Protocol of the Session on August 24, 2017

Landtag 3687 48. Sitzung/24.08.17

Herr Timke, die Frage, die Sie zu der Verfahrensdauer gestellt haben, haben Sie mit den Großfamilien vermengt. Die Antwort bezieht sich auf den Bereich Rockerkriminalität, und da ist das Verfahren bedauerlicherweise noch nicht abgeschlossen worden.

(Abg. Timke [BIW]: Das waren doch auch Groß- familien!)

Das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich bin kein Stadtbremer, von daher weiß ich nicht, wer hier dazugezählt wird. Ich könnte vielleicht etwas über Bremerhaven sagen, aber das will ich jetzt nicht. Der Sachlage ergibt sich aus der Antwort auf die Frage elf der Großen Anfrage.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Nach 100 Tagen sollten Sie es schon wissen! - Abg. Timke [BIW]: Das wa- ren doch auch Großfamilien!)

Herr Timke, hören Sie erst einmal zu! Sie kritisieren die lange Verfahrensdauer, und die Kritik ist berechtigt. Daraus aber zu schließen, dass die Personalausstattung der Justiz in Bremen notdürftig ist, ist ein sehr mutiger Schluss, finde ich, den ich so für den Senat zurückweisen möchte.

(Beifall SPD - Abg. Timke [BIW]: Vier Jahre!)

Ich habe schon eingeräumt, dass in dem speziellen Fall vier Jahre sehr lang sind. Ihre Schlussfolgerung, die Sie daraus gezogen haben, ist von meiner Warte aus sehr mutig.

(Abg. Timke [BIW]: Vier Jahre! Ich kann Ihnen vier Verfahren nennen! Baustellenüberfall Bre- men-Nord!)

Sind wir mit der Schreierei jetzt durch? Gut!

Die Antwort zu der Frage vier, mindestens 1 316 Verfahren! Ich sage Ihnen, die Zahl ist gesichert, deswegen mindestens 1 316. Was darüber hinaus nicht erfasst worden ist, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Deswegen kann ich Ihnen auch nicht die von Ihnen gewünschte Antwort „höchstens“ geben. Ich kann „mindestens“ sagen. „Mindestens“ 1 316 bedeutet, dass es mehr sein können. Das erlaubt dann die Schlussfolgerung, weil es eben mindestens 1 316 Verfahren sind.

Die Strafzumessung! Es wird hier immer wieder gern angeführt, dass die Strafen zu milde ausfielen.

(Abg. Frau Schnittker [CDU]: Es ändert sich doch nichts!)

Gefühlt, ja! Und? Glauben Sie, dass der Senat in die richterliche Unabhängigkeit eingreifen will? Glauben Sie das? Die Strafzumessung ist die

klassische Aufgabe eines Gerichts. Wenn Ihnen diese Strafen zu milde sind, dann ist das Ihre Beurteilung. Der Senat hat aber keine Möglichkeit, und er wird es auch nie wollen, in die Strafzumessung des Gerichts einzugreifen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Frau Schnittker, die Frage, wie es möglich gewesen ist, dass diese Familien nach Deutschland einreisen konnten, kann der Senat nicht beantworten. Sie können mit der Bahn gekommen sein, mit dem Flugzeug, mit dem Auto oder zu Fuß. Wir wissen es nicht.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Oder mit dem Schiff!)

Wir können nur feststellen, dass sie sich im Augenblick im Land Bremen in einer größeren Anzahl aufhalten. Die Vermutung, dass jede Person, die zu dieser Familie gehört, deswegen auch ein potenzieller Straftäter ist, kann ich für den Senat so nicht bestätigen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Die Tatsache, dass Kutten, obwohl es verboten ist, in der JVA getragen werden, ist offensichtlich fotografisch dokumentiert worden. Das führt dazu, dass innerhalb der Justizvollzugsanstalt darauf reagiert wird. Es ändert aber nichts daran, dass Kutten nicht in der JVA getragen werden dürfen. - Soweit meine Ausführungen, herzlichen Dank!

(Beifall SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 19/1142, auf die Große Anfrage der Fraktion der FDP Kenntnis.

