Protocol of the Session on November 8, 2017

(Beifall FDP)

Eine Kürzung des Unterrichts, wie in Bremerhaven angedacht, widerspricht dem Recht unserer Kinder auf Bildung.

(Beifall FDP, CDU)

Schulen, die in sozioökonomisch besonders belasteten Teilen von Bremen und Bremerhaven liegen, müssen vorrangig ausgestattet werden. Als Ultima Ratio sehe auch ich die Notwendigkeit zentral koordinierter Maßnahmen der Personalsteuerung. Dies darf aber nicht heißen, dass an den Schulen in den anderen Stadtteilen die Stundentafel nicht erfüllt werden kann, auch dort wird man Förderkurse und Deutschunterricht anbieten müssen.

Die Gewinnung von Personal für die Arbeit in Kitas und Schulen bildet in den kommenden Jahren eine sehr große Herausforderung. Natürlich sind speziell alle in Teilzeit beschäftigten Lehrkräfte wichtige Ansprechpartner. Hier und auch bei den pensionierten Lehrkräften sollte man mit viel Fingerspitzengefühl flexible Lösungen finden.

Die Rolle der Schulleitung - wie ich es schon häufig betont habe - ist ganz wichtig. Sie muss neu definiert werden. In meinen Augen ist ein parteiübergreifender Konsens dazu von großer Bedeutung.

(Beifall FDP)

Die Schulleitung muss viel mehr Freiheit haben, um für die Qualität ihrer Schule zu sorgen, und sie muss von unnötigen Aufgaben befreit werden.

Der Antrag der CDU und der Koalition mit Vorschlägen zur Verbesserung der Bildungsarbeit in Bremen nennt viele wesentliche Bereiche. In meinen Augen ist vor allen Dingen der zweite Teil immens wichtig. In der Einleitung heißt es: „Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Bremer Senat ferner dazu auf, speziell mit dem Blick auf die Grundschulen einen Maßnahmenkatalog bis zum Ende des ersten Quartals 2018 vorzulegen. Dieser soll darlegen, wie es gelingen kann, das Leistungsvermögen und den schulischen Lernzuwachs der Schülerinnen und Schüler im Land Bremen mittelfristig an das Niveau eines bundesdeutschen Durchschnitts anzunähern.“

„Mittelfristig“ heißt bei mir nicht bis zum Jahr 2035!

(Beifall FDP, CDU)

In den folgenden Punkten des Antrags stimmen die Freien Demokraten in allen Punkten zu. Sie entsprechen in großen Teilen auch unseren an verschiedenen Stellen geäußerten Forderungen.

Den größten Teil meines Berufslebens habe ich an verschiedenen Bremer Grundschulen unterrichtet, allerdings war ich auch sieben Jahre in der Neustadt an der Schule Kornstraße tätig. Ich weiß aus dem Blick der weiterführenden Schulen, wie wichtig die Arbeit der Grundschule ist. Leider fehlt hierfür auf die Anerkennung. Das, was in den Grundschulen heute geleistet werden muss und oft auch geleistet wird, ist unglaublich. Jeder, der einmal in einer ersten Klasse hospitiert hat, kennt die enormen Herausforderungen. Man muss offen darüber nachdenken dürfen, ob es Grenzen der Heterogenität gibt, und indirekt geschieht dies ja auch im Papier des Senats.

Ja, Herr Güldner, ausschlaggebend sind die Lehrerpersönlichkeit und der Unterricht. Über Unterrichtsmethoden müssen wir dringend nachdenken. Es darf bezweifelt werden, ob moderne Unterrichtsmethoden immer sinnvoll sind. Computerprogramme oder die Beschäftigung mit Arbeitsblättern führen dazu, dass das Sprachtraining im Unterrichtsgespräch viel zu kurz kommt. Bei der freien Arbeit findet oft zu wenig Kontrolle statt. Die einzelne Schülerin, der einzelne Schüler werden zu wenig gefordert. Häufig werden ihre Arbeiten auch nicht korrigiert, und der Erwerb des Grundwortschatzes kommt zu kurz.

