem Jahr immer zu spät korrigiert hat und der nun wieder mit falschen Zahlen in das nächste Jahr geht – warum macht der Mann das? Relativ einfach: In der Sekunde,in der er nur von 1 % Wachstum ausgeht und hofft, dass er wenigstens das erreicht, ist allein der Bundeshaushalt mit weiteren 7 Milliarden c Steuermindereinnahmen belastet,und er hat überhaupt keine Chance,auch nur formal einen verfassungsgemäßen Haushalt im Bunde vorzulegen, ohne jede Steuersenkung.
Das ist auch nicht die einzige Zahl. Sie rechnen mit 2 % Wachstum. Gleichzeitig gehen Sie davon aus, dass die Arbeitslosigkeit absinkt; denn offensichtlich glauben Sie, dass Sie im kommenden Jahr den Bundeszuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit von 10 Milliarden auf 5 Milliarden c absenken können – eine verdammt mutige Zahl.
Meine Damen und Herren, das Tollste daran ist, dass der Bundesfinanzminister sagt: 2 % Wachstum – das ist keine schlechte Zahl; das ist nicht die Zahl, die ich mir wünsche, aber wenn wir die hätten, wären wir viel weiter – erreiche ich nächstes Jahr, und zwar ohne Steuersenkung, und ich kriege eine deutliche Senkung der Arbeitslosenzahlen, damit ich 5 Milliarden c sparen kann,aber gleichzeitig erkläre ich für die Steuersenkung die Störung des gesamt
wirtschaftlichen Gleichgewichts, und das halte ich für verfassungsgemäß. – An der Stelle merkt jeder, egal wie viel er sich mit dem Thema beschäftigt, dass hier etwas nicht mehr zusammenpasst, dass hier Zahlen gebogen werden, dass es nur so kracht, nur um am Ende über das zweite Halbjahr zu kommen, weil man sieht, dass die Bürger einen fragen werden: Was hast du nach fünf Jahren eigentlich getan, dass wir jetzt so weitab von anderen europäischen Ländern in einer so tiefen ökonomischen Krise bei uns in der Bundesrepublik Deutschland stecken?
Dafür haben Sie doch heute beim Zeitunglesen wieder eine Zahl gelesen, die nun wirklich keine Zahl der Bundesopposition oder eine Zahl von bösen Ländern ist. Wenn im Bericht der Vereinten Nationen heute steht,dass wir inzwischen bei der Wachstumsfähigkeit weit hinter Österreich, Schweden, Dänemark, Frankreich und anderen auf Platz 18 heruntergerutscht sind, dann ist das nicht Europa, sondern es ist Berlin. Es ist eine Schuld derjenigen, die hier auf der nationalen Ebene Politik machen.
(Lebhafter Beifall bei der CDU – Beifall bei Abge- ordneten der FDP – Zuruf des Abg. Volker Hoff (CDU))
Deshalb ist es schon eine Frage des politischen Handwerks, was man in einer solchen Zeit verantworten kann. Ich würde liebend gern mittels Steuersenkungen morgen früh all das anheizen und anreizen, was möglich ist. Da nehme ich Ihre Reden, Herr Walter, deren Inhalt ich durchaus teile und auf die ich bei Fragen der Haushaltssanierung, die wir vor uns haben – in allen Ländern, nicht nur bei uns in Hessen –, in den nächsten Monaten mit einem gewissen inneren Vergnügen zurückkommen werde. Ich habe auch gelesen, was uns Herr Schmitt und andere an Vorgaben für die Haushaltsplanung auf den Weg gegeben haben. Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Schmitt: Der Finanzminister wäre entspannt, wenn er nur mit Ihren Vorgaben leben müsste.
Wir werden mit einer sehr, sehr starken Veränderung der Haushaltsstrukturen zurechtkommen müssen. Darüber streiten wir gar nicht. Sie vertreten die These, eine Steuersenkung werde wirklich einen riesigen Impuls in Deutschland auslösen, und es sei egal, ob wir dabei dies- oder jenseits der verfassungsmäßigen Grenze der Neuverschuldung seien.
Dazu sage ich Ihnen: An der Stelle ist über diese Sache noch zu reden. Wie stellen sich die Unternehmen, die etwas zu entscheiden haben, zu den Steuerreformen, über die wir reden? Kennen Sie einen Unternehmer, Kollege Walter – Sie sind Anwalt, Sie haben mit diesen Fragen zu tun –, der seine Entscheidung auf die Steuerwirkungen eines Jahres baut, wenn er eine Investition tätigt? Kennen Sie irgendein Unternehmen, das das macht? Privatleute tun es. Aber kennen Sie ein Unternehmen, das dies tut – gerade bei Investitionen, die sich wahrscheinlich im nächsten Jahr noch gar nicht vollständig realisiert haben, auch wenn die Wirtschaft gefördert wird? Bitte beantworten Sie mir diese Frage. Ich streite nicht über die Details der Steuerreform. Aber warum haben vor zwei Jahren Steuerentlastungen in Höhe von insgesamt 40 Milliarden c überhaupt keine Wirkungen auf die ökonomische Situation gehabt? Das können wir nicht bestreiten, weil es der Wirtschaft ja immer schlechter gegangen ist und wir im europäischen Vergleich immer mehr abgerutscht sind.
Kommen Sie bitte hierher, und beantworten Sie diese Frage.Was gibt Ihnen die Rechtfertigung,zu glauben,dass 16 Milliarden c das schaffen, was 40 Milliarden c nicht geschafft haben?