Protocol of the Session on August 23, 2017

Mit der Bremer Pflegeinitiative, die wir im Jahr 2012 gestartet haben, hat unser Haus die Weichen dafür gestellt. Im Jahr 2012 sind wir mit zwölf Partnern gestartet, im Augenblick haben wir 27 Partner. Eine ganz alte Forderung, nämlich die Ausbildungsumlage, haben wir umgesetzt, und wir haben die Zahl der Ausbildungsplätze von 50 auf 250 Ausbildungsplätze angehoben. Wir haben gemeinsam in der Metropolregion ganz stark in den Schulen dafür geworben, dass sich mehr junge Leute für diesen Beruf begeistern. Fakt ist, dass die gesamten Ausbildungsplätze im Augenblick nicht besetzt werden können, obwohl wir sie finanzieren. Deswegen müssen wir die Anstrengungen weiter ausbauen.

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(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist zu Recht bemängelt worden, dass die Menschen, die diesen Beruf mit Herzblut ergreifen - Frau Grönert, ich erlebe viele Fachkräfte, die direkt mit mir reden, die Menschen sind meistens mit dem Herzen dabei, und für sie ist es keine Notlösung, sondern eine Aufgabe -, zu kurz in ihrem Beruf verweilen. Im Durchschnitt beträgt die durchschnittliche Verweildauer 13 Jahre. Viele sagen, ich hätte gern in Vollzeit gearbeitet, mir wurde aber nur eine Teilzeittätigkeit ermöglicht.

Ich finde, Teilzeit, wenn gewünscht, sollten die Arbeitgeber immer ermöglichen. Wenn aber jemand eine Vollzeitstelle möchte, dann muss ein Betrieb sagen, ich ermögliche Vollzeit, und zwar auch dann, wenn die interne Organisationsstruktur vielleicht etwas schwieriger wird. Wir, besonders die Frauen, die diesen Beruf ausüben, müssen doch an morgen denken, wir müssen an die Rente denken. Das muss ermöglicht werden. Vielleicht muss es hier zu stärkeren gesetzlichen Vorgaben kommen, damit die Arbeitgeber mitgenommen werden.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Frau Grönert hat ja noch einmal die Bundesregierung gelobt. Ich sage dazu: Ja, endlich, nach acht Jahren des Stillstandes hat Herr Gröhe als zuständiger Minister das PSG II und das PSG III auf den Weg gebracht. Es ist endlich geregelt worden, dass auch für an Demenz Erkrankte etwas getan wird. Ich kann jetzt aber nicht in Jubel ausbrechen, sondern ich sage, endlich, das war absolut überfällig, und es war auch auf den letzten Drücker.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Die Länder waren hier auch schon mehr als ungeduldig.

Ich werde jetzt nicht ausführlich über das Wohn- und Betreuungsgesetz sprechen, weil dafür eine weitere Debatte vorgesehen ist, und es ist hier und heute auch schon einiges kritisch angesprochen worden. Ich will jedoch, wenn wir über das Gesetz sprechen, meine Chance nutzen, die vielen positiven Dinge, die wir mit diesem Gesetz regeln, vorzustellen.

Wir haben ein umfangreiches Anhörungsverfahren durchgeführt, und zwar eine vierstündige Anhörung, an der auch die Fraktionen beteiligt gewesen sind. Jede Person im Raum konnte seine Idee und seinen Vorschlag vortragen, und wir haben das Gesagte umfassend diskutiert. Während der Anhörung hat man ganz deutlich das Spannungsfeld zwischen den Anbietern

und den Anliegen, die beispielsweise die Gewerkschaften, pflegende Angehörige und die einzelnen Interessenvertretungen vorgetragen haben, bemerkt. Die unterschiedlichen Interessen in einem handhabbaren Gesetz abzubilden, das nicht zu bürokratisch ist, aber das auch die Menschen schützt und das Thema Würde in der Pflege in den Mittelpunkt stellt, ist die Aufgabe des Sozialressorts. Wir werden einen Entwurf hier vorstellen und zur Abstimmung stellen.

Ich glaube, für den Personalschlüssel in der Nacht, der hier ausführlich diskutiert worden ist, haben wir in den Verhandlungen, die jetzt schon laufen, mit den einzelnen Trägern einen guten Weg gefunden, um zu Verbesserungen zu kommen. Es wurde ja gesagt, wenn ihr uns vorschreibt, dass wir das verbessern sollen, dann müssen wir entgegnen, dass wir keine Mitarbeiter am Markt finden. Ihr müsst mit uns auf den Weg gehen - wir machen uns auf den Weg -, dass wir die Mitarbeiter finden können und dass ihr uns das auch finanziert. Wir befinden uns jetzt auf diesem Weg. Wir haben gesagt, wir versprechen nicht das Blaue vom Himmel herunter, nämlich ein Ziel, dass niemand erreichen kann, sondern wir sagen, bis 2020 - und dann kommt auch die bundesweite Personalbemessung, die alle Länder vergleichbar macht - werden wir das geschafft haben.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Also, es gibt viele Baustellen im Bereich der Pflege.

