Dazu muss ich dann sagen:Angesichts des babylonischen Stimmengewirrs in Ihrer Partei,der Union,und angesichts der absoluten Führungs- und Orientierungslosigkeit, die wir in den letzten Tagen und Wochen erlebt haben, muss man feststellen, dass die Union ihrer staatspolitischen Verantwortung in Deutschland nicht gerecht wird.
Herr Kollege Boddenberg, ich hätte auch die entsprechenden Artikel mitnehmen können. Das alles machen wir gar nicht.
Das Thema ist viel zu wichtig. In einem werden Sie mir doch Recht geben: Angesichts der Politik, die Ihre Partei in den letzten 14 Tagen betrieben hat, muss man sagen, dass eine Acht eine gerade Linie ist.Es ist überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, was sich die Union in Deutschland bei einem so wichtigen Thema in den letzten 14 Tagen geleistet hat.
Nach diesem ganzen Tohuwabohu der letzten Tage und Wochen legt die Union nun in Hessen einen Dringlichen Antrag vor, der zum Inhalt hat – wenn man ihn genau
liest, erkennt man dies –, dass die Union in Hessen nach wie vor der Auffassung ist, dass man gegen das Vorziehen der Steuerreform stimmen soll. Ich werde das gleich begründen.
Herr Hahn, Sie haben uns aufgefordert, auf die Anträge konkret einzugehen. Ich will das tun und zu dem Dringlichen Antrag sprechen,den die Union für die heutige Debatte vorgelegt hat.Der Dringliche Antrag,den die Union für die heutige Debatte im Parlament vorgelegt hat, besagt, dass jegliche weitere Verschuldung ausgeschlossen werden soll. Dies steht im Gegensatz zu den Aussagen Ihres Kollegen Stoiber. Es steht auch im Gegensatz zu den Aussagen Ihres Kollegen Teufel, der sagt, die Reform könne man bis zu 30 % mit Neuverschuldung finanzieren. Wahrscheinlich muss man es so auch machen. Stattdessen fordern Sie – ich zitiere – einen „linearen Subventionsabbau“. Dass dies die Rasenmähermethode ist, steht dort nicht.Aber natürlich ist sie das.Auf der anderen Seite erklären Sie Sektoren, auf denen tatsächlich größere Mengen Geldes eingespart werden könnten, zu geschützten Bereichen.Dies betrifft z.B.die Eigenheimzulage.Auf der einen Seite wird gesagt, es dürften überhaupt keine zusätzlichen Schulden gemacht werden. Auf der anderen Seite gibt es dann diesen abstrakten Wünsch-dir-etwasSatz, der besagt: Wir brauchen den linearen Abbau von Subventionen. – Im nächsten Satz des Dringlichen Antrags steht dann, dass dieser lineare Subventionsabbau aber nicht die geschützten Bereiche betreffen darf, die ich gerade angesprochen habe.
Herr Ministerpräsident, dann könnten Sie auch sagen: Ich bin nach wie vor gegen das Vorziehen der Steuerreform. – Das ist die Wahrheit, die hinter dem Dringlichen Antrag Ihrer Fraktion steckt.
Wahrscheinlich geben Sie mir in Ihrem Innersten Recht – ich meine, das ist innerparteilich auch ganz schwierig, wenn man solch eine Parteivorsitzende hat –: Das ist keine wirklich redliche Politik. Die Aussagen, die Sie in den letzten Wochen zuvor gemacht haben, waren redlicher. Da sagten Sie noch deutlich, dass Sie das nicht wollen.
Man muss aber auch feststellen, dass die Unredlichkeit in diesem Dringlichen Antrag Prinzip ist. Wie es auch oft in der Vergangenheit geschah, fordern Sie auch in diesem Dringlichen Antrag wieder die Deregulierung des Arbeitsmarktes, bevor die Steuerreform vorgezogen werden könnte. Damit bauen Sie eine weitere Hürde auf. Sie wollen also die Deregulierung des Arbeitsmarktes. Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei der Deregulierung des Arbeitsmarktes wollen Sie wichtige Bereiche ausgespart wissen. Wenn ich das richtig sehe, verteidigt die Union in gemeinsamer Arbeit mit der FDP die staatliche Regulierung des Handwerks durch Stände. Das, was Sie wollen, soll eine Deregulierung des Arbeitsmarktes sein? Da, wo es wirklich konkret wird, hören wir von der Union: Nein, bei diesen Veränderungen machen wir nicht mit, wir wollen, dass das so bleibt, wie es ist. – Die Union, und hier insbesondere die der hessischen Provenienz, spielt sich bei allen zentralen Fragen zum größten Verwalter von Vergangenem in dieser Republik auf.
