Protocol of the Session on May 10, 2017

(Heiterkeit)

Eine Regierungspartei würde doch niemals die Legislaturperiode der künftigen Regierung verlängern; das könnte nur ein Interesse der Opposition sein.

Was will ich damit sagen?

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Wie man es macht, man macht es falsch!) Ich bin trotzdem noch hier und in Abständen wiedergewählt worden. Für mich selber war das ohne Bedeutung. Aber ich will damit sagen: Ich glaube, es gibt auf die Frage, wie lange eine Legislaturperiode dauern soll, eigentlich gar keine richtige oder falsche Antwort. Das ist schon gar keine Frage, die man strategisch für Opposition oder Regierung, links- oder rechtsherum, beantworten kann. Man kann sie auch nicht für politische Parteien in die eine oder andere Richtung entscheiden. Am Ende ist es eine Kernfrage unserer Demokratie. Dabei gibt es keine Parteien, keine Regierung und keine Opposition, sondern darüber müssen wir uns in diesem Parlament als Souverän verständigen. Das ist das, was ich aus dieser Geschichte gelernt habe und was ich nach wie vor immer noch für einen Kernbestandteil unserer demokratischen Entscheidungsprozesse halte.

Wenn ich das so sage, darf natürlich daraus abgeleitet werden, dass ich ein Anhänger der Verlängerung der Legislaturperiode bin. Aber unbeschadet der Frage, welche Funktion wir gerade ausüben oder in Zukunft ausüben werden, gibt es auch Bedenken gegen die Verlängerung der Legislaturperiode. Ich glaube, das ist kein Alleinstellungsmerkmal der CDU.

Ich habe einmal versucht, bei all den Debatten, die in den Landtagen außerhalb von Bremen stattgefunden haben, herauszufinden, wie eigentlich welche Position begründet wurde. So richtig überzeugt hat mich von den Argumenten keines, um das einmal ehrlich zu sagen.

Dann habe ich einmal geschaut, wann sich eigentlich der Bundestag, der neben der Bürgerschaft

auch noch für vier Jahre gewählt wird, einmal intensiv mit dieser Frage beschäftigt hat. Ich habe alle meine Hoffnung auf den Bericht einer EnqueteKommission des Bundestages und des Bundesrates aus Anlass der Wiedervereinigung Deutschlands zu der Frage, wie lang die Legislaturperiode des Bundestages des vereinigten Deutschlands sein soll, gesetzt, wurde aber in zwei Absätzen des Abschlussberichts relativ kurz darüber informiert, dass es gute Argumente für beide Seiten gebe und man deswegen darauf verzichte, sie im Einzelnen aufzuführen. Also auch von daher muss man sagen: In der Debatte darüber, wie wir uns entscheiden, gibt es kein Richtig und kein Falsch.

Es gibt natürlich eine rechtswissenschaftliche Diskussion zu der Frage, was die richtige Dauer einer Legislaturperiode ist. Dazu gibt es auch bemerkenswerte Aufsätze. Das Gemeinsame dieser Aufsätze ist, dass sie alle besagen, die richtige Länge einer Legislaturperiode liege zwischen drei und sechs Jahren. Das hilft uns bei der Entscheidung, ob wir vier oder fünf Jahre wollen, auch nicht so richtig weiter.

Ich glaube, es ist der richtige Weg, diese Frage nicht selbst zu beantworten. Ich finde, es gibt vernünftige Gründe dafür, die Dauer zwischen den Wahlen nicht zu lang zu wählen, weil - das leitet sich eigentlich schon aus der Demokratie ab - Wahlen die Macht nur auf Zeit vergeben sollen.

Das bedeutet, dass es eine zeitliche Grenze geben muss. Sie ist bundesweit immer mit vier Jahren begründet worden.

In den Ländern, in denen die Legislaturperiode bereits verlängert worden ist, spielten häufig Argumente eine Rolle, die sich mit der direkten Demokratie befasst haben. Es sind in den Ländern Volksentscheide und Bürgerbegehren eingeführt worden, oder es sind die Quoren nachhaltig gesenkt worden, und damit ist mehr direkte Demokratie ermöglicht worden. Weil es mehr direkte Demokratie gibt, brauchen wir eigentlich auch nicht so oft Wahlen und können die Legislaturperiode auf fünf Jahre verlängern.

Wenn man das auf Bremen überträgt, dann muss man sagen, dass die Argumentation nicht so richtig überzeugt. Wir haben auch alles getan, um die Quoren so weit abzusenken, dass wir im Benchmark bundesweit die niedrigsten Quoren haben. Trotzdem kommt es nicht zur Anwendung. Bisher sind in Bremen - außer damals bei dem Wahlrecht, aber auch nur in der ersten Stufe - eigentlich keine Bestrebungen im Hinblick auf eine Form direkter Demokratie, weder traditionell noch aktuell, vorhanden. Deswegen ist das Argument, wir könnten die Legislaturperiode verlängern, weil wir jetzt

Landtag 3232 43. Sitzung/10.05.17

mehr direkte Demokratie hätten, nicht 100-prozentig überzeugend.

Für eine fünfjährige Legislaturperiode spricht natürlich immer die Kontinuität der Politik. Ich finde, das ist allein aber auch kein Wert. Ich will damit sagen, es gibt auch in der argumentativen Auseinandersetzung, nicht nur in der politischen, kein absolutes Richtig und kein absolutes Falsch.

Die rot-grüne Regierungskoalition hatte bereits in der letzten Legislaturperiode im Koalitionsvertrag vereinbart, die Legislaturperiode zu verlängern. Sie verfügte damals auch über die verfassungsändernde Mehrheit. Sie hat auch den entsprechenden Antrag eingebracht. Sie hat aber dann - und das finde ich auch in Ordnung - am Ende, als die CDU gesagt hat, wir sind davon nicht überzeugt, wir schlagen vor, diese Frage nicht im Parlament zu entscheiden, sondern dem Volk zur Entscheidung vorzulegen, ihren Antrag zurückgezogen.

In der neuen Koalitionsvereinbarung haben Sie sich darauf verständigt, dem Vorschlag der CDU, einen Volksentscheid durchzuführen, zu folgen. Ich finde - und das will ich an dieser Stelle auch noch einmal sagen -, Ihr Verhalten in der letzten Legislaturperiode und in dieser Legislaturperiode respektabel. Dafür möchte ich mich als CDU-Fraktion bei Ihnen ganz herzlich bedanken. Es ebnet uns einen gemeinsamen konsensualen Weg, wie wir mit dieser Frage umgehen wollen.

Am Ende werden wir also, wenn das, was wir heute beschließen, Bestand hat, mit großer Mehrheit entscheiden, dