Antisemitismus ist etwas, das die gesamte freiheitlich demokratische Grundordnung angreift. Es ist deshalb eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dem entgegenzutreten und diesen zu bekämpfen. Darum hat der Senat das Konzept „Stoppt den Antisemitismus“ vorgelegt, auch als Bearbeitung dessen, um was Sie hier im Hause gebeten haben und wozu Sie uns aufgefordert haben.
Ich bin allen Fachressorts dankbar, dass sie an diesem Konzept mitgearbeitet und so viele Dinge eingebracht haben. Der Abgeordnete Röwekamp hat es angesprochen, es ist uns, glaube ich, allen so gegangen, dass wir beeindruckt waren von der Vielzahl der Aktivitäten. Es ist deutlich geworden, dass wir auch in Zukunft die Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Prävention in den jeweiligen Bereichen intensivieren und voranbringen müssen. Der Senat wird in dem Sinne weiterarbeiten und dieses Konzept vorantreiben.
Ich will, meine Damen und Herrn, auch vor dem Hintergrund der Debatte einige Punkte herausgreifen, die Eckpunkte umfassen und für mich bei dem vorgelegten Konzept wesentlich sind.
Das Erste ist natürlich, dass wir uns auf eine verbindliche Definition von Antisemitismus verständigt haben. Wenn wir Antisemitismus besser erfassen und entschieden bekämpfen wollen, müssen wir bezeichnen, was wir darunter verstehen. Das haben wir getan. Wir haben uns entschlossen, die Antisemitismusdefinition der Internationalen Allianz für Holocaustgedenken als Grundlage zu nehmen. Das ist die Verständigung und die Definition, zu der auch die Bundesregierung gekommen ist.
Darin heißt es, ich zitiere: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder gegen deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“
Diese breite Definition soll gerade auch im Bereich von Justiz, Polizei und Schulunterricht Verwendung finden. Wir hoffen, dass so das Dunkelfeld, das hier heute Morgen auch diskutiert worden ist, aufgehellt wird und damit die Aufmerksamkeit in der notwendigen Breite erfolgt.
Ein zweiter Punkt ist mir wichtig. Es gibt viele unterschiedliche Formen, in denen Antisemitismus in Erscheinung tritt. Über die muss informiert und aufgeklärt werden, mit denen muss man sich in der Tat auseinandersetzen, um sie wirkungsvoll bekämpfen zu können. Dabei gibt es neben den klassischen Formen von Antisemitismus, dem religiösen, dem politischen, dem nationalistischen, dem sozialen oder dem rassistischen Antisemitismus weitere sogenannte neuere Formen, die beobachtet werden.
Das ist als Erstes der sogenannte israelbezogene Antisemitismus und zum zweiten der Schuldabwehr-Antisemitismus. Weil das in der Debatte auch eine Rolle gespielt hat, möchte ich ganz klar vor allem zu dem ersten sagen: Kritik an politischen Entscheidungen der Regierung Israels ist selbstverständlich legitim. Allerdings ist sie nicht akzeptabel, wenn dem Staat Israel das Existenzrecht abgesprochen wird, wenn es zu einer Dämonisierung kommt, wenn man Israel sagt und dabei Juden generell gemeint werden, oder wenn Israel mit anderen Maßstäben bewertet wird als andere Staaten. Auch diese Form des Antisemitismus hat in Bremen keinen Platz, egal ob sie von rechts oder links kommt, ob sie von Moslems, Christen oder Atheisten, von Menschen mit Migrationshintergrund oder anderen geäußert wird. Das geht nicht!
Weil es angesprochen worden ist, will ich aber sehr deutlich sagen, der Abgeordnete Tschöpe hat es schon angeführt: Der Senator für Inneres hat klargestellt, wie er die Äußerung, die in der Debatte hier im Hause nicht aufgegriffen, sondern 14 Tage später thematisiert worden ist, verstanden und gemeint hat. Es ist sehr klar geworden, dass das kein Antisemitismus war und Senator Mäurer dieses überhaupt nicht unterstellt werden kann. Ich finde es deshalb auch nicht angemessen, das mit dieser wichtigen Debatte in Verbindung zu bringen.
