Gemäß Paragraf 21 der Geschäftsordnung gebe ich Ihnen folgenden Eingang bekannt, bei dem interfraktionell vereinbart wurde, ihn nachträglich auf die Tagesordnung zu setzen: Es handelt sich um den Tagesordnungspunkt 91, Antisemitismus im Land Bremen entschlossen bekämpfen, Dringlichkeitsantrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der SPD, der CDU, DIE LINKE und der FDP vom 24. Januar 2018, Drucksache 19/1498.
„Türkische Invasion in Afrin und anderes“ - mehrere Resolutionen von kurdischen und jesidischen Organisationen
Weiterhin möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Fraktion der FDP ihren Antrag unter Tagesordnungspunkt 69, Das Handwerk stärken - Meisterbonus auch in Bremen einführen!, inzwischen zurückgezogen hat.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich der sehr geschätzten Abgeordneten Frau Antje Grotheer zu ihrem heutigen Geburtstag die herzlichsten Glückwünsche des Hauses aussprechen. - Herzlichen Glückwunsch!
Antisemitismus im Land Bremen entschlossen bekämpfen Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der SPD, der CDU, DIE LINKE und der FDP vom 24. Januar 2018 (Drucksache 19/1498)
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Erinnerung an die Vergangenheit lehrt uns unsere Verantwortung für die Zukunft. Übermorgen, am 27. Januar 2018, gedenken wir wieder der Opfer des Nationalsozialismus. Die Erinnerungskultur hat in Deutschland einen hohen Stellenwert. Avi Primor, der frühere israelische Botschafter in Deutschland, kam in seiner Rede vor dem Bundestag vor zwei Jahren zu der Einschätzung - ich zitiere -: „Wo haben Sie jemals weltweit eine Nation gesehen, die Denkmäler baut, um sich an die eigene Schande, um an das eigene Verbrechen zu erinnern und um die Erinnerung an die eigene nationale Schande zu verewigen? Das haben bis heute nur die Deutschen getan, ganz vorbildlich.“
Nun, im Jahr 2018, müssen wir wieder mehr denn je feststellen, dass es nicht damit getan sein kann, sich an Gedenktagen mit dem Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft auseinanderzusetzen. „Nie wieder. Schon wieder. Immer noch.“, so heißt der Titel einer Sonderausstellung im Münchener NS-Dokumentationszentrum über Rechtsextremismus von 1945 bis heute. Wir wissen nur zu gut, dass im Rechtsextremismus jede Menge Antisemitismus steckt. „Nie wieder. Schon wieder. Immer noch.“. „Heute“, meine Damen und Herren, müssen wir noch hinzufügen, „wieder mehr“. Eine traurige Feststellung! Pöbeleien, Feindseligkeiten, Hass und Brutalität gegen Juden nehmen in Deutschland wieder spürbar zu. Mit Worten fängt es an, dann geht die Gewalt in Taten über.
Allein im ersten Halbjahr 2017 wurden in der Bundesrepublik 681 antisemitisch motivierte Straftaten ermittelt, nicht mitgezählt Parolen und unterschwellige Hetze, die der Rechtsstaat unter Berücksichtigung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit toleriert und tolerieren muss. Antisemitismus existiert in ganz Europa. Antisemitismus hat es immer schon gegeben. Feindseligkeit schlug den Juden wegen ihrer Religion, ihrer Rasse und schließlich ihres Staates Israel entgegen, aber nirgendwo in der Welt hat der Antisemitismus so katastrophale menschenverachtende Folgen gehabt wie hier in Deutschland. Ich bin beunruhigt, dass er wieder stärker grassiert: auf Straßen in Deutsch
land, wo öffentlich auf dem Davidstern herumgetrampelt wird, an Gebäuden und Einrichtungen, auf Schulhöfen und in Schulen, auch in Bremen und Bremerhaven.
Es muss uns mit Scham erfüllen, wenn wir hören, dass es bewaffneter Polizisten und Polizistinnen bedarf, um Juden während ihres Gebets zu schützen. Es macht traurig und zornig, dass jüdische Kinder hierzulande ihre Schule verlassen, weil sie sich nicht mehr einschüchtern und beleidigen lassen wollen. Es ist entsetzlich, wenn bei einem Fußballspiel ein Fehlpass mit der Bemerkung kommentiert wird „Gib doch ab, du Jude!“. Alles das ist unerträglich und hat die Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft bewogen, den gemeinsamen Dringlichkeitsantrag zu stellen, „Antisemitismus im Land Bremen entschlossen bekämpfen“. Nein, meine Damen und Herren, Antisemitismus ist nicht entschuldbar und nicht hinnehmbar!
