Protocol of the Session on August 24, 2017

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grü- nen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir unterhalten uns über Linksextremismus in Deutschland mit gravierenden Auswirkungen im Sommer dieses Jahres in Hamburg. Ich bin nicht dort gewesen, aber ich fühlte mich an das erinnert, was ich in der Baader-Meinhof-Zeit noch als Student miterleben konnte oder was direkt am Osterdeich, weil ich in der Nähe wohne, anlässlich einer Bundeswehrvereidigung passierte. Es war zu ähnlichen Vorfällen gekommen, wie man sie auf dem Bildschirm aus Ham

burg sehen konnte: Körperverletzung, Brandstiftung, Plünderungen und dies alles unter dem Vorwand einer politischen Aktion.

Ich fühlte mich an das erinnert, was im Dritten Reich oder auch davor die SA für die NSDAP an Prügeleien und Auseinandersetzungen geleistet hat. Wer sich politisch in diesen Aktionen hier in Hamburg versteht, der muss sich auch gefallen lassen, dass er das, was wir aus der Zeit der nationalsozialistischen SA kennen, noch übertrifft.

(Beifall FDP - Abg. Frau Dr. Schaefer (Bündnis 90/Die Grünen): Diesen Vergleich finde ich schon etwas schwierig!)

Wir haben in Deutschland nicht nur Linksextremismus, sondern wir haben in Deutschland auch einen gravierenden Rechtsextremismus. Wir haben viele nationale, nationalistische Gruppierungen, und wir haben auch, der Prozess ist noch nicht zu Ende, eine Mordserie des nationalsozialistischen Untergrunds. Diese Aktionen treten immer wieder eruptiv auf, sie sind anlassbezogen, und sie sind eine Krawallszene, die unser Rechtsstaat nicht dulden kann.

(Beifall FDP)

Die Gesellschaft und die staatlichen Einrichtungen müssen daher nach links und nach rechts weiterhin wachsam sein. Ich bin mir aber auch nach 70 Jahren Demokratie in Deutschland, nach 70 Jahren Rechtsstaat in Deutschland sicher, dass unsere Gesellschaft und unsere staatlichen Einrichtungen diesen freiheitlichen und sozialen Rechtsstaat verteidigen werden. Wir sind stärker. Wir sind eine wehrhafte Demokratie, und wir werden uns nicht von den Extremisten von links und rechts vorschreiben lassen, wo wir unsere Tagungen und Zusammenkünfte abhalten dürfen.

(Beifall FDP, CDU, BIW)

Dies gilt national und international. Dennoch, meine Damen und Herren, auch neben der Kostenproblematik, zu der Thematik der Konferenz und zur Thematik, was mit einer solchen Konferenz erreicht werden kann, kann durchaus auch in Überlegungen eingetreten werden, ob dies alles miteinander in Einklang zu bringen ist, ob es verhältnismäßig ist. Darüber darf man sicherlich auch diskutieren.

Ein freiheitlicher Rechtsstaat muss die Versammlungsfreiheit und die Pressefreiheit garantieren. Soweit es hier Einschränkungen unzulässiger Art, rechtsstaatswidriger Art gegeben hat, haben wir zu erwarten, dass dieser Ausschuss, der in

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Hamburg gebildet worden ist und an dem alle beteiligten Länder mitwirken, auch diese Thematik mit aufarbeitet.

Die Polizei muss stets in der Lage sein, solche Lagen auch im Griff zu haben. Wir sind den Polizeibeamten in diesem Zusammenhang zu großem Dank verpflichtet, dass sie bei persönlicher Gefährdung - körperlich sogar vielleicht in der einen oder anderen Situation unter Todesangst - ihren Dienst unter erheblichem Stress ausgeübt haben und dass sie dadurch die rechtsstaatlichen Belange unseres Staates geschützt haben. Das ist eine Aktion, das ist eine Haltung, das ist ein Einsatz gewesen, die Respekt erfordern, und noch einmal Dank, auch von der FDP, an unsere Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen für diesen Einsatz!

(Beifall FDP, CDU, BIW)

Wir begrüßen außerordentlich, dass seitens des Innensenators für den Einsatz Sonderurlaub gewährt worden ist und dass ein zügiger finanzieller Ausgleich erfolgen soll. Insoweit werden hier die Anträge, die gestellt worden sind, zum Teil überholt.

Die Polizeitaktik ist angesprochen worden. Der Regierende Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz, musste sich bei der Bevölkerung entschuldigen. Er hat, bevor dieser Gipfel abgehalten wurde, versichert, es sei alles Nötige für die Sicherheit getan, die Bevölkerung könne ruhig dem Geschehen des Gipfels entgegensehen. Dies ist leider, wie wir aus den Beschreibungen, aus den Bildern sehen konnte, nicht der Fall gewesen.

