Protocol of the Session on April 25, 2018

Asylanträge müssen richtig bearbeitet werden. Sie dürfen nur dann anerkannt werden, wenn die Voraussetzungen wirklich vorliegen und die Formalien des Verfahrens eingehalten wurden.

(Beifall FDP)

Auch beim Thema Asyl ist das Zusammenspiel zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu beachten. Wir haben das Asylverfahren - vernünftigerweise - beim Bund angesiedelt. Es gibt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das zunächst die Bearbeitung vornimmt. Aber dann, wenn die Bescheide

vorliegen, liegt die weitere Bearbeitung bei den Aufenthaltsbehörden, den Migrationsämtern oder, soweit es um die Frage der finanziellen Ausstattung der Betroffenen geht, bei den Sozialbehörden. Aufgrund der Tatsache, dass es hier um ein Zusammenspiel der öffentlich-rechtlichen Körperschaften in unserem Land, in unserem Staat geht, haben alle einen Anspruch, mitzureden und negative Entwicklungen, die sich in diesen Ämtern ergeben, aufzuzeigen.

Beim BAMF hat das offenbar nicht ganz geklappt. Der Innenminister von Niedersachsen bekam im Jahr 2016, nachdem er Betroffene abschieben wollte, von der Außenstelle des BAMF in Hannover einen Hinweis auf einen ändernden Bescheid der Außenstelle Bremen. Dieser Vorgang dokumentiert, dass in den Behörden, die über diese Fragen zu entscheiden haben, ein entsprechender Informationsaustausch, eine entsprechende Kommunikation offenbar nicht stattfand, sodass diametral entgegengesetzte Entscheidungen möglich geworden sind. Es ist Herrn Innenminister Pistorius zu verdanken, dass die Aufklärung des im Amt Geschehenen ins Rollen gebracht worden ist und eine Überprüfung stattgefunden hat. Die Missstände müssen aufgeklärt werden.

Wir hätten uns auch im Rahmen der Beratungen in der Deputation im Hinblick darauf, dass es bereits Untersuchungen gibt – die der Universität Konstanz spreche ich an –, wonach die Anerkennungsquote der BAMF-Außenstelle Bremen wesentlich höher liegt als die der anderen entsprechenden Behörden in Deutschland, darum kümmern müssen. Es gibt eine Abweichung um fast ein Drittel, 62 Prozent zu 96 Prozent, insbesondere bei den Jesiden. Daher wäre es angezeigt gewesen – wir machen uns über das Image der Stadt Gedanken und wollen nicht, dass Bremen negativ in die Schlagzeilen kommt –, eine entsprechende Anfrage an das Bundesamt zu stellen oder das Thema im Rahmen der Innenministerkonferenz anzusprechen.

(Beifall FDP)

Darüber hatten wir im Herbst vergangenen Jahres diskutiert. Damit wäre das alles nicht verhindert worden, weil die Vorgänge früher stattfanden; aber es hätte deutlich gemacht, dass wir uns auch um die Abläufe in den Behörden, um das, was danach kommt, und um das Image unserer Stadt kümmern.

Wichtig ist, dass Bremen nicht durch negative Schlagzeilen weiterhin belastet wird und dass wir nicht quasi als Stadt des Asyltourismus begriffen

werden. Wir müssen weiterhin die Stadt der Weltoffenheit, der Rechtsstaatlichkeit sein und sollten nicht den Eindruck erwecken, als könne man sich hier im Vorbeifahren einen positiven Bescheid abholen. Das hat den Anflug einer Bananenrepublik.

(Beifall FDP - Abgeordnete Dr. Schaefer [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Das ist eine Frechheit!)

Meine Damen und Herren, wenn wir uns nicht an diesen hehren Grundsätzen und ihrer ernsthaften verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Abarbeitung orientieren, ist dies Wasser auf die Mühlen des Rechtspopulismus, der Ausländerfeindlichkeit. Wir überlassen ihnen insoweit das Feld und liefern ihnen sogar selbst die Argumente. Dies ist zu verhindern!

(Beifall FDP, CDU)

Wogegen ist möglicherweise verstoßen worden? Erster Punkt: Offenbar ist die Zuständigkeit nicht eingehalten worden. Ich habe vorhin das Asylverfahren skizziert. Man wird irgendwo registriert und hat dort auch seinen Wohnsitz zu begründen. Daher ist es sehr zweifelhaft, warum man, wenn man aus Niedersachsen oder aus Nordrhein-Westfalen kommt, in einer anderen Außenstelle seinen Bescheid kurz und bündig und schnell bekommen kann. Hierin sehe ich eine Verletzung der Zuständigkeit. Ich sehe Regelungsbedarf, damit dies in Zukunft nicht mehr vorkommen kann.

(Beifall FDP)

Außerdem ist offenbar unterlassen worden, die Personen zu identifizieren, Fingerabdrücke zu nehmen. Daher ist nicht überprüfbar zu halten, woher die einzelnen Personen kommen. Das EURODACVerfahren ist nicht eingehalten worden.

Das Asylrecht erfordert die Einzelfallprüfung. Jeder Fall muss für sich geprüft werden. Wenn man liest, dass in gecharterten großen Bussen zu Außenstellen gereist wird, dann wird deutlich, dass es in der durch die Vielzahl der Fälle bedingten Kürze der Zeit nicht möglich ist, jeden Einzelfall zu prüfen und wirklich abzuwägen, ob Asyl zu gewähren ist oder ob dies anders geregelt werden muss. Es kommt darauf an, für die Zukunft diese Verfahrensweise auf jeden Fall abzustellen.

(Beifall FDP)

Wenn eine Außenstelle eine Entscheidung getroffen hat, dann ist die Stelle, bei der der Betroffene

registriert worden ist, zu informieren. Dies muss sichergestellt werden. Mir ist völlig unerklärlich, warum die Stelle, bei der der Asylantragsteller bisher registriert gewesen ist, keine Information darüber bekommen hat, dass ein anderes Amt über seinen Antrag positiv entschieden hat. Wir hatten schon im Fall Amri, also in ganz anderen Zusammenhängen, beklagt, dass die Kooperation und die Kommunikation der Behörden untereinander nicht richtig gelaufen sind. Ähnliches sehe ich im Bereich des Asylverfahrens. Wenn wir Asyltourismus verhindern und das Asylverfahren richtig steuern wollen - dazu gehört die Klärung der Fragen, wo sich jemand während des Asylverfahrens aufzuhalten hat und welche Stelle für ihn zuständig ist -, dann brauchen wir solche Sicherungsmaßnahmen.

(Beifall FDP, CDU)

Wir brauchen Sicherungsmaßnahmen auch insoweit, als nicht nur eine Person die Anhörung durchführt und die Entscheidung trifft. Es sollte so sein, dass eine Person die Anhörung durchführt und eine andere auf der Grundlage des Protokolls entscheidet, ob sich ein Asylanspruch oder andere Ansprüche ergeben. Das ist das sogenannte Vier-AugenPrinzip.

Im Interesse der Verhinderung einer Fehlsteuerung ist es uns auch wichtig, dass die Folgebehörden in den Kommunen eingebunden beziehungsweise informiert werden. Dabei geht es um die Fragen, welcher Aufenthaltstitel gewährt wird und welche Sozialleistungen während der Zeit des Aufenthalts zu gewähren sind. Es muss erkennbar sein, ob die richtige Stelle den Asylantrag beschieden hat. Das wäre eine weitere Möglichkeit, Missbrauch zu unterbinden.

(Beifall FDP)

Wir wollten auch deshalb eine Aktuelle Stunde eingeräumt bekommen, weil es weitere Fragen gibt, die uns interessieren: Wie viele Verfahren hat es in diesem Bereich von 2013 bis 2016 gegeben? Werden Verfahren, die beschieden worden sind und bei denen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie nicht rechtmäßig erfolgt sind, erneut aufgerollt? Werden die Bescheide gegebenenfalls widerrufen?

Uns interessiert weiterhin: Wie viele Verfahren dieser Art hat es noch gegeben, nachdem – Sommer 2016 – der Brief von Innenminister Pistorius vorlag? Hat man schon damals in diese Verfahren quasi eingegriffen?

Das Weitere, was uns interessiert, ist: Gibt es Asylantragsteller, die sich nach der positiven Bescheidung durch die Bremische Außenstelle in Bremen um einen Aufenthalt und um entsprechende Sozialleistungen bemüht haben? Bedeutet also die Reise nach und die Beantragung eines positiven Bescheids in Bremen, dass man sich hier auch niederlässt und wir diese Personen bei uns haben?

(Glocke)

Diese Fragen werden sich auch in Zukunft noch stellen. Deswegen bitten wir um entsprechende Beantwortung.

Wir werden das Verfahren, das eingeleitet worden ist, strafrechtlich und verwaltungsrechtlich, abwarten.

(Glocke)

Wenn das Ergebnis vorliegt, werden wir erneut in die Debatte einsteigen. Für den Innensenator ist es wichtig, Bremen aus dem Schussfeld der Kritik herauszunehmen, auch wenn es sich um eine hier ansässige Bundesbehörde handelt. – Danke schön!

(Beifall FDP)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Hinners.

(Abgeordnete Böschen [SPD]: Ein bisschen leben- diger, Herr Hinners!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Anmeldung der Aktuellen Stunde zum – vermutlichen – Korruptionsskandal beim Bremer BAMF verbunden mit der Frage, warum das niedersächsische Innenministerium die Aufklärung der Sache ins Rollen brachte und nicht der Bremer Innensenator beziehungsweise der Bundesinnenminister, hat die FDP eine, wie ich finde, berechtigte Frage aufgeworfen. Denn, meine Damen und Herren, allein die Auswertung der vorliegenden Statistiken für die Jahre 2013 bis zum Halbjahr 2017 über den Ausgang der Asylverfahren im Zuständigkeitsbereich Bremen im Vergleich zu anderen Bundesländern hätte bei allen politisch Verantwortlichen im Bund und im Land Bremen Reaktionen bis hin zu konkreter Ursachenforschung auslösen müssen.

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Offenbar hat es sowohl in den Bundesbehörden – das hört man immer wieder – als auch in den bremischen Behörden entsprechende Gerüchte gegeben.

Interessanterweise war es die Fraktion DIE LINKE im Bundestag, die mit ihrer Kleinen Anfrage zu dem Thema „Unterschiede in den Bundesländern in der Asylentscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge“ sowie der am 9. Oktober 2017 erfolgten Antwort der Bundesregierung mit Zahlen und Fakten dafür gesorgt hat, dass diese teilweise eklatanten Unterschiede öffentlich wurden.

Die CDU-Fraktion hatte die insbesondere für Bremen erheblich höhere Anerkennungsquote bei Asylverfahren zum Anlass genommen, den Senator für Inneres in der Sitzung der Innendeputation am 23. November 2017 um Aufklärung dazu zu bitten; denn für uns betrugen die unterschiedlichen Anerkennungsquoten bei Asylverfahren – zum Beispiel bei Antragstellern aus dem Irak in Bremen 93 Prozent, bundesweit durchschnittlich 45 Prozent, aus dem Iran in Bremen 80 Prozent, bundesweit durchschnittlich 40 Prozent und aus Afghanistan in Bremen 63 Prozent, bundesweit durchschnittlich 45 Prozent – nicht ohne Weiteres nachvollziehbar.

Aus der Antwort des Senators für Inneres in der Innendeputation geht hervor, dass unsere Berichtsbitte den Zuständigkeitsbereich des BAMF betreffe und Bremen keine eigene Zuständigkeit habe beziehungsweise keine Kontrolle ausüben könne. Herr Senator Mäurer, dieses wurde in Niedersachsen insgesamt offensichtlich völlig anders beurteilt; denn aus dem niedersächsischen Innenministerium wurden sehr wohl entsprechende Hinweise auf die abweichenden Anerkennungsquoten gegeben. Es gab kritische Fragen an die Hauptverwaltung des BAMF mit der Folge, dass dort Maßnahmen zur Überprüfung eingeleitet wurden, bis hin zur Versetzung der Leiterin der Außenstelle Bremen.

Meine Damen und Herren, dass Ergebnis der Untersuchung ist mittlerweile bekannt. Es führte zu bundesweiter Berichterstattung, öffentlichen Diskussionen sowie polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsvorgängen gegen mehrere Beschuldigte. Demnach hat es offensichtlich einen umfangreichen Asyltourismus zur Außenstelle des BAMF in Bremen gegeben mit der Folge, dass mit Bussen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen – nach gegenwärtigen Erkenntnissen! – 1 200, vielleicht sogar 2 000 Asylantragsteller nach Bremen gebracht wurden, um in einem noch genauer

zu untersuchenden Schnellverfahren von der Leiterin des hiesigen BAMF eine Asylanerkennung bescheinigt zu bekommen.

Nach bisherigem Kenntnisstand wurden dabei alle elementaren Grundsätze des Asylverfahrens missachtet. Normalerweise erforderliche erkennungsdienstliche Behandlungen zur Feststellung der Identität wurden unterlassen. Viele Fallakten sollen in den Fällen, in denen die Antragsteller schon in einem anderen EU-Land – was nicht selten passiert – einen Asylantrag gestellt hatten, so lange in der Behörde in Bremen auf Halde gelegen haben und nicht abgeschlossen worden sein, bis der Fristablauf hinsichtlich der Zuständigkeit der anderen EU-Länder erreicht war.

Meine Damen und Herren, eine Folge davon ist, dass die Kosten für die Unterbringung und Versorgung dieser Menschen von Deutschland zu tragen sind, nicht von den ursprünglich zuständigen Ländern der EU. Solche illegalen Maßnahmen führen natürlich dazu, dass das Vertrauen in die ordnungsgemäße Asylverwaltung massiv erschüttert wird. Das darf nicht passieren!

(Beifall CDU, FDP)

Da hilft es wenig, wenn sich, wie im vorliegenden Fall, die ehemals verantwortliche Leiterin des BAMF in Bremen angeblich von humanitären Gesichtspunkten bei ihren Entscheidungen hat leiten lassen.

Meine Damen und Herren, die Frage ist natürlich, ob auch die anderen aktuell Beschuldigten in diesem Verfahren – wie aus den Medien zu erfahren ist, drei Rechtsanwälte und ein Dolmetscher – humanitäre Ziele oder eher Vermögensvorteile als Ziel ihres Handelns hatten. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, ist das Wasser auf die Mühlen der Gegner des vorhandenen Asylrechts. Das können wir alle nicht wollen!

(Beifall CDU, FDP)

Auf das Verfahren bezogen ist es natürlich erforderlich, die rechtswidrigen Asylbescheide aufzuheben und einer ordnungsgemäßen rechtlichen Überprüfung zu unterziehen; denn meines Erachtens ist völlig klar, dass sich dabei in vielen Fällen durchaus eine Bestätigung des Asylanspruchs ergeben kann, insbesondere dann, wenn sich bestätigen sollte, dass es sich bei den Betroffenen tatsächlich um Jesiden – mit einer auch im Bundesdurchschnitt

sehr hohen Anerkennungswahrscheinlichkeit – gehandelt hat.