Protocol of the Session on June 14, 2017

Was nützt uns die Selbstständigkeit, wenn wir uns hier mit einem sinnlosen OTB quälen, wenn wir es als Problem betrachten, dass Siemens erfolgreich in Cuxhaven tätig ist, wenn wir den JadeWeserPort in einer Konkurrenzsituation zum Hamburger Hafen betrachten, wenn wir es nicht schaffen zu sagen, wir hier im Norden sind eine Region mit einer Industrie und einem gemeinsamen Interesse und wenn wir keine Antwort darauf finden, auf welche Weise wir das befördern können. Als schwächster Player in einem Spiel ist doch der Status der Unabhängigkeit nicht unbedingt mein Vorteil.

Wenn dieser Status vorhanden ist und wenn ich diesen Vorteil nutzen will, dann muss ich doch sagen, was ich genau mit diesem Vorteil machen will. Was macht genau die Unabhängigkeit Bremens so wertvoll? Welches Ziel haben Sie für dieses Land, wohin wollen Sie?

An dieser Stelle kann ich nur die Bitte wiederholen, die ich in der Debatte zu einer früheren Regierungserklärung an Sie gerichtet habe: Bitte erklären Sie uns Ihr Konzept! - Vielen Dank!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Liess.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nach den letzten Redebeiträgen zum Ausgangspunkt der Debatte zurückkommen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte auch insofern das Kontrastprogramm hier bereichern. Wir haben eben gerade jede Menge Kritik gehört. Ich glaube, dass mit

der Verabschiedung des neuen Länderfinanzausgleichs das Land Bremen mit seinen beiden Städten tatsächlich in eine neue Phase eingetreten ist.

(Beifall SPD)

Die Sanierungshilfe erlaubt es, politische Schwerpunkte zu setzen und weiterhin eine eigenständige Politik zu betreiben,

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

nämlich eine eigenständige Politik im Bereich Häfen, im Bereich Wissenschaft, im Bereich innere Sicherheit, im Bereich Bildung, es betrifft fast alle Politikbereiche. Die Eigenständigkeit des Landes Bremen ist nach meiner festen Überzeugung mit diesem neuen Länderfinanzausgleich gesichert. Der Länderfinanzausgleich schafft Spielräume, die wir sehr lange nicht gehabt haben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist ein großer Erfolg. Ich danke allen Beteiligten, und zwar unabhängig von der parteipolitischen Präferenz, denn es hat über alle Fraktionen, über alle Parteien hinweg ein gemeinsames bremisches Interesse gegeben. Allen sei dafür noch einmal ausdrücklich Dank gesagt!

Der Erfolg ermöglicht es, die Lebensverhältnisse in Bremen und Bremerhaven, dem grundgesetzlichen Auftrag folgend, wie in anderen Regionen der Republik gleich gestalten zu können. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn sich das Land Bremen nicht als verlässlicher Partner im Konzert der anderen Länder und des Bundes erwiesen hätte. Wenn wir nicht die Vorgaben des Stabilitätsrats eingehalten hätten und uns beispielsweise über die Obergrenze hinaus verschuldet hätten oder keine Eigenanstrengungen unternommen hätten, um die Finanzsituation unseres Landes zu verbessern, dann wäre unsere Verhandlungsposition ungleich schlechter gewesen.

Da die Eigenanstrengungen, wie beispielsweise Steuererhöhungen, nicht gerade eine Freude sind, wenn man sich mit Bremer Nachbargemeinden um den gleichen Kuchen streiten muss, dann ist es klar, dass es in der Tat Eigenanstrengungen waren, die uns zum Teil auch schwergefallen sind und die auch wehgetan haben. Mit dem Stand des Sanierungsberichts aus dem April 2017 haben wir für den Zeitraum 2012 bis 2016 eine Haushaltsentlastung von insgesamt 1,04 Milliarden Euro erreicht. Die Deckungsquote ist von 73,2 Prozent im Jahr 2010 auf 94,4 Prozent im Jahr 2016 gestiegen. Der

