Protocol of the Session on August 24, 2017

Das Thema ist zwar überhaupt nicht neu, aber auch hier gibt es Entwicklungen, die man durchaus immer wieder kritisch hinterfragen muss.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Mitarbeitern des Senats für die ausführliche Beantwortung der Fragen in der Großen Anfrage. Ich sehe es nicht so wie einige, dass die Fragen nicht gut beantwortet sind, ich finde, sie sind sehr präzise beantwortet worden. Es wird sehr deutlich, wie problematisch der gesamte Bereich ist.

Kriminelle Clans in Bremen - und auch Bremerhaven sei hier erwähnt - sind ein ganz spezielles Themengebiet mit Problemen, die nicht nur im Land Bremen, sondern weit darüber hinaus bestehen. Kriminelle Clans haben sich weltweit etabliert. Ich erinnere an die Mafia und diverse andere Gruppen, die ihr kriminelles Handwerk teilweise seit Hunderten von Jahren betreiben, aber auch kleine Organisationen, Rockergruppen oder eben Familienclans bereiten der Polizei in Deutschland und anderswo große Sorgen.

Die Grenzen zwischen einfacher Kriminalität und organisierter Kriminalität oder Bandenkriminalität sind sehr fließend. Dass einige dieser Clans, dieser Großfamilien, die mit vielen kriminellen Mitgliedern ähnliche Strukturen aufweisen, sich ausgerechnet in Bremen in so großer Anzahl festgesetzt haben, stellt nicht nur die Polizei vor große Herausforderungen, sondern auch das Zusammenleben aller Menschen in den Stadtteilen.

Nicht alle Mitglieder dieser Clans sind kriminell, aber die Zahlen, die uns der Senat hier vorgelegt hat, sind erschreckend hoch. Pauschalisieren darf man hier nicht, aber mindestens 1 316 Straftaten innerhalb weniger Jahre - wahrscheinlich sind es sogar mehr - allein aus einer Gruppe heraus sind keine Einzelfälle, meine Damen und Herren.

Fatal sind die Strukturen dieser Clans, die in parallelen Rechtsstrukturen innerhalb ihrer Ge

meinde leben, in Strukturen, die teilweise im völligen Widerspruch zu unseren Gesetzen stehen. Diese Gruppen versuchen, ihre Ziele konsequent und mitunter mit brachialer Gewalt umzusetzen. Das gelingt leider sehr oft, viel zu oft.

Das muss weiter konsequent und mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden, und zwar ohne Wenn und Aber.

(Beifall SPD)

Unsere Polizeien in Bremen und Bremerhaven sind schlagkräftig. Sie sind erfolgreich, diese Kriminalität zu bekämpfen. Die Penetranz dieser Straftäter erschwert die Arbeit, insbesondere der Polizei und der Staatsanwaltschaft, eigentlich aller Behörden, die mit diesen Menschen zu tun haben. Ich beziehe mich hier auf die Antworten des Senats, also auf Fakten. Bei mittlerweile 3 500 Familienmitgliedern allein in der Gruppe der Mhallamiye sind untergetauchte Straftäter nicht nur schwer zu ermitteln, sondern auch schwer auffindbar. Der Ermittlungsaufwand ist in diesem Bereich ungeheuer hoch und durch die besonderen Barrieren Kultur und Sprache weitaus schwieriger, als in anderen Bereichen der Ermittlungsarbeit.

Das sind Hürden, aber diese Hürden und Barrikaden werden von der Polizei konsequent und mit voller Wucht mit den zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln eingerissen, meine Damen und Herren!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Hier darf nicht nachgelassen werden. Ein ständiger Ermittlungs- und Kontrolldruck ist gegen kriminelle Gruppen und gegen alle Straftäter unerlässlich. Als SPD-Fraktion stehen wir hier voll hinter der schwierigen Arbeit der Polizei, und wir stehen hier auch für eine konsequente Strafverfolgung.