Datenschutz stärken: Informationspflicht für personenbezogene Speicherungen in Polizeidatenbanken Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 3. Mai 2017 (Drucksache 19/1046)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Ehmke.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Landtag 3688 48. Sitzung/24.08.17

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir versuchen hier einmal ein neues Format, zwei Minuten Redezeit für die Einbringung des Antrags, fünf Minuten für die Debatte. Das habe ich noch nicht so im Gefühl, ich bitte zu läuten!

Ich helfe dabei!

Wunderbar!

(Heiterkeit)

Wir beantragen heute etwas, das die rot-grüne Koalition eigentlich selbst auch vorhatte, aber leider liegen geblieben ist. Wenn wir einen sinnvollen Punkt im rot-grünen Koalitionsvertrag vorfinden, wie zum Beispiel hier auf Seite 79, helfen wir gern bei der Umsetzung.

Worum geht es denn? Die Polizei speichert ziemlich viele personenbezogene Daten. Das überrascht nicht und lässt sich auch nicht grundsätzlich vermeiden. Um Gefahren für sich und andere zu verringern, müssen die Beamten, etwa im Rahmen von Kontrollsituationen, grundsätzlich wissen, ob ihr Gegenüber einschlägig bekannt ist, ob die Person zum Beispiel schon einmal bewaffnet aufgefallen ist oder Ähnliches. Darüber gibt es insoweit, glaube ich, hier in dieser Bürgerschaft keinen Dissens.

Wir beantragen heute, dass es auch eine proaktive Informationspflicht geben soll. Das heißt, wenn die Polizei jemanden in eine Datenbank, in die PKS, neu einträgt, soll die Person entsprechend informiert werden. Damit wird die informationelle Selbstbestimmung gestärkt, und möglicherweise falsche Eintragungen können schneller geklärt werden, weil die betroffenen Personen eben davon wissen.

Eine solche Informationspflicht hat Bremen schon für einen kleinen Teilbereich der gefahrenabwehrrechtlichen Datenbanken eingeführt. Wer zum Beispiel in die umstrittene Datei „Gewalttäter Sport“ eingetragen wird, bekommt auch in Bremen einen Brief nach Hause. Nordrhein-Westfalen hat im Übrigen diese Praxis gerade auch übernommen, das begrüßen wir ausdrücklich. Genau diesen Ansatz wollen wir für alle Speicherungen übernehmen, die die Polizei auf Grundlage der sogenannten kriminalpolizeilichen personenbezogenen Sammlungen, kurz KpS-Richtlinie, vornimmt. Als einzige Ausnahme soll allerdings gelten, und dazu stehen wir auch voll, wenn mögliche Ermittlungen durch eine Information der Person, deren Daten gespeichert werden, gefährdet werden. Das soll selbstverständlich weiterhin ausgeschlossen sein.

(Glocke)

Allerdings - und das werde ich nachher auch noch einmal in einem weiteren Debattenbeitrag begründen - wollen wir die anderen Speicherungen tatsächlich auf ein Minimum reduzieren beziehungsweise wollen wir, dass die Betroffenen davon Kenntnis erlangen, damit das eben, falls es keine Grundlage hat, reduziert wird. - Danke schön!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Mustafa Öztürk.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Datenschutz ist wichtig, nach wie vor auch für uns Grüne und auch für die Koalition. Wir wollen auch den Datenschutz bei der Bremer Polizei verbessern. Wir haben uns als Koalition auf den Weg gemacht, miteinander gesprochen und Antragsentwürfe erstellt, die aber in dieser Phase noch nicht abschlussreif sind.

Ich möchte gleich gern darauf eingehen, Sie haben es ja eingehend erörtert, Frau Kollegin Vogt, Ihr Antrag sieht vor, dass die Betroffenen häufiger als bisher proaktiv informiert werden sollen. Das sehen wir genauso, deswegen steht es bei uns im Koalitionsvertrag, und dahinter stehen wir nach wie vor.

Die rechtlichen Hürden für die Polizei sind sehr niedrig, wenn sie Daten zur Gefahrenabwehr speichern will. Selbst wenn ein Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, bleiben ermittlungsbezogene Hinweise oft weiterhin gespeichert, sogar nach einem Freispruch darf häufig gespeichert werden. Das wirft gewisse Rechtsfragen auf, auch bei den Betroffenen. Jüngstes Beispiel ist der G-20-Gipfel in Hamburg, bei dem Journalistinnen und Journalisten die Akkreditierung entzogen wurde, aber es gibt noch zahlreiche andere Beispiele.

