Protocol of the Session on February 21, 2018

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach Auswertung aller infrage kommenden Statistiken wird deutlich, dass die Cyberkriminalität deutlich ansteigt. Von vielen Experten wird sie auch als eine der größten Bedrohungen der kommenden Jahre angesehen. Sie macht weder vor Landesgrenzen noch geschlossenen Türen halt.

Ein besonderer Schwerpunkt ist der Bereich der sozialen Medien bei gleichzeitig massiv steigenden Nutzerzahlen. Wir alle werden es wissen. In den sozialen Medien gibt es eine Vielzahl positiver Kontakte, ganz ohne Frage, meine Damen und Herren, es werden aber auch über die sozialen Medien umfangreiche Straftaten, angefangen von Beleidigungen - das wird möglicherweise jeder schon einmal erlebt haben - bis hin zu schweren Verbrechen begangen.

Meine Damen und Herren, ein großes Problem der Verfolgung und Aufklärung dieser Straftaten ist, dass es bisher keine Regeln zur Übersendung der Nutzerdaten an die Strafverfolgungsbehörden gibt. Das bedeutet, dass Straftäter anonym im Netz ihr Unwesen treiben können, ohne dass die Polizeibehörden oder die Staatsanwaltschaften am Anfang der Ermittlungen die persönlichen Daten der Verursacher erfahren können. Um einen entsprechenden Gerichtsbeschluss, meine Damen und Herren, erwirken zu können, müssen die Ermittlungsergebnisse schon sehr konkret mit der Folge sein, dass strafbare Handlungen über einen längeren Zeitraum zum Nachteil der Opfer nicht beendet werden können.

Selbst bei einem Gerichtsbeschluss müssen die im Ausland ansässigen Provider - wir wissen alle, wo

sie ihren Sitz haben - erst langwierig zur Herausgabe der entsprechenden Daten gebracht werden, denn nicht selten, meine Damen und Herren, berufen sich diese Provider mangels entsprechender Gesetze, unter anderem in Deutschland, zur Herausgabe der Daten auf den Datenschutz und der daraus resultierenden Pflicht darauf, eine eigene umfassende Prüfung durchführen zu müssen.

Ohne Frage, meine Damen und Herren, der Datenschutz ist wichtig. Er darf aber aus unserer Sicht nicht dazu führen, dass schwere Straftaten nicht aufgeklärt beziehungsweise verhindert werden können. Für uns als CDU-Fraktion darf der Datenschutz nicht zum Täterschutz führen.

(Beifall CDU)

Die CDU-Fraktion hat diesen Missstand zum Anlass genommen, mit dem vorliegenden Antrag den Senat aufzufordern, auf Bundesebene eine Gesetzesinitiative mit dem Ziel einzubringen, die Übersendung von Nutzerdaten von Social-Media-Accounts an die Strafverfolgungsbehörden bei Vorliegen von schweren Straftaten zu ermöglichen.

Dieser Antrag wurde - wie bekannt - ohne Debatte federführend an die Innendeputation und darüber hinaus an den Ausschuss für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit überwiesen. Im Ergebnis lehnen die Deputation und der Ausschuss mehrheitlich mit den Stimmen von Rot-Grün und der LINKEN gegen die Stimmen der CDU und BIW bei Stimmenthaltung der FDP unseren Antrag ab. Es wird als Begründung angeführt, dass der Datenschutz nicht eingeschränkt werden dürfe.

Meine Damen und Herren, für die CDU wird dieses Abstimmungsverhalten in keiner Weise den vielen Menschen gerecht, die in den sozialen Medien Opfer von Straftaten mit oft weitreichenden psychischen und materiellen Schäden geworden sind.

(Beifall CDU)

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, führt es dazu, dass das Internet in Teilen ein rechtsfreier Raum bleibt und in Zukunft mit einer weiteren erheblichen Zunahme von Straftaten im Netz gerechnet werden muss. Für die CDU-Fraktion ist das ein unhaltbarer Zustand.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, wir fordern Sie deshalb auf, stimmen Sie heute unserem Antrag zu.

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Öztürk.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Hinners, Sie haben mich ein bisschen verwirrt, denn ich habe die Hoffnung gehabt, dass Sie Ihren Antrag zurückziehen werden, weil Sie Recherchen anstellen, sich nach der Rechtslage erkundigen und dann zu der Erkenntnis gelangen, die wir auch im Bericht des Ausschusses für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit festgehalten haben und die wir an die Innendeputation weitergeleitet haben, um den Antrag dort mit den Stimmen von Rot-Grün und der Fraktion DIE LINKE zu beschließen.

(Abg. Hinners [CDU]: Das muss ja nicht richtig sein!)

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz kommt zum gleichen Ergebnis. Ich möchte noch einmal zitieren, um Ihnen das in Erinnerung zu rufen, denn der Inhalt dürfte Ihnen bekannt sein: „Social-Media-Plattformen können bereits jetzt rechtlich verpflichtet werden,“ - durch Gerichte, aber nicht durch Strafverfolgungsbehörden - „die Nutzerdaten zu übermitteln, wenn eine konkrete Straftat vorliegt, muss das seinen Rechtsweg gehen.“

Aus gutem Grund sollte es nicht möglich sein, dass Social-Media-Plattformen, private Unternehmen, Ihr Nachbar oder mein Nachbar einfach persönliche Nutzerdaten an Behörden weiterleiten. Dort gibt es keinen Automatismus, und das ist auch gut so.