Es stellen sich natürlich eine Reihe von Fragen: Wie ist der Gipfel vorher mit der Polizei aufgearbeitet worden? Wie ist die Lage bewertet worden? Wie ist der Einsatz der Polizei während des Gipfels selbst geleitet worden? Es ist natürlich erforderlich - und das erwarten wir auch als Bevölkerung und als Politiker -, dass hier vorbehaltlos aufgearbeitet wird. Wir sehen dann mit Interesse dem Bericht, der für die Innendeputation angekündigt worden ist, entgegen.

In diesem Zusammenhang muss natürlich, wenn Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamte sich möglicherweise strafbar gemacht haben, auch dies rückhaltlos aufgeklärt werden. Aber eines sage ich gleich: Die Situation umzudrehen, sodass quasi von der Polizei die Gewalt ausgegangen ist, das werden wir auf keinen Fall mitmachen.

(Beifall FDP, CDU, BIW, Abg. Schäfer [LKR], Abg. Tassis [AfD])

Wer in einer Stresssituation arbeitet und über die Stränge schlägt, der kann auch im Einzelfall belangt werden, das ist in Ordnung. Das ist aufzuarbeiten. Die Bewertung, die den Spieß allerdings völlig umdrehen will und sagt, dass die Gewalt von der Staatsmacht, von der Polizei ausgegangen sei, werden wir nicht mitmachen.

(Beifall FDP)

Straftaten konsequent verfolgen, Strafrecht verschärfen und die StPO verschärfen, wir sind skeptisch. In der Regel kommt dabei nicht ganz viel heraus. Wir haben genügend Gesetze, die nur richtig angewandt werden müssen. Es kommt mehr darauf an, dass wir Personen, die sich an derartigen gewaltsamen Auseinandersetzungen beteiligen, habhaft werden, dass wir sie identifizieren können, dass wir sie wirklich erwischen, und dann kann man natürlich mit dem Strafrecht ahnden. Das ist mehr der Schwerpunkt, um den es geht. Für solche Lagen fällt mir auch das Stichwort Videoüberwachung ein.

Eine Verschärfung des Strafrechts brauchen wir nicht. Wir haben eigentlich eine Justiz. In der Hand der Justiz liegt es, Ermittlungsverfahren zu führen, und dann, wenn ein hinreichender Tatverdacht besteht, auch die entsprechenden strafgerichtlichen Konsequenzen zu ziehen.

Ich verspreche mir noch etwas mehr davon - wir haben es ja vielleicht heute noch mit dem Thema Schmerzensgeldansprüche zu tun -, wenn man Wert darauf legt, nicht nur auf die strafrechtliche Seite zu schauen, sondern, wenn man der Täter habhaft geworden ist und sie identifiziert hat, dass man sie dann auch finanziell für den Schaden zur Rechenschaft zieht, den sie angerichtet haben, sei es Sachbeschädigung, Körperverletzung, Schmerzensgeldansprüche und so weiter. Die persönliche Betroffenheit ist in diesem Zusammenhang nämlich noch einmal ein gutes Abschreckungsmittel.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, was können wir uns, ohne uns hier nur appellativ zu äußern, als Schwerpunkte für die nächste Arbeit vornehmen? Mir sind drei Bereiche eingefallen. Erstens, es muss die Zusammenarbeit zwischen den Polizeien im Vorgriff auf eine solche Veranstaltung verbessert werden. Zumindest müssen wir das sehr gut beleuchten, was dort verbessert werden kann. Wo können wir erkennen, wo Gruppen aus Deutschland oder auch außerhalb Deutschlands, aus Europa oder sonst woher, an solchen Krawallen, an solchen Aktionen teilnehmen wollen? Wie können wir das besser aufbereiten? Wie kön

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nen wir das besser erkennen? Welche Zusammenarbeit kann es ermöglichen, einen solchen Zustrom zu verhindern?

Das Zweite, um das es gehen wird, ist, wie ist die Taktik der Polizei aufzustellen? Das wird eine, glaube ich, intensivere Debatte erfordern. Das wird man nicht als jemand, der in der Politik Mitverantwortung trägt, lösen können. Es werden häufig polizeispezifische Themen sein. Ich sehe dort einen wesentlichen Punkt, um solchen Demonstrationen besser Herr zu werden oder solche Gewalttaten schon von vornherein auszuschließen.

Das Dritte sind, es ist angesprochen worden, das Versammlungsrecht und die Vermummung. Wir müssen überlegen, wie wir die Personen, denen es gar nicht um eine Demonstration geht, sondern die von vornherein nur anreisen, um dort Krawall zu machen, um dort strafrechtliche Taten zu begehen, ausschließen können. Wie können wir diese Personen ausgrenzen? Wie können wir sie auch, weil sie den Sinn und Zweck der Versammlung und der Demonstration gar nicht wahrnehmen wollen, separieren? Wie kann dies rechtsstaatlich mit dazu beitragen, dass wir solche Krawalle ausschließen? Das sind, glaube ich, die drei Schwerpunkte, über die wir uns Gedanken machen müssen.