(Beifall SPD)

Über die Informationssammelstelle ISTEC werden länderübergreifend Informationen über ethnische Clans gesammelt und ausgetauscht, um geeignete Ansätze zur Kriminalitätsbekämpfung zu entwickeln. Gerade auch organisierte Kriminalität existiert deutschlandweit, weltweit, hier gibt es keine Grenzen. Dieses EDV-Informationsnetz ist wichtig und wird selbstverständlich ständig erweitert und verbessert.

In der Großen Anfrage wird hier insbesondere nach dem Trickbetrug und nach den Zuständigkeiten gefragt. In der Antwort des Senats wird sehr deutlich beschrieben, wie bei rechtlich belasteten Hinweisen über überörtlich agierende

Landtag 3682 48. Sitzung/24.08.17

Täter in Abstimmung mit den zuständigen Staatsanwaltschaften länderübergreifende Verfahren zusammengeführt und bearbeitet werden. Das gilt aber nicht nur für Trickbetrügereien, sondern das gilt für alle auffälligen Delikte. Dass sogenannte Trickbetrugsdelikte statistisch nicht besonders erfasst werden, sondern unter den allgemeinen Betrugsdelikten bearbeitet werden, stellt sicher in der Polizeiarbeit selbst kein Problem dar, aber bei der möglichen Häufung zumindest der Wahrnehmung dieser speziellen Delikte könnte ich mir eine Veränderung in der EDVErfassung zukünftig gut vorstellen.

Ein weiteres Phänomen stellen in den letzten Jahren immer wieder Rockergruppen in Bremen und Bremerhaven dar. In der Seestadt haben sich immer wieder einmal kleine Gruppen zusammengeschlossen und auch wieder aufgelöst. Die Szene in Bremerhaven ist durch die gute Polizeiaufklärung überschaubar und relativ unauffällig. Es gibt aber auch hier Tendenzen zur Gewalt, und es gibt Kontakte zu anderen Gruppen im Umland und auch nach Bremen.

Während sich diese Gruppen in Bremerhaven aber relativ ruhig verhalten, gaben Gruppen in der Stadt Bremen immer wieder Anlass zum polizeilichen Einschreiten. Das anlassbezogene konsequente Einschreiten der Polizei und auch das konsequente Durchsetzen von politischen Beschlüssen hat in dieser sehr speziellen Szene aber deutliche Zeichen gesetzt.

(Beifall SPD)

Es wurden Klubs aufgelöst, und die Rockerszene hat sich immer wieder zersplittert. Alle Maßnahmen der Sicherheitskräfte in unserem Land, aber auch einfache Dinge, wie das Verbot des Tragens von Kutten in der Öffentlichkeit, scheinen die Zugehörigkeiten zu den Klubs zumindest unattraktiver gemacht zu haben. Hier leisten die Polizeiführer und auch der Senator immer wieder hervorragende Arbeit.

(Beifall SPD - Glocke)

Ich komme zum Schluss. Wenn viele der Unterstützer dieser Szene auch als Mitläufer angesehen werden, ist das Gewaltpotenzial aus diesen Gruppen nicht zu unterschätzen. Selbst wenn zeitweise Ruhe in der Szene herrscht, wird es immer Leute geben, die in dieser Szene aktiv sind. Diese Leute agieren in Deliktfeldern wie im Rotlicht- und im Drogenmilieu sowie in anderen Milieus. Eine Rockerszene wird es in Großstädten wohl immer geben. Es wäre eine Illusion zu glauben, man könnte dieses Phänomen einfach einmal ebenso beseitigen.

Wir als SPD-Fraktion stehen hier ganz eng an der Seite des Senators, und ich hoffe, alle hier im Raum stehen ganz eng an der Seite der Polizei in Bremerhaven und in Bremen, wenn es darum geht, die Etablierung dieser kriminellen Strukturen zu verhindern.

