Protocol of the Session on July 9, 2003

Sie wissen wahrscheinlich, dass wir GRÜNE uns schon lange für eine solche Reform der Handwerksordnung eingesetzt haben. Ich habe es eben schon einmal gesagt: Im Übrigen muss die Handwerksordnung allein deswegen geändert werden, um sie an den freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Gemeinschaft anzupassen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Schönhut-Keil. – Das Wort hat der Wirtschaftsminister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, die Argumente sind ausreichend ausgetauscht worden. Es hat sich gezeigt, dass das, was an Bewertung vorgenommen wurde, eindeutig auch in der Summe der Argumente die Haltung der Landesregierung unterstützt. Ich fasse zusammen: Die Hessische Landesregierung lehnt den Gesetzentwurf der Bundesregierung ab, und dies sehr deutlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir meinen, dass diese Aushöhlung des großen Befähigungsnachweises, wie es heißt, und die Reduzierung von 94 auf nur noch 32 Gewerbe eine eindeutige Nivellierung nach unten bedeuten und zum anderen vor allem die Bestrafung von Leistungen in unserem Lande erneut unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung lehnt diesen Entwurf auch deshalb ab, weil damit die Qualität der handwerklichen Leistungen in den Berufen ohne Meisterbrief abnehmen wird. So wie wir in Deutschland insgesamt die Spitzentechnologie brauchen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, so brauchen wir auch im Handwerk eher eine Steigerung der Qualität als eine Absenkung. Das Stichwort „Verbraucherschutz“ ist von Herrn Kollegen Reif bereits in die Debatte aufgenommen worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung lehnt diesen Entwurf auch deshalb ab, weil die Insolvenzanfälligkeit der Handwerksbetriebe dadurch in Zukunft steigt, denn bisher – ich möchte das deutlich unterstreichen – ist die Insolvenzgefährdung des Handwerks deutlich geringer als im üblichen Mittelstand.

Die Zahl, dass nach fünf Jahren Betriebsgründung noch über 70 % aller gegründeten Betriebe im Handwerk am Markt sind, also nicht den Weg in die Insolvenz gehen mussten, beweist den hohen Stand der Qualität des Meisterbriefes für die wirtschaftliche Existenzsicherung des jeweiligen Betriebsinhabers und seines Betriebes, denn gerade die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse, aber auch die rechtlichen Grundlagen, die im Rahmen der Meisterprüfung abgefragt und deshalb vorher erlernt werden müssen, sind eine wichtige Voraussetzung für das Bestehen am Markt.

Wir lehnen dieses,was die Bundesregierung vorgelegt hat, auch deshalb ab, weil dadurch die Beschäftigungsbereitschaft und damit die hohe Arbeitsplatzsicherheit in den handwerklichen Betrieben eindeutig geschmälert wird und insbesondere – das passt genau in unsere Zeit hinein – die Ausbildungsleistung des Handwerks dramatisch sinken wird. Die Ausbildungsleistung des Handwerks ist dreimal so hoch wie in der übrigen Wirtschaft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sosehr wir den Inhalt dieses Vorschlages kritisieren, so müssen wir auch das Verfahren kritisieren. Die Bundesregierung hat sich nicht an den Grundsatz gehalten, aus Betroffenen Beteiligte zu machen. Sie hat ihr Wort nicht gehalten und hat diesen Vorschlag im Alleingang vorgelegt, ohne ihn mit den Reformvorschlägen des Handwerks beraten zu haben.

Die Vorschläge des ZDH liegen auf dem Tisch. Diese Vorschläge zeigen eindeutig in die richtige Richtung. Dieses wollen wir nachdrücklich unterstreichen, da nämlich das Handwerksrecht dynamischer werden muss, auch im Hinblick auf die EU-Kompatibilität.Aber eines muss bleiben: Das bewährte Meisterprinzip darf nicht zerstört werden. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf ab.– Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster spricht Herr Abg.Williges für die CDU.Fünf Minuten.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Entgegen meiner ursprünglichen Absicht möchte ich als einer der wenigen selbstständigen Handwerker hier im Hessischen Landtag – ich denke, das gilt auch für die anderen Länderparlamente und den Bundestag – doch einige Anmerkungen zu dem Thema machen.

Sicherlich war die Zielrichtung Ihrer Initiative vorher klar. Sie wollen eine Reform an einer Stelle durchführen, an der der Widerstand – wie Sie vermuten – relativ gering ist, weil Sie die wirklich wichtigen Reformen nicht anpacken wollen, weil Ihnen dazu Mut und Kraft fehlen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb wollen Sie die Handwerksordnung reformieren. In Wirklichkeit drohen Sie aber, sie zu deformieren. Frau Kollegin Tesch, wenn ich Ihr Bild vom Ganzkörperlifting aufnehmen darf – davon kann bei dem, was Sie vorhaben, nicht die Rede sein. Amputieren gehört nicht zu einem Liftingprogramm.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, von der Seite der Opposition nennen Sie in erster Linie drei Ziele,die Sie mit dieser Reform erreichen wollen. Das eine ist der Abbau der Schwarzarbeit. Das Zweite ist, Sie wollen eine Gründerwelle im Handwerk haben. Ich bleibe einmal bei diesen beiden Punkten.

Den Abbau von Schwarzarbeit können Sie mit einer solchen Reform nicht erreichen. Das müsste jedem klar sein, der nur ein wenig Einblick in das Handwerk hat.