Zu den Anträgen! Ich persönlich halte nicht ganz so viel davon, bei allen Kleinigkeiten den Finger in die Wunde legen zu wollen.

(Abg. Hinners [CDU]: Eine Kleinigkeit ist das nicht gerade!)

Es ist vielmehr erforderlich, wenn wir uns gegen Rechts- und Linksextremismus wenden wollen, dass die ganzen demokratischen Parteien hier Geschlossenheit zeigen, aber nicht in einen Wettbewerb einzutreten, ob der eine noch ein Komma oder ein Semikolon woanders gesetzt haben möchte.

(Beifall FDP)

Das hat mich ein bisschen enttäuscht, Herr Senkal, ich hätte eigentlich mehr politische Geschlossenheit erwartet. Ich sehe auch nicht in dem CDU-Antrag jetzt jeden Punkt hundertprozentig gleichlautend, aber in der Solidarität der Demokraten ist alles das, was sich dahinter verbirgt, unterstützungswürdig.

(Beifall FDP)

Das Gleiche gilt für den Antrag der Koalition - und zwar mit Ausnahme der Ziffer 4 des ersten Blocks, in dem Sie die Pressefreiheit und die Versammlungsfreiheit problematisieren -, in dem Sie

eigentlich das Ergebnis, was dieser Ausschuss dort machen soll, quasi vorwegnehmen. Deswegen beantrage ich die getrennte Abstimmung. Bis auf Ziffer 4 unterstützen wir den Rest des Antrags. Die Ziffer 4 möchten wir herausgenommen haben, weil Sie damit dem Ergebnis vorgreifen. Wir möchten einen Bericht mit dem Ergebnis vorliegen haben, und dann werden wir uns hier sicherlich noch über ganz viele Punkte, die in dem Bericht stehen, zu unterhalten haben. - Danke schön!

(Beifall FDP)

Bevor ich Herrn Hinners als nächsten Redner aufrufe, gebe ich den Hinweis, dass wir eine Redezeit nach der Geschäftsordnung verabredet haben, das heißt, zehn Minuten, fünf Minuten und fünf Minuten.

(Abg. Hinners [CDU]: Herr Präsident, so lange brauche ich nicht!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will die Gelegenheit nutzen und kurz auf meine Vorredner eingehen. Auf den Antrag von Rot-Grün, der ja zu unserem Antrag vorgelegt worden ist, will ich mich dabei natürlich auch beziehen.

Wir, die CDU, finden diesen Antrag zu oberflächlich. Er wird dem Ausmaß der Krawalle in Hamburg nicht gerecht. Wir werden ihn deswegen ablehnen. Uns fehlt die Forderung nach umfangreicher politischer Untersuchung der Vorgänge dort völlig, und Sie benutzen in Ihrem Antrag ganz bewusst auch den Begriff Linksextremismus an keiner einzigen Stelle. Das ist bezeichnend, weil Sie sich offensichtlich davor scheuen, und das ist auch das, was ich vorhin in meiner Rede schon dargestellt habe, dass Bremen über den Verfassungsschutz dort eben auch die Hände gebunden sind. Diese Maßnahmen, die Sie vorschlagen, finden wir zu oberflächlich, und sie werden insbesondere der Sache nicht gerecht. Deswegen werden wir Ihren Antrag nicht mittragen. Wir würden uns aber freuen, wenn Sie unseren Antrag mittragen.

(Heiterkeit - Abg. Tschöpe [SPD]: Humor hast du!)

Herr Fecker, Sie haben sich sehr stark auf die politische Bewertung des G-20-Gipfels konzentriert. Das hat Herr Janßen allerdings noch gesteigert.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich habe nur zwei Sätze dazu gesagt! - Abg. Röwekamp [CDU]: Aber lange Sätze!)

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Ja, aber sehr lange Sätze, genau! Manchmal geht es ja auch um den Inhalt, Herr Fecker, nicht um den Umfang. Klar, man kann natürlich darüber streiten, ich habe es in meinem Beitrag auch kurz erwähnt, dass es durchaus wünschenswert ist, bessere Ergebnisse zu erzielen. Ich glaube aber, wir dürfen nicht den Fehler machen, dass wir uns zu sehr auf die Erfolge eines solchen Gipfels beschränken und sozusagen mathematisch ausrechnen, was am Ende dabei herausgekommen ist, sondern wir müssen wirklich das Ziel verfolgen, dass diese Verhandlungen mit immerhin 20 Regierungen und Regierungschefs überhaupt stattfinden, dass sie durchführbar sind, und zwar gewaltfrei durchführbar sind.