Man kann doch ganz eindeutig feststellen – das ist auch mein Eindruck –, dass die Opposition des Hessischen
Landtags will, dass die Menschen ab dem nächsten Jahr mehr Geld ihres Lohnes in ihren Taschen behalten. Dagegen wollen die Landtagsmehrheit und die Landesregierung dies nicht. Sie setzen alles daran, dass das Vorziehen der Steuerreform scheitert. Ich gebe Ihnen sogar zu, dass das nicht einfach wird. Das ist auch kein einfaches Thema. Das Land Hessen wird das Vorziehen der Steuerreform einen Betrag in Höhe – –
Jetzt werde ich gerade einmal konkret. Da hören Sie mir nicht zu. Ich sagte es bereits: Hinsichtlich des Konkreten seid ihr nicht so stark.
Das wird auch die Kommunen Geld kosten. Das ist nicht nur etwas, was sich auf unserer Ebene, der Landesebene, abspielen wird. Deshalb ist die Gemeindefinanzreform mit eine zentrale Voraussetzung dafür. Das ist mit der Grund, weshalb wir Sozialdemokraten die Forderung nach der Durchführung der Gemeindefinanzreform in unseren Antrag aufgenommen haben. Das Umsetzen der Gemeindefinanzreform zum 1. Januar 2004 und die Entlastung der Gemeinden bei der Sozialhilfe sind zentrale Voraussetzungen für das Vorziehen der Steuerreform.
Die Gemeindefinanzreform ist für die Kommunen viel wichtiger. Denn das Vorziehen der Steuerreform um ein Jahr bedeutet für die Kommunen, dass sie ein Jahr lang weniger Geld haben. Aber eine grundlegende Änderung des Systems der Finanzierung der Gemeinden bedeutet, dass die Kommunen bei den Finanzen für viele Jahre ordentliche Planungssicherheit haben. Das ist für die Gemeinden viel wichtiger.
Bei der letzten Debatte hier im Landtag lagen zumindest die Positionen der beiden großen Parteien nicht weit auseinander. Auch der hessische Finanzminister sagte: Wir brauchen das Aufkommen der Freiberufler aus der Gewerbesteuer für die Gemeinden. – Dazu sage ich: sehr gut. Nur muss man dazu dann auch Folgendes sagen.Am letzten Freitag haben die beiden Fraktionen,die die rot-grüne Bundesregierung tragen,einen exakt so lautenden Antrag im Deutschen Bundestag eingebracht. Die Union und die FDP haben diesen Antrag abgelehnt.
Das ist unglaublich. Der hessische Finanzminister ist hier für bestimmte Positionen eingetreten. Die Vertreter der Union auf Bundesebene und auch die Bundestagsabgeordneten aus Hessen laufen hingegen durch das Land und versprechen den Gewerbetreibenden und Freiberuflern: Mit uns wird es eine solche Gemeindefinanzreform nicht geben.
Die totale Resignation des Finanzministers hat viele Ursachen. Das kann man auch daran sehen. Das stellt alles andere als glaubwürdiges Handeln in der Politik dar.
Ich komme zum Zweiten. Ich will konkret bleiben. Sie haben auch etwas über die Eigenheimzulage gesagt. Ich halte es für absolut richtig, dass die Eigenheimzulage gestrichen wird, wie es Hans Eichel vorgesehen hat. Zum Ausgleich dafür soll ein Programm zur Sanierung der Innenstädte aufgelegt werden. Ich halte die Eigenheimzulage für die klassische Fehlsubvention in diesem Land. Ich brauche in dieser Frage das Ergebnis der Enquetekommission zum demographischen Wandel nicht abzuwarten. Wir werden auch in Hessen, insbesondere in Nord-, zum Teil aber auch in Mittelhessen,relativ schnell die Situation haben, dass wir nicht den Bau neuer Wohnungen brauchen. Vielmehr brauchen wir Investitionen in den Bestand. Es werden dort weniger Leute leben. Es werden dort viel mehr ältere Leute leben. Wir müssen altengerechte Wohnungen bauen. Wir brauchen zielgenauere Investitionen. Die Eigenheimzulage hingegen führt zu Mitnahmeeffekten. Darüber hinaus verursacht die Eigenheimzulage einen immensen Verwaltungsaufwand.
