Protocol of the Session on February 27, 2019

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herr Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie haben es angekündigt, wir reden über die Frage: Können die Maghreb-Staaten Marokko, Algerien, Tunesien und Georgien als sichere Herkunftsländer im Rahmen des Asylverfahrens eingestuft werden? Wir haben es mit dem Grundgesetz Artikel 16a Absatz 1 und 3 zu tun. Politisch Verfolgte genießen bei uns Asyl, aber wir können auch bestimmte Staaten als sichere Herkunftsländer einstufen, wenn die politischen Verhältnisse es so scheinen lassen, dass dort Menschen nicht verfolgt werden, dass keine unmenschlichen Strafen und keine unmenschliche und unwürdige Behandlung erfolgt.

(Zuruf Abgeordneter Rupp [DIE LINKE])

Der deutsche Bundestag hat am 18. Januar 2019 einen entsprechenden Beschluss mit der CDU/CSU und auch der SPD gefasst und die FDP hat auch zugestimmt. Im Bundesrat, dessen Zustimmung erforderlich ist, konnte eine Mehrheit noch nicht signalisiert werden, allenfalls hat der grüne Ministerpräsident Kretschmann aus Baden-Württemberg eine Zustimmung für sein Bundesland signalisiert. Die weiteren mit Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE bestückten Landesregierungen wollen dem nicht zustimmen. Wie aus Bremen bisher zu vernehmen ist, will sich auch Bremen offenbar mit einem Nein in dieser Debatte im Bundesrat beteiligen. Dies stellt für mich einen erheblichen Dissens innerhalb der Sozialdemokratie dar. Wenn ein deutscher Außenminister, der der SPD angehört – und es gab auch davor schon eine ganze Menge an weiteren sozialdemokratischen Außenministern –, dieses Gesetz befürwortet, Maghreb-Staaten und Georgien als sichere Herkunftsländer auszuweisen, dann ist dies mit dem, was die bremische SPD hier offenbar vorhat, nicht in Einklang zu bringen.

(Beifall FDP)

Warum Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer anerkennungswürdig sind, ergibt sich zum einen aus der Tatsache der verwaltungsgerichtlichen Asylverfahren. Aus der Statistik des Bundesministers des Inneren ist hervorgegangen, dass Algerien eine Anerkennungsquote von 1,2 Prozent hat, Marokko 2,3 Prozent, Tunesien 1,9 Prozent und Georgien nur 0,3 Prozent. Wir sind also bei den Anerkennungsquoten weit unter 97 Prozent. Deswegen macht es Sinn, hier eine andere Migrationspolitik zu betreiben. Es geht nicht darum, wenn jemand aus anderen Gründen zu uns einwandern will, hierfür den Hebel des Asylrechts zu benutzen, sondern dann sollten wir auf ein Einwanderungsgesetz abstellen, auf das wir schon lange hingewiesen haben und das wir auch an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich fordern.

(Beifall FDP)

Aus diesem Grund ist uns auch dieses Gesetz so wichtig. Dieses Gesetz sendet ein deutliches Signal an diese Länder, über die wir sprechen. Für die gibt es eine richtige Perspektive, eine Arbeitseinwanderung. Gleichzeitig sendet es aber auch ein Signal in unser Land. Wir wollen keinen Missbrauch des Asylrechts. Dies stärkt die Akzeptanz unseres Asylrechts und dient der Versachlichung unserer Debatte.

(Beifall FDP)

Letztlich hilft die Einstufung von Staaten als sichere Herkunftsländer auch den wirklich Schutzbedürftigen. Die frei werdenden Ressourcen können dann in andere Antragsbearbeitungen gesteckt und auch für sonstige Bereiche der Integration verwendet werden. Es geht auch nicht darum, wirklich Asylberechtigten das Asylverfahren zu nehmen. Vielmehr gilt für Menschen aus sicheren Herkunftsländern, die hier Asyl begehren, nur ein anderes Verfahren. Das individuelle Schutzrecht bleibt aber dennoch völlig unberührt.

(Beifall FDP)

Es wird durch die geltende Verfassungsregelung nur beschleunigt, und wir haben durch die Anerkennungsquote von Asylanträgen aus diesen Staaten nur die Möglichkeit, diese Verfahren zügiger abzuarbeiten, aber diejenigen Personen, die wirklich einen Asylgrund vortragen können und auch entsprechendes Zeugenmaterial oder sonstige Beweismittel anbieten, haben natürlich weiterhin hier ihren berechtigten Asylanspruch. Die Verkürzung der Verfahren hat auch etwas damit zu tun, dass die Gerichtsentscheidungen nicht angegriffen werden können, allenfalls mit einem Antrag auf aufschiebende Wirkung wieder herzustellen, aber ansonsten sind die Verfahren kurz abzuschließen.

