Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst die Anmerkung machen, dass wir den Änderungsantrag nicht eingebracht haben, weil er vor der ersten Lesung sowieso abgelehnt worden wäre. Das möchte ich hier nur zur Aufklärung sagen.
Ich möchte hier, bevor ich zu unseren Argumenten komme, grundlegend auf einen Punkt eingehen. In dem Änderungsantrag, den wir jetzt doch eingebracht haben, werfen wir die Frage auf: An welcher Stelle hört die Freiheit des privaten Eigentums eigentlich auf, und an welchem Punkt ist diese Grenze zu ziehen? Das ist letztendlich die Auseinandersetzung, die wir hier zu führen haben.
Es steht doch völlig außer Frage, dass es diese Grenze gibt. Es ist zu beantworten, wo sie gezogen worden ist und auf welche Weise sie umgesetzt wird.
Die Situation ist doch die, dass wir auf der einen Seite Menschen haben, die dringend eine Bleibe suchen, die ein Dach über dem Kopf brauchen und es faktisch nicht haben. Auf der anderen Seite sind leere Gebäude vorhanden, die möglicherweise nicht zur Verfügung gestellt werden, weil sie sich im Privatbesitz befinden. Das ist nicht unbedingt zu akzeptieren, sondern man muss sagen, dass hier etwas Ähnliches wie unterlassene Hilfeleistung stattfindet. Wir finden es deshalb durchaus richtig, darüber nachzudenken, wie man an der Stelle Abhilfe schaffen kann.
Wir haben vor Wochen eine Kleine Anfrage eingebracht und um Auskunft gebeten, auf welche Weise es möglich sei, Beschlagnahmen durchzuführen. Wir haben bis heute keine Antwort erhalten. Die ersten Reaktionen waren eher distanziert als zustimmend.
Schließlich ist es so, dass wir eine Gesetzesgrundlage haben, nach der schon jetzt Wohnungen beschlagnahmt werden können, nämlich nach dem Obdachlosenpolizeirecht. Die OPR-Wohnungen sind allgemein bekannt. Diese gesetzliche Grundlage ist auch in Bremen angewandt worden, in der Vergangenheit hat es in Bremen mehrere Tausend OPR-Wohnungen gegeben. Inzwischen ist der Bestand sehr abgeschmolzen.
Die Koalition legt nun einen Gesetzentwurf vor, der die Beschlagnahme intensiver regeln soll. Wir unterstützen selbstverständlich grundsätzlich dieses Anliegen. Eine genauere gesetzliche Grundlage ist durchaus notwendig. Es geht jetzt um die Grenzen, innerhalb derer die neue gesetzliche Regelung umgesetzt werden soll.
Ich komme nun zu dem Gesetz, das relativ kurzfristig eingebracht worden ist. Es ist mit heißer Nadel gestrickt, und es vermittelt mehr das Gefühl, handlungsfähig zu sein, als dass von ihm tatsächlich eine Handlungsfähigkeit ausgeht. Es ist, so empfinden meine Fraktion und ich es, dass es auf beiden Seiten unzureichend ist. Erstens – und das sind jetzt eigentlich die wichtigsten Punkte –, es wird nicht das Recht auf Wohnen als Grundlage manifestiert, sondern der Anspruch auf eine provisorische Massenunterkunft. Zweitens: Es wird auch nicht die Frage beantwortet, in welchen Fällen die Wohnungseigentümer geschützt werden müssen. Eine entsprechende Definition ist nicht vorhanden.
Drittens: Es zieht eine unangenehme Trennlinie zwischen Flüchtlingen und anderen Menschen, die in Bremen keine Wohnung finden.
Unter dem Strich steht die Botschaft: Wir wollen das leer stehende Max-Bahr-Gebäude – Synonym für alle möglichen anderen Gebäude, die hier zur Debatte
stehen – belegen, und ansonsten möchten wir Handlungsfähigkeit demonstrieren und einen guten Eindruck machen. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dass das nicht reicht.
Wir kritisieren verschärft, dass es nur auf eine Akutsituation reagiert und sich nicht in ein wohnungspolitisches und sozialpolitisches Gesamtkonzept einbettet.
(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Zwangsbelegung als Konzept? Das ist ein bisschen schwierig!)
