Protocol of the Session on August 24, 2017

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Ja, es gibt auch Vorwürfe gegen Beamte, dass sie unverhältnismäßig Gewalt angewandt hätten. Sie alle kennen diese Bilder. Meine Damen und Herren, der Rechtsstaat tut gut daran, auch diesen Vorwürfen in jedem einzelnen Fall nachzugehen, zu ermitteln und gegebenenfalls Anklage zu erheben. Das betrifft auch einen Bremer Polizeibeamten, gegen den jetzt die Hamburger Justiz ermitteln wird. Diese Ermittlungen sind auch aufgrund einer klaren Zuordnung durch die Kennzeichnungen auf der Uniform möglich.

Die Polizei Hamburg wird diesen Einsatz auch insgesamt kritisch auswerten müssen, angefangen mit der Frage der Unterbringung und Versorgung der Einsatzkräfte, bis hin zur Lageeinschätzung und - noch wichtiger - der Einsatztaktik, der sogenannten Hamburger Linie. Es gibt vieles aufzuarbeiten.

Die Hamburger Polizeiführung und der Hamburger Senat werden viele Fragen zu beantworten haben. Es war eben doch mehr als ein Hafengeburtstag, wie sich Bürgermeister Scholz dies vorstellte. Die Presse- und Versammlungsfreiheit wurde eingeschränkt. Der Schutz der Bevölkerung konnte nicht immer gewährleistet werden. Der Umgang mit den Gefangenen im Rahmen der Gefangenensammelstelle, der Vorwurf, des verwehrten Zugangs von Anwälten, wird zu klären sein. Die politische Aufarbeitung und die Wahl der Mittel hierzu ist aber Sache des Senats und der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg.

Landtag 3662 48. Sitzung/24.08.17

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Wir haben uns deswegen in unserem Antrag auf die wesentlichen Punkte konzentriert. Wir danken den bremischen Einsatzkräften und sprechen ihnen Anerkennung für die Bewältigung dieses wirklich extremen Einsatzgeschehens aus. Wir verurteilen den Missbrauch des legitimen Protests und die Angriffe auf die Polizei. Wir stellen noch einmal deutlich klar, dass in einem Rechtsstaat Gewalt kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein darf.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Wir drücken unsere Sorge darüber aus, dass die Presse- und die Versammlungsfreiheit sowie der Schutz der Bevölkerung nur eingeschränkt gewährleistet werden konnte. Schlussendlich möchten wir aber auch all jenen danken, die sich friedlich für eine bessere und gerechtere Welt auf den unzähligen Demonstrationen eingesetzt haben und deren politische Botschaft leider bei den Bildern dieser Straftäter untergegangen ist, meine Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Wir erwarten vom Senat, dass er, sofern möglich und notwendig, die Hamburger Justiz bei der Aufarbeitung aller Straftaten unterstützt, sich an der Auswertung des Einsatzes beteiligt und der Deputation für Inneres darüber berichtet. Natürlich kann auch die Polizei Bremen aus diesen Tagen Lehren für die Arbeit ziehen und insbesondere auch noch einmal die eigene Schutzausstattung unserer Polizeikräfte bewerten. Schlussendlich müssen alle diejenigen, die zusätzlich Überstunden geleistet haben, diese auch in entsprechender Form vergütet bekommen.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Gedanken zum G-20-Gipfel an sich verlieren. Es ist immer richtig und wichtig, dass Staats- und Regierungschefs miteinander reden. Mir persönlich wäre dies zwar organisatorisch und unter dem Dach der Vereinten Nationen lieber, aber nun gut. Sorgen müssen wir uns allerdings, wenn in dieser derzeit turbulenten Welt diese Regierungschefs unfähig zum Sprechen und zum Dialog sind. Der Minimalkonsens des G-20-Gipfels kann ja nicht ernsthaft als Ergebnis bezeichnet werden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Darüber sollten wir uns auch sorgen. - Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Janßen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute den G-20-Gipfel, und nicht nur in den Medien, sondern auch in der Debatte liegt der Fokus ja hauptsächlich auf den Krawallen und den Bildern, die vom G-20-Wochenende aus die ganze Welt erreicht haben. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich zunächst eine politische Bewertung des G-20-Gipfels abgeben.