Landtag 3946 51. Sitzung/8.11.17

Während meines Studiums in Berlin Ende der Sechzigerjahre lernten wir, wie wichtig Zeit für gezieltes Üben ist. Diese Erkenntnis scheint verloren gegangen zu sein, dabei ist dieses gezielte Üben gerade für Schüler aus bildungsfernen Schichten immens wichtig. Stattdessen wird den angehenden Lehrkräften heute vermittelt, dass es wichtig sei, möglichst viele Höhepunkte im Unterricht anzubieten.

Die Grundschule muss vorrangig dafür sorgen, dass die Grundlagen für spätere Jahre gelegt werden, dazu gehört - und das ist für mich ganz wesentlich -, dass die Grundschule den Leistungsgedanken wiederentdecken muss.

(Beifall FDP, CDU)

Ich habe aufmerksam bei Ihnen zugehört, Herr Güngör, und habe festgestellt, dass Sie von Leistungsvergleichen und vom Leistungsgedanken geredet haben. Das hat mir gefallen. Dies muss aber auch unseren zukünftigen Lehrkräften in ihrer Ausbildung vermittelt werden. Zusätzlich braucht die Lehrerfortbildung einen anderen Stellenwert: Sie muss anspruchsvoll und verpflichtend sein.

Natürlich richten sich auch die Freien Demokraten gegen Einsparungen beim Landesinstitut für Schule. Unabhängig davon sehen wir aber die Notwendigkeit, die dort geleistete Arbeit kritisch zu begleiten. Selbst bei noch so guter Ausbildung werden Lehrkräfte Grenzen beim Umgang mit immer unterschiedlicherer Schülerschaft erleben. Da wir politisch entschieden haben - grundsätzlich befürworte ich diesen Weg -, die Inklusion konsequent umzusetzen, müssen wir hierfür auch die Voraussetzungen schaffen.

Der Antrag der CDU und der der Koalition bietet gute Voraussetzungen für eine notwendige Entwicklung. Ja, Frau Vogt, ich finde es ganz wichtig - und das habe ich ja auch schon oft gesagt -, dass wir die Lehrkräfte in die Debatte einbeziehen. Ich hoffe, dass das auch passieren wird und dass wir einen ganz engen Kontakt mit den Schulen bei der Weiterentwicklung haben werden.

Die Freien Demokraten unterstützen diesen Antrag und wünschen dem Senat viel Erfolg bei der Umsetzung des Pakets zur Verbesserung der Bildungsqualität.

(Beifall FDP, CDU, BIW)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Dr. Bogedan.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja,

die IQB-Ergebnisse sind dramatisch, das ist unstrittig. Herr Röwekamp, auch wenn Sie eben anderes behauptet haben, so hat meine Reaktion am Tag eins nach der Veröffentlichung der Studie ausgesehen. Denn die Ergebnisse zeigen uns, dass die Fördermaßnahmen, die wir in den letzten Jahren ergriffen haben, eben nicht in einem ausreichenden Maße gewirkt haben, wie wir uns das erhofft und gewünscht haben. Die Reaktion auf die Testergebnisse war unmittelbar - und ich mag Ihnen das Nachsehen, weil Ihnen das vielleicht Ihr Kollege Dr. vom Bruch nicht mitgeteilt hat -, wir haben am Tag, an dem die Ergebnisse veröffentlicht worden sind, morgens um 10.00 Uhr zusammengesessen und haben beratschlagt, wie wir die Studie zu interpretieren haben. Ich habe in diesem Kontext eine PowerPoint-Präsentation präsentiert, in der unsere Vorschläge zum Umgang mit der Studie auf der letzten Seite der Präsentation enthalten waren. Herr Güngör hat eben gerade darauf hingewiesen: Es sind keine neuen Vorschläge gewesen, sondern es sind Dinge gewesen, die wir seit langer Zeit debattieren. Nur so viel dazu: Wer hat hier von wem abgeschrieben?

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Ach, du grüne Neune! Man, man, man!)

Das Thema Qualitätsverbesserung ist in den letzten Monaten hier immer wieder diskutiert worden. Hier ist unterstellt worden, dass wir zwar geredet haben, aber keine Handlung erfolgt ist, ich werde Ihnen gleich zeigen, was wir bereits in den letzten Monaten umgesetzt haben. Dabei heißt es an der Stelle eben nicht, alles war richtig, und es muss ein klares „Weiter so“ geben, sondern es geht genau darum, Dinge zu installieren, die uns zukünftig ermöglichen, in einem kontinuierlichen Prozess des immer wieder Überprüfens, ob Maßnahmen tatsächlich die Wirksamkeit erzielen, die bei der Einführung intendiert worden waren, zu etablieren. Wir haben es eben gerade gehört, das Institut ist dazu ein Instrument. Ich werde Ihnen gleich weitere Maßnahmen benennen.