Frau Kollegin Tesch, Ihre berufliche Vergangenheit in allen Ehren, aber ich nehme an, bei Ihnen hat die Parteirä

son gesiegt, wenn Sie zu einer solchen Beurteilung kommen. Das Problem bei der Bekämpfung ist im Moment doch nicht der Meistertitel, sondern das Problem ist einfach, dass die angebotenen Leistungen, dass die Lohnkosten durch Nebenkosten überfrachtet sind. Die reduzieren Sie doch nicht dadurch, dass der Inhaber plötzlich keinen Meisterbrief mehr haben muss. Das ist doch graue Theorie.Das hat doch mit der Lebenswirklichkeit nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn es Ihnen wider Erwarten gelingt, eine Gründerwelle zu initiieren, dann sage ich Ihnen: Auf diese Gründerwelle wird eine noch größere Insolvenzwelle folgen, denn das Problem des Handwerks im Jahre 2003 ist nicht die zu geringe Anzahl von Betrieben, sondern das ist der Kuchen, den es zu verteilen gibt, der immer kleiner wird. Das ist unser Problem.Wir können es nicht dadurch lösen, dass wir plötzlich eine Mehrzahl von Betrieben haben.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich eines aufgreifen, was Kollege Reif sehr deutlich gemacht hat und was auch von der FDP betont wurde. Die Kontinuität im Handwerk ist auch deshalb gegeben, weil mit dem Erwerb des Meisterbriefes eine Weichenstellung für das gesamte Berufsleben gestellt wird und diese Leute nicht zu Jobhopping neigen.Wenn sie einmal eine solche Investition gemacht haben, sind sie daran interessiert, dass der Betrieb zumindest für die Dauer ihres Berufslebens, wenn nicht sogar bis zur nächsten oder übernächsten Generation, überdauert. Diese Kontinuität war eine wichtige Grundfeste des Handwerks in den vergangenen Jahrzehnten,ich sage sogar:Jahrhunderten.Das hat mit alten Zunftzöpfen nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Dass das Verständnis bei GRÜNEN und SPD für solche Zusammenhänge traditionell gering ist, ist klar, denn Ihre Fraktion stellt eher einen repräsentativen Querschnitt des öffentlichen Dienstes denn der gesamten Gesellschaft dar.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Aber lassen Sie sich eines klar sagen: Das Handwerk braucht Unterstützung durch Strukturreformen, die den Mittelstand insgesamt und das Handwerk im Besonderen entlasten. Es braucht keine Eingriffe solcher Art von Amputationen, die dem Handwerk die Grundlage entziehen. Deshalb appelliere ich an Sie auch in diesem Hause:Kommen Sie zur Vernunft, widmen Sie sich den wirklich notwendigen Reformen in unserem Land, und lassen Sie diejenigen in Ruhe, die noch einigermaßen etwas auf die Beine zu stellen in der Lage sind. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Das war die erste Rede des Kollegen Williges. Herzlichen Glückwunsch dazu.

Meine Damen, meine Herren, mir liegen zu diesem Komplex keine weitere Wortmeldungen vor.Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir werden jetzt darüber abstimmen, wie wir weiter vorgehen werden.

Punkt 11, Antrag der CDU betreffend Gütesiegel Meisterprüfung muss erhalten bleiben, Drucks. 16/56 – hier ist

Überweisung an den Wirtschaftsausschuss vorgesehen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das insofern so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 13,Antrag der Fraktion der FDP betreffend Meisterbrief als Gütesiegel und Qualitätsstandard, Drucks. 16/151 – auch hier ist Überweisung an den Wirtschaftsausschuss vorgesehen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Wir kommen damit zur Entscheidung über Tagesordnungspunkt 38, den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Novellierung der Handwerksordnung, Drucks. 16/298.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wir wären mit Überweisung einverstanden!)

Dann machen wir das so. Der Entschließungsantrag ist damit ebenfalls dem Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr überwiesen. Dagegen erhebt sich kein Widerspruch? – Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 12 auf – –

(Gerhard Bökel (SPD): Petitionen! – Heiterkeit des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Nein, ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 12 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Durchlässigkeit ausbauen – individuelle Schulzeitverkürzung erleichterten – Drucks. 16/149 –

Dazu rufe ich Tagesordnungspunkt 16 auf:

Antrag der Abg. Habermann, Hartmann, Quanz, Dr. Reuter, Riege, Ypsilanti (SPD) und Fraktion betreffend früheres Abitur ohne Bildungsabbau an Hessens Schulen – Drucks. 16/185 –

Hinzu kommt noch Tagesordnungspunkt 20:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend kein Qualitätsverlust durch Schulzeitverkürzung – Drucks. 16/195 –

Die Redezeit beträgt zehn Minuten pro Fraktion. Als erste Rednerin hat sich Frau Kollegin Hinz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir wissen, dass im internationalen Vergleich die Schulzeit der Kinder in Deutschland zu lang ist. Wir wissen – das wurde in empirischen Befunden dargelegt –, dass wir unter anderem 12 % Rückstellungen von Kindern im deutschen Schulsystem haben. Außerdem sind 24 % der Kinder zumindest einmal sitzen geblieben. In Hessen waren es allein in den letzten Jahren wieder 21.500 Kinder, die sitzen geblieben sind. Laut Statistik findet die Einschulung im Durchschnitt mit 6,8 Jahren statt. Sie findet also nicht mit sechs Jahren statt.Wir wissen, dass wir mit über 10 % eine zu hohe Quote an Kindern haben, die ohne Abschluss die Schulen verlassen. Wir wissen, dass wir eine mangelnde Durchlässigkeit im Schulsystem haben. Dies gilt zumindest für den Übergang von den so genannten niedrigeren Bildungsgängen auf die höheren. Andersherum klappt es hervorragend.

Das Hauptproblem unseres Bildungssystems ist, dass wir eine zu hohe Anzahl an Risikoschülerinnen und -schülern haben. Es muss eine Anhebung des Leistungsstandards stattfinden. Wir müssen mehr Kinder fördern und sie da