Protocol of the Session on May 10, 2017

(Beifall FDP, DIE LINKE)

Es ist doch eher das Gegenteil der Fall. Wie Ihre eigenen Zahlen zeigen, werden Leiharbeiter in Lehre und Erziehung seit 2012 über das ganze Jahr hinweg eingesetzt. Sie greifen für diese planbaren und absehbaren Bedarfe auf Leiharbeiter zurück. Das darf in so einem wichtigen Bereich einfach nicht sein. Ich kann das in der Wirtschaft gerade für Auftragsspitzen, für das Sich-Ausprobieren und, und, und super nachvollziehen, wie ich vorhin sagte. Das sind für mich alles gute Gründe, aber doch nicht ausgerechnet im Bereich der Lehre und Erziehung und damit ausgerechnet da, wo es um unsere Kinder geht!

(Beifall FDP)

Für mich ist es absolut untragbar und auch nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die Übernahmequoten von Leiharbeitern dort im Verhältnis wieder sehr, sehr gering sind. Ich habe beim Verband der Zeitarbeiter nachgefragt. In anderen Bereichen sind die Übernahmequoten derjenigen, die in reguläre Beschäftigungsverhältnisse übernommen werden, weitaus höher. Gerade in diesem hochsensiblen Bereich Schule sollten Menschen in einem regulären Arbeitsverhältnis arbeiten. Das, was Sie da machen, ist wirklich nicht der Sinn von Leiharbeit.

(Beifall FDP)

Neben dieser offensichtlichen Zweckentfremdung von Leiharbeit für konstanten Personalbedarf finde ich es bedenklich, dass keinerlei Informationen darüber vorliegen, wie viele Leiharbeiter ergänzende Sozialleistungen beziehen.

(Glocke)

Vielleicht sagen Sie dazu gleich noch etwas. Meine Redezeit ist leider schon zu Ende. Ich werde gleich noch einmal kurz etwas dazu sagen. Im Endeffekt sprechen Sie hier von sozialer Gerechtigkeit und von Verantwortung. Ich würde mir wünschen, dass Sie diese auch umsetzen. Das zeigen diese Zahlen leider nicht. - Danke!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tsartilidis.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Steiner, eine Entgegnung möchte ich gleich voranstellen. Sie sprechen vom Konzern Bremen und zeigen damit ein Staatsverständnis, das für mich nur schwierig nachvollziehbar ist.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Für mich ist das Bundesland Bremen vor allen Dingen dadurch ausgezeichnet, dass es eine Landesverfassung hat. In der Landesverfassung steht, was wir den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Bremen angedeihen lassen wollen. Das sehe ich als unsere Aufgabe an. Dazu gehört unter anderem auch, dass Menschen in gute Arbeitsverhältnisse kommen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Sie sagten eingangs, dass Sie der Verwaltung eine enorme Arbeit zugemutet haben. Ich möchte hinzufügen, dass die ganze Arbeit ein Stück weit sinnfrei war, wenn man sich nicht mit den beiden Spitzen aus der Antwort auseinandersetzt. Das will ich jetzt nachträglich machen.

Wie sieht die tatsächliche Lage aus? Sie skandalisieren hier einen Skandal, der nicht vorhanden ist. Sie sagen, wir hätten sehr viele Leiharbeiter, obwohl wir als rot-grüne Koalition gegen Leiharbeit sind. Im Übrigen hat der Senat, glaube ich, niemals die Worte benutzt, die Sie gerade benutzt haben, um Leiharbeit zu bezeichnen. Das würden selbst unsere SPD-Linken nicht unbedingt machen, weil das nämlich in Gänze sachlich nicht richtig ist. Ich

Landtag 3195 43. Sitzung/10.05.17

möchte aber versuchen, es zunächst einmal ansatzweise aufzuarbeiten.

Wie sieht die Lage aus? Wir haben die Stadtteilschule in der Stadtgemeinde Bremen. Ich kenne Kolleginnen und Kollegen, die in der Stadtteilschule in Bremen gearbeitet haben. Es gab in Bremerhaven ein ähnliches Konstrukt. Soweit ich weiß, sind das überwiegend Masterstudierende, die auf einen Referendariatsplatz warten. Sie versuchen, ihre Wartezeit zu überbrücken und stundenweise zu arbeiten, um in die Schule zu kommen.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Es sind trotzdem zu viele!)

Hören Sie einmal zu!

