Das Flugpersonal von Ryanair, das aus Rumänien, aus Bulgarien, aus Portugal kommt, ich glaube, diese Beschäftigten sind ganz froh, dass sie diesen Job haben. Jetzt haben sie ihn nicht mehr, weil diese Basis geschlossen wird.
Wenn ich eine Dienstleistung anbieten kann, die zugegebenermaßen schlecht bezahlt ist, dann habe ich die Wahl: Entweder ich akzeptiere, dass sie schlecht bezahlt ist, oder vielleicht sollte ich das nicht tun. Dann kann ich diese Dienstleistung nicht durchführen. Es ist aber unmöglich, für die Dienstleistung in diesem Umfang diese hohen Preise durchzusetzen, weil der Markt dafür überhaupt nicht vorhanden ist. Die Geschichte von Air Berlin und LTU sollte Ihnen das eigentlich zeigen. Diese Arbeitsplätze wird es zu den Konditionen, wie wir sie uns vorstellen, nicht geben. Das heißt, unsere Alternative ist, entweder zu sagen, es gibt diese Billigflüge gar nicht mehr, dann müssen wir auf die Touristen verzichten, und dann müssen wir darauf verzichten, dass unsere jungen Leute Europa günstig kennenlernen können, oder ja zu sagen.
Dann gibt es die Standards, aber das hängt nicht an dem Sitzplatzabstand, denn den kann man gar nicht mehr verringern, nebenbei bemerkt, die Standards für die Sitzabstände stammen aus den Fünfzigerjahren aus dem Nahverkehr von Chicago, also das ist nicht mehr weiter minimierbar, sondern das liegt an der ökonomischen Ausrichtung, an der Bezahlung und an der Besteuerung dieser Unternehmen. Das ist eine Entscheidung, die man treffen muss. Die muss man bewusst treffen.
Ich habe immer den Eindruck, dass wir uns nur die attraktivsten Teile sichern wollen, ohne die Nachteile in Kauf zu nehmen. Wir sagen, ja, wir sind froh, wir sind eine Tourismusstadt, und wir haben Besucher, die kommen hierher. Wir sind freuen uns, dass wir eine Ryanair-Basis haben, aber diese
Beschäftigten sollen bitte die gleichen Arbeitsbedingungen wie die Lufthansa haben. Es tut mir leid, wenn sie das tun, dann müssen sie auch die gleichen Preise nehmen wie die Lufthansa, und wenn sie das durchführen, dann kommt eben keiner mehr nach Bremen. Das ist die Alternative. Wenn Sie wollen, dass keiner mehr nach Bremen kommt, setzen Sie das durch. Wenn Billigflieger eine Alternative sind, dann werden sie das in der Zukunft vom Ausland machen, weil sie es aus Bremen nicht mehr können. Halten Sie das für eine gute Idee?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nicht gedacht, dass man in dieser Debatte so viel Unsinn erzählen kann wie gerade.
Aber gut. Ich finde, wenn wir uns noch einmal genauer anschauen, was wir in den letzten Wochen gesehen haben, die Streiks, die Arbeitsbedingungen, die noch einmal in besonders dramatischer Weise öffentlich geworden sind, hat man wirklich das Gefühl bekommen, wie haarsträubend es eigentlich ist, dass unter solchen Arbeitsbedingungen hier gearbeitet werden muss. Ich habe gedacht, gut, da haben wir in den letzten Jahren aber auch eine ordentliche Verdrängungsleistung hinbekommen. Denn ehrlicherweise muss man ja sagen, nicht nur die breite Öffentlichkeit, sondern jeder von uns wusste, unter welchen Bedingungen dort gearbeitet wird, wenn man ein Flugticket für neun Euro kauft. Das ist eine wahnsinnige Verdrängungsleistung von Kundinnen und Kunden, die mit solchen Airlines, nicht nur mit Ryanair, sondern auch mit anderen, durch die Welt fliegen, vor allem ja durch Europa, und dann sagen, na ja, aber das geht ja nicht unter solchen Arbeitsbedingungen. Das gehört natürlich zusammen, billige Flugtickets heißt schlechte Arbeitsbedingungen.
