Protocol of the Session on May 31, 2018

Schule für externe Fachkräfte öffnen Antrag der Fraktion der FDP vom 8. März 2018 (Drucksache 19/1573)

Dazu als Vertreterin des Senats Senatorin Dr. Bogedan, ihr beigeordnet Staatsrat Pietrzok.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Kohlrausch.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Non scholae sed vitae discimus! Die Schule ist kein

Selbstzweck, sondern soll auf das spätere Leben vorbereiten. Wo man hierbei die Schwerpunkte setzt, wird unterschiedlich gewertet. Das kann von Schule zu Schule anders aussehen. Im Idealfall haben Eltern und Kinder die Wahl. Wenn aber Schule nicht nur Unterrichtsort für schulischen Lernstoff sein soll, ist eine Öffnung gegenüber dem außerschulischen Bildungsalltag unumgänglich. Unterrichtsgänge zu außerschulischen Lernorten sind sicher sinnvoll. Eine Alternative sind Experten, die vorübergehend den Unterricht oder Projekte an den Schulen unterstützen und bereichern.

(Beifall FDP)

Hierbei kann es sich um vielfältige Bereiche des täglichen Lebens handeln, zum Beispiel wenn Frauenärztinnen oder Frauenärzte oder Hebammen den Aufklärungsunterricht unterstützen oder wenn Handwerker praxisnah Unterricht erteilen, natürlich bei Anwesenheit der Lehrkraft. Außerdem bieten sich für die Berufsorientierung ganz neue Möglichkeiten. Menschen aus der Wirtschaft können ganze Unterrichtsreihen übernehmen und so die Fragen nach dem „wofür muss ich das denn können“, beantworten.

(Beifall FDP)

Zum Beispiel kann ein Maler den Sinn von Flächenberechnungen sicher besser verdeutlichen, als manche Lehrkraft. Durch Externe wird den Schülern eine neue Perspektive auf den Lernstoff eröffnet. Oft fehlt den Schülern der Bezug zum späteren Berufsleben. Eine stärkere Verzahnung von schulischer und außerschulischer Bildung kann dafür sorgen, dass ein reibungsloser Übergang zwischen Schule und Beruf oder Studium möglich wird.

Schon jetzt gibt es im Land Bremen Kooperationen mit Partnerfirmen, von denen Schulen und Firmen profitieren. Aber man sollte den Bildungseinrichtungen auch die Chance geben, eine Öffnung im Bereich des Personals zu ermöglichen. Mir gegenüber äußerten Schulleiterinnen und Schulleiter wiederholt diesen Wunsch.

Es gibt viele Gründe, Menschen unterschiedlicher Profession in den Unterricht einzubinden. Dafür ist eine möglichst unbürokratische Art nötig, diese externen Fachkräfte ehrenamtlich oder temporär beschäftigen zu können. So können dann auch Stunden, die sonst fachfremd unterrichtet werden, teilweise unter der Aufsicht von Lehrkräften, von Experten übernommen werden, zum Beispiel beim

Sportunterricht, beim naturwissenschaftlichen Unterricht oder beim Unterricht in Fremdsprachen.

(Beifall FDP)

Beim Schwimmunterricht in den Grundschulen geht man in Bremen ja sogar noch weiter. Ein großer Teil des Unterrichts wird in Bremen fachfremd erteilt und kann auf diese Weise sicher unterstützt werden. Wir Freien Demokraten wollen die Autonomie von Schulen stärken und es ihnen erleichtern, eigene Profile zu entwickeln.

(Beifall FDP)

Unsere Forderung, den Schulen ein Innovationsbudget zur Verfügung zu stellen, unterstützt diese Entwicklung. Geben Sie den Schulen die Chance, unbürokratisch Persönlichkeiten aus der beruflichen und der akademischen Praxis ehrenamtlich oder auf Basis einer temporären Beschäftigung in den Unterricht einbinden zu können. – Ich danke Ihnen!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Debatte gar nicht unnötig lange oder kompliziert gestalten. Sehr verehrte Frau Kohlrausch, wir sind in der Sache, um die es Ihnen geht, völlig einer Meinung mit Ihnen. Externe Expertinnen und Experten, externe Menschen sollen im Unterricht präsent sein. Ich hatte es ursprünglich einmal so verstanden, dass es auch mehr in die Richtung Unternehmen, Betriebe, vielleicht auch Handwerksbetriebe, vielleicht auch Beschäftigtenvertreter, also die reale Welt, zum Beispiel auch aus der Wirtschaft, aber auch aus anderen Bereichen, geht.

Da sind wir absolut einer Meinung mit Ihnen. Das ist eine gute Sache, weil es jederzeit eine Bereicherung ist, wenn Menschen, die nicht jeden Tag in der Schule sind, dort hinkommen und den Schulunterricht und die Projekte, die dort durchgeführt werden, bereichern. Das ist eine hervorragende Sache. Ich denke, die ganze Koalition hat damit nicht nur kein Problem, sondern findet es vollständig richtig, Schule auf diese Art und Weise zu bereichern. Das zu der grundsätzlichen Frage Ihres Antrages, sehr verehrte Frau Kollegin.

(Beifall SPD, FDP)

Eigentümlich an dem Antrag ist nur, das festzustellen, und da könnte man eigentlich enden, weil das natürlich heute auch schon möglich ist. Sie haben ja selbst Beispiele genannt, beim Schwimmen, aber auch bei vielen, vielen anderen Dingen. Es findet ja täglich statt. Es geschieht, nicht nur weil wir es, wie gerade gesagt, gut finden, dass die Schulen so bereichert werden durch Externe, sondern auch weil es die Möglichkeiten gibt, diese einzubeziehen.

Jetzt gehe ich einmal davon aus, wenn es sich zum Beispiel um Vertreter von Unternehmen, Betrieben oder andere Personen handelt, dass diese Personen in der Schule gar keine Beschäftigung haben wollen, sondern dass sie temporär dort hineinschauen und mit Schulklassen zusammenarbeiten und dass man dann gemeinsame Projekte gestaltet. Sie haben ehrenamtliche Arbeit erwähnt. Alle diese Kontakte, von dem reinen Kontakt einer Schulklasse zu diesen externen Experten bis hin zu dem Modell, dass die Bademeisterinnen und Bademeister der Bremer Bäder den Schwimmunterricht gestalten, all das ist möglich, alles das ist selbstverständlich heute gelebte Alltagspraxis, und deswegen sind wir in der Sache ganz an Ihrer Seite.

In dem von Ihnen vorgeschlagenen Antrag, dass es dazu noch einer neuen Regelung oder was auch immer bedürfe, da sind wir ganz und gar nicht an Ihrer Seite. Wir glauben, dass das heute ausreichend befriedigend geregelt ist und dass wir diese Praxis gern gemeinsam fortsetzen können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. vom Bruch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann es im Prinzip ähnlich kurz machen wie der Kollege Dr. Güldner. Wenn man Ihren Antrag liest, Frau Kollegin, dann hat man zunächst Schwierigkeiten zu identifizieren, worum es Ihnen geht und abzugrenzen, was eigentlich die große Neuigkeit daran sein soll.

Ich habe das für mich zunächst einmal so verstanden, dass es Ihnen um eine Förderung der Berufsorientierung, insbesondere zum Beispiel in Oberschulen, also in den Schulen der Sekundarstufe I oder II geht. Da habe ich mich gefragt, worin der

Mehrwert liegt. Nein, Frau Kollegin, wir haben überhaupt nichts gegen eine Intensivierung der Berufsorientierung. Nein, wir haben auch überhaupt nichts dagegen, dass Betriebe, dass Wirtschaft in Schulen präsent sind. Dass jetzt allerdings Beschäftigte aus Betrieben in den Schulen Unterricht erteilen sollen, ist zunächst einmal eine Hürde, die man noch nehmen muss.

Ich habe es in einem anderen Zusammenhang schon einmal gesagt: Wir haben letztens – zugegeben in einem völlig anderen Zusammenhang – hier über die Frage des fachfremd erteilten Unterrichts, zum Beispiel im Bereich Sport, gesprochen. Ich habe sehr deutlich gemacht, dass für uns im Unterricht die berufliche, das heißt also die fachliche, Kompetenz und die pädagogische Kompetenz zusammenkommen müssen, die beide für uns wichtig sind. Ich habe großen Respekt vor beruflicher Erfahrung, aber aus dem gleichen Grunde habe ich Bedenken, jeden beruflich Erfahrenen automatisch auch in Schulen einzusetzen.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, nicht jeder, der fachlich etwas kann, kann auch automatisch unterrichten.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE)

Deshalb glaube ich, dass Ihre Prämisse, Ihr Anliegen zunächst einmal richtig sind. Ich sehe den Willen und das Ziel sehr wohl, über den Weg müsste man allerdings nachdenken. Nicht nur fachlich, sondern man müsste auch über die Frage nachdenken, ob es in den Schulen eigentlich einen entsprechenden Bedarf gibt, ob die Schulen sich auf ein entsprechendes Modell einlassen wollen. Ich würde so etwas ganz ungern an den Schulen vorbei entscheiden.

Obwohl ich Ihnen fachlich vor dem Hintergrund, den ich aus Ihrem Antrag kenne, nicht ohne Weiteres zustimmen würde, wäre ich bereit, Ihren Antrag zu überweisen. In der Deputation sollte darüber gesprochen werden, ob die Schulen entsprechenden Bedarf und die Bereitschaft hätten, dies umzusetzen, und worin der Mehrwert läge.

Allerdings, wenn die Koalition sich einer solchen Überweisung nicht nähert, dann würden auch wir diesen Antrag ablehnen, weil wir so ohne Weiteres – über das hinaus, was der Kollege Dr. Güldner zutreffend gesagt hat, was jetzt schon möglich ist – den Mehrwert an dieser Stelle nicht erkennen können. – Herzlichen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Vogt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde auch, die Berufsorientierung an den Schulen muss gestärkt werden. Ich finde allerdings, so viel sei zuerst gesagt, dass der Antrag der Fraktion der FDP überhaupt nicht zielführend ist. Ich will aber trotzdem zwei, drei Möglichkeiten aufzeigen.

Die Berufsorientierung sollte normalerweise im Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik stattfinden, und dies ist in der Stundentafel in der Tat deutlich unterrepräsentiert. Vor allen Dingen wird es, wie wir wissen, immer weniger von Fachkräften unterrichtet. Das hat natürlich etwas damit zu tun, dass die Universität den eigenen Studiengang arbeitsorientierte Bildung abgewickelt hat. Es fehlt an Fachkräften. Das sehen wir auch als Problem an, aber dieser von der Fraktion der FDP eingereichte Antrag löst das überhaupt nicht. Im Antrag befindet sich keine Analyse über die eigentlichen momentanen Schwachpunkte in der Berufsorientierung, und es gibt auch keine gezielten Vorschläge, um diese Schwachpunkte abzustellen.

Aus meiner Sicht ist sogar das Gegenteil der Fall! Würde man diesem Antrag der Fraktion der FDP folgen, hätten wir an Bremer Schulen einen Flickenteppich von Berufsorientierung. Die einzelnen Schulen müssten sich selbst darum kümmern, Kontakt zu den Betrieben und Unternehmen aufzunehmen und darüber Personal zu gewinnen. Das führe dazu, dass Berufsorientierung an einzelnen Schulen vom Zufall abhängt, von einer engagierten Lehrkraft oder einem aktiven Unternehmen in der Nachbarschaft. Der Antrag ist davon geprägt, dass, wenn nur ein guter Handwerksmeister – Meister Eder mit Pumuckl – in der Schule ist, die Jugendlichen animiert werden, dies eine Berufsbild besonders beeindruckend zu finden. Das halte ich natürlich für Unsinn.

Wenn man den Antrag der FDP-Fraktion zu Ende liest, kann man befürchten, dass eine negative Verdopplung eintritt. Fachfremdes Lehrpersonal an den Schulen und eine pädagogisch nicht geschulte Hilfskraft aus Unternehmen und Betrieben, das ist in dieser Konsequenz und in dieser Konstellation keine Lösung. Die Berufsorientierung würde sich nicht an der Bandbreite von Möglichkeiten einer beruflichen Ausbildung orientieren, sondern wirklich nur punktuell stattfinden.

Wir brauchen Lehrpersonal, das die Gesamtheit der Berufe sowie die Jugendlichen mit ihren Stärken und Schwächen in den Blick nimmt. Dafür benötigen wir pädagogisches Fachpersonal und keine Hilfskräfte aus der Praxis. Ich finde natürlich, dass man das Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik wieder stärken muss, das hat in den letzten Jahren im Zuge der Schulreform tatsächlich gelitten. Dazu müsste man den Studiengang wieder aufleben lassen.

(Zuruf Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP])

Das wäre eine deutlich bessere Maßnahme als das, was die FDP hier vorschlägt. – Danke schön!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Böschen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kohlrausch, wir sind alle der Meinung, dass Schule und Unterricht lebensnah, und an den Themen, die uns bewegen, ausgerichtet sein müssen. Nur so erreichen wir Kinder und Jugendliche. Ich glaube, die Forderung nach der Öffnung jeder einzelnen Schule zum Stadtteil ist ungefähr 20 Jahre alt oder noch älter, und mittlerweile ist das in allen Schulen auch im Bewusstsein verankert, sodass die Schulen dem auf unterschiedliche Art und Weise entsprechen.

Das geht einerseits, wir haben es gehört, über die Besichtigung von Betrieben, von Einrichtungen, das geht aber andererseits darüber, dass Expertinnen und Experten in die Schulen eingeladen werden. Das ist nichts Neues, das gibt es lange, und es wird in den Schulen unterschiedlich intensiv wahrgenommen. In Bezug auf die Berufsorientierung haben wir vielfältige Maßnahmen und Aktivitäten, um Jugendliche über Berufe, über betriebliche Wirklichkeit zu informieren. Wir haben diverse Kooperationen, das ist schon angesprochen worden. Wir haben aber auch Mentorinnen und Mentoren, insbesondere Menschen, die bereits im Ruhestand sind und ihre Erfahrungen aus der beruflichen Praxis an die Jugendlichen weitergeben. Leider ist ein entsprechendes Bundesprogramm jetzt in der Kofinanzierung nicht fortgesetzt worden. Ich glaube aber, das sind gute Beispiele. Niemand von uns wird bestreiten, dass man das durchaus auch ausweiten kann und dass es durchaus wünschenswert wäre.

Das Ganze sollte aus meiner Sicht – wenn man tatsächlich die betriebliche Wirklichkeit stärker an die Schulen bringen will – noch einmal betrachtet werden unter dem Gesichtspunkt, wie man eigentlich Lehrkräfte qualifizieren kann. Ich kann mich erinnern, dass wir einmal eine Offensive hatten, Lehrkräfte für eine bestimmte Zeit in Betriebe zu bringen, sie in Praktika dort einmal erleben zu lassen, wie es in einem Betrieb zugeht. Machen wir uns nichts vor! Ich bin selbst Lehrerin, ich war ewig nur in der Schule und anschließend im Parlament. Es wäre sicherlich gut, wenn auch Erfahrungen von Lehrkräften aus Betrieben in die Schulen hineinwirken könnten. Da, finde ich, könnte man durchaus noch einmal darüber nachdenken, ob die Möglichkeiten optimal sind oder ob man das verbessern könnte.