Ich komme darauf noch zu sprechen! Es macht überhaupt keinen Sinn, alle Gebäude auszunehmen, die unterhalb von 300 Quadratmetern liegen. Ich kann mir auch die Ableitung der 300 Quadratmeter nicht erklären. Bisher ist das eine vollkommen willkürliche und unbegründete Größenordnung. Sie bezieht sich dann ja auch noch auf Grundstücke, und das macht überhaupt keinen Sinn. Das wurde gestern auch zu Recht angemerkt.
Wenn ein Wohnungsbaukonzern ungefähr zehn Wohnungen mit je 50 Quadratmetern zum Beispiel aus spekulativen Gründen leer stehen lässt, ist wegen der 300-Quadratmeter-Grenze keinen Zugriff möglich. Wir können doch die Menschen, die geflüchtet sind – und deswegen komme ich noch einmal auf das wohnungspolitische Argument zurück –, nicht ewig in Massenunterkünften unterbringen. Es ist eine perspektivische Lösung notwendig.
Das haben Sie vergessen. Dieses Instrument bezieht sich einzig und allein auf das akute Problem, das schnell irgendwie gelöst werden muss. Das heißt, wir haben eine Hallenkonzeption gegen eine andere Hallenkonzeption ausgetauscht, und dafür brauchen wir eine gesetzliche Grundlage.
Das ist genau der Punkt, an dem wir sagen, das ist zu kritisieren, weil es keine würdige Unterbringung mit einer Perspektive ist, und darüber ist nachzudenken.
(Beifall DIE LINKE – Abg. Tschöpe [SPD]: Deswegen wollen wir keine Zwangsbelegung! Es ist Quatsch, was Sie hier erzählen!)
Das Kriterium muss sein, dass das Recht auf Wohnen nicht nur für diese Gruppe dargestellt werden muss, sondern auch für alle anderen.
Dass die Unterscheidung stattfindet, ist der zweite Punkt, den ich kritisiere. Es ist nicht nachvollziehbar. Wir haben auf dem Wohnungsmarkt, eng wie er ist, sehr viele Menschen, die nicht geflüchtet sind, die auch eine Wohnung suchen, wie zum Beispiel Erwerbslose, Menschen ohne Einkommen, Alleinerziehende, Studierende oder Menschen mit prekärem Einkommen. Über diese Menschen wird nicht nachgedacht.
Es spricht sich herum, dass das Ressort Mieten für Flüchtlinge akzeptiert, die es bei Hartz-IV-Empfängern nicht übernehmen würde. Ich finde, dass Grundrechte nicht teilbar sind. Das ärgert uns an diesem Gesetz, und das können wir auch nicht akzeptieren.
Wenn man Leerstände belegen möchte, dann muss man sich auch – und das ist der Punkt, auf den ich zu Beginn meiner Ausführungen bereits hingewiesen habe – über die Schutzrechte der Eigentümer Gedanken machen. Im Gesetzentwurf der Koalition ist keine Leerstandsfrist genannt. Das heißt, man hat ein Haus geerbt und möchte es veräußern, das berühmte Häuschen der Oma, es wird renoviert, oder es wird saniert. Es ist nicht definiert, welche Voraussetzungen zu akzeptieren und welche Fristen einzuhalten sind.
(Abg. Tschöpe [SPD]: Das Gesetz ist kein Wohnungs- baukonzept! Es ist ein Gesetz zur vorübergehenden Unterbringung!)
Das ist mir schon klar! Im Gesetz wird aber darauf nicht eingegangen, es ist keine entsprechende Regelung vorgesehen.
(Abg. Tschöpe [SPD]: Dass wir an Oma ihr klein Häuschen wollen! Sie haben keine Ahnung von Ver- fassungsrecht, von Leistungsrecht!)
Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender, mir geht es darum, dass es hierin nicht definiert ist. Was Sie gemeint haben oder transportieren wollen, ist eine ganz andere Frage.
Deswegen schlagen wir an dem Punkt eine SechsMonats-Frist vor. Das werde ich doch in Ruhe ausführen können. Das kann man doch einfach einmal in diesem Raum stehen lassen. Sie können gerne dazu Stellung nehmen. Das ist überhaupt kein Problem.
Ja, wir sind dagegen. Es ist bis zum 31. Juli 2017 befristet. Warum? Was machen wir dann? Sie haben noch nicht einmal in irgendeiner Weise darüber nachgedacht. Was wird dann ab dem 1. April getan? Dazu gibt es auch keine Vorschläge.