Der Gipfel ist, politisch-inhaltlich gesehen, ein völliger Fehlschlag gewesen. Es gab keinerlei Beschlüsse oder Verabredungen, die wegweisende oder ernsthafte Entscheidungen getroffen hätten, die Probleme in den Fokus zu nehmen, die die Menschheit insgesamt eigentlich hat. Klimawandel, Flucht und Migration, Armut und Hunger wurden nicht konstruktiv besprochen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grü- nen)

Aus meiner Sicht ist das auch nicht der Ort, sich entschieden gegen Klimawandel, Elend, Vertreibung und Krieg einzusetzen. Die G-20 sind die Staaten, die für sich selbst in Anspruch nehmen, die Führungsrolle auf dieser Welt einzunehmen. Sie sind aber eigentlich genau die Staaten, die sowohl verantwortlich für globale Ungerechtigkeit sind als auch am meisten davon profitieren. Daher finde ich es wichtig, an dieser Stelle auch einmal zu betonen: Politisch ist der G-20-Gipfel ein Misserfolg gewesen, unabhängig von all dem, was ich auch noch im Weiteren besprechen möchte.

(Beifall DIE LINKE)

Nicht nur, weil das Ergebnis unbefriedigend war, sondern schon wegen der Form und der Zusammensetzung dieses Gremiums gab es zu Recht im Vorfeld Proteste und Aufrufe zu friedlichen Demonstrationen. Völlig zu Recht haben daher die Menschen in Hamburg von dem Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht und sind für eine andere Gesellschaft auf die Straße gegangen, für globale Gerechtigkeit, für Klimaschutz und für eine andere Form der politischen Auseinandersetzung.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir kommen aber nicht umhin festzustellen, dass auch die Proteste an vielen Stellen gescheitert sind, denn sie sind überschattet von den Bildern brennender Autos, von Krawallen, von Gewaltexzessen, für die auch wir keinerlei Sympathie übrig haben, die auch wir verurteilen. Die Gefährdung der Menschen in Hamburg war eine Lage, die niemand so gutheißen kann.

(Beifall DIE LINKE, SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen)

Landtag 3663 48. Sitzung/24.08.17

Wir alle haben die Bilder von brennenden Autos gesehen, von geplünderten Läden, von Brandstiftung in Läden, über denen sich Wohnungen befanden, womit nicht nur strafbare Sachbeschädigungen begangen wurden, sondern willentlich auch in Kauf genommen wurde, schwere Körperverletzungen zu begehen. Für diese Straftaten gibt es keinerlei Rechtfertigung in dem gerechtfertigten politischen Protest. Sie haben auf der einen Seite die Frage aufgeworfen, ob die Proteste legitim sind, obwohl sie das durchaus im Kern waren und weiterhin sind.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Auf der anderen Seite gilt es, im Nachgang auch Kritik an der Polizeitaktik zu üben, auch an der gesamten Auswahl der Polizeitaktik und der Durchführung. Wir leben in einem Zeitalter der Handyvideos, wir alle kennen die Bilder, wo wir sehen, wie Polizei Gewalt anwendet, die aus dieser Sicht als unverhältnismäßig eingeschätzt werden muss. Es gibt Anzeigen gegen Justizbeamtinnen und -beamte, gegen Polizistinnen und Polizisten im Dienst. Ich glaube auch, dass es im Sinne der übergroßen Mehrheit der Beamtinnen und Beamten vor Ort ist, dass auch diese Fälle lückenlos aufgeklärt und einem rechtsstaatlichen Verfahren zugeführt werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grü- nen)

Ich tue das sehr selten, aber ich zitiere an dieser Stelle einmal die „Bild“-Zeitung,

(Abg. Frau Grobien [CDU]: Immer so, wie es passt!)

die davon berichtet, wie die Polizei vorgegangen ist, als die „Welcome-to-Hell“-Demonstration startete. Dort schreibt Frank Schneider, Chefreporter der „Bild“-Zeitung in NRW: „Polizei geht bei Ausschreitungen der „Welcome-to-Hell“-Demo auch aggressiv gegen Journalisten vor, völlige Eskalation!“ Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Vorgehen auch gegen Journalistinnen und Journalisten, die die Pressefreiheit hochhalten und die wichtige Aufgabe haben, von solchen Ereignissen zu berichten, ist ein Verstoß gegen demokratische Grundfeste und gehört, im Nachhinein betrachtet, genauso dazu wie andere Teile der Polizeitaktik, die in Hamburg fehlgeschlagen sind.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Die Frage, ob Hamburg, die Frage, ob St. Pauli, ob das Schanzenviertel tatsächlich der richtige Ort gewesen ist, einen G-20-Gipfel durchzuführen, muss man sich auch stellen. Es gab bereits

im Vorfeld auch aus Sicherheitskreisen erhebliche Bedenken daran, ob hier die Sicherheit gewährleistet werden kann.