Meine Damen und Herren, es wird auch kritisiert, dass die Maghreb-Staaten und Georgien nicht sicher seien. Ich habe die Anerkennungsquote von unter drei Prozent erwähnt. Es gilt der Grundsatz, dass in diesen Ländern Verfolgung, Bedrohung und menschenwürdige Behandlung generell und systematisch und durchgängig nicht erfolgt. Das ist der Grundsatz.

Diesen Eindruck und diesen Tatbestand, –

(Glocke)

ich komme langsam zum Schluss, hat das Bundesaußenministerium ermittelt, nicht nur selbst vor Ort, sondern auch mit einer Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen, und ist dann zu diesem Entschluss gekommen, dass wir hier an dieser Stelle von Artikel 16a Absatz 3 auch in Übereinstimmung mit der europäischen Richtlinie Gebrauch machen können.

Deswegen fordern wir den Senat auf, insbesondere die SPD, –

(Glocke)

hier mit der Bundesregierung und der Bundes-SPD gleichzuziehen und diesem Antrag auf Herstellung von Staaten, die als sichere Herkunftsländer qualifiziert werden, zuzustimmen. – Danke schön!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Aulepp.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte über das Konstrukt der per Gesetz sicheren Herkunftsstaaten ist ja nicht neu. In der Tat habe ich genau an dieser Stelle schon vor drei Jahren zu diesem Thema eine Rede gehalten, allerdings, muss ich sagen, zum Antrag der Fraktion der CDU und nicht zu einem, wie hier immer wieder betont wird, der Freien Demokraten. Nicht dass es für unsere Entscheidung als Fraktion der SPD, Ihrem heutigen Antrag nicht zuzustimmen, noch darauf ankommt, aber ganz ehrlich: Von einer Partei in der Tradition von Hildegard Hamm-Brücher und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hätte ich mir einen solchen Antrag nicht vorstellen können.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Wir werden diesen Antrag ablehnen, so wie wir auch vor drei Jahren den Antrag der Fraktion der CDU schon abgelehnt haben. –

(Abgeordneter Prof. Dr. Hilz [FDP]: Wir können ja einmal Frau Leutheusser-Schnarrenberger anru- fen! Einmal sehen, was sie dazu sagt!)

und zwar auch aus den gleichen Gründen. Mir und meiner Fraktion ist, das habe ich hier auch mehrfach betont, mehr an inhaltlicher Arbeit als an Symbolik gelegen. Das Gesetz über die Einstufung weiterer sicherer Herkunftsstaaten wird am Ende wenig Auswirkungen haben, ist also ein Symbol einer Scheinlösung.

(Abgeordneter Prof. Dr. Hilz [FDP]: Was sagen Sie Ihrem Außenminister?)

Nach wie vor gilt für mich und meine Fraktion, Länder werden nicht dadurch sicher, dass man behauptet, sie seien es, auch nicht dadurch, dass man das in ein Gesetz schreibt. Sie werden auch nicht dadurch sicher, dass sich viele Menschen aus diesen Ländern auf den Weg nach Europa machen und dass einem das zu viel ist. Sie werden auch

nicht dadurch sicher, dass nur wenige Menschen aus diesen Ländern ein Aufenthaltsrecht in Deutschland bekommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das will völlig im Einklang mit der Rechtsprechung noch nicht einmal die Bundesregierung, das als Argument heranzuziehen. Das darf man hilfsweise betrachten, aber das kann kein Argument sein, sondern es geht tatsächlich darum, ob diese Länder sicher sind oder nicht.

(Beifall SPD)

Das Recht auf Schutz vor Verfolgung und Lebensgefahr ist ein Individualrecht und gehört auch individuell geprüft. Das ist hier auch von Herrn Zenner betont worden. Ja, wenn das so ist, dann braucht man auch nichts zu ändern, dann kann man das individuell prüfen. Dass die Maghreb-Staaten und Georgien frei von Verfolgung seien, das behauptet niemand. Das behauptet auch die Bundesregierung nicht, da ist von „in der Regel“ die Rede und – um das einmal überspitzt zu sagen – auf dem Papier. Wenn irgendwo Folter gesetzlich verboten ist, heißt es noch nicht automatisch, dass sie nicht stattfindet. Dann bräuchten wir unsere gesamte Strafjustiz nicht. Das ist nicht so und das darf man in dieser Debatte auch nicht ausblenden.