(Beifall SPD)

Hier unterstützen wir ausdrücklich die Null-Toleranz-Strategie, damit Straftaten bereits im Anfangsstadium verhindert werden können. - Ich danke Ihnen!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Timke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Senat legt uns heute eine Antwort auf die Große Anfrage der FDP-Fraktion zum Thema kriminelle Clans in Bremen vor. Nachdem ich die Ausführungen der Landesregierung aufmerksam gelesen hatte, war ich dann doch, ehrlich gesagt, etwas enttäuscht darüber, welch geringen Informationsgehalt die Antworten aufweisen.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Die Fragen aber auch!)

An vielen Stellen verliert sich die Landesregierung in standardisierten Allgemeinformulierungen oder geht erst gar nicht detailliert auf die Fragestellungen ein. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund bedauerlich, dass die ethnischen Clans Polizei und Justiz in Bremen seit Jahren in Atem halten. Beispielsweise können wir der Antwort des Senats zwar entnehmen, dass die Zahl der Clanmitglieder in Bremen und Bremerhaven 3 541 Personen umfasst, unbeantwortet bleibt aber leider die Frage, wie viele der Sippenangehörigen bereits strafrechtlich sanktioniert wurden. Der Senat spricht von mindestens 1 316 Verfahren seit 2010 gegen Clanmitglieder und weist aber gleichzeitig darauf hin, dass die Zahl der tatsächlichen Straftäter durch die Begehung von Mehrfachtaten deutlich geringer ist.

Da stellen sich mir zwei Fragen, und vielleicht können Sie, Herr Staatsrat, diese gleich beantworten: Ich habe mich gefragt, was denn „mindestens 1 316 Strafverfahren“ in der Antwort bedeutet. Darf es vielleicht auch ein bisschen mehr sein? Wie viele Strafverfahren gegen Clanmitglieder waren es denn höchstens seit 2010? Das wäre doch einmal interessant zu erfahren.

Zweite Bemerkung: Ich habe im September 2016 die ISTEC, die Informationssammelstelle für ethnische Clans, besucht und mir einen Eindruck

Landtag 3683 48. Sitzung/24.08.17

über die Arbeitsweise der Ermittler verschafft. Dabei habe ich natürlich auch die Zahl derjenigen Clanmitglieder abgefragt, die bereits polizeilich in Erscheinung getreten sind. Das waren dann bei damals 3 500 dort registrierten Clanmitgliedern mehr als die Hälfte, also mehr als 1 750 Personen. Ich frage mich deshalb nun, wie der Senat bei über 1 750 Straftätern lediglich auf 1 316 Strafverfahren in den letzten sieben Jahren kommt. Da klafft doch eine große Lücke, zumal es bei den Straftätern auch oftmals um Mehrfachtäter ging, die 20, 30, 40 Straftaten in den letzten Jahren begangen haben. Deshalb darf man die in der Antwort des Senats genannte Zahl der Strafverfahren hier auch als deutlich zu niedrig anzweifeln. Vielleicht können Sie darauf auch einmal eingehen, Herr Schulz.

Unabhängig davon zeigt die Antwort des Senats aber auch ganz deutlich, dass es falsch war, die Informationssammelstelle für ethnische Clans in den letzten Jahren personell auszudünnen. 2010 wurde die ISTEC mit einer Personalausstattung von vier Mitarbeitern gegründet, und Sie erinnern sich, wir haben 2011 diesen Beschluss sogar noch hier in der Bürgerschaft über die Parteigrenzen hinaus gefasst, dass diese vier Beamten dort auch weiterhin eingesetzt werden. Was hat der Senat gemacht? Er hat gegen diesen Beschluss der Bürgerschaft verstoßen und eigenmächtig die Zahl reduziert.