(Abg. Bensch [CDU]: Leben wir in Deutschland, oder leben wir nicht in Deutschland?)

Wir leben in Deutschland, und wir leben in einem Staat, in dem wir glücklich sind, dass das Demonstrationsrecht ausgeübt werden kann, in dem Sicherheitsbehörden lange vorher gewarnt haben, dass es zu derartigen Situationen kommen kann, und in dem trotzdem die Polizei nicht in der Lage war, die Bevölkerung in Stadtteilen wie Altona und dem Schanzenviertel davor zu schützen, dass Gruppen stundenlang unbehelligt durch die Straßen ziehen konnten, Steine werfend und marodierend. Das ist eine Tatsache, und ich glaube, dass man sich hier grundsätzlich die Frage stellen muss, ob die Polizeitaktik angemessen auf diese Gefährdungslage reagiert hat.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Noch ein paar Worte zu der Vorbereitung: Die „Welcome-to-Hell“-Demonstration ist ja durchaus anders aufgetreten, sowohl im Titel als auch in der Ausrichtung, als die Großdemonstration, die am Samstag angemeldet wurde und an der ja auch einige aus diesem Haus teilgenommen haben. Aber für diese Demonstration gab es niemals Auflagen der Versammlungsbehörde. Man hat einen Weg zugelassen, bei dem das Ende direkt am Messegelände, also am Tagungsort der G-20, stattfinden sollte. Ich gehe nicht davon aus, dass die Sicherheitsbehörden zu irgendeinem Zeitpunkt überhaupt in Erwägung gezogen haben, dass diese Demonstration, unabhängig davon, wie sie sich jemals verhalten hätte, dort angekommen wäre. Man hatte von vornherein das Ziel, den Demonstrationszug zu blocken. Warum spricht man eine Genehmigung für eine Demonstration im rechtstaatlichen Sinne aus, wenn niemals die Absicht besteht, diese Demonstration zu ihrem Recht kommen zu lassen? Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine Einschränkung des Demonstrationsrechts durch die Hintertür, die so nicht akzeptiert werden kann!

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Was nach der Auflösung am Donnerstag passiert ist - dazu habe ich mich eben auch schon geäußert -, die Krawalle in Altona, die angezündeten Autos lassen sich nicht durch die Einschränkung des Demonstrationsrechts rechtfertigen, um das hier klarzustellen!

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grü- nen)

Landtag 3664 48. Sitzung/24.08.17

Ich möchte hier nicht sagen, dass richtig war, was passiert ist. Es war falsch, und dennoch gilt es, diese Kritik zu üben.

Festzustellen bleibt auch, diese Aktionen waren nicht nur extrem gefährlich und wahllos, sie waren auch extrem schlecht für die gesamten legitimen Proteste vor Ort. Sie haben in jeder Hinsicht kontraproduktiv gewirkt und die Kritik, die gerechtfertigt ausgedrückt wurde, geschwächt.

(Beifall DIE LINKE)

Bei all der Kritik, die an dieser Stelle an diesen Krawallen geübt wurde, gilt es aber dennoch festzustellen, dass zwischen Straßenkrawallen und der rechtsradikalen Gewalt, die allein in Deutschland seit den Neunzigerjahren 200 Todesopfer gefordert hat, ein großer qualitativer Unterschied besteht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn hier Vergleiche zum salafistischen Terrorismus gezogen werden, der mittlerweile Tausende von Opfern gefordert hat, dann ist es ein Hohn gegenüber den Opfern dieses salafistischen Terrorismus, das hier mit den zugegebenermaßen dramatischen Zuständen in Hamburg gleichzusetzen!

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grü- nen)

Wir werden daher, weil diese Grundthese auch dem CDU-Antrag zugrunde liegt und man hier Gewalt verschiedener Herkunft gleichsetzt, den CDU-Antrag ablehnen. Den Antrag der Koalition hätten wir vermutlich etwas anders formuliert, dennoch gestehen wir zu, dass die SPD und die Grünen hier eine andere Bewertung vornehmen, als sie in Hamburg diskutiert wird. Wir begrüßen daher den Antrag und werden ihm auch in der vorliegenden Form zustimmen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grü- nen)