Protocol of the Session on September 24, 2015

Ich bin in der Hinsicht eher skeptisch und möchte auf das Kernproblem der Methodik hinweisen, nämlich den zweifelhaften Datenschutz. Außerdem besteht – das sagt auch die Datenschutzbeauftragte aus Niedersachsen – die Gefahr sozialer Stigmatisierung.

Der Kollege Öztürk hat sich schon geäußert. Es wurde auch von der Spürnase gesprochen. Polizeibeamte, mit denen ich rede, sagen immer: Wir kennen unsere Pappenheimer. Aber so eine Software würde am besten funktionieren, wenn man möglichst viele unterschiedliche Daten einspeist, und zwar neben den bekannten Daten auch die Statistiken über die Sozialstruktur, Alter und Einkommen in einer Straße, natürlich auch die personenbezogenen Daten und die Daten der Justiz. Wenn so eine Software richtig funktionieren soll, wäre es interessant, wenn die Ermittlungsbehörden auch noch die Datensätze von Google, Facebook oder sonst was erfassen könnten. Für eine so umfangreiche Nutzung personenbezogener Daten fehlt aber im Moment zu Recht jegliche datenschutzrechtliche Grundlage.

(Beifall DIE LINKE)

Das andere, was meine Vorredner schon gesagt haben, kann ich eigentlich nur teilen. Auch ich denke: Warum soll Bremen im Moment ein Modellprojekt durchführen, was in anderen Bundesländern noch nicht einmal positiv ausgewertet worden ist?

Man muss sich einmal ansehen, welche Diskussionen in anderen Bundesländern geführt wurden. Ich habe eben schon darauf hingewiesen, dass die niedersächsische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Barbara Thiel, zu dem Modellprojekt des LKA Niedersachsen eindeutig Stellung bezogen hat. Sie sagte, Predictive Policing kann zu einer Stigmatisierung von Wohngebieten und deren Einwohnern führen, weil die Methode der statistischen Kriminalitätsvorhersage darauf basiert, Ortsteile und Straßenzüge vorher auszusortieren. Man muss sich das so vorstellen: Einige Gebiete werden auf grün, einige auf rot gestellt. Das finde ich insgesamt hoch problematisch.

Wir lehnen den Antrag eigentlich im Grundsatz ab und sind auch der Meinung, dass die Gelder für ein Modellprojekt eher in die Personalaufstockung bei der Polizei gehören würden. Wir sind aber auch bereit, der Überweisung des Antrages zuzustimmen, um das Thema in der Innendeputation noch einmal aufzurufen. – Ich danke Ihnen!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Ehmke.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Da das Thema in der Innendeputation vertieft werden soll, möchte ich nur einige wenige Bemerkungen zu der vorangegangenen Debatte machen.

Der Abgeordnete Zenner hat gesagt, der Erfolg träte ein, wenn wir wüssten, wohin wir den Polizeiwagen schicken müssten, damit die Polizei den Dieb kurz vor dem Einsteigen fängt. Wenn man das als Kriterium des Erfolges nehmen würde, dann könnten wir die Debatte wahrscheinlich beenden, denn das werden wir nicht erreichen. Wir reden hier nicht über die digitale Glaskugel, sondern über Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Wir reden darüber, dass anhand verschiedener Daten mit automatisierten Systemen festgestellt werden soll, wo im Stadtgebiet die Wahrscheinlichkeit einer Straftat höher als an anderer Stelle ist. Die Arbeit, die danach erfolgt, muss weiter die Polizei machen. Dafür sind weiterhin kriminalistischer Spürsinn und polizeiliches Erfahrungswissen gefragt, und es muss von Menschen dazu eine Entscheidung getroffen werden, wie zu reagieren ist.

Im Übrigen – auch das will ich noch erwähnen – ist der Ansatz, der gefordert wird, nicht so ganz weit von dem entfernt, was die Polizei schon heute macht. Die Stecknadel ist schon angesprochen worden. Die Stecknadel haben wir allerdings bereits vor einigen Jahr

zehnten abgelöst. Schon heute laufen bei der Polizei automatisierte Prozesse, bei denen ein georeferenziertes Lagebild erstellt wird, durch das festgestellt wird, wo im Stadtgebiet wann und wie viele Straftaten begangen wurden. Schon heute zieht die Polizei daraus Rückschlüsse für ihr polizeiliches Handeln. Das Erfahrungswissen der Kolleginnen und Kollegen sagt, dass dann, wenn in bestimmten Straßenzügen häufig eingebrochen wird, die Wahrscheinlichkeit, dass in benachbarten Straßenzügen in den nächsten Tagen und Wochen eingebrochen wird, besonders hoch ist. Auf diese Erkenntnis reagieren die Reviere vor Ort durch den Einsatz von Polizeibeamten.