Damals waren es 2 600 Clanmitglieder, für die diese vier Mitarbeiter zuständig waren, nun ist die Zahl der Clanmitglieder auf 3 500 Personen angewachsen, aber es arbeitet nur noch ein einziger Beamter in diesem Bereich. Alle anderen wurden mittlerweile in andere Dezernate abgezogen, ohne Wissen der Bürgerschaft, meine Damen und Herren! Das ist eine innenpolitische Bankrotterklärung dieser rot-grünen Landesregierung gegenüber kriminellen Clans.

(Beifall BIW)

Aufschlussreich bei dieser Großen Anfrage ist ebenfalls die Antwort des Senats auf Frage elf. Dort teilt der Senat mit, dass es im April 2013 zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Clanmitgliedern und den Bremer Hells Angels kam, bei der ein Sippenangehöriger lebensgefährlich verletzt wurde. Nun, mehr als vier Jahre später, ist die Gerichtsverhandlung immer noch nicht terminiert worden. Auch das ist ein Armutszeugnis dieser Landesregierung, Herr Schulz, gegenüber kriminellen ethnischen Subkulturen. Anstatt klare Kante zu zeigen und die Täter einer schnellen Bestrafung zuzuführen, braucht die Bremer Justiz mehr als vier Jahre, um das Verfahren gerichtlich zu eröffnen. Die Täter wird es freuen, die Opfer weniger. Deshalb, Herr Welt, musste ich eben laut lachen, als Sie davon

sprachen, dass die SPD hier für eine konsequente Strafverfolgung steht. Die Realität sieht leider anders aus, Herr Welt!

(Beifall BIW, CDU)

Wenn es dann aber doch einmal zu Gerichtsverhandlungen gegen Clanmitglieder kommt, dann können die Rechtsbrecher in Bremen mit milden Strafen rechnen, wie kürzlich die beiden Mitglieder einen internationalen Trickbetrügerbande, die gutgläubige Rentner um insgesamt 579 000 Euro erleichtert haben. Weil es der Senat schon seit Jahren nicht schafft, die Justiz in Bremen personell und materiell angemessen auszustatten, sieht sich die Staatsanwaltschaft mittlerweile genötigt, selbst mit Angeklagten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität fragwürdige Deals zu vereinbaren und geringe Strafen zu akzeptieren, um aufwendige Prozesse zu beenden, so wie in dem eben genannten Fall der Trickbetrüger. Das aber ist ein Schlag in das Gesicht der Opfer und verhöhnt zugleich die mühsame Arbeit der Polizei, meine Damen und Herren!

(Glocke)

Haben Sie sich einmal erkundigt, wie lange die Ermittler brauchen, um Trickbetrüger überhaupt dingfest zu machen? Es wird nur ein ganz kleiner Teil dieser Trickbetrugstaten aufgedeckt, das ist eine mühselige Arbeit der Ermittler, und wenn diese Täter einmal vor Gericht kommen, dann kommen sie in Bremen mit milden Strafen davon. Das kann nicht sein!

(Beifall BIW)

Die rot-grüne Landesregierung muss - und das zeigt die Antwort des Senats deutlich - zukünftig mehr Anstrengungen unternehmen, um kriminelle ethnische Clanmitglieder in ihre Schranken zu weisen und dem Rechtsstaat wieder Geltung zu verschaffen. - Vielen Dank!

(Beifall BIW)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mir geht es ein wenig wie Frau Schnittker, ich habe mich tatsächlich, als ich die Anfrage gelesen habe, schon ohne die Antworten gefragt, was das soll. Offensichtlich haben wir hier eine Situation, in der die FDP versucht, Themen zu besetzen, von denen andere Fraktionen mehr verstehen. Ehrlich gesagt, die Antwort und die Anfrage sind nicht besonders aufschlussreich, und das liegt nicht nur an den Antworten, sondern auch an den Fragen. Insofern waren die vergangenen Anfragen, die

Landtag 3684 48. Sitzung/24.08.17