(Abg. Hinners [CDU]: Das ist nicht das Problem, Herr Kollege!)

Wir haben aus der Geschichte gelernt, Herr Hinners, die CDU anscheinend nicht, denn Sie bemühen immer noch dieses Mantra, das total veraltet ist: Datenschutz darf nicht zum Täterschutz führen. Das ist der Inhalt Ihres Antrags, und Sie vermengen zwei Sachen miteinander.

(Abg. Hinners [CDU]: Da haben Sie, glaube ich, ir- gendetwas nicht verstanden!)

Es gibt kein Spannungsfeld zwischen Verbrechensbekämpfung und Datenschutz. Mittlerweile liegt die europäische Datenschutzgrundverordnung vor, und das Bundesdatenschutzgesetz

wurde entsprechend novelliert. Die Strafverfolgungsbehörden haben heute, wenn sie konkrete Hinweise zu Straftaten haben, auch die rechtliche Möglichkeit, über Gerichte zum Beispiel auch an Facebook heranzutreten. Facebook hat das gute Recht zu prüfen, ob die Anfrage der Strafverfolgungsbehörde, in dem Fall eines Gerichts, rechtmäßig ist, wenn man Informationen über einen ganz bestimmten Nutzer haben möchte. Es funktioniert! Facebook hat sogar - und ich muss Facebook an dieser Stelle loben - im Hinblick auf die Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden nachgebessert, Facebook hat nachgesteuert.

Deshalb finde ich es ein bisschen an den Haaren herbeigezogen, wenn Sie den Datenschutz hier schlechtreden und sagen, wir wollten die Daten der Täter schützen, es komme zu einem Täterschutz, und die Täter hätten freie Bahn. Das ist das eine.

Das andere ist, dass Sie gesagt haben, dass es keinen rechtsfreien Raum im Netz geben dürfe. Herr Kollege Hinners, ich möchte es noch einmal betonen: Das Internet ist noch nie ein rechtsfreier Raum gewesen. Es ist kein rechtsfreier Raum.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Alles das, was in der analogen Welt strafbar ist, das ist auch im Internet strafbar,

(Abg. Hinners [CDU]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

egal, ob man auf Amazon, auf Facebook oder Twitter aktiv ist. Ich bleibe dabei, es ist kein rechtsfreier Raum vorhanden. Mit dieser Aussage beende ich meine Rede. - Danke!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Strunge.

Sehr geehrter Präsident, meine Damen und Herren! Der CDU-Antrag fordert, dass Facebook und Co. der Polizei auf Anfrage Nutzerdaten übersenden sollen.

(Abg. Hinners [CDU]: Mit Begründung!)

In diesem Antrag wird kritisiert, dass Facebook für Ermittlungsbehörden kaum erreichbar sei und dass dort verbindliche Ansprechpartner fehlten. Ich kann mich hier nur den Ausführungen des Abge

ordneten Öztürk anschließen, auch wir haben damit gerechnet, dass dieser Antrag zurückgezogen wird. Das ist aber nicht so, und deshalb beraten wir diesen Antrag zu später Stunde.

Der Antrag wurde im Ausschuss für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit sowie in der Innendeputation ausführlich debattiert, und dort wurde auch die Rechtslage geprüft. Die Mehrheit - und insbesondere auch die Landesbeauftragte für Datenschutz in Bremen - ist der Auffassung, dass der Weg über die Gerichte sehr wohl möglich sei und dass Social-Media-Plattformen rechtlich dazu verpflichtet werden könnten, personenbezogene Daten weiterzugeben. Das sehen wir als LINKE auch so.

(Beifall DIE LINKE)

Da der Antrag schon mehr als ein Jahr alt ist und die Beratung ebenfalls längere Zeit zurückliegt, hat sich die eigentliche Sachlage verändert. Mit dem sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurden verbindliche Ansprechpartner für staatliche Stellen bei Facebook und Co. vorgeschrieben. Sie müssen ständig erreichbar sein, ansonsten drohen empfindliche Strafen. Dieser Punkt wird von allen Parteien für sinnvoll erachtet, auch wenn der Rest des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes hoch umstritten ist.

Die Kommunikation zwischen Ermittlern und Plattformbetreibern müsste auf dieser Grundlage deutlich besser funktionieren. Insofern hat sich der Antrag aus unserer Sicht schlichtweg erledigt. Wir lehnen den Antrag der CDU ab. - Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden über einen Antrag, inwieweit die Ermittlungsbehörden quasi direkt auf Nutzerdaten in sozialen Medien zugreifen können, wenn es Verdachtsmomente für kriminelles Verhalten gibt.

(Abg. Hinners [CDU]: Schwere Straftaten!)

Auch schwere Straftaten!

Die sozialen Netzwerke haben sich in den letzten Jahren erheblich entwickelt. Wir haben es dort mit schweren Straftaten unterschiedlichster Art zu tun.

Das ist alles völlig richtig. Die Frage ist: Kann den Ermittlungsbehörden ohne gerichtliche Entscheidung ein direkter Zugriff auf Nutzerdaten ermöglicht werden.

(Abg. Hinners [CDU]: Wenn Gefahr im Verzuge ist!)