Protocol of the Session on September 27, 2018

nicht? Wenn ich der Argumentation von Frau Bernhard von der Fraktion DIE LINKE folge, komme ich zu dem Schluss: Wozu gibt es eigentlich eine Zwangsmitgliedschaft in der Arbeitnehmerkammer, und müssen die Leute sich nicht freiwillig in so etwas organisieren?

All die Argumente, die Sie vorgebracht haben, dass andere die Interessenvertretung übernehmen, können Sie natürlich dort auch vorbringen. Wir als Freie Demokraten sind auf Ihren Antrag dahingehend gespannt und würden den vielleicht sogar unterstützen.

(Beifall FDP)

Ähnlich ist die Kritik, die kommt von ver.di, vom DGB und von der Arbeitnehmerkammer, an einer Pflegekammer. Das kann man verstehen aus der Organisationssicht. Auf der anderen Seite kann man es aber natürlich auch objektivieren, indem man das einmal prüft, eine Anhörung durchführt, mit denjenigen diskutiert, ob das eine sinnvolle Lösung ist oder nicht. Auch der Bundesverband der privaten Anbieter von Pflegeleistungen ist ja dort bei den Skeptikern, weil er sagt, der Regelungsbereich ist sehr eingeschränkt. Die Frage ist ja schon aufgeworfen worden. Wie grenzen wir das von anderen Kammern ab, die in diesem Bereich tätig sind, die an der einen oder anderen Stelle mehr sagen können, wie die Ärztekammer, wo natürlich die Ärzte diejenigen sind, die die Behandlungen entscheiden und all das. Diese Fragen müssen wir doch offen diskutieren und überlegen, was dann der Aufgabenkreis einer Pflegekammer ist. Was kann der Aufgabenkreis dann auch sein? Andere Kammern entscheiden über Berufsordnungen, über Ausbildungsordnungen und so weiter. Wollen wir das hier in die Hände einer solchen Kammer legen und wollen wir das Ganze dann mit Zwangsmitgliedschaft organisieren oder mit freiwilliger Mitgliedschaft?

Wobei, wenn Zwangsmitgliedsbeiträge schon nicht ausreichen würden, wie uns vorgerechnet wurde, stellt sich bei Freiwilligkeit schon eine ganz andere Frage. Auch das muss man dann bedenken. Die stellen wir auch, aber wir sagen auch als Freie Demokraten, wir können uns nicht vorstellen, dass die Pflegenden als eine der wenigen Arbeitnehmergruppen Zwangsmitglied in einer Pflegekammer und in einer Arbeitnehmerkammer sein müssen.

(Beifall FDP)

Beides geht für uns nicht zusammen, dann muss man für diesen Berufsbereich sagen, ihr müsst nicht in der Arbeitnehmerkammer sein. Das müsste dann bei einer solchen Prüfung auch ganz offen mit diskutiert werden. Was wir also tun müssen: Wir müssen hier offen diskutieren, ob das ein Teil der Lösung sein kann oder ob wir anders zu Lösungen kommen. Wie kann die Pflege verbessert werden, wie können wir auch die Interessenwahrnehmung der Pflegenden verbessern, ob das jetzt innerhalb einer Arbeitnehmerkammer ist, außerhalb einer Arbeitnehmerkammer, in freiwilligen Zusammenschlüssen, das muss diskutiert werden. Deswegen unterstützen wir den Antrag der CDU, weil es ein Beitrag auf einer Plattform ist, die wir als Parlament bieten können, die wir mit unseren Gremien bieten können, diese Frage offen zu diskutieren und mit dem Senat gemeinsam dann zu erörtern und zu einer Entscheidung in der Sache zu kommen. Deswegen herzlichen Dank für den Antrag und deswegen unsere Zustimmung dazu. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner für eine Kurzintervention hat das Wort der Abgeordnete Bensch.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst freue ich mich, dass auch die Senatorin jetzt anwesend ist. Schade, dass sie meine ersten Beiträge – – Doch gehört? Gut. Ich glaube, Anja Stahmann kennt mich und kennt auch meine Grundhaltung, nämlich nicht über die Pflegenden, sondern mit den Pflegenden reden.

