Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Fangen Sie bitte endlich an, sich über die harten und die weichen Standortfaktoren, die Unternehmen dazu bewegen können, sich in Bremen anzusiedeln, Gedanken zu machen.
Sie wissen, ich bin ein Fan der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Natürlich ist mir bewusst, dass auch Konzerne für den Wirtschaftsstandort Bremen enorm wichtig sind. Konzerne haben eine unglaubliche Leuchtturmwirkung. Viele junge Menschen entscheiden sich übrigens sehr bewusst für einen Konzern, für eine Marke, weil sie dort gerade am Anfang viele Möglichkeiten der Entfaltung und des Aufsteigens, was für sie sehr wichtig ist, geboten bekommen. Gerade Konzerne sind auch für junge Menschen Magneten. Bremen profitiert davon. Die jungen Menschen sorgen nämlich auch für eine ganz andere Kultur in der Stadt.
Von Konzernen profitieren auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen, auch der klassische Mittelstand. Durch die Ansiedlung eines Konzerns kommen die Kunden häufig auch in die Nähe der Zulieferer. Die Wirtschaft kann überproportional wachsen, was für Bremen eine große Chance bietet.
Es liegt im Interesse Bremens, endlich herauszufinden, warum diese großen Unternehmen Bremen verlassen. Die einfache Antwort, in den großen Konzernzentralen werde ohne die Einbeziehung von Standortfaktoren einfach so entschieden, darf uns als Politik nicht genug sein.
Wir, die FDP-Fraktion, schlagen Ihnen deshalb vor, dass wir uns ganz ehrlich und im Detail mit dem Weggang der großen Konzerne beschäftigen. Wir müssen davon wegkommen, die großen Konzernzentralen quasi zu Sündenböcken für die Wirtschaftspolitik des rot-grünen Senats zu machen. Wir brauchen endlich ehrliche Analysen und dann eine unterstützende Wirtschaftspolitik.
Wir haben in Bremen genügend Baustellen, die einer eigenen Betrachtung wert sind. Dazu gehören die in Bremen und Bremerhaven extrem hohen Gewerbesteuerhebesätze. Bremen hat mit Wirkung vom Beginn dieses Jahres den Hebesatz auf 470 Prozent erhöht. Bremerhaven blieb bei seinem – immer noch hohen – Hebesatz von 460 Prozent. Zum Vergleich: Achim hat 410 Prozent, Oyten 400 Prozent. Auch das ist ein sehr großer Unterschied für ein Unternehmen.
Ein weiteres Bremer Problem ist die schludrige Gewerbeflächenerschließung. Ich weiß, im vergangenen Jahr waren war darin gut. Wir haben 54 Hektar erschlossen. Das war eine gute Leistung, das ist der richtige Weg. Aber in den Jahren davor war die Gewerbeflächenerschließung leider miserabel. Wir haben etwas versäumt, wir haben es einfach nicht richtig gemacht. Im Jahr 2016 waren es gerade einmal 2,3 Hektar, quasi nichts. Im Jahr 2015 waren es 8,4 Hektar. Das reicht einfach nicht aus. Wir müssen besser werden!
Wir brauchen eine angebotsorientierte Gewerbeflächenentwicklung. Bremen ist in der Pflicht, das nachzuholen, was in den vergangenen Jahren massiv versäumt wurde.
Neben der Gewerbesteuer und den Gewerbeflächen ist auch die Infrastruktur ein harter Standortfaktor. Wir erleben es bei den Schwer- und Großraumtransporten immer wieder. Marode Brücken und Straßen machen es der Behörde schwer, geeignete Wege für die Transporte zu finden. Es ist an der Zeit, dass das Land Bremen wieder mehr Geld in unsere Straßen und Brücken investiert und sich endlich auch beim Bund für mehr Geld für die Sanierung von Bundesbrücken und -straßen einsetzt.
Wir brauchen eine funktionierende digitale Infrastruktur. Wir brauchen eine funktionierende, schlanke Verwaltung. Auch das sind Faktoren, die für die Unternehmen wichtig sind und die Entscheidung pro Bremen ausfallen lassen können.
Neben den harten Standortfaktoren sind auch die sogenannten weichen Standortfaktoren wichtig: Wie gut geht es den Mitarbeitern in Bremen? Wie ist das allgemeine Wirtschaftsklima? Vor allem: Wie gut ist die Bildung an den Bremer Schulen?
Sie wissen doch selbst, wie schwer es ist, Fachkräfte für Bremen zu begeistern, gerade wenn es junge Familien sind. Sie entscheiden sich eher für Niedersachsen, weil sie wissen, dass dort die Kinder in den Schulen einfach besser aufgehoben sind. Ich finde es schade, dass die Situation hier so ist, weil sich Bremen damit total unter Wert verkauft.