In allererster Linie, glaube ich, müssten wir in der Tat über Informationskampagnen für uns Kundinnen und Kunden nachdenken, um noch einmal deutlich zu machen, wer solche Billig-Airlines nutzt, der unterstützt dann eben auch Arbeitsbedingungen, die wir nicht gutheißen, ob in Deutschland oder in jedem anderen Land der Europäischen Union.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das wurde gesagt, die ja vor allem aus anderen europäischen Ländern stammen und nicht aus Deutschland, merkten dann erst bei den rigiden Arbeitsbedingungen, wie unattraktiv diese Jobs sind. Sie hatten, natürlich auch, weil in Bulgarien, in Rumänien und in Portugal andere Löhne gelten, ursprünglich womöglich das als relativ attraktiven Arbeitsplatz im Hinblick auf den Lohn betrachtet. Sie haben unfassbar großen Mut bewiesen, das hat Frau Leonidakis gerade in ihrem Zwischenruf auch noch einmal deutlich gemacht, weil sie gesagt haben, ich verzichte lieber auf diesen Job, als unter diesen Arbeitsbedingungen weiterzuarbeiten, obwohl ich in Bulgarien, Rumänien, Portugal nun einmal nicht die große Auswahl habe, wie wir das vielleicht von einem fachkräftemangeldominierten Arbeitsmarkt in Deutschland kennen. Dass wir hier mit dieser Debatte diesen Mut unterstützen und Rückhalt bieten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, finde ich genau das richtige Zeichen.
Deswegen ist es gut und richtig, dass wir jetzt versuchen, da in Form einer Bundesratsinitiative voranzukommen und die Möglichkeit für Betriebsräte zu schaffen. Wenn ich das richtig gesehen habe, erwägt Berlin das jetzt auch als Bundesland. Wir sind bei dieser Initiative also nicht mehr allein, und das ist ja die beste Voraussetzung, dass es dann womöglich auch funktioniert. Mich hat es auch gefreut, dass der Bundesarbeitsminister hier Änderungen angekündigt hat.
Ich will noch einmal die Debatte um einen Punkt erweitern, weil sie merkwürdigerweise bisher ohne eine europäische Perspektive auskam, obwohl Ryanair ohne europäische Perspektive ja gar nicht zu denken ist. Ryanair argumentiert vor allem immer, sie hätten das Recht, sich auf irisches Arbeitsrecht zu beziehen und alle ihre Niederlassungen danach zu behandeln. Die Europäische Kommission wird seit Jahren nicht müde zu sagen, nein, das ist so nicht, sondern die arbeitsrechtlichen Bedingungen des Standortlandes gelten und nicht die aus Irland.
Worüber wir in unserem Antrag heute in der Tat dann nachdenken sollten und müssten, ist, dass Ryanair-Unternehmen, aber eben auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bisher nach EU-Recht und vor allem natürlich nach der Freizügigkeitsrichtlinie handeln. Ich halte es für das grundlegende Problem, was Arbeitnehmerrechte in Europa betrifft, dass hier nun einmal nur eine Richtlinie wirkt und keine Verordnung, wie wir sie ja jetzt neuerdings aus der Datenschutzgrundverordnung kennen. Für den arbeitsrechtlichen Bereich erreichen wir nur einheitliche Arbeitsbedingungen von Bulgarien bis München und Irland, wenn wir über eine Verordnung in diesem Themenfeld nachdenken. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Dringlichkeitsantrag, der mit dem schönen Titel „Über den Wolken“ beginnt, lässt sofort die Assoziation an grenzenlose Freiheit aufkommen. Gegenstand dieses Antrags ist allerdings das Gegenteil, nämlich die unzureichenden und eher ausbeuterischen Arbeitsbedingungen bei Billiganbietern in der Luftfahrt. Hier in Bremen haben wir die Entscheidung von Ryanair, die Basis zu schließen, gerade erst zu spüren bekommen. Seitdem am vergangenen Sonntag die letzte Ryanair-Maschine in Bremen als Basis gelandet ist, ist für viele Mitarbeiter die Zukunft weiterhin ungewiss. Wir konnten darüber viel in den Medien lesen, hören und auch sehen.
Der Konflikt um die Arbeitsbedingungen bei sogenannten Low-Cost Carriern hat sich in der letzten Zeit sehr zugespitzt. Seit Monaten kommt es in verschiedenen Ländern, und nicht nur hier in Deutschland, vor dem Hintergrund, dass die Mitarbeiter höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen fordern, immer wieder zu Streiks von Pilotinnen und Piloten und Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern. Ich gebe selbst zu, dass ich etwas überrascht war, dass Pilotinnen und Piloten und Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter bisher aufgrund einer Ausnahmeregelung in § 117 Betriebsverfassungsgesetz ohne bestehenden Tarifvertrag keinen Betriebsrat gründen können. Das zudem in einem Land, in dem soziale Verantwortung und Tarifpart
nerschaften großgeschrieben werden! Wir begrüßen deshalb die Ankündigung und Bemühungen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, hier Abhilfe zu schaffen, und werden Ihren Antrag dazu auch unterstützen.
