Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der zweiten Lesung eine Änderung des Landesmindestlohngesetzes und eine Änderung des Gesetzes zur Tariftreue und Vergabe in Bremen vor uns.
Erstens: Warum finden wir nach wie vor notwendig, dass wir ein Landesmindestlohngesetz haben und auch den Landesmindestlohn nicht an den Bundeslohn koppeln? Die Begründung ist vergleichsweise einfach: Der Bundesmindestlohn ist deutlich zu niedrig!
Wir wissen - das kann man jederzeit nachrechnen -, wenn man nach 45 Jahren Arbeit mit 38,5 Stunden Wochenarbeitszeit eine Rente haben will, dann muss man mindestens circa zwölf Euro Stundenlohn haben, damit man etwas über 1 000 Euro Rente bekommt. Wir wissen, dass solche Arbeitsverhältnisse sozusagen überwiegend in Märchenbüchern der Vergangenheit stehen und in der Zukunft eher nicht realisiert werden. Das heißt, wichtig wäre, dass wir auch sagen, wir nehmen unsere Vorreiterrolle weiter ernst - genau wie beispielsweise in den USA, wo der Bundesmindestlohn deutlich niedriger ist als in vielen Bundesstaaten -, und wir definieren für uns in Bremen einen höheren Mindestlohn als auf Bundesebene, weil wir es politisch richtig finden, weil wir es sozial richtig finden und weil wir nicht wollen, dass Menschen im Alter arm sind.
Sie werden sich nicht wundern, dass wir deswegen dieser Änderung des Landesmindestlohngesetzes nicht zustimmen. Wir finden, dass es eben ein falscher Weg ist, und es gibt dafür eigentlich auch keine Notwendigkeit. Wenn man jetzt will, dass man die Bundesgesetze nimmt, hätte man auch sagen können, wir behalten uns das Recht vor, ein solches Landesmindestlohngesetz eigenständig zu definieren, und im Zweifel bleiben wir erst einmal so lange beim Bundesmindestlohngesetz, bis wir uns stark genug fühlen, das umzusetzen. Das aber herauszustreichen, uns dieses Recht zu nehmen, finde ich, ist ein Schritt zurück, und ich bin relativ sicher, dass wir das irgendwann bereuen. Ich habe auch überhaupt kein Verständnis dafür, warum auf einmal in dieser Frage die Courage abhandengekommen ist.
Das Zweite, was ich sagen will, ist: Ich habe gerade ein wichtiges Lehrstück über das Rechtsverständnis der Christdemokratischen Union kennengelernt. Da haben Sie gesagt, wir müssten eine Balance zwischen Kontrolle und wirtschaftlicher Notwendigkeit finden. Wenn wir eine Initiative starten, dass wir diese Balance auch im Straßenverkehr finden, also eine Balance zwischen Kontrolle und wirtschaftlicher Notwendigkeit, wären wir wahrscheinlich auch relativ erfolgreich. Ich finde es nicht in Ordnung,
dass wir sozusagen so tun, als ob sich ein Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht an Gesetze halten muss!
Wenn die Gesetze nicht in Ordnung sind und wenn die Gesetze sozusagen falsch sind, muss man sie ändern, aber die Einhaltung der Gesetze nicht zu kontrollieren, und Leute, die diese Gesetze verletzen, nicht zur Rechenschaft zu ziehen, das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie in anderen Bereichen fordern!
In diesem konkreten Fall finde ich es richtig. Wer Menschen auf einem Lohnniveau beschäftigt, das jetzt schon nicht zum Leben reicht und später arm macht, gehört nicht nur kontrolliert, sondern gehört auch nicht auf die Liste derjenigen, die in Bremen Aufträge bekommen. Deswegen finde ich das Tariftreue- und Vergabegesetz wichtig, und ich werbe dafür, vielleicht doch noch einmal zu überlegen, ob die Änderung des Landesmindestlohngesetzes richtig ist. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Ich fasse mir ein bisschen an den Kopf, denn ich weiß nicht, Herr Rupp, ob Sie bei Frau Bergmann nicht zugehört haben. Ich fand, sie hat das sehr gut dargestellt.
Der Mindestlohn wurde überhaupt nicht infrage gestellt, darum ging es doch gar nicht! Ich muss sagen, so, wie sie das dargestellt hat, habe ich eben überlegt, ob ich mich überhaupt noch melden muss, denn sie hat das echt gut gemacht! Also, ich glaube, wir können es deswegen auch recht kurz machen, wir haben es hier schon zigmal diskutiert.
Mit der heutigen Gesetzesänderung wird der Landesmindestlohn ja in der Höhe an den Bundesmindestlohn gekoppelt. Warum man ihn dann aber nicht gleich abschafft, ist uns, der FDP-Fraktion, völlig rätselhaft. Wir sehen keine Notwendigkeit mehr dafür.
Übrigens, Frau Böschen, ich habe beim letzten Mal - das wird Herr Bücking noch wissen - dem lieben Herrn Kollegen Bücking versprochen, dass wir den Mindestlohn gar nicht infrage stellen. Das wissen Sie noch, denn darauf haben Sie gesagt, dass Sie es dann vielleicht doch abschaffen. Ich hatte gehofft, Sie tun es, aber es wird eben wieder nichts. Also, ich verspreche Ihnen noch einmal etwas!