Das Gleiche, was ich zu dem israelbezogenen Antisemitismus gesagt habe, gilt natürlich für den Schuldabwehr-Antisemitismus. Hier wird die Erinnerung an die NS-Verbrechen und jede öffentliche Auseinandersetzung mit der Shoah abgelehnt, weil darin eine Herabwürdigung der nationalen Identität gesehen wird. Auch über diese Form gilt es aufzuklären. Wir machen das ganz aktiv im Bereich der Erinnerungskultur, einer Erinnerungskultur, die sich kritisch mit der Geschichte auseinander
setzt, die die Schuld anerkennt, die dieses Bundesland und seine Bürgerinnen und Bürger damals auf sich geladen haben.
Das Stichwort Mahnmal ist hier genannt worden und alles, was wir in diesem Zusammenhang machen, um aus der Erinnerung für die Zukunft zu lernen. Ich will den Verweis gern aufnehmen: Dass wir in der Betrachtung auch dargelegt haben, dass die NS-Geschichte natürlich in den Schulen aufgearbeitet wird, dass wir Denkorte wie den Bunker Valentin nutzen, um den Gesamtrahmen zu adressieren, dabei aber den Antisemitismus nicht unterschlagen, sondern das als eine Möglichkeit sehen, in den Schulen an das Thema heranzuführen, um dann die Debatte um Antisemitismus, um die Vorgänge, die Shoah, aufzugreifen und damit den Weg in die Behandlung aktueller Entwicklungen einzuschlagen.
Ich bin sehr froh, – wir haben das in dem Bericht noch nicht verarbeiten können, aber das ist ein weiteres Zeichen dafür, dass daran weitergearbeitet werden wird – ich bin sehr froh, dass wir am 22. November diese Vereinbarung unterzeichnen werden. Vielleicht wird der israelische Botschafter kommen, auf jeden Fall ein israelischer Gesandter, und für den Senat wird Senatorin Bogedan diese unterzeichnen. Wir werden sie mit Leben ausfüllen und werden die Angebote, die reichhaltigen Angebote, die es im pädagogischen Bereich von Yad Vashem gibt, nutzen und wollen sie fruchtbar machen für den Unterricht.
Als dritten Punkt will ich die in der Debatte, glaube ich, nur kurz gestreifte Rolle des Internets und der sozialen Medien ansprechen. Das ist in der Tat ein wichtiges Thema. Die sozialen Medien gelten als der Ort, an dem judenfeindliches Gedankengut in bisher ungekanntem Ausmaß ungefiltert und global verbreitet wird.
Die Art des Umgangs im Internet, seine Anonymität, fördert und beschleunigt die Akzeptanz und eine Normalisierung von Judenfeindlichkeit in der gesamten Gesellschaft, insbesondere bei jungen Leuten und jungen Menschen. Dem wird entschieden entgegenzutreten sein. Wir wollen deshalb in diesem Bereich den Empfehlungen des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus und der Forschung besondere Aufmerksamkeit widmen und prüfen, wie das umgesetzt werden kann.
Zum Beispiel werden wir das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz unterstützen, den Druck auf die Plattform-Betreiber zu erhöhen. Ich glaube, diesen Schritt muss man gehen. Antisemitische und diskriminierende Inhalte müssen stärker, schneller und aktiver gemeldet und gelöscht werden können. Gleiches gilt für Social Bots, Fake Accounts und antisemitische Hassreden, die verbreitet werden.