Die eigentliche Frage, mit der man sich auseinandersetzen muss, ist: Sind diese neuen Programme im Verhältnis zu den Kosten und den gegebenenfalls abzuwägenden datenschutzrechtlichen Bedenken so viel leistungsfähiger als das, was uns im Moment zur Verfügung steht, dass sie sich lohnen?

Ja, Bremen muss nicht die Speerspitze sein. Ich will aber wenigstens ein Argument dafür in die Runde geben, warum wir nicht die Letzten sein sollten, denn in einem anderen Bereich sind wir bedauerlicherweise Speerspitze, und das ist der Wohnungseinbruchsdiebstahl in Bremen und Bremerhaven. Deshalb – das will ich deutlich sagen – müssen wir sehr ernsthaft über alles reden, was uns helfen kann. Wir müssen aber die Frage stellen: Ist dieses Instrument eigentlich so gut, dass es am Ende tatsächlich hilft?

Die Überweisung ist wahrscheinlich das Mittel der Wahl. Denn nicht nur in den USA, sondern auch in fünf deutschen Städten laufen mittlerweile Versuche, davon in zwei Städten in Bayern. Die Ergebnissed sind im Moment noch nicht eindeutig, aber das Verfahren befindet sich in der Auswertung. In zwei Städten in Nordrhein-Westfalen wird der Modellversuch zum Ende dieses Jahres abgeschlossen. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft Erkenntnisse vorliegen haben, die uns helfen werden zu bewerten, ob das, was vorgelegt wird, nur der teure Verkauf eines ohnehin schon angewandten Modells ist, sodass wir das Geld besser anders investieren könnten, oder ob es ein sinnvolles Hilfsmittel für die Polizeiarbeit ist. Das müssen wir dann konkret beantworten, und danach müssen wir eine Entscheidung treffen. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Hier ist Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Inneres vorgesehen.

Wer dieser Überweisung des Antrages der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/18 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

Ich sehe, das ist einstimmig.

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist dementsprechend.

(Einstimmig)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist kurz vor 13.00 Uhr. Ich unterbreche die Sitzung des Landtags bis 14.30 Uhr und wünsche Ihnen einen guten Appetit!

(Unterbrechung der Sitzung 12.49 Uhr) * Vizepräsidentin Dogan eröffnet die Sitzung wieder um 14.30 Uhr. Vizepräsidentin Dogan: Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Robuste Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge schaffen – Jugendliche vor Kriminalität schützen! Antrag der Fraktion der CDU vom 14. Juli 2015 (Drucksache 19/22)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Stahmann, ihr beigeordnet Herr Staatsrat Fries.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Bremen ist weithin bekannt, dass unter den hier lebenden minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen eine Gruppe von 25 bis 50 Jugendlichen massiv auffällt. Sie gefährden sich selbst und andere immer wieder an Leib und Leben und stellen durch verschiedene kriminelle Aktivitäten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Obwohl ihre Gesamtzahl recht beständig ist, wechseln die Jugendlichen, die sich dahinter verbergen, doch laufend. Manche verlassen Bremen, andere werden volljährig und so weiter. So waren es in den letzten zwei Jahren insgesamt mehr als 100 Kids, die sich selbst und andere immer wieder massiv in Gefahr brachten. Auf ihr Konto gehen viele Hundert Straftaten wie Einbrüche, Autoaufbrüche, Raubüberfälle, Drogenkriminalität und auch gefährliche Körperverletzung. Leider wird durch diese Gruppe auch die Entstehung von Angst und Misstrauen gegen Asylbewerber stark befördert.

Ich finde, wir sollten trotz der heute auch nötigen Debatte unser Hauptaugenmerk immer wieder auf die vielen jugendlichen Flüchtlinge richten, die einfach nur in die Schule und arbeiten gehen wollen. Darin sollten wir sie bestärken und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen.

(Beifall CDU)

Trotz allem haben einige Jugendliche große Probleme, denen wir begegnen müssen. Das geht bislang aber nur eingeschränkt, denn es gab und gibt in Bremen keine Einrichtung, in der Jugendlichen – ob Flüchtlinge oder nicht – auch einmal die Tür vor der Nase zugeschlossen werden darf. Das ist so, weil eine solche Einrichtung von den Verantwortlichen hier nie gewollt war, was wiederum nicht bedeutet, dass man hier die Probleme von extrem auffälligen Kids in den letzten Jahrzehnten zufriedenstellend mit pädagogischer Betreuung, in welcher Form auch immer, gelöst hätte.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Mit Einrichtungen hat das aber auch nicht funktioniert!)