Um nicht missverstanden zu werden, Kritik an der Politik der israelischen Regierung ist kein Antisemitismus. Das Beklemmende daran freilich ist, dass die Kritik regelmäßig ausartet und antisemitische Züge annimmt. Beispiel: Aufrufe zum Boykott von Waren aus Israel sind mit Kritik an der Siedlungspolitik Israels verbunden, nur gehen sie darüber hinaus. Die Initiatoren solcher Aktionen müssten wissen, in welch düstere Tradition sie sich begeben. Vor fast genau 85 Jahren begannen die Nazis mit dem Kampfruf „Kauft nicht bei Juden!“. Es führte zur Verfolgung und zur Vernichtung. Die Anerkennung des Holocausts als Menschheitsverbrechen gehört ebenso zur deutschen Staatsräson wie der Schutz Israels.
Drei Generationen nach der Schoah muss man erneut und nachdrücklich die solidarische Verbundenheit mit dem jüdischen Volk anmahnen, eine Solidarität, die ihnen während der Nazizeit so schmerzlich und abgrundtief verweigert wurde. Es bekümmert, dass die Bundesregierung nun einen Antisemitismusbeauftragten einsetzen muss, um unser Bekenntnis und Versprechen den Juden gegenüber einhalten zu können.
Der Dringlichkeitsantrag der Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft ist mehr als ein eindringlicher Appell. Er beinhaltet Forderungen an den Senat, etwa ein Handlungskonzept „Stoppt den Antisemitismus“ zur Prävention und Bekämpfung von
Judenfeindlichkeit zu entwickeln. Antisemitische Straftaten sollen im Verfassungsschutzbericht wieder ausdrücklich ausgewiesen und die Motivation der Täter erfasst werden.
Schließlich wird in dem Antrag auch darauf gedrängt, die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern in Bremen an der International School for Holocaust Studies in Yad Vashem einzuleiten, wie es die Kulturministerkonferenz bereits im Jahr 2013 beschlossen hatte. Bildung, ein schützendes Beratungs- und Meldesystem sowie Gedenkstättenbesuche als außerschulische Lernorte, das sind wichtige Bausteine gegen den aufflammenden Antisemitismus.
Es muss mit allen zivilgesellschaftlichen Mitteln und Möglichkeiten gegen Judenfeindlichkeit und Fremdenhass vorgegangen werden:
mit aufrechten wehrhaften Demokraten, mit sozial- und rechtsstaatlichen Instrumenten, mit noch mehr Aufklärung als bisher und notfalls auch mit unserem Sicherheitsorgan. Aber fangen wir im Kleinen an! Lassen Sie es nicht zu, dass Lästern und Hetzen über Juden irgendwie normal wird, so normal oder alltäglich, dass es irgendwann gar nicht mehr auffällt! Besinnen wir uns, und zeigen wir Zivilcourage! „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, das steht in Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Diese Lehre aus den nationalsozialistischen Verbrechen haben die Väter des Grundgesetzes in unserer Verfassung festgeschrieben. Die Menschenwürde zu schützen und zu achten ist ein Auftrag an alle Deutschen und Verpflichtung für uns. - Vielen Dank!
Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Gründen, der SPD, der CDU, DIE LINKE und der FDP mit der Drucksachen-Nummer 19/1498 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen!
Für die Fragestunde der Bürgerschaft (Landtag) liegen 16 frist- und formgerecht eingebrachte Anfragen vor.
Die erste Anfrage trägt die Überschrift „Straftaten in Flüchtlingsheimen“. Die Anfrage ist unterschrieben vom Abgeordneten Timke und Gruppe BIW.
Erstens: Wie viele versuchte und ausgeführte Straftaten sind im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2015 und dem 30. Oktober 2017 in Erst- und Sammelunterkünften im Land Bremen registriert worden, und wie viele Opfer waren zu verzeichnen? Bitte getrennt nach Jahren sowie nach Bremen und Bremerhaven ausweisen!
Zweitens: Wie viele der Straftaten aus Frage eins richteten sich im oben genannten Zeitraum gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung der Opfer? Auch hier bitte getrennt nach Tatbeständen sowie Bremen und Bremerhaven ausweisen!
Drittens: Zu wie vielen Einsätzen im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften musste die Polizei im Land Bremen zwischen dem 1. Januar 2015 und dem 30. Oktober 2017 ausrücken, und in wie vielen dieser Fälle handelte es sich um Präventionseinsätze?
Zunächst eine Vorbemerkung: Täter und Opfer waren überwiegend auch Bewohner der jeweiligen Unterkunft.