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Primärsaldo ist seit 2015 positiv. Die Verschuldungsobergrenze wurde zu keiner Zeit gerissen. Damit ist klar, dass der Senat die auferlegten Ziele erreicht hat, sodass wir auch für 2016 wieder die 300 Millionen Euro bekommen werden. Unser Land hat sich als verlässlicher und glaubwürdiger Partner erwiesen. Für die für uns positive Entscheidung der Beratungen im Länderfinanzausgleich war das eine wichtige Grundlage.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir werden den Verpflichtungen, die wir mit der Sanierungsvereinbarung eingegangen sind, auch bis zum Ende des Jahres 2019 nachkommen. Das wird uns beim aufzustellenden Doppelhaushalt für die Jahre 2018/2019 vor etliche Probleme stellen. Dessen bin ich mir sehr bewusst. Ich bin mir aber auch sehr bewusst - und ich bin sehr zuversichtlich -, dass wir diese Probleme lösen können und auch lösen werden. Es wäre schön gewesen, wenn man mit dem Bund und den anderen Ländern eine Übergangsregelung erreicht hätte. Ich muss aber zur Kenntnis nehmen, dass das kein realistischer Ansatz ist, insofern haben wir jetzt zwei weitere schwierige Jahre vor uns.

Hinsichtlich der Bewertung des bisherigen Sanierungspfads gibt es aber auch bei allen nach außen zu tragenden positiven Zahlen eine andere Seite, und diese Seite kann man auch nicht verschweigen. Die Sparanstrengungen haben über diesen langen Zeitraum - und es ist ja nicht nur der Sanierungszeitraum, in bestimmten Bereichen haben wir auch schon vorher Sparanstrengungen unternommen - im Vergleich zu anderen Ländern im Hinblick auf die Leistungen des Staates gegenüber seinen Bürgern zu Ungleichgewichtungen geführt. In einigen Bereichen ist ein Sanierungsstau vorhanden. Über die Schulsituation haben wir gestern geredet. Die Schulen sind jedoch nur ein Teil des Problems, und auch das ist hier heute schon ausgeführt worden.

Unsere gesamte Infrastruktur bedarf einer stärkeren Unterstützung. Wir haben zunehmend Probleme, die öffentlichen Aufgaben adäquat wahrnehmen zu können. Das lange andauernde PEP hat den öffentlichen Dienst in einigen Bereichen - das sehen wir auch so - an die Grenze geführt. Ich bin mir im Übrigen sicher, dass jede Abgeordnete und jeder Abgeordnete noch andere Bereiche finden würde, um zu sagen, dort haben wir etwas nachzuholen. Es besteht in der Tat Nachholbedarf.

Gleichzeitig wissen wir, dass beide Städte wachsen. Der Bevölkerungszuwachs erfordert

weitere Anstrengungen: Es geht um Wohnraum, um die Schaffung von Arbeitsplätzen und um die Sicherstellung der sozialen Versorgung, beispielsweise mit Schulen und mit Kitas. Wachstum ist für uns dabei keine Belastung, wir wollen Wachstum. Wir wollen, dass Menschen ihren Lebensmittelpunkt hier finden, hier Arbeit haben und sich in einer Stadt mit hoher Lebensqualität wohlfühlen, und zwar auch aus fiskalischen Gründen. Zusätzliche Einwohner helfen uns, sie bedeuten aber auch eine Verpflichtung, die Zukunft zu gestalten.

(Beifall SPD)

Die Politik muss sich mit der Beschaffung von Wohnraum beschäftigen. Sie muss sich damit um die Flächenpolitik kümmern. Sie muss ihren Beitrag leisten, damit Menschen Beschäftigung finden. Sie muss damit prüfen, wie gute Bedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung geschaffen werden können. Dabei muss eine solche Politik sowohl den besser als auch den gering Qualifizierten gerecht werden. Die Politik muss Sorge für eine qualifizierte Bildung und Ausbildung tragen. Das gilt gewissermaßen von der Wiege bis zur Bahre, wir nennen das heute das lebenslange Lernen. Nur dann, wenn wir auch für die Fortbildung im Berufsleben sorgen, kann den Anforderungen im Rahmen der Industrie 4.0 Rechnung getragen werden.