Ich erinnere noch einmal ganz kurz daran, es geht hier heute nicht um eine Pro-und-contra-Abstimmung, es geht um einen Beteiligungsprozess. Und da ich als Antragsteller sehr viel Zustimmung, auch von den Grünen, gehört habe, die eine Art wertschätzende Ablehnung angekündigt haben, eigentlich in der Sache dafür, aber aus Koalitionsgründen dagegen, da ich von Magnus Buhlert von der FDP sehr wertschätzende Worte gehört habe und auch von den eigentlich ablehnenden Sozialdemokraten und der Fraktion DIE LINKE den Bedarf nach Sachverstand herausgehört habe, beantrage ich die Überweisung sowohl in die Deputation für Soziales, Jugend und Integration als auch in die Deputation für Gesundheit und Verbraucherschutz, weil ich der festen Überzeugung bin, die Pflegenden haben es nicht verdient, eine Beerdigung zweiter Klasse zu bekommen. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tassis.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen des Hohen Hauses! Die AfD stimmt dem Antrag oder der Überweisung jetzt gern zu. Wir halten das für den richtigen Weg. Ich selbst habe bei den sozialpolitischen Sprechern der AfD in Hamburg über das Thema referiert: Brauchen wir in Bremen eine Pflegekasse, vor allem bei Besitz einer Arbeitnehmerkammer?

Für uns ist wichtig und bleibt wichtig, dass eine finanzielle Mehrbelastung für Beschäftigte in ja doch wahrscheinlich größtenteils niedrigeren Lohnsektoren verhindert wird. Für uns bleibt auch wichtig, dass eine grundsätzliche Kritik am Kammerwesen, die die AfD vertritt, nicht ganz in den Hintergrund gerät. Jedoch ist das Argument von Frau Kollegin Görgü-Philipp, die Pflegeberufe auch mit, wie sie es nannte, anderen Kammern zugehörigen Berufen gleichzustellen, nicht ganz von der Hand zu weisen. Frau Kollegin Dehne habe ich diesbezüglich nicht ganz verstanden.

Formal ist es natürlich etwas anderes, ob wir selbstständige Berufe haben oder Angestellte. Aber es geht doch hier bei der Errichtung einer Pflegekammer um die von Ihnen immer so hochgehobene Wertschätzung von Berufen, und das halten wir von der AfD doch immer für richtig. Und der Antrag der CDU, das hat der Antragsteller ja auch schon erklärt, geht ja eben nicht von vornherein auf einen Dissens hinaus, sondern eben auf einen abgestuften Prozess, eine Pflegekammer einzuführen. Das ist bei den ganzen schwierigen Fragen, die man dabei zu regeln hat, das Richtige. Deswegen bedanke ich mich herzlich für diesen Antrag. – Vielen Dank!

Mit der Freude, dass der Senat jetzt sprachfähig ist, rufe ich Frau Senatorin Stahmann auf.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Aus der Debatte ist deutlich geworden, dass das Thema Pflegekammer dafür geeignet ist, den Blutdruck zu steigern, und auch zu einer kontroversen Debatte mit unterschiedlichen Argumenten führt.

In Bremen haben wir Gegner und Befürworter für eine Einrichtung einer Pflegekammer. Die Arbeitnehmerkammer, die Gewerkschaften und auch

einzelne Berufsverbände äußern sich eher ablehnend und auch abwartend, während aus dem Bremer Pflegerat, von den Beschäftigten und auch aus dem politischen Raum der Ruf nach einer Pflegekammer größer wird. Zum Teil hat die Fraktion der SPD ja auch noch einmal ihre Position deutlich gemacht, und auch der Redebeitrag der LINKEN hat gezeigt, dass es da kein so klares Bild gibt.

Diese Debatten vollziehen sich in allen anderen Bundesländen auch. Und ich finde es richtig, dass man dann nicht einfach hinter verschlossenen Koalitionstüren darüber entscheidet, ob eine Pflegekammer eingerichtet wird oder nicht. Die meisten Bundesländer, die meisten Regierungen in den anderen Bundesländern haben sich dann am Ende immer für eine repräsentative Befragung der Menschen entschieden, die in diesen Pflegeberufen arbeiten. Ich glaube auch, mit Frau Prof. Dr. Eva Quante-Brandt – wir diskutieren ja auch über das Thema, wie man es am besten händeln kann – werden wir auch im Bundesland Bremen in irgendeiner Konstellation bei so einer Umfrage landen müssen. Ich halte das für einen vernünftigen Weg.

Aber wir sind natürlich in einer besonderen Situation, da schaue ich in Richtung Stephanie Dehne, wir und das Saarland haben eine Arbeitnehmerkammer, im Saarland heißt es Arbeitskammer. Auch darauf muss man natürlich eine politische Antwort finden. Wenn man eine Kammer gründen würde, für die man einen Berufsstand aus unserem Konstrukt herauslöst, würde das natürlich, und da kann ich die Position der Arbeitnehmerkammer vollkommen verstehen, eine Debatte über die Zwangsmitgliedschaft auch für andere Berufe in der Arbeitnehmerkammer auslösen, die dann sagen – –.

(Abgeordneter Hilz [FDP]: Die Debatte führen wir gern!)

Genau, darauf freuen wir uns auch schon, die haben wir in diesem Haus auch nach meiner Erinnerung schon drei-, viermal geführt. Es ist eine schwierige Debatte, und deswegen eignet sie sich auch nicht für schnelle Beschlüsse. Ich glaube, dass man darüber wirklich sehr sorgfältig diskutieren muss, auch auf Bundesebene hat der Bundesgesundheitsminister diese Debatte jetzt angestoßen. Er hat angekündigt, sich mit dem Thema Bundespflegekammer befassen zu wollen.

Und auch in den anderen Ländern beobachten wir die Zunahme der Einrichtung von Pflegekammern.

Es sind noch nicht alle Bundesländer dabei, Pflegekammern einzurichten, aber in den letzten drei, vier Jahren stellen wir einfach die vermehrte Gründung von Pflegekammern fest. Wir haben ja immer gesagt, wir beobachten das, und wir wollen auch nicht die Klassenletzten sein, die in so eine Entwicklung hineingehen.

Ich glaube, dass dieses Thema auch im Rahmen der nächsten Bürgerschaftswahl noch einmal eine große Aktualität bekommen wird, da bin ich mir sehr sicher. Herr Bensch hat das ja auch noch einmal deutlich gemacht, dass insgesamt der Pflegeberuf in Deutschland gestärkt werden muss, sowohl in der Bezahlung als auch in der Wertschätzung, als auch in vielen anderen Bereichen, das ist völlig klar. Ich glaube, das muss unabhängig von einer Pflegekammer passieren. Und ich sage es noch einmal, ich habe das eben gehört, wir haben eine Bundesärztekammer. Die akademischen Berufe haben sich alle ein Kammerwesen erarbeitet und erstritten. Man kann es den nicht akademischen Berufen dann nicht vorenthalten mit dem Argument, man hätte kein Recht dazu, eine Kammer zu gründen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Das finde ich auch ein Stück weit unehrlich. Das müssen nicht alle teilen, ich weiß noch nicht einmal, ob das alle meine Kollegen im Senat teilen würden, das ist jetzt meine Position, die ich hier vortrage. Ich finde es unehrlich, und wenn man sich mit Pflegenden unterhält, die sagen, und diese Diskussion führen wir ja schon jetzt seit mehreren Jahren, dass sie sich nicht gut genug vertreten fühlen von denjenigen, die bisher am Markt sind, von Arbeitnehmerkammer bis Gewerkschaften, dann müssen wir in Bremen diese Debatte doch noch einmal etwas deutlicher und auch intensiver führen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Man kann auch nicht sagen, dass in SchleswigHolstein die Pflegekammer kein Erfolg ist. Das möchte ich deutlich sagen. Es hat eine Umfrage gegeben und es gibt jetzt schon 21 500 Mitglieder und das ist doch eine beträchtliche Zahl, die zeigt, dass der Wunsch da ist, sich als Berufsgruppe stärker geschätzt zu fühlen, gesehen zu werden neben den Ärztinnen und Ärzten. Ich sage es noch einmal, die haben wirklich in Deutschland eine ganz starke Lobby, das sieht man an den Entwicklungen.

Mein ehemaliger Kollege Schulte-Sasse hat das immer gesagt, alle Gesundheitsreformen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass wir mehr Ärzte in den Krankenhäusern haben, aber dass wir nicht genug Pflegepersonal mit einer besseren Bezahlung in den Krankenhäusern haben. Darüber muss man sich schon unterhalten.

Ich finde, man muss sich jetzt nicht so sehr darüber aufregen, Herr Crueger, es gibt unterschiedliche Positionen. Gehen Sie einmal in ein Altenpflegeheim, schauen Sie sich eine Altenpflegeeinrichtung an, wie die Menschen sich da abmühen.

(Unruhe)

Das ist ein Beruf, in dem wirklich hart gearbeitet wird, mindestens genauso hart wie in anderen Branchen, die bessere Tarifverträge haben.

(Beifall CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Wie gesagt, der Senat bleibt bei seiner Position und die ist miteinander verabredet, dass wir die Entwicklung in anderen Bundesländern abwarten. Das, was ich dazu denke, habe ich gesagt. – Danke schön!

(Beifall)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Hier ist die Überweisung an die Staatliche Deputation für Soziales, Jugend, und Integration und an die Staatliche Deputation für Gesundheit und Verbraucherschutz beantragt.

Wer der Überweisung zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

(Dafür CDU, FDP, BIW, Abgeordneter Tassis [AfD])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt eine Überweisung ab.

Ich lasse deshalb jetzt über den Antrag selbst abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/1678 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

(Dafür CDU, FDP, BIW, Abgeordneter Tassis [AfD])