Was wir aber infrage stellen, sind auf jeden Fall diese unsäglichen Dokumentationspflichten, die auch einen totalen Bürokratiewahnsinn mit sich bringen,
Einmal eben ein Stundenzettel, ja, aber es ist doch völlig seltsam und schräg, dass selbst die Hochschule nachweisen muss, dass sie den Landesmindestlohn zahlt,
zumal früher der Bundesmindestlohn ja sogar noch höher war! Also, ich verstehe das ehrlicherweise nicht, für mich ist das alles sehr, sehr durcheinander.
Es ist nämlich dann die Frage: Warum wollen Sie ihn behalten? Vielleicht liegt es daran - das kam ja
auch aufseiten der Koalition zwischendurch einmal -, dass Sie gesagt haben, na ja, man will so einen Landesmindestlohn auf Vorrat behalten.
Wofür denn auf Vorrat? Will man ihn jetzt nur behalten, falls es auf Bundesebene Änderungen gibt, die Ihnen nicht passen, damit man es dann gleich wieder so einführen kann? Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann sein Gesäß nicht gegen Durchfall versichern! Das versuchen Sie hier gerade, und das passt nicht!
(Beifall FDP, CDU - Abg. Frau Dr. Schaefer [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Das sind so Phrasen, die möchte man sich gar nicht vorstellen, Frau Steiner!)
Wir Freien Demokraten halten das jedenfalls für total falsch, und aus unserer Sicht gehört der Landesmindestlohn definitiv abgeschafft. Mit der heutigen Gesetzesänderung bleibt es bei unnötiger Bürokratie, und ich verweise dazu auch noch einmal auf die Debatte zum Gesetzentwurf der FDP- und der CDU-Fraktion zur Abschaffung des Landesmindestlohns.
Mit der Änderung des Tariftreue- und Vergabegesetzes sieht es übrigens ähnlich aus. Wir haben nur unnötig mehr Bürokratie, es wird noch komplizierter, und gerade auch für kleine und mittelständische Unternehmen ist es so, dass sie sich oft gar nicht erst an diesen Wahnsinn herantrauen, sich auf öffentliche Ausschreibungen zu bewerben und sich daran zu beteiligen, weil der Aufwand sehr, sehr hoch ist. Deswegen sehen wir in diesen Regelungen eben überhaupt keine Verbesserung und werden beides ablehnen.
Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Siering. Heute können Sie auch ein bisschen länger reden!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank, die Redezeit nutze ich gern aus und werde das heute gern in aller Ruhe tun!
Der Senat hat Ihnen einen Gesetzentwurf zur Angleichung des Landesmindestlohngesetzes vorgelegt, um hier die dynamische Verweisung zum
Bundesmindestlohngesetz vorzusehen, und natürlich haben wir uns intensiv mit der Frage beschäftigt, ob wir das Landesmindestlohngesetz noch brauchen, wenn es doch tatsächlich nur einen relativ kleinen Anteil von Menschen gibt, der davon erfasst wird, weil er eben nicht vom Bundesmindestlohn erfasst wird. Unsere Prüfung kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, ja, wir brauchen das Bremische Landesmindestlohngesetz noch so lange, wie wir nicht sichergestellt haben, dass alle Menschen unter diesen gleichen Bundesmindestlohn gehören.
Natürlich haben wir auch nach dem Mittelstandsförderungsgesetz eine Verpflichtung, uns genau anzuschauen, wie der bürokratische Aufwand ist, der hier zu leisten oder nicht zu leisten ist. Jetzt kann man sagen, oh, das ist aber unmenschlich, was man da nachweisen muss! Ich will aber doch einmal deutlich in Erinnerung rufen, hier geht es darum, dass Menschen einer Arbeit nachgehen, für die sie einen Lohn bekommen, von dem sie offensichtlich nicht leben können, und es gibt Unternehmen, die nicht bereit sind, diesen Mindestlohn auch zu bezahlen! Dass man das als Arbeitgeber zu dokumentieren hat und dass es sanktioniert werden muss, wenn sich jemand nicht daran hält, das halte ich für eine Selbstverständlichkeit! Das müssen wir in jedem Fall sicherstellen, und deswegen ist auch an der Stelle der Landesmindestlohn und ist auch die Anpassung, die wir hier im Tariftreue- und Vergabegesetz vorsehen, zwingend erforderlich.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob sie gestern die „Süddeutsche Zeitung“ gelesen oder heute einen Blick auf die Seite des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung geworfen haben, aber wenn Sie sich das einmal anschauen, dann sehen Sie zu dieser aktuellen Debatte passend, dass das Bundesmindestlohngesetz mitnichten eingehalten wird, sondern durch eine eigene Studie hat das DIW gemeinsam mit der Universität Potsdam nachgewiesen, dass es eine erschreckend hohe Anzahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gibt, die eben nicht den Bundesmindestlohn erreichen. 2,1 Millionen Menschen sind davon im Jahr 2015 betroffen gewesen, im Jahr 2016 1,8 Millionen Menschen nur im ersten Halbjahr. 1,8 Millionen Menschen, von denen man sagen muss, die Vorgaben des Bundesmindestlohns werden nicht eingehalten! Genau deswegen ist es auch erforderlich, diese Dokumentation vorzunehmen. Wer für den
Mindestlohn zu sorgen hat, hat auch diesen Nachweis zu erbringen, damit die Menschen auch tatsächlich von der Arbeit leben können!
Wir halten das weder für ein Bürokratiemonster noch halten wir das für Dokumentationspflichten, die die Unternehmen über Gebühr strapazieren. Im Gegenteil, wir halten das in diesem Bereich für absolut vertretbar! Es geht hier um den Mindestlohn, der einzuhalten ist. Es steht jedem frei, mehr zu bezahlen,