Der Bürgermeister hat soeben dargestellt, dass der Senat eine Zukunftskommission mit einem beigeordneten Zukunftsrat etablieren will. Innerhalb von Perspektivgruppen soll sich der Themen angenommen werden, die für die zukünftige Entwicklung unseres Landes Relevanz haben. Es wird um die Infrastruktur gehen, um die Stadtentwicklung und um die Qualifizierung. Es ist eine Einladung an beide Stadtgesellschaften, sich an der Zukunftsgestaltung zu beteiligen. Das halten wir für einen guten und für einen richtigen Ansatz.

(Beifall SPD)

Er eröffnet die Chance, gemeinsam für die Politik der Zukunft der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre Schwerpunkte zu erarbeiten und dann aber auch finanziell zu hinterlegen. Anlass - und auch Anlass der Debatte - ist der finanzielle Spielraum, der ab 2020 entsteht. Dabei ist aber auch heute schon klar, dass nicht alles auf einmal möglich sein wird. Es ist auch klar, dass wir nicht von 400 Millionen Euro reden, die wir tatsächlich einsetzen können, denn es ist ja vereinbart, dass wir mit durchschnittlich 80 Millionen Euro jährlich Schulden abbauen. Wir reden also nicht über 400 Millionen Euro, sondern wir reden über eine andere Summe.

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Deshalb wird es, wenn wir von der Zukunftsgestaltung reden, auch nicht nur um die Verteilung von Geld gehen, sondern vor allen Dingen auch darum, wie der Einsatz von Geld nachhaltig den Zusammenhalt unserer Städte im Inneren befördern kann und welche Maßnahmen zur Stärkung unserer beiden Städte in wirtschaftlicher und fiskalischer Hinsicht, aber auch für die Lebensqualität notwendig sind.

Meine Damen und Herren, für mich ist heute ein Aufschlag gemacht worden. Es ist der Aufschlag gemacht worden, die Debatte offen und bereit in den Stadtgesellschaften zu führen, wie die Zukunft zu gestalten ist. Wir alle sollten diese Diskussion nutzen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Eckhoff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich bei allen bedanken, die an den Verhandlungen in den letzten Jahren beteiligt waren, die für Bremen verhandelt haben, sich engagiert haben und die dieses Ergebnis erzielt haben. Ich sage es ganz deutlich, insbesondere gilt mein Dank dem ehemaligen Bürgermeister Jens Böhrnsen, der vieles davon vorbereitet hat.

(Beifall CDU)

Mein Dank geht aber auch an unsere Verhandlungspartner: dem Bundesfinanzministerium, den Bundestagsfraktionen und der Ministerpräsidentin des Saarlandes, denn dort gab es ja auch eine Abstimmung. Ich glaube, ohne eine Zusammenarbeit mit dem Saarland wäre vermutlich ein solches Ergebnis gar nicht erzielbar gewesen. Insofern geht mein Dank also auch an die Landesregierung des Saarlands.

Herr Bürgermeister, wir waren umso mehr auf Ihre Ausführungen gespannt, weil Sie uns in den letzten Wochen und Monaten immer wieder gesagt haben, ich möchte nicht verraten, was wir mit dem Geld machen wollen, bevor das Verhandlungsergebnis unter Dach und Fach ist, und zwar nach dem Motto: Das Fell des Bären soll nicht verteilt werden, bevor er erlegt worden ist. Dafür hatten wir großes Verständnis. Deshalb konnten Sie Ihre erste Ankündigung, bis Ende März etwas vorzulegen, wie Sie es auf einer Podiumsdiskussion der Handelskammer angekündigt hatten, nicht einhalten.

Der Bär ist nun aber erlegt, und wir waren heute auf Ihre Vorschläge gespannt, wie Sie mit der Zukunft unseres Landes umgehen wollen. Ich muss sagen, ich habe die 21 Minuten und 20 Sekunden, die Sie geredet haben, zugehört, und das Einzige, das ich von ihnen gehört habe, ist: Ich habe eigentlich keine Antworten, und deswegen richten wir jetzt erst einmal eine Zukunftskommission ein. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine solch schwache Antwort ist in unserer Situation beim besten Willen für eine Landesregierung als nicht angemessen anzusehen.