Von Herrn Buhlert ist eben gerade noch einmal angesprochen worden - das will ich noch einmal sagen -, dass die Krankenkassen 1 Milliarde Euro Überschüsse im Jahr erwirtschaften. Dazu fiel mir nur ein, dass das System an dieser Stelle nur krank sein kann. Wir brauchen dieses Geld in der Pflege. Ich möchte, dass dieses Parlament das Vorgehen der Länder unterstützt, dass sich die Kassen auf den Weg machen, besser zu bezahlen, und zwar genauso, wie wir uns als Land als Kostenträger auch auf den Weg machen müssen. Diese Debatte muss aus meiner Sicht aus den Ländern angestoßen werden. Ich sehe im Augenblick nicht, dass sie auf Bundesebene durch die Pflegekassen oder durch die Krankenkassen selbst angestoßen wird.

In den Krankenhäusern ist in den letzten Jahren viel zur Verbesserung der Situation der Ärzte getan worden. Die Ärzte haben eine gute Lobby. Deswegen ist in Bremen eine intensive Diskussion zur Einrichtung einer Pflegekammer geführt worden. Wir haben eine Angestelltenkammer, die diese Interessen wahrnehmen muss, und zwar auch für die Beschäftigten in

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der Pflege. Die Gewerkschaften müssen sich auch in diesem Bereich engagieren. Es muss mehr passieren. Wir benötigen Menschen an den Betten, und es sind Krankenpfleger in den Krankenhäusern notwendig.

Jetzt komme ich noch einmal auf den Anlass der heutigen Debatte zurück. Es gibt ein Bündnis, das sich für mehr Pflegekräfte in der Krankenpflege im Krankenhaus einsetzt. Das ist notwendig. Das unterstützt die Koalition ausdrücklich, auch wenn wir uns noch nicht über die Zielzahlen verständigt haben. Wir benötigen mehr Pflegekräfte, die sich im Krankenhaus um die Menschen kümmern.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Zum Schluss möchte ich noch zu den kritischen Bemerkungen im Hinblick auf das Thema dieser Aktuellen Stunde und den Hinweis, dass Bundestagswahlkampf sei, anführen, dass dieses Parlament doch eigentlich stolz darauf sein muss, dass sich in den Reihen dieses Hauses Kandidatinnen und Kandidaten befinden, die für den Bundestag kandidieren. Das stärkt doch unser Haus. Das stärkt doch die Vertretung unseres Landes. Wenn Menschen in der politischen Arbeit erfahren sind und ein Mandat für den Bundestag erringen, dann wird das Land im Bundestag gehört werden. Es sind mehrere Kandidatinnen und Kandidaten vorhanden. Wir sollten gemeinsam darauf stolz sein, finde ich, dass sich Menschen dafür interessieren.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Es klang eben in unseren Ohren schon leicht anrüchig, dass man für den Deutschen Bundestag kandidiert.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Wir haben es be- griffen!)

Ich finde, es ist eine großartige Sache, und es ist wirklich schwierig, im Bundestag die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu vertreten. - Danke schön!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist das erste Thema abgearbeitet.

Wir kommen nun zum zweiten Thema.

Das Thema lautet:

„170 Millionen Euro sind genug: Keine neuen Subventionen für die Jacobs University“

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen aktuellen Anlass, diese Frage neu zu stellen. In der letzten Woche ist der Geschäftsbericht der Jacobs University für das Jahr 2016 veröffentlicht worden. Meines Erachtens gibt dieser Geschäftsbericht noch keinen Anlass zu hoffen, dass der geplante Sanierungskurs der Jacobs University, nämlich ab 2018 mit deutlich weniger Zuschüssen auszukommen, von Erfolg geprägt ist.

Ich möchte vorwegschicken, dass in den letzten zwei, drei Jahren durch die Präsidentin Frau Windt gute Arbeit geleistet worden ist. Sie hat viel erreicht. Es werden deutlich weniger Professorinnen und Professoren als früher beschäftigt. Die Summe der Drittmittel hat zugenommen, und die Zahl der Studenten hat sich erhöht. Wenn man aber in einem Geschäftsbericht ausführt, dass sich die Ausgaben belaufen sich auf 50 Millionen Euro belaufen und dass man aus eigener Kraft etwa 30 Millionen Euro einnimmt, dann klafft zwischen Einnahmen und Ausgaben immer noch eine Lücke von circa 20 Millionen Euro, die über einen Zuschuss gedeckt werden muss. Ich finde nach wie vor, dass diese Lücke zu groß ist. Seit zehn Jahren hat sich hier nichts Substanzielles geändert.