Ein Gesetzentwurf liegt aber meines Wissens dazu noch nicht vor, und es scheint auch nicht ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht. Denn Crews sind zusammengesetzt aus Menschen unterschiedlichster Nationalität mit unterschiedlichen Wohnsitzen und unterschiedlichsten Arbeitsverträgen. Welches Recht gilt denn nun? Wir hatten es eben schon gesagt, eigentlich ist Ryanair angehalten, das jeweilige nationale Recht anzuwenden. Offensichtlich scheint es hier aber genügend Gesetzeslücken und Interpretationsspielräume zu geben, sodass es zu diesen ausbeuterischen Arbeitsbedingungen kommen kann. Meine Vorrednerin hat eben schon die europäische Komponente eingebracht. Ich denke, hier muss tatsächlich noch einmal über europäische Mindeststandards im Arbeitsrecht nachgedacht werden.
Zunächst erwarten wir aber jetzt mit Spannung den Gesetzesvorschlag. Angeblich will man das ja schon bis zum Jahresende auf den Weg bringen, und es soll schon zum 1. Januar in Kraft treten. Es ist Mitte November, viel Zeit bleibt da nicht. Warten wir es einmal ab.
Als sich vor zehn Jahren Ryanair mit einer Basis in Bremen angesiedelt hat, war die Freude bei allen groß. Hat dadurch doch die touristische Entwicklung auch für unsere Hansestadt einen enormen Schub bekommen. Mal ehrlich, wer fliegt nicht gern für kleines Geld innerhalb Europas, das dadurch auch immer mehr zusammenwächst? Das darf aber gerade nicht zum Preis von prekären Beschäftigungsverhältnissen geschehen. Geiz ist eben nicht immer geil, und im Zweifel müssen Passagiere in Zukunft bereit sein, für ein Ticket wieder etwas mehr zu zahlen.
Der Rückzug Ryanairs aus Bremen hat sich aus unserer Sicht bereits seit Längerem angekündigt. Sie sind seit 2007 hier, der zehnjährige Mietvertrag für das Terminalgebäude ist abgelaufen, und die Sicherheitskontrollen wurden mit der Neuanlage der gesamten Abfertigung schon vor einiger Zeit und vor dem Streik in das Terminal 1 verlagert. Eine direkte Kausalität, wie sie Frau Vogt hergestellt hat,
dass der Streik des Personals dazu geführt hat, dass die Basis hier geschlossen wird, können wir so nicht unterstützen und sehen wir so nicht. Wir hoffen, dass es dem neuen Flughafenchef gelingt, mögliche Passagierrückgänge durch alternative Angebote zu kompensieren, damit Bremen weiterhin eine attraktive Destination im Nordwesten bleibt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nur noch ein paar Bemerkungen dazu, dass die Streichung des § 117 nur der erste Schritt sein kann. Ich finde es ja durchaus richtig, anzumerken, allein die Tatsache, dass wir Billigflieger haben, ist natürlich ein verführerisches Argument, günstig von A nach B zu kommen, das ist ja wahr, aber da muss man sich doch dann auch noch einmal überlegen, wo denn Schluss ist bei den prekären Beschäftigungsverhältnissen. Also ich meine, wo ziehen wir denn eine Grenze ein? Das können wir genauso gut auf Textilien, auf Nahrungsmittel und anderes übertragen. In dem Moment, in dem es darum geht, dass wir prekäre Beschäftigungsverhältnisse haben, die dermaßen erbärmlich ausgestaltet sind, muss man sagen: Gut, da ist dann letztendlich, wenn es allein über die Konsumkritik nicht funktioniert, staatlicherseits eine Grenze einzuziehen. Dass das nicht einfach ist, auch gerade im europäischen Zusammenhang, liegt auf der Hand.
Frau Grobien hat ja gerade auf die unterschiedlichen Herkunftsländer und so weiter verwiesen, aber deswegen ist es ja immer dieser Wettlauf dazwischen, dass es eine Verordnung gibt und dass dann letztendlich das nächste Unternehmen kommt, um sich wieder eine Hintertür zu öffnen. Es ist richtig, das ist ein schwieriger Zusammenhang, und es wäre schön, wir würden auf europäischer Ebene dort eine so weit funktionierende Zusammenarbeit hinbekommen, dass so etwas wie diese bestehenden ILO-Konventionen, die internationalen Arbeitsrechtsvorschriften, letztendlich übergeordnet durchgesetzt werden könnten. Fakt ist, zurzeit geht das nicht. Es gibt tatsächlich keine Verordnung, und wir haben letztendlich momentan nicht die Möglichkeit, dem ein P vorzusetzen.
Deswegen bin ich jetzt noch einmal sehr froh, dass wir diese Streichung vornehmen, und ich möchte noch einmal sagen, ich hoffe, dass Hubertus Heil
hier nichts Halbherziges vorlegt, sondern tatsächlich die Streichung des § 117. Es ist ja nach wie vor noch so, dass der Gesetzentwurf noch nicht auf dem Tisch liegt.
Im Bremischen Tariftreue- und Vergaberecht wird ausdrücklich ebenfalls auf die ILO-Konventionen verwiesen. Deshalb ist auch Bremen vielleicht einmal geneigt zu prüfen, ob Fluggesellschaften wie Ryanair diese Konventionen verletzen, und wenn ja, was man dagegen tun kann. Der Konkurrenzkampf unter den Flughäfen in Deutschland ist ja auch relativ groß, und natürlich spielt es eine Rolle, welche Fluglinien dann tatsächlich an welchem Standort angeboten werden. Ich meine jedoch, das ist eine Frage von Abwägung. Wenn wir die Kriterien von guter Arbeit hier einbeziehen wollen, dann müssen wir auch konsequent sein.
Wenn der § 117 gestrichen wird, dann gibt es letztendlich keine Möglichkeit mehr, die Bildung von Betriebsräten zu verhindern. Wir sind außerdem der Meinung, dass es für Bereiche wie den Luftverkehr, der hoch internationalisiert ist und hoch relevant für die öffentliche Sicherheit, auch eine Möglichkeit geben muss, dass man diese Tarifverträge für allgemein verbindlich erklärt. Auch da gibt es entsprechende Auseinandersetzungen, und die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, das wissen wir auch, haben sehr abgenommen. Letztendlich muss man auch sehen, wie man auf der Seite gewerkschaftliche Zusammenarbeit wieder deutlich verbessert. Dafür müssen wir auch das Tarifvertragsgesetz entsprechend ändern. Auch das wäre noch einmal ein Feld, auf dem man sich entsprechend auseinandersetzen muss.
Die internationalen Unternehmen, die aktuell mit unserem Arbeitsrecht Katz und Maus spielen, das ist letztendlich ein Zustand, den wir nicht weiter akzeptieren können. Das kann man sich nicht bieten lassen, und deswegen bin ich jetzt erst einmal sehr froh, dass wir diesen gemeinsamen Antrag haben, und ich hoffe, dass wir auch darüber hinaus noch ein paar entsprechende Möglichkeiten finden, um das weiterzuentwickeln. Da wäre ich sehr dafür, dass wir das von Bremen aus regelmäßig weiter unterstützen. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines ist in der Debatte der vergangenen Stunde deutlich geworden: Betriebliche Mitbestimmung ist ein wichtiges Gut, das bewahrt und für das auch in heutiger Zeit in manchen Bereichen – wie offensichtlich in der kommerziellen Luftfahrt – noch hart gekämpft werden muss.
Dabei ist klar, die große Mehrheit dieses Hauses steht, wie auch der Senat, an der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die für die Wahrung ihrer Rechte kämpfen. Im Fall des fliegenden Personals ist betriebliche Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz aktuell nur möglich, wenn diese tarifvertraglich vereinbart wurde. Die Tatsache, dass diese Ausnahmeregelung für Luftfahrtunternehmen aus den Siebzigerjahren stammt, zeigt, dass eine Überarbeitung dringend notwendig ist.
Die Welt hat sich seit den Siebzigerjahren deutlich verändert. Die kommerzielle Luftfahrt in Europa hat einen umfangreichen Deregulierungs- und Liberalisierungsprozess durchlaufen, und es ist ein Versäumnis, dass das im Betriebsverfassungsgesetz verankerte Mitbestimmungsrecht bisher nicht an diese Entwicklung angepasst wurde. Es ist richtig, an dieser Stelle ein klares Zeichen zu setzen und auch seitens der Bremischen Bürgerschaft zu sagen, so nicht!