(Beifall CDU)

Endgültig gespannt war ich darauf - vor allen Dingen nach den Veröffentlichungen in den letzten Tagen in den Medien -, welche Namen, welche Hochkaräter uns für die Zukunftskommission präsentiert werden würden. Das erste Ergebnis ist: Die Senatoren sind Mitglieder der Zukunftskommission. Herr Kommissionsvorsitzender, wir sind sehr gespannt, welche Vorschläge Sie uns in den nächsten Monaten in Ihrer Eigenschaft als Kommissionsvorsitzender unterbreiten werden. Wir hätten heute allerdings von Ihnen die Antworten als Präsident des Senats erwartet. Dieser Erwartung sind Sie leider überhaupt nicht nachgekommen.

(Beifall CDU)

Man kann sich darüber natürlich negativ lustig machen und sagen: Ich bin nicht mit dem einverstanden, was die FDP gesagt hat. Ich bin auch nicht mit dem einverstanden, was DIE LINKEN gesagt haben, und ich bin nicht damit einverstanden, was die CDU vorgeschlagen hat. Unsere Vorschläge nannten Sie sogar weltfremd. Im Gegenteil zu Ihnen, haben wir wenigstens etwas vorgeschlagen, wie die Zukunft unseres Landes aussehen soll. Sie haben heute lediglich 21 Minuten lang einen wissenschaftlichen Beitrag ohne einen konkreten politischen Inhalt gehalten.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen uns, glaube ich, noch einmal in Erinnerung rufen, für welchen Zweck uns diese Mittel maßgeblich zur Verfügung stehen. Sie stehen uns für die Steigerung der Finanz- und Wirtschaftskraft und für den Schuldenabbau zur Verfügung. Wir haben es uns in unserer Fraktion natürlich nicht leicht gemacht, die grundsätzliche Entscheidung zu treffen, dass wir mit dem überwiegenden Teil der Mittel, die wir bekommen werden, Schulden tilgen wollen. Wir

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haben jedoch eine Abwägung getroffen, Herr Bürgermeister, und überlegt, welche zukünftigen großen Probleme wir haben. Von der Finanzsenatorin wird uns eines immer wieder gesagt: Die Schulden unseres Landes hängen wie ein Mühlstein um unseren Hals. Weil das so ist und weil wir trotz aller gemeinsamen Anstrengungen, die wir auch wieder in dieser Bürgerschaftssitzung unternehmen, um Zinsbelastungen in den kommenden Jahren zu reduzieren, ist es klar, dass die Zinsen irgendwann wieder steigen werden.

Es ist nicht möglich, Zinssicherungsgeschäfte für 50, 60, 70 oder 80 Jahre - wenn es nach Ihren Vorstellungen geht, sogar für 275 Jahre - abzuschließen. Meine Damen und Herren, irgendwann wird die Zinsspirale wieder zuschlagen. Aus diesem Grund ist die Reduzierung der Schulden wichtig. Herr Bürgermeister, selbst bei unserem Vorschlag wird es noch 55 Jahre dauern, bis wir die bremischen Schulden abgetragen haben. Deshalb haben wir uns auch dazu durchgerungen zu sagen, wir wollen den überwiegenden Teil der Mittel für die Schuldentilgung verwenden.

(Beifall CDU)

Mit unserem Antrag haben wir Ihnen sechs Vorschläge unterbreitet. Es bleiben noch 87 Millionen Euro übrig, die sich jedes Jahr entsprechend anpassen werden, und es kommt zu Zinseinsparungen. Sie vergessen immer, dass wir ansonsten einen Haushalt haben, der fünf Milliarden Euro umfasst. Wenn sich die wirtschaftliche Entwicklung - hoffentlich nach einem positiven Ausgang für die CDU bei der Bundestagswahl - in diesem Jahr fortsetzen wird, dann werden sich auch die Steuereinnahmen, meine sehr verehrten Damen und Herren, positiv entwickeln und den Haushalt positiv beeinflussen. Sie tun so, als ob es den Haushalt gar nicht mehr gäbe. Natürlich müssen wir dort entsprechende Anpassungen, Veränderungen und Notwendigkeiten berücksichtigen.

Wir haben sechs Schwerpunkte definiert, für die wir die Mittel einsetzen wollen: das ist die Gewinnung von zusätzlichen Einwohnern, das ist die Gewinnung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, das ist die Stärkung des Industriestandorts, das ist die bessere Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft und die damit verbundene Schaffung von Arbeitsplätzen in diesen Bereichen.