Es erfüllt mich mit Sorge, wenn ich mir die Bevölkerungsentwicklung anschaue. Diese fällt in Bremen zwar positiv aus. Aber der Zuwachs resultiert vor allem aus dem Zuzug von Flüchtlingen, nicht aus dem Zuzug von qualifizierten Fachkräften, die die Wirtschaft so dringend braucht.
Das alles sind Faktoren, die bei der Entscheidung für oder gegen einen Standort ins Gewicht fallen. Wenn Unternehmen sich nicht darauf verlassen können, am Standort gut ausgebildeten Nachwuchs zu finden, und wenn die Mitarbeiter für ihre Kinder nicht gute Schulen vorfinden, dann sind das leider Gründe für eine Entscheidung gegen den Standort Bremen.
Als letzten für mich wichtigen Punkt nenne ich die Verlässlichkeit der Politik. Kann ich mich als Unternehmer beziehungsweise als Unternehmerin auf Zusagen der Politik verlassen? Kann ich meine Planungen zum Beispiel auf die Zusage der Politik abstellen, die Weservertiefung oder den vollständigen Ausbau der A 281 bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu realisieren? Ich schaue in die Runde. – Ich finde, das kann ich nicht. Das ist ein riesiges Problem. In Bremen ist es leider nicht so, dass Sie sich auf die Politik und auf politische Entscheidungen verlassen können, weil es einfach ewig dauert.
(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das hängt nicht nur von politischen Entschei- dungen, sondern auch von Gerichtsterminen ab!)
Auch das ist etwas, Frau Dr. Schaefer, was ein Unternehmen davon abhält, sich mit Freude am Standort Bremen anzusiedeln.
Klar ist, wir wollen den Standort immer positiv beschreiben. Wir wollen nicht nur darauf hinweisen, was schlecht ist. Es ist wirklich toll in Bremen. Wir
können stolz darauf sein, dass unser Wirtschaftswachstum sich so überdurchschnittlich entwickelt hat, dass das BIP massiv gestiegen ist, dass wir in der Reihe der Industriestädte wieder auf Platz 6 klettern konnten. Das sind tolle Entwicklungen. Das ist super! Good News! Ich bin stolz auf unsere Unternehmen am Standort, auf die kleinen und mittelständischen, aber natürlich auch auf OHB, Mercedes und Airbus, auf unseren großen und tollen Logistiksektor, der, wie ich finde, zu selten erwähnt wird, weil er sich auf mehrere Unternehmen verteilt. An unserem Standort gibt es viele Hidden Champions. Wir haben mittlerweile eine tolle, florierende Gründerkultur. Auch und gerade, was die Lebensmittelwirtschaft angeht, ist da viel „Musik“ drin.
Wir Freie Demokraten möchten diese Entwicklung ausbauen. Wir möchten, dass Unternehmen zu uns kommen, wir möchten nicht, dass sie gehen. Wir möchten Unternehmen mit einem umfassenden Angebot willkommen heißen, statt sie zu erziehen und ihnen zu sagen, was hier alles nicht geht.
Der Senat muss dringend handeln, damit die Wirtschaftsleistung weiterhin wächst und, im besten Fall, endlich die Arbeitslosigkeit sinkt. Dann haben wir als Land Bremen die Chance, nicht nur unter den Industriestandorten, sondern auch wieder in anderen Bereichen nach oben kommen. – Danke sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vieles ist schon gesagt worden. Ich versuche, mich kurzzufassen. – Die Redebeiträge waren relativ vorhersehbar. Die Koalitionsparteien behaupten, in Bremen sei eigentlich alles in Ordnung, wenn es nur nicht das Fehlverhalten der profitorientierten Unternehmen gäbe. Die Opposition entgegnet, in Bremen sei eigentlich alles „Doom and Gloom“, und man wundere sich, warum hier überhaupt noch jemand tätig wird.
Frau Steiner stellte zu Anfang ihrer Rede die relativ differenzierte Frage, wie es dazu kommen könne, dass wir einerseits Erfolgsmeldungen und andererseits Misserfolgsmeldungen bekommen. Ich sage Ihnen, das liegt in der Natur der Sache. Das nennt
sich Wandel. Dieser ist so alt wie das Universum. Alles ist in beständigem Wandel. Es gibt Entwicklungen, die uns gefallen, und solche, die uns nicht gefallen. Beides passiert gleichzeitig.
Die Herausforderung sowohl für die Politik als auch für den Unternehmer besteht darin, zu erkennen, welche Entwicklungen schlecht und welche gut laufen. Die Entwicklungen, die gut laufen, müssen wir fördern beziehungsweise unterstützen. Den Entwicklungen, die schlecht laufen, müssen wir entgegentreten. Wenn wir sie nicht verhindern können, dann müssen wir den Umgang mit ihnen managen. Das ist die Herausforderung der Evolution.
Bevor ich zu einigen Bremer Besonderheiten komme, möchte ich etwas zu dem Thema Marken sagen. Hier wurde darauf hingewiesen, dass wir starke Marken verloren haben. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Marke einen Wert haben kann, der viel höher ist als das Produkt, das diese Marke abbildet. Ein Bier zu brauen, eine Zigarette zu drehen oder eine Schokolade anzurühren ist kein Hightech. Aber das Unternehmen – Hachez, Beck, Jacobs, früher auch HB – hat einen Wert. Dieser ist viel höher als das Know-how, die Produktionsstätte und all das, was dahintersteckt. Wenn dem so ist, dann besteht natürlich die Gefahr, dass jemand diese sehr wertvolle Marke verkauft und ein anderer sagt: Prima! Jetzt besitze ich das, was eigentlich diese Marke ausmacht, und das ist der Name, den ich vermarkten kann. Dann produziere ich halt irgendwo, wo es genauso gut geht, wo es aber billiger ist.
Damit sind wir bei den Besonderheiten. Ich habe mir die Mühe gemacht, einige statistische Besonderheiten des Bundeslandes Bremen im Speziellen und Deutschlands im Allgemeinen in dem Wettbewerb um Unternehmen zu beleuchten.
Eingangs der Debatte wurde erwähnt, es gebe in der EU ein starkes Lohngefälle. Deutschland ist aber längst nicht mehr das Hochlohnland per se. Zwar sind die Lohnkosten bei uns immer noch etwas höher als der EU-Durchschnitt. Sie liegen erheblich höher als die Lohnkosten in Polen und Ungarn und etwas höher als die in Spanien und Großbritannien, wohin wir das Kellogg-Werk verloren haben. Aber sie sind nicht extrem hoch, jedenfalls nicht höher als die Lohnkosten in den Niederlanden, in Frankreich oder in Belgien. Die Lohnkosten allein können also nicht der Grund sein.
Auf einem Gebiet ist Deutschland allerdings einsame Spitze – Bremen nimmt insoweit innerhalb Deutschlands eine Spitzenposition ein –, nämlich bei der Abgabenbelastung. Dazu gehören die Sozialabgaben, aber auch die schon erwähnten Hebesätze der Gewerbesteuer. Wenn wir Lohnnebenkosten, Steuern und Abgaben betrachten, kommen wir zu dem Ergebnis, dass wir im OECD-Vergleich nach Belgien auf Platz zwei liegen. Wir sind am zweitteuersten. Das ist natürlich ein Wettbewerbsnachteil.
Es gibt in Bremen ein paar andere statistische Besonderheiten, die uns Hinweise sowohl darauf geben, wo wir von Wandel betroffen beziehungsweise bedroht sind, als auch darauf, wie wir den Wandel nutzen können. Die Wirtschaft Deutschlands generell ist exportorientiert. Der Anteil des Exports an der gesamten deutschen Wirtschaft liegt bei 39 Prozent. Das ist erheblich. Bremen als Hafenstadt ist besonders exportorientiert. Der Exportanteil der Bremer Wirtschaft liegt bei 56,3 Prozent und damit erheblich höher als der Bundesdurchschnitt. Wann immer auf Bundesebene oder sonst wo Politik gemacht wird, die exportrelevant ist, sind wir in Bremen in ganz besonderer Weise davon betroffen.
Eingangs der Debatte wurde erwähnt, dass wir in Bremen eine besonders starke Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft haben. Es geht also um veredelte Agrarprodukte. Dass die Entwicklung sich bei uns so vollzogen hat, wie sie jetzt beklagt wird, ist auch eine Folge der europäischen Politik und der Politik der Bundesregierung, was die RusslandSanktionen angeht. Übrigens hat sich auch die Bremische Bürgerschaft dafür ausgesprochen. Laut IHK Bremen haben die norddeutschen Exporte nach Russland seit Einführung der Sanktionen einen Rückgang um 50 Prozent erlitten. Um 50 Prozent! Im gesamten Bundesgebiet sind die Exporte nur um 37 Prozent zurückgegangen, in der gesamten EU sogar nur um 15 Prozent. Jetzt kann man die Frage stellen, warum ausgerechnet in Bremen der Rückgang der Exporte so extrem ausfällt.
Die Verantwortlichen eines Unternehmens, das in diesem Bereich tätig ist, müssen sich natürlich die Frage stellen: Was passiert in einem Bundesland, in dem die Ausfuhr von Fischen nach Russland seit Inkraftsetzung der Sanktionen um 100 Prozent, die Ausfuhr von Getränken um 75 Prozent und die Ausfuhr von Kaffee um 50 Prozent zurückgegangen ist? Ich stelle mir schon die Frage, ob das bei der Entscheidung eines Unternehmens, welchen
Wir als Bundesland haben verschiedene Möglichkeiten, diese Herausforderungen anzugehen. Das eine sind heimische Themen. Natürlich können wir auch, was die Steuern angeht, etwas bewegen, nämlich über unsere Hebesätze. Wir können auch die Rahmenbedingungen verbessern. Ich weiß, dass dabei auch der schlechte Ruf des Bremer Bildungssystems und alles, was in diesem Zusammenhang erwähnt wurde, eine Rolle spielt.
Als Politiker müssen wir versuchen, unseren Einfluss auf nationaler und auf europäischer Ebene geltend zu machen, damit wir nicht weiterhin eine export- und freihandelsfeindliche Politik fahren. Ich kann mich erinnern, es war dieses Haus, das sich in einer Debatte über das TTIP sehr kritisch äußerte, weil Freihandel kritisch gesehen wurde. Es war dieses Haus, das sich explizit für die Russland-Sanktionen eingesetzt hat. Ich kann nur dringend appellieren, dass wir Bremer erkennen, dass freier Handel unser ureigenes Interesse ist. Es reicht nicht aus, dass wir den Wandel in der Vergangenheit betrachten und bedauern, sondern wir müssen uns auch auf den Wandel, der kommt, vorbereiten.
Wir erleben gerade einen Brexit, der äußerst hart, äußerst kompromisslos gefahren wird. Auch die Folgen des Brexits werden Bremen treffen. Es ist überhaupt noch nicht ausgemacht, was im Zusammenhang mit dem Brexit die jüngsten Entwicklungen in den USA für uns bedeuten. Damit meine ich die Möglichkeit für Unternehmen, die Importzölle zu mindern oder zu umgehen, indem sie ihre Standorte nach Großbritannien verlagern und damit nicht mehr in der EU haben.
Das sind Herausforderungen, die wir vor uns haben. Ich wünsche mir, dass das weitere Vorgehen zielgerichtet erfolgt. Wir sollten ungeachtet politischer Wunschvorstellungen, Geschmacksrichtungen und Glaubensbekenntnisse im Auge behalten, worum es geht. Es geht um die wirtschaftliche Entwicklung und das Wohlergehen der Bürger dieses Landes. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine ersten Vermutungen, die ich hatte, als das Thema der Aktuellen Stunde eingereicht wurde, haben
sich weitgehend bestätigt. Es ist immer ein Problem, wenn man versucht, aus der Einzelfallentscheidung eines Unternehmens politische Rendite zu ziehen, indem man diese Entscheidung mit zum Teil sehr pauschalen Aussagen in die allgemeine politische Diskussion einführt. Bei dem einen oder anderen Debattenbeitrag war ich etwas verwirrt, weil es sich eher um das Zünden einer Nebelbombe handelte als um die konkrete Auseinandersetzung mit den politischen Sachverhalten.
Worum geht es eigentlich? Bevor ich auf diese Frage zu sprechen komme, möchte ich für die CDU-Fraktion zum Ausdruck zu bringen, dass auch wir es sehr bedauern, dass ein weiteres Traditionsunternehmen den Standort Bremen verlässt. Obwohl es sich zunächst einmal, in Anführungsstrichen, nicht allzu viel anhört, sind 240 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter doch eine ganze Menge. Diese Menschen machen sich Sorgen um ihre Zukunft, weil es gerade in diesem Bereich nicht einfach so weitergeht. Der Angestellte im kaufmännischen oder im technischen Bereich kann nicht ohne Weiteres zum nächsten Unternehmen wechseln. Im produzierenden Gewerbe ist das nicht so einfach. Es kommt hinzu, dass es ein sehr wohnortnaher Standort ist. Deswegen glaube ich, dass wir uns sehr wohl mit den Ursachen der Entscheidung des Mutterkonzerns von Hachez zum Weggang auseinandersetzen müssen. Wir müssen uns auch Gedanken darüber machen, ob wir daraus Konsequenzen für die Zukunft ableiten können.