Das ist im Übrigen auch ein Weg, um Studierende an unsere Schulen und an unsere Ausbildung zu binden, denn wir haben einen riesigen Bedarf an Lehrkräften. Deshalb ist es der nächste richtige Schritt, Herr Dr. vom Bruch, die Studierenden dann als Referendare einzustellen, um sie weiter an die beiden Stadtgemeinden unseres Bundeslandes zu binden. Das muss stattfinden.

(Beifall SPD)

In einem gebe ich Ihnen recht, aber dazu muss man sagen, dass das nicht planbar war. Frau Steiner, wenn Sie bereits vorher erkannt haben, dass wir solch eine Entwicklung bei den Schülerzahlen und dass wir die Flüchtlingsbewegung haben werden, dann rate ich Ihnen, woanders zu arbeiten. Dann haben Sie ein Zukunftswissen, das selbst mit Computern und Algorithmen nicht ausgerechnet werden kann. Zumindest kenne ich keine Verwaltung, keine Statistik und kein statistisches Amt, die davon ausgegangen sind, dass wir solche explodierenden Schülerzahlen haben und Sprachvorbereitungsklassen in solch einem Rahmen notwendig werden. Dafür haben wir Kräfte aus der Arbeitnehmerüberlassung. Ihnen haben wir auch Angebote gemacht. In der Vorlage ist ganz klar ausgewiesen, dass diese in den öffentlichen Dienst übernommen werden sollen, weil wir wissen, dass die Schülerzahlen weiterhin steigen werden und wir die Leute benötigen. Das heißt, wir müssen Lehrkräfte und Personal binden. Dabei sind wir.

(Beifall SPD)

Der zweite Peak ist die BLG. Da haben Sie recht. Die BLG ist ein Unternehmen, das zum Teil staatlich kontrolliert wird, wie Sie sagen. Man muss sich einmal überlegen, wie das Geschäft der BLG aussieht. Wir waren mit dem Hafenausschuss kürzlich

dort und haben uns angeschaut - in der Beantwortung ist es auch ausgewiesen -, dass es tatsächlich bestimmte Beschäftigungsspitzen gibt, die über Arbeitnehmerüberlassung geklärt werden müssen. So weit trägt Ihre Kritik.

Schauen wir uns aber einmal an, wie die Arbeit im Hafen und zum Teil in der Spedition und der Logistik geregelt ist. Wir haben da etwas, das sich GHB nennt - Gesamthafenbetriebs-Gesellschaft. Diese Gesamthafenbetriebs-Gesellschaft ist in der Tat dafür da, Arbeitnehmerüberlassung zu organisieren, und zwar aus dem einfachen Grund, weil vor einigen Jahrzehnten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, also die Sozialpartner, auf die Idee gekommen sind, dass das Hafengeschäft atmet. Es gibt einmal mehr und einmal weniger zu tun. Wir möchten aber dafür sorgen, dass Hafenarbeit so organisiert ist, dass die Leute davon leben können und sie sich nicht als Tagelöhner auf dem Arbeitsstrich anbieten müssen und tageweise angestellt werden, wie wir das in anderen europäischen Häfen sehen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Deshalb haben wir dieses Instrument, um Hafenarbeit zu organisieren. Darauf nehmen wir als Politik übrigens keinen Einfluss. Damit sind alle Beteiligten zufrieden. Jetzt kommt die berechtigte Kritik an der BLG. Nachgeschoben kommt aber auch ein Lob an die BLG. Wir hatten eine Situation, in der Arbeitnehmerüberlassung über private Dienstleister auf einmal seitens der BLG als eine vernünftige Alternative im DC-Bereich dargestellt worden ist. Damals sind die GHB-Leute hier ins Haus und vor das Haus gekommen und haben mit uns diskutiert. Sie haben demonstriert und gesagt:

Nein, wir wollen weiter in dem Konstrukt GHB bleiben, weil die Konditionen dort besser sind als die bei privaten Dienstleistern. Wir wollen, dass die Arbeit weiterhin vernünftig zusammen mit den Sozialpartnern organisiert wird - mit Urlaubsgeld, mit vernünftigen Ansprüchen und übrigens auch mit vernünftigen Tarifabschlüssen.

Das ist nämlich auch interessant: Die Frage der Mitbestimmung ist in einem GHB anders und für den Arbeitnehmer besser organisiert als bei privaten Dienstleistern.