Auch inkorrekte Datenspeicherungen sind ein Problem für Betroffene, aber auch für die Polizei. Wir möchten an der Stelle, dass die Polizei möglichst nicht viele Daten speichert, sondern entsprechend sinnvoll die Daten, die notwendig sind und eine effektivere Polizeiarbeit ermöglichen. In einem Rechtsstaat muss man die Polizei kontrollieren, aber auch den Datenschutz. Gesetze sind einzuhalten. Diesbezüglich gilt es auch für die Datenschutzbeauftragte, sie kann ja nur punktuell überprüfen, wenn ein Bürger oder eine Bürgerin mitteilt, dass etwas eingetragen ist, womit er oder sie nicht ganz einverstanden ist, weil die Befürchtung besteht, dass etwas zu Unrecht darin steht. Besser wäre, wenn da eine proaktive Benachrichtigung erfolgen würde. Das gilt natürlich

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nicht für die Fälle, in denen eine gewisse Gefahrensituation besteht. So haben wir das auch nie gemeint, deswegen auch die Formulierung im Koalitionsvertrag, wir haben da auch inhaltlich keine großen Differenzen.

Ich will nur ein bisschen den Rechtsrahmen beschreiben, in welcher kleinen Schwierigkeit wir uns an der Stelle befinden, dass wir das, was im Koalitionsvertrag steht, umstellen wollen beziehungsweise das so aufgenommen wird, wie wir es darin formuliert haben. Wir müssen uns Folgendes vorstellen: Können wir der Polizei angesichts der knappen Ressourcen, die sie hat, zumuten, jährlich Tausende von Briefen zu verschicken? Es sind auch mehrere Tausend im Monat möglich, um immer den betroffenen Kreis, der informiert werden darf, proaktiv darüber zu informieren, dass Daten gespeichert worden sind. Ich glaube, das schafft die Polizei nicht so, wie man sich das seinerzeit vorgestellt hat. Also muss man schauen, in welchem Rahmen es gelingt, dass die Polizei einerseits die Möglichkeit hat, Daten entsprechend rechtmäßig zu speichern, und andererseits die Betroffenen informiert werden, denn das betrifft die informationelle Selbstbestimmung. Das ist ein wichtiger Punkt für uns Grüne, und deswegen möchten wir auch, dass das eingehalten wird. Wie gesagt, wir hätten gern auch schon heute einen Gesetzentwurf vorgelegt, wir brauchen noch ein bisschen Beratung.

Aufgrund der EU-Datenschutzreform wird auch das Bremische Polizeigesetz bis zum Jahr 2018 überarbeitet werden müssen, das befindet sich in der Pipeline. In diesem Rahmen kann man auch, wenn man es überarbeitet, die EU-Datenschutz- Grundverordnung, die auch entsprechend überarbeitet werden muss, für Polizei und Justiz einplanen. Das ist bei uns auf der Agenda, am kommenden Montag steht das auch auf der Tagesordnung des Senats. Wir alle wissen, was das bedeutet: Wenn der Senat es berät, wird es an anderer Stelle bei uns in den jeweils zuständigen Gremien wieder auftauchen, da werden wir es auf den Tisch bekommen. Das heißt, wir haben dann die Gelegenheit für eine diesbezügliche parlamentarische Beratung, sodass wir am Ende des Tages dem Anspruch gerecht werden, dass das, was in unserem Koalitionsvertrag steht, auch umgesetzt wird. Wir brauchen, wie gesagt, noch ein wenig Zeit, auch die Polizei braucht Zeit, das respektieren wir.

Wir haben keine groß voneinander abweichenden Meinungen. Sie wissen, dass auch die BKAGesetzgebung diesbezüglich Veränderungen vorgesehen hat, und diese sind auch im Rahmen dessen mit eingeplant. Wir wünschen uns, dass nach der Befassung im Senat den zuständigen Gremien hier die ersten Entwürfe für die Erarbeitung und Veränderung vorgelegt werden, damit