Wir müssen sagen, dass die qualitative Entwicklung deshalb so wichtig ist, weil wir im Moment mit der allein quantitativen Entwicklung, also dem rasanten Anstieg der Schülerzahlen, in den letzten Monaten, wahrlich viel zu tun hatten, aber dies natürlich auch noch einmal auf die Situation in den Schulen drückt. Deshalb heißt hier ganz deutlich unser Konzept, unsere Maßnahmen, meine Zielsetzung, genau diese Schulen zu entlasten, die von diesen Problemlagen besonders betroffen sind.

(Beifall SPD)

Landtag 3947 51. Sitzung/8.11.17

Seit meinem Amtsantritt stehe ich in der Bürgerschaft immer wieder hier vorn und werbe immer dafür und sage: Bildungspolitik ist viel zu wichtig, um sie zum Spielball parteipolitischer Popanze werden zu lassen. Wir benötigen hier eine gemeinsame Diskussion, und ich freue mich explizit, dass wir schon ganz oft hier gestanden und auch jetzt wieder in der Fachdiskussion gesehen haben, dass wir uns bei den Maßnahmen sehr schnell einig sind.

Wenn wir in der Fachdeputation Qualitätsverbesserungsanträge beschreiben, die wir im September vorgelegt haben, und wenn wir uns darüber unterhalten, wie wir zukünftig die Versorgung mit Fachkräften sicherstellen können, dann haben wir darin eine große Einigkeit. Ich glaube, dass das genau richtig ist. Das ist der richtige Kurs. Ich werde hier ganz entschieden dafür, dass wir diesen Kurs beibehalten, denn am Ende geht es um die Kinder. Dafür ist es wichtig, dass wir nicht parteipolitisch uns irgendwie versuchen, etwas nachzuweisen, sondern dass wir hier gemeinsam stehen und dass die Politik zusammenrückt.

(Beifall SPD)

Zusammenrücken heißt aber auch, dass meine Kolleginnen und Kollegen im Senat in dieser Legislaturperiode mich unterstützt und dazu beigetragen haben, die gemeinsamen Anstrengungen vorwärtszutreiben, um die Bildung zu stärken. Das betrifft eben nicht nur die Frage der finanziellen Ausstattung, sondern wir haben auch in kommunaler Hinsicht ganz eng zusammengearbeitet und neue Strukturen geschaffen, um Kita- und Schulplätze schneller zu gestalten und zu vereinfachen.

Wir haben darüber hinaus in den letzten Monaten eine ganze Reihe Maßnahmen bereits umgesetzt, die der qualitativen Verbesserung unseres Bildungssystems dienen sollen. Wir haben mehr Lehrer eingestellt, und zwar nicht nur in dem Maße, in dem mehr Lehrer notwendig waren, weil die Zahl der Schülerinnen und Schüler gestiegen ist, sondern wir haben mehr Lehrer eingestellt, um auch dort eine qualitative Verbesserung zu erreichen und mehr Doppelbesetzungen zu haben.

Wir haben eine transparente Zuweisung des Personals an die Schulen umgesetzt, die ganz konsequent nach dem Sozialstrukturbedarf gesteuert wird. Sie haben es richtig gesagt, Frau Vogt, es geht nun darum zu sagen, der Sozialstrukturbedarf ist das eine. Wir müssen weitere Kriterien daneben setzen, um noch passgenauer die Schulen mit einer besseren Ausstattung zu versorgen, die im Moment die höchste

Belastung und die höchsten sozialen Herausforderungen zu bewältigen haben.

Wir haben die Sprachförderung gestärkt, und zwar nicht nur im Bereich der Schulen, sondern auch im Bereich der frühkindlichen Bildung. Wir haben Maßnahmen, die dort in den letzten Jahren eingeführt worden sind, auch verstetigt. Wir haben mehr Schulsozialarbeit an die Schulen gebracht, und wir haben das Personal aus den Schulvereinen in den öffentlichen Dienst überführt, denn für uns ist gute Bildung eben auch gute Arbeit. Gute Fachkräfte sind sozusagen das A und O, wenn man eine gute Schüler- und Lehrerinteraktion haben will. Wir haben deshalb sukzessive die Ausbildungsplätze für Referendare ausgeweitet.