Im Grunde dürfte es hier auch gar nicht nur um die minderjährigen Flüchtlinge gehen, weil die Frage nach der passenden Unterbringungsform alle Jugendlichen mit massiven Problemen betrifft.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das geht aus dem Antrag aber nicht hervor!)

Das habe ich aber eben gesagt. Dieses Thema wurde seit Jahren nicht angepackt und ist jetzt bedauernswerterweise nur durch die aktuelle Diskussion um die kriminellen minderjährigen Flüchtlinge neu in den Fokus gelangt. In den zurückliegenden Jahren konnten deshalb selbst professionelle Helfer oft genug nur hilflos zusehen, wie etliche Jugendliche sich jeder angebotenen Betreuungsform entziehen. Irgendwann verlieren die Helfer sie dann an das Justizvollzugssystem, und/oder die Jugendlichen verschwinden mit dem Erwachsenwerden von selbst aus dem Jugendhilfesystem. Werden so Probleme gelöst, meine Damen und Herren? Nein, so werden sie ausgesessen!

(Beifall CDU)

Ich bin mittlerweile der festen Überzeugung, dass die Verantwortlichen eine solche Einrichtung ganz einfach überwiegend aus Angst ablehnen, weil Menschen versagen, Fehler passieren und einem das Ganze auf die Füße fallen könnte. Somit stellt sich konkret die Frage, ob sich Bremen weiter vor der Übernahme von Verantwortung drücken kann und Jugendlichen hier letztendlich aus Angst einen wichtigen Baustein des Jugendhilfegesetzes vorenthalten darf.

In diesem Zusammenhang sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass Bremen in einigen wenigen Fällen auf die geschlossenen Unterbringungsmöglichkeiten in anderen Bundesländern zugegriffen und dort Jugendliche untergebracht hat.

Bestimmt werden nun einige trotzdem argumentieren, dass auftretende Probleme allein durch enge und notfalls noch engere pädagogische Betreuung gelöst werden könnten. Warum aber hat das denn bislang nicht dazu geführt, die entsprechenden Erfolge einzufahren?

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Wegsperren geht aber auch nicht!)

Ja, man hätte sich doch sogar bundesweit mit den Erfolgen so hervortun können, dass die heutige Diskussion überflüssig wäre, weil jeder schon längst wüsste, was zu tun ist! Diese Erfolge gibt es aber nicht. Deshalb stehe ich heute hier und fordere für die CDUFraktion die Schaffung einer geschlossenen Einrichtung, wie sie schon im Februar vom Senat zugesagt und im April nochmals von der Bürgerschaft mehrheitlich bekräftigt wurde.

(Beifall CDU)

Warum tut sich nichts, meine Damen und Herren? Warum wird den Jugendlichen in Bremen ein solches gut geführtes intensivpädagogisches Angebot mit der Möglichkeit der vorübergehenden Freiheitsentziehung weiter vorenthalten? Diese Angebotsform der Jugendhilfe hat doch nichts an Dringlichkeit verloren. Es gibt Jugendliche, für die eine solche Unterbringungsform die letzte und richtige Chance für einen Neuanfang sein kann. Ich finde es übrigens bemerkenswert zu hören, dass jugendliche Flüchtlinge, die sich nach vielen Straftaten in Untersuchungshaft wiederfinden, also für eine Weile eingesperrt werden, dort plötzlich im positiven Sinne anfangen, neu über ihr Leben nachzudenken.

Aber soll das der Bremer Weg sein? Sollen minderjährige Jugendliche, ob Flüchtlinge oder nicht, im Gefängnis landen müssen, obwohl es doch vorher noch eine andere Maßnahme geben könnte, mit der man ihnen Grenzen aufzeigen und, anders als im Gefängnis, intensive Unterstützung für einen Neuanfang bieten könnte? Daher fordere ich Sie nochmals auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu, und fordern Sie mit uns den Senat auf, den hier in der Bürgerschaft bereits zweimal gefassten Beschluss zum Aufbau einer geschlossenen Unterbringung auf Grundlage des Paragrafen 43 SGB VIII endlich umzusetzen, gegebenenfalls auch als Eigenbetrieb!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! „Robuste Einrichtung – geschlossen“, als ich die Überschrift des Antrags gelesen habe, fühlte ich mich ein wenig an die Worte von Bürgermeister Böhrnsen erinnert, der von Wegsperren sprach. Unter dem Motto „Wegsperren – geschlossene Anstalt“ kann sich die FDP im Rahmen eines sozialen Rechtsstaates die Behandlung von Jugendlichen nicht vorstellen.

(Beifall FDP, DIE LINKE)