Der letzte Punkt den ich ansprechen möchte, der mir auch persönlich sehr wichtig ist, um den wir uns sehr intensiv kümmern, auch bei ganz, ganz vielen Anlässen, die häufig traurig, aber manchmal auch außerordentlich schön sind, ist, dass wir formell und informell einen engen Austausch mit der jüdischen Gemeinde pflegen.
Der Vorstand der jüdischen Gemeinde hat das jetzt vorgelegte Konzept konstruktiv und auch kritisch begleitet. Das war wichtig, und ich bedanke mich ganz ausdrücklich dafür, weil wir viele Dinge besser, präziser und zielgerichteter aufnehmen konnten. Alle zwei Jahre, also in doch verhältnismäßig kurzen Zeiträumen, werden wir und wollen wir dieses Konzept in Zukunft ressortübergreifend überprüfen und weiterentwickeln.
Dabei wird die jüdische Gemeinde natürlich nicht nur beteiligt, sondern direkt einbezogen, denn wir brauchen die Perspektive und Erfahrung der Menschen, die davon direkt betroffen sind, ganz unmittelbar. Dabei geht es uns um die jüdischen Gemeinden in Bremen und Bremerhaven. Wir haben überall, Gott sei Dank, Organisationen und Aktivitäten, die in der Tat einbezogen werden.
Meine Damen und Herren, in der Polizeistatistik tauchen noch immer fast 90 Prozent der antisemitischen Delikte als rechtsextreme Delikte auf. Aber Antisemitismus ist nicht das Problem eines Milieus. Antisemitismus gibt es von rechts, aber leider auch in der Mitte der Gesellschaft. Wir haben ihn in allen religiösen Gruppierungen und in vielen Milieus.
Daher geht es nicht um eine rein statistische Erfassung. Es geht um Ursachenforschung, um konsequente Auseinandersetzung. Das ist der erste wichtige Schritt. Ich bedanke mich sehr bei den Fraktionen, die alljährlich und auch morgen zum 80. Mal die Reichspogromnacht in Bremen mit der Gedenkfeier an der Dechanatstraße zum Anlass nehmen, an die Pogrome zu erinnern und darauf hinzuwei
sen, wie seit 1933 Diskriminierung und Ausgrenzung deutscher Juden zur systematischen Verfolgung und Vernichtung geführt haben.
Sie waren der Beginn des größten und schlimmsten Völkermordes in der Geschichte der Menschheit, der Shoah. Wir werden heute Abend bei der Nacht der Jugend auch daran erinnern. Zum 21. Mal findet diese Nacht der Jugend im Rathaus statt, und es ist wieder gelungen, eine große Zahl junger Menschen für eine aktive Beteiligung zu gewinnen.
Ich glaube, das ist ebenfalls ein wichtiger Beitrag, den Kampf gegen den Antisemitismus lebendig zu halten, zu unterstützen und ins Zentrum unseres politischen aber auch städtischen Lebens zu holen. Das ist unser Interesse!
Deutschland trägt eine besondere Verantwortung. Wir in Bremen nehmen diese auch wahr. Das Konzept „Stoppt den Antisemitismus“ macht dies deutlich und unterstreicht das. Der Senat nimmt gern jede weitere Anregung auf, denn dieses ist eine Selbstverpflichtung, die wir uns auferlegen. Wir werden auch in Zukunft entschieden gegen alle Formen des Antisemitismus im Land Bremen vorgehen. Wir erwehren uns jeglichem Anfang. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich noch den ein oder anderen Impuls aus der Debatte aufgreifen, insbesondere, sehr geehrter Herr Bürgermeister, Ihre Aufforderung, uns mit den antisemitischen politischen Parolen auseinanderzusetzen. Herr Tassis, das hätte ich bei Ihnen ja gern getan. Ehrlicherweise haben Sie sich aber zur Sache überhaupt nicht geäußert.
Sie haben nur darauf hingewiesen, dass es auch Juden in der AfD gibt. Das mag so sein, das will ich gar nicht in Abrede stellen. Sie haben sich aber weder von den Aussagen von Herrn Gauland noch von den noch viel schlimmeren Aussagen von
Herrn Höcke an dieser Stelle distanziert. Deswegen sage ich: Ja, wir nehmen diese Auseinandersetzung an, um den Menschen auch in unserem Land immer wieder zu zeigen, in wessen Gesellschaft sich eigentlich auch die AfD in Bremen im Bund befindet. Dort ist Antisemitismus an der Tagesordnung, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Zitate von Herrn Höcke gehen ja noch weiter, weil er ja hinterher auch den Versuch unternommen hat, das ein bisschen zu relativieren, so nach dem Motto: Ich meinte ja, dass das ein Denkmal der Schande sozusagen des Nationalsozialismus sein sollte. Das meinte ich damit. Ich wollte nicht sagen, dass es ein schändliches Denkmal ist. Aber wenn er dann sagt, ich zitiere: „Anstatt die nachwachsende Generation mit den großen Wohltätern, den bekannten, weltbewegenden Philosophen, den Musikern, den genialen Entdeckern und Erfindern in Berührung zu bringen, von denen wir ja so viele haben, vielleicht mehr als jedes andere Volk auf dieser Welt, und anstatt unsere Schüler in den Schulen mit dieser Geschichte in Berührung zu bringen, wird die Geschichte, die deutsche Geschichte mies und lächerlich gemacht.“
Sehr geehrter Tassis, genau das passiert an unseren Schulen gerade nicht. Wir machen beides. Wir klären über die deutsche Geschichte auf, natürlich mit den vielen auch berühmten und bekannten Persönlichkeiten. Wir sagen aber auch, was schlecht gelaufen ist in Deutschland, und welche Schande Deutschland über die Welt gebracht hat. Beides gehört in den Unterricht unserer Schulen.
Dabei handelt es sich gerade nicht, wie Herr Höcke sagt, um eine dämliche Bewältigungspolitik, sehr geehrter Herr Tassis, sondern es handelt sich tatsächlich um die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen, um sie vor solchen Verirrungen und Irren zu schützen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich habe Ihnen vorhin berichtet von Tay, dem Internet-Bot, der radikalisiert worden ist. Wissen Sie, was der Unterschied zwischen Tay und Tassis ist? Microsoft konnte Tay innerhalb von 16 Stunden abstellen und aus dem Internet nehmen. Bei Ihnen, Herr Tassis, brauchen wir länger. Ich bin mir aber
sicher, dass es uns im demokratischen Wettstreit gelingen wird, Ihnen die Fassade des Bürgertums vom Gesicht zu reißen und die Menschen draußen darüber aufzuklären, was Sie wirklich wollen.
Sie wollen einen anderen Staat. Sie wollen einen Staat, der nicht an die großartigen Erfolge der Aufklärung und der Demokratie unseres Landes anknüpft. Sie wollen einen Staat, der ausgrenzt, der teilt und der in der Welt wieder Spaltung herbeiführt. Das werden wir mit aller Entschiedenheit verhindern. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich weise natürlich diese eben wieder vorgenommenen Äußerungen von Herrn Röwekamp zurück, die er heute als einziger Abgeordneter in dieser Schärfe von sich gibt. Er hatte offensichtlich ein schlechtes Gewissen. Ich weiß es nicht.
Diese Art der Auseinandersetzung ist abzulehnen. Ich habe mich heute sehr deutlich von einer Person, die immer noch Mitglied der Alternative für Deutschland ist, distanziert, und ich habe erklärt, was die Alternative für Deutschland mit einer Geschichtspolitik meint, nämlich auch an die deutschjüdischen Traditionen zu erinnern. Das habe ich ausgeführt, und ich glaube, dass ich dazu durchaus einige Worte verloren habe. Ich begebe mich hier nicht auf das Niveau von Herrn Röwekamp und bedanke mich herzlich!