Wir haben gemeinsam mit Ihnen eine Evaluation initiiert und begleitet. Die Ergebnisse werden Anfang des Jahres vorgestellt werden. Wir haben im September in der Fachdeputation -

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Ja, auf wessen Ini- tiative?)

ich erwähnte es schon - Maßnahmen und unsere Strategie zur Qualitätsverbesserung vorgestellt. Vieles dafür ist jetzt auch hier die Grundlage der weiteren Beratungen über Maßnahmen gewesen.

Bereits im August haben wir in der Fachdeputation den Haushaltsentwurf des Senats beraten, in dem ein fachpolitisches Handlungskonzept zur Verstärkung und zur Steigerung der Bildung vorgestellt worden ist. Für die Qualitätsverbesserung stehen 9,2 Millionen Euro zur Verfügung. Diesen Betrag haben wir jetzt noch einmal mit einem Vorschlag des Senats zusammen mit den Fraktionen der Regierungskoalition um ein weiteres zusätzliches Maßnahmenpaket erhöht, das sich jetzt noch einmal ganz gezielt an die Grundschulen richtet, und zwar um zusätzliche 4 Millionen Euro.

Konkret bedeuten diese Maßnahmen, wenn Sie sie als Haushaltsgesetzgeber beschließen, dass wir 20 zusätzliche Stellen für Schulen mit besonders herausfordernden Lagen haben, um dort die Lehrkräfte vom Unterricht ein Stück weit zu entlasten, aber im Hinblick darauf, dass sie die Unterrichtsvorbereitung stärken können, weil wir natürlich wissen, dass dann, wenn die Heterogenität groß ist, damit sozusagen ein besonderer Anspruch an die Unterrichtsgestaltung verbunden ist.

Wir haben 15 zusätzliche Stellen für eine Doppelbesetzung, um Schüler zusätzlich unterstützen zu können, insbesondere in den Klassen, die etwas voller geworden sind. Wir haben 20

Landtag 3948 51. Sitzung/8.11.17

Stellen für ReBUZe und ZuPs zur Unterstützung der inklusiven Beschulung, vier Stellen für Material- und Konzeptentwicklung, um die Leistungsvergleiche stärken zu können und um mehr Wissen darüber zu gewinnen, was tatsächlich in den Klassenräumen passiert. Wir haben elf zusätzliche Stellen für die Schulsozialarbeit.

Wir haben die Ausweitung der Gewinnung und Qualifizierung von Seiteneinsteigern. Wir haben im Vergleich zum letzten Schuljahr 188 zusätzliche Referendare. Wir haben mehr Pensionäre und mehr Teilzeitkräfte. Das alles wird ab dem kommenden Jahr sukzessive in den Schulen ankommen.

Mir geht es an der Stelle genau darum: Wir werden mit diesen Maßnahmen kurzfristig dazu beitragen, dass in den Schulen, die heute besondere Belastungen spüren, Entlastung stattfindet, um damit Zeit frei zu räumen. Gleichzeitig geht es uns darum, dass wir mit den Maßnahmen, die wir schon in der Fachdeputation beschlossen haben und die wir dort auch in großer Einigkeit diskutiert haben, in einen mittel- und langfristigen Qualitätsprozess einsteigen, der jetzt in Strukturen in Teilen auf die Bahn gebracht worden ist, in dem wir Prozesse angestoßen haben. Wir haben Projektstrukturen geschaffen, in dem wir mit den Schulen, den Schulleitungen - Frau Kohlrausch hat das eben eingefordert - gemeinsam kooperativ die Steuerung des Weiteren Qualitätsprozesses übernehmen können. Wir haben einen Ort geschaffen, an dem man eine kritische Bewertung von Instrumenten vornehmen kann. Mit dem Institut gehen wir einen nächsten Schritt und haben ein tatsächlich faktenorientiertes Instrument, mit dem man die Qualität kontinuierlich weiterentwickeln kann.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen - Glocke)

Entschuldigung, Frau Senatorin, dass ich Sie unterbreche! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Leidreiter?