Ich möchte Ihnen noch etwas sagen. Ich halte es für ein Unding,dass sich der Staat verschulden soll,damit Private Wohneigentum schaffen. Momentan muss sich der Staat für das Gewähren der Eigenheimzulage verschulden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, selbst wenn wir einen ausgeglichenen Haushalt hätten, wäre die Eigenheimzulage nichts anderes als das Umverteilen von Geldern vom Mittelstand zum Mittelstand. Denn nur der Mittelstand finanziert mit seinen Steuern und Abgaben die Eigenheimzulage, die dann die Menschen des Mittelstandes in Anspruch nehmen. Das ist auch eine Frage von Freiheit und Selbstverantwortung. Wir sind der Auffassung, es ist besser, die Steuern allgemein zu senken. Damit hätten alle mehr Geld in den Taschen. Dann können die Menschen selbst entscheiden,
ob sie ihr Geld ausgeben, für die Rente zurücklegen oder ob sie für sich privates Wohneigentum bilden.
(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Wie wollen Sie das denn machen? Haben Sie einen Vorschlag dafür? – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Bravo! Sag das einmal Herrn Schröder! – Weitere Zurufe)
Ich gebe dem Hessischen Ministerpräsidenten Recht, wenn er sagt, die Haushaltssituation unseres Landes sei katastrophal. Das ist richtig. Das hat aber nichts mit dem Vorziehen der Steuerreform zu tun. Vielmehr hat dies etwas mit der Politik dieser Landesregierung der letzten Jahre zu tun.
Die Finanzpolitik dieser Landesregierung und der vorhergehenden hat unser Land Hessen zu einem Sanierungsfall in der Haushaltspolitik gemacht. Der Herr Finanzminister sagt immer wieder weinend und resignierend, es seien die aus Berlin, die die Einnahmesituation verschlechtert hätten. Herr Finanzminister, dazu muss ich sagen: Das ist falsch. Denn wir haben in Hessen auch ein Problem bei den Ausgaben. Das Problem hinsichtlich der Ausgaben wird sehr deutlich. Wir haben vom Bundesfinanzministerium eine Aufstellung über die Ausgabensteigerung der Länder des Jahres 2003 im Vergleich zum Jahr
2002 erhalten. Da zeigen sich bei den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt deutliche Ausgabensteigerungen. Beim Land Sachsen werden es 11,8 % sein. Beim Land Sachsen-Anhalt werden es 1,6 % sein. Ansonsten weisen alle Länder – mit Ausnahme – ein Minuswachstum auf. Das heißt, dort wird bei den Ausgaben gespart. Nur bei dem Land Hessen kann man, wenn man das um die Abgabe für die Flut und den Länderfinanzausgleich bereinigt,eine Ausgabensteigerung um 1,9 % im Vergleich vom Jahr 2003 zum Jahr 2002 feststellen.
Warum gibt es in Sachsen und Sachsen-Anhalt diese Ausgabensteigerungen? Dies betrifft ja insbesondere das Land Sachsen.Die hatten die Flutkatastrophe.Momentan müssen sie die Folgen der Flutkatastrophe reparieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Menschen im Osten hatten die Flutkatastrophe, wir haben Roland Koch und Karlheinz Weimar. Deshalb haben wir so eine schlimme Finanzsituation in unserem Land.
Viertens und abschließend. Herr Ministerpräsident, jetzt komme ich sehr nahe an Sie heran, denn man muss auch einmal veritable Ministerpräsidenten zitieren.
Das Vorziehen der Steuerreform – da gebe ich dem Kollegen Hahn Recht – wird auch die Wachstumskräfte in unserem Land ankurbeln. Mit dieser Aussage stehe ich nicht alleine. Diese Aussage wird im Wesentlichen von den Oppositionsfraktionen im Hause und den sie tragenden Parteien unterstützt. Aber auch alle wichtigen Wirtschaftsinstitute sagen, wenn die Bürgerinnen und Bürger mehr Geld in der Tasche haben, kann dies auch zu Wirtschaftswachstum führen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies war auch einmal die Erkenntnis des Hessischen Ministerpräsidenten. Mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich Roland Koch wörtlich aus dem Plenarprotokoll vom 14. November 2001:
Ich habe immer das Gleiche gesagt: Steuerreform vorziehen, auch wenn es weitere Einnahmeausfälle bringt.