Natürlich verstehen wir, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lieber im GHB arbeiten wollen als bei privaten Dienstleistern. Das entlarvt ein Stück weit Ihre Auffassung, dass die privaten Zeitarbeitsunternehmen eine so wunderbare Alternative für Menschen wären, die schon in Arbeit sind. Welchen Sinn hat es denn aus Sicht der Politik,

Landtag 3196 43. Sitzung/10.05.17

dass Menschen, die im GHB in vernünftigen Arbeitsverhältnissen arbeiten, zu privaten Dienstleistern wechseln müssen, wo eine andere Situation der Mitbestimmung ist oder auch andere Tarifabschlüsse zu erwarten sind? Insofern ist das tatsächlich keine Alternative. Das sollten Sie das an der Stelle einsehen.

(Beifall SPD)

Schauen wir uns das weiter an. Anhand der Zahlen sehen wir, ja, es sind mehr Menschen eingestellt worden. In absoluten Zahlen sind mehr Menschen eingestellt worden und über die Arbeitnehmerüberlassung hinzugekommen.

(Glocke)

Ich komme gleich zum Schluss.

Prozentual gesehen geht der Anteil zurück. Ich darf das Lob an die BLG nicht vergessen. Herr Präsident, geben Sie mir dafür bitte noch Zeit! Die Wirtschaftsdeputation hat interveniert. Die Linken waren mit dabei. Rot-Grün war mit dabei. Nachdem wir kritisiert haben, dass man so nicht mit Beschäftigten umgehen darf, hat die BLG Menschen in reguläre Beschäftigungsverhältnisse übernommen. Unter anderem deswegen geht der Anteil zurück. Es sind eben nicht nur Spitzen, sondern zu erwartende Aufträge. Das hat die BLG an dieser Stelle gemacht. Wir nehmen also Einfluss, wo wir können.

Wir sind weiterhin der Auffassung, dass Arbeitnehmerüberlassung und private Dienstleister keine Alternative zu regulärer, guter und nachhaltiger Beschäftigung sind. Wir sehen da auch nicht den Widerspruch, den Sie sehen, wenn wir uns die Zahlen und die Peaks genau anschauen. - Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Lieber Kollege, das waren jetzt acht Minuten. Sollten Sie sich noch einmal melden, ziehen wir Ihnen drei Minuten ab, okay?

(Heiterkeit - Abg. Senkal [SPD]: Eiskalt, der Kol- lege!)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bergmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zeitarbeit beziehungsweise Leiharbeit hat sich in der deutschen Wirtschaft schon längst zu einer eigenständigen Branche entwickelt. Dabei gelten für Leiharbeitnehmer Tarifverträge und Gesetze,

sodass Arbeitsbedingungen, Entlohnung und andere beruflichen Fragen eindeutig geregelt sind. Zeitarbeitnehmer haben also die gleichen Rechte wie alle anderen abhängig Beschäftigten auch.

(Abg. Schmidt [SPD]: Genau!)

In Deutschland gilt anders als im Rest Europas das Arbeitgebermodell mit festem Einkommen, und zwar auch in Zeiten des Nichteinsatzes. Durch die im letzten Jahr beschlossene Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes gelten seit dem 1. April 2017 außerdem eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten sowie der Grundsatz des Equal Pay, also der gleichen Bezahlung, nach spätestens neun Monaten Beschäftigung im Kundenbetrieb. Damit wird der Grundsatz gestärkt, dass Leiharbeit nicht auf Dauer angelegt sein darf. Missbräuchen wird ein Riegel vorgeschoben.

In dem Zusammenhang verallgemeinernd von prekären Arbeitsverhältnissen zu sprechen, wie es zwar nicht heute, aber doch von SPD, Grünen und Linken immer wieder getan wird, wird der Realität nicht gerecht. Es gibt durchaus Zeitarbeitsfirmen, die sich auf hochqualifizierte und auch gut bezahlte Tätigkeiten spezialisiert haben, in denen Jahresverdienste von 80 000 Euro und mehr möglich sind. Das gilt zum Beispiel für die Leihärzte, die bei der GeNo beschäftigt sind. Es liegt also nicht am Thema „Leiharbeit“ an sich.

Daher bezeichne ich diese pauschale Kritik an der freien Wirtschaft als unaufrichtig. Wir lesen in der uns vorliegenden Antwort des Senats auf die Große Anfrage der FDP, dass sich die Zahlen der Leiharbeitsverträge zwischen 2011 und 2016 in den senatorischen Diensten fast verdreifacht, an den allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen mehr als verzehnfacht und in den Beteiligungsgesellschaften mehr als verdoppelt hat. Prozentual ist der Anteil der Leiharbeitnehmer an allen Beschäftigten mit rund 25 Prozent an den Schulen und 70 Prozent in den Beteiligungsbetrieben am höchsten.