(Beifall SPD, DIE LINKE)

Das Gesetz ist aber nicht nur bedenklich in seiner Pauschalierung, sondern – und das habe ich hier als Juristin auch schon mehrfach in Debatten gesagt – vor allem weil an die Definition des sicheren Herkunftslandes deutliche Verfahrenseinschränkungen geknüpft sind. Das heißt gesetzliche Vermutungen, das heißt Fiktion und das heißt vor allem auch drastische Verfahrensverkürzungen. Im Klartext bedeutet das, es wird eine Annahme getroffen, und um diese Annahme zu widerlegen, das muss man da nämlich, hat man weniger Zeit und weniger Instanzen. Das machen wir an der Stelle mit dem Antrag der Fraktion der FDP nicht mit.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Nur eine Randbemerkung: Dass das angesichts des Beschäftigungsverbots auch noch Menschen in Sozialleistungsbezug zwingt, die mit ihrer eigenen Hände Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen könnten, das erwähne ich nur am Rande. Das kann eigentlich auch nicht im Interesse der Fraktion der FDP sein.

(Beifall SPD)

Würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Prof. Dr. Hilz zulassen?

Ja, Herr Prof. Dr. Hilz.

Ich habe eigentlich nur die Frage, ob Sie hier über den Gesetzentwurf der Bundesregierung der CDU und SPD sprechen, den Sie hier die ganze Zeit kritisieren?

Ich rede hier, weil wir in der Bremischen Bürgerschaft sind, zum Antrag der Fraktion der FDP in der Bremischen Bürgerschaft, das ist hier auch mein Auftrag. Über meine Position und die meiner Fraktion zur Frage, sind sichere Herkunftsländer eigentlich per Definition sicher zu machen oder muss man nicht darüber entscheiden, dass sie sicher sind, spreche ich auch. Herr Prof. Dr. Hilz, das kann Sie nicht verwundern, auch das habe ich in den Asylrechtsdebatten vor drei Jahren immer wieder gesagt.

(Beifall SPD – Abgeordnete Grotheer [SPD]: Da hat er nicht zugehört!)

Es gibt natürlich auch Dinge, die man in Koalitionen auf Bundesebene mitmacht. Ich bin nicht Mitglied der Bundesregierung, wie Sie wissen, sondern Mitglied der Bremischen Bürgerschaft.

(Abgeordneter Bensch [CDU]: Aber die SPD schon!)

Von daher rede ich dazu, wie sich hier die Bremische Bürgerschaft verhält.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abgeordne- ter Prof. Dr. Hilz [FDP]: Aber Sie reden hier über die Fraktion der SPD, nicht über die Bürgerschaft!)

Vielleicht noch ein Wort dazu. Das wird am Ende bei der Abstimmung entschieden. Noch ein Punkt, den ich in der ersten Runde anmerken will: Wenn Sie immer sagen, das ändert ja eigentlich nichts, weil das immer alles noch individuell geprüft wird, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, es geht Ihnen ja genau darum, zu sagen, wir wollen es für Menschen möglichst unattraktiv machen, nach Deutschland zu kommen. Ich sage an dieser Stelle: Das, was wichtig ist, ist, dass wir attraktiv machen müssen, dass die Menschen in ihrer Heimat bleiben. Das heißt, wir müssen Fluchtursachen bekämpfen, dann brauchen wir für die Menschen rechtssichere, rechtsstaatliche Verfahren. Natürlich, diejenigen, die nicht bei uns bleiben dürfen, müssen das Land auch wieder verlassen.

Die aber hier bleiben, die müssen sich integrieren können und die müssen auch mit ihrer eigenen Hände Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen können. – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als sichere Herkunftsstaaten definiert das Gesetz laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Länder, von denen sich aufgrund des demokratischen Systems und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort keine staatliche Verfolgung zu befürchten ist und dass der jeweilige Staat grundsätzlich vor nicht staatlicher Verfolgung schützen kann. Für diese Länder gilt deshalb die sogenannte Regelvermutung im Gesetz, dass keine Verfolgungsgefahr vorliegt. Mit Antragstellern aus diesen Staaten wird allerdings zunächst die gleiche persönliche Anhörung durchgeführt wie mit Angehörigen anderer Herkunftsländer. Ich finde, als CDU zumindest, das ist ein ganz wichtiger Grundsatz, dass zunächst alle gleich behandelt werden.

(Beifall CDU)