Wir sollen außerdem beschließen, dass die Türkei in der NATO weiterhin eine wichtige Rolle einnimmt und dass wir die Bundesregierung in dieser Auffassung unterstützen. Ihrer Ansicht nach ist die Türkei für die NATO also gut genug, für Beitrittsverhandlungen zur EU aber nicht? Das erscheint mir doch etwas von einer Doppelmoral geprägt.
Wir sollen beschließen, dass wir die Auffassung der Bundesregierung unterstützen, dass die demokratischen und oppositionellen Kräfte sowie die Meinungs- und Pressefreiheit tatkräftig unterstützt werden sollen. Wie stellen Sie sich eine tatkräftige Unterstützung der Meinungs- und Pressefreiheit vor? Unser Bekenntnis zur Meinungs- und Pressefreiheit haben wir bereits im August 2016 abgegeben. Sind Sie wirklich der Ansicht, dass wir jede demokratische und jede oppositionelle Kraft in der Türkei unterstützen sollten, auch die diejenigen, die bei uns verboten sind? Das bezweifle ich aber sehr.
Schön an Ihrem Antrag finde ich auch, dass wir die Auffassung der Bundesregierung in Bezug auf das friedliche Zusammenleben von Menschen türkischer Nationalität oder türkischen Ursprungs in Bremen und Bremerhaven teilen sollten. Es hat mich sehr überrascht, dass die Bundesregierung zu Bremen und Bremerhaven eine spezielle Auffassung hat, die die türkischstämmigen Bürgerinnen und Bürger anbelangt, aber wenn dem dann so sei, dann finde ich das großartig.
Wir haben das allerdings - und das ist dann mein vorletzter Satz - im August 2016 schon einmal deutlich besser formuliert und jetzt zitiere ich noch einmal aus diesem Beschluss: „Die Bürgerschaft hat Verständnis für die Anteilnahme, insbesondere türkischstämmiger Mitbürger in unseren beiden Städten, an den Ereignissen und den Entwicklungen in der Türkei.
Der Dialog auf Gegenseitigkeit, auch mit den türkischen Vereinen und Verbänden, bleibt dabei die einzig akzeptable Form der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Sie erwartet deshalb auch zukünftig friedliche und demokratische Form der Meinungsäußerung und der Austragung unterschiedlicher politischer Positionen, die sich auch in der Türkei wie bei uns finden. Toleranz und gegenseitiger Respekt bleiben unabdingbare Voraussetzungen jedweder Auseinandersetzungen in der Sache und sind die beste Prävention vorpolitischer Gewalt. Einem Import des Konflikts ist gegebenenfalls, auch mit Mitteln des Rechtsstaats, entgegenzutreten.“ - Vielen Dank!
Kollegin Grotheer, ich hätte nicht gedacht, dass wir hier jetzt in ein Wortgefecht geraten, aber nachdem Sie hier Wortspielereien mit unserem Antrag angefangen haben,
(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Nein, das steht in Ihrem Antrag! - Abg. Güngör [SPD]: Sie hat ganz klar zitiert!)
muss ich kurz darauf eingehen! Demokratische oppositionelle Kräfte in der Türkei sind in Deutschland nicht verboten.
Unter Ziffer 1 unseres Antrags haben wir extra nicht die Worte benutzt, dass die EU-Beitrittsverhandlungen auszusetzen oder abzubrechen sind, sondern nur bekräftigt, dass die Beitrittsperspektive unter diesen Bedingungen derzeit bis auf Weiteres ausgeschlossen ist. Wir haben niemals beantragt, die EU-Beitrittsgespräche abzubrechen. Das ist auch deutsche Sprache, einfach einmal ein bisschen lesen!
Die EU-Außenbeauftragte Mogherini hat Ende April erklärt, der Beitrittsprozess ginge weiter. Türkischstämmige Landtagsabgeordnete aus ganz Deutschland waren vor ein paar Wochen von Außenminister Gabriel nach Berlin eingeladen, wo Herr Gabriel auch bekräftigt hat, dass wir, selbst wenn die Kommunikation jetzt zwischen den Staatsapparaten nicht funktioniert, mit der türkischen Regierung, mit Erdogan nicht funktioniert, den Kontakt zu den demokratischen Kräften in der Türkei und zu den Bürgern aufrechterhalten. Dass Sie hier jetzt eine andere Meinung zu vertreten scheinen, überrascht mich schon ein bisschen.
(Beifall CDU - Abg. Frau Grotheer [SPD]: Jetzt möchten Sie mich aber auch missverstehen! - Abg. Frau Böschen [SPD]: Dann hätten Sie das Wort „und“ streichen müssen! - Abg. Röwe- kamp [CDU]: Das ist jetzt Wortspielerei!)
Wir legen Wert darauf, dass durch dieses Referendum das Verhältnis in Deutschland zwischen den türkischen Bürgern mit türkischem Ursprung und der deutschen Bevölkerung nicht gespalten wird. Darauf legen wir Wert!
Natürlich ist zu analysieren, warum es zu diesen 63 Prozent gekommen ist. Das müssen wir analysieren, daran sind wahrscheinlich hier alle schuld. Es mag an der Bildung liegen, es mag an der Aufklärung liegen. Einen bestimmten Prozentsatz kann man nie ausschließen, aber dass diese Zahl so hoch ausgefallen ist, dafür müssen wir uns alle an die Nase fassen.
Ich möchte noch etwas zum Kollegen Tuncel sagen! DIE LINKE fordert immer wieder, dass die Türkei aus der NATO ausgeschlossen wird, deswegen wahrscheinlich auch der Grund für die getrennte Abstimmung.
(Abg. Frau Leonidakis [DIE LINKE]: Wir wollen die NATO auflösen! - Abg. Röwekamp [CDU]: Und zwar Stück für Stück!)
Ja, Stück für Stück! Die Türkei ist der einzige NATO-Partner, der im Kampf gegen den IS Bodentruppen eingesetzt hat, und der einzige NATO-Partner, der im Kampf gegen den IS 71 Soldaten verloren hat.
Wenn man das hinten herunterfallen lässt und die Türkei nur wegen irgendwelcher Angriffe auf die kurdischen Gebiete in ihrem eigenen Staatsgebiet beschuldigt, dann ist das von Einseitigkeit geprägt, und dann können Sie auch nicht mehr verlangen, dass man ernsthaft auf Ihre Argumente eingeht.
Wir haben in unserem Antrag dargelegt, dass die Todesstrafe für die CDU eine absolute rote Linie ist. Das ist auch so, wir werden weder ein Referendum darüber in Deutschland noch die Diskussion darüber akzeptieren. Wir hoffen, dass es nicht dazu kommt, und wenn es dazu kommt, dann haben wir unsere Meinung hier ganz klar kundgetan. Diese Verfassungsänderung hat nichts mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu tun. Sie dient aus meiner persönlichen Sicht nur der Absicherung Erdogans, damit er bis zu seinem Lebensende nicht vor
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich schon sehr gewundert, als es in Ihrer Rede darum ging, Frau Dr. Müller, einen Unterschied zwischen Einfrieren und Aussetzen zu konstruieren.
Das können Sie mir gern erklären, aber wir wollen nicht, dass hier weiter verhandelt wird, weil es ein Referendum gegeben hat, das dazu geführt hat, dass dort nicht mehr ein Rechtsstaat an der Macht ist, wie wir ihn uns vorstellen. Natürlich hat er versucht, sich demokratisch lackieren zu lassen und den Anschein zu geben, er sei demokratisch legitimiert. Das ist ein Motiv, das wir immer wieder in der Geschichte finden, dass Diktatoren oder autokratische Systeme sich diesen Anstrich geben wollen und dafür Wahlen manipulieren. Das ist nicht neu. Das muss man dann aber auch benennen und deutlich sagen, und dann darf man dem auch nicht auf den Leim gehen.
Wenn wir sagen, wir wollen diese Beitrittsverhandlungen aussetzen, dann sagen wir damit doch nicht, dass wir jegliche Brücken mit der Türkei abbrechen wollen! Natürlich bleibt die Türkei für die Freien Demokraten ein Mitglied der NATO, aber wir müssen trotzdem auch wahrnehmen, dass dort Gespräche und natürlich Diskussionen auf dieser Ebene stattfinden, dass die Türkei einen IS-Kampf geführt hat - aber nicht nur einen IS-Kampf, sondern auch einen Kampf gegen die kurdische Minderheit - und man zumindest als Beobachter nicht immer klar sehen konnte, was dort gerade passierte. Insofern muss man da auch weiter sprechen und auch dort ganz klar sagen, was man richtig und was man nicht richtig findet an dem, was der NATO-Partner Türkei macht. Da kann man auch nicht einfach sagen, wie der Redner von der CDU, alles gut. So einfach alles gut ist das nicht an der Stelle!
Natürlich müssen wir uns Wege und Diskussionsmöglichkeiten offenhalten, aber ist es denn so schlimm, wenn wir diesen Weg der Beitrittsverhandlungen dann nicht mehr haben? Frau
Dr. Müller, Sie sagen, wenn das Referendum da war und die Todesstrafe eingeführt ist, dann ist auch diese Diskussionsmöglichkeit weg, dann haben wir die Kontrollmöglichkeiten nicht mehr. Wir haben bei anderen Staaten diese Kontrollmöglichkeiten auch nicht mehr, aber trotzdem pflegen wir Kontakte. Wir wollen die Städtepartnerschaft, wir wollen wissenschaftliche Kooperationen und Zusammenarbeit in der Zivilgesellschaft, das wollen wir mit der Türkei erhalten. Wir hoffen ja auch darauf, dass die Türkei den Weg zurückfindet, aber mit dieser Türkei, wie sie jetzt konstituiert ist, geht es nicht mehr, und das ist nichts gegen die Türken, sondern etwas gegen dieses Regime.