(Beifall DIE LINKE)

Der zweite Punkt, aus dem ich skeptisch bin, dass die Vereinbarung, ab 2018 mit einem Zuschuss von ungefähr neun Millionen Euro von der Jacobs-Stiftung auskommen zu können, nicht einhaltbar ist, ist die Tatsache, dass man in diesem und im nächsten Jahr deutlich mehr Sanierungserfolge vorweisen müsste, als in den zurückliegenden Jahren. Ich habe es einmal ausgerechnet: Wenn man acht Millionen Euro Differenz weniger haben will, dann muss man ungefähr 35 Prozent des Personals entlassen. Das wird entsprechende Auswirkungen auf die Forschung und Lehre haben. Die Alternative dazu ist, dass sich die Zahl der Studentinnen und Studenten von 1 250 auf 1 800 erhöht, damit die erhöhten Einnahmen die Lücke decken.

Ich finde, es ist an der Zeit - und deswegen auch diese Aktuelle Stunde -, dass Bremen der Kontrollpflicht, die Bremen eingegangen ist, nachkommt und einmal nachfragt, wie das möglich sein soll. Sind überhaupt genug Räume für 1 800 Studentinnen und Studenten vorhanden? Besteht die Chance, dass genug Wohnräume vorhanden sind? Ist überhaupt die Lehrkapazi

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tät vorhanden, um mit den verbliebenen Professorinnen und Professoren 1 800 Studentinnen und Studenten unterrichten zu können? Wie hoch ist die Chance, dass tatsächlich 1 800 Studentinnen und Studenten ein Studium aufnehmen werden? Diese Fragen müssen gestellt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn man diese Frage nicht stellt, dann ist man seiner selbst gewählten Verpflichtung, den Sanierungskurs zu kontrollieren - der Rechnungshof hat moniert, dass das in der letzten Zeit überhaupt nicht der Fall gewesen ist, und er hat sozusagen eine Nachbesserung gefordert -, nicht nachgekommen. Ich fordere heute, dass noch in diesem Jahr erklärt wird, wie das funktionieren soll und ob die Hoffnung besteht, dass die Jacobs University im nächsten Jahr mit den dann zur Verfügung stehenden Zuwendungen auskommt. Dafür besteht eine Verpflichtung aus dem Vertrag zwischen der Jacobs University der Jacobs-Stiftung und dem Land Bremen. Dieser Verpflichtung muss nachgekommen werden, und das ist bisher nicht geschehen.

(Beifall DIE LINKE)

Insgesamt sind bisher 170 Millionen Euro öffentliches Geld in die Jacobs University geflossen. Deutlich mehr hat die Jacobs-Stiftung bereitgestellt. Ich finde, es ist an der Zeit, die öffentliche Unterstützung dieses Geschäftsmodells einzustellen.

(Beifall DIE LINKE)

Das Geschäftsmodell Privatuniversität ist wirtschaftlich nicht tragfähig. Das muss man erkennen. Denn eigentlich war daran gedacht, dass eine solche Universität einen Kapitalstock hat, also Geld auf der hohen Kante, und dass die laufenden Kosten von den Zinsen beglichen werden können. Wenn das der Fall wäre, dann würde das Geschäftsmodell tragfähig sein.

(Abg. Frau Sprehe [SPD]: Es gibt doch keine Zinsen!)

Seit der Gründung ist die Universität von diesem Geschäftsmodell weit entfernt. Sie hat dieses Geschäftsmodell nicht einmal annähernd erreicht. Sie hat immer darauf gehofft, dass sie einerseits von der Jacobs-Stiftung und andererseits von der öffentlichen Hand unterstützt wird.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Sie wären aller- dings trotzdem dagegen!)

So lange, wie dieses Geschäftsmodell nicht funktioniert und weil es nicht funktioniert, muss die Unterstützung von der öffentlichen Hand eingestellt werden. Eine weitere Unterstützung finde ich auch angesichts der Tatsache, dass mittlerweile in Bremen an den Hochschulen ein Sanierungsstau von ungefähr 100 Millionen Euro an den Schulen einen Sanierungsstau von ungefähr 675 Millionen Euro besteht, nicht richtig. Die 170 Millionen Euro, die der Jacobs University zur Verfügung gestellt worden sind, fehlen an unseren Hochschulen und an unseren Schulen. Meines Erachtens geht das nicht!

(Beifall DIE LINKE)

Ich möchte noch eine weitere Anmerkung zu solchen privaten Einrichtungen machen, obwohl ich kein Bildungspolitiker bin. In diesem Hause gilt eigentlich der Konsens, dass die Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein darf. Die öffentliche Unterstützung von Privatschulen und von privaten Hochschulen untergräbt diesen Konsens, denn wir machen deutlich, dass man Bildung in jedem Land für Geld kaufen kann. Das Geld fehlt an anderer Stelle, an der man auf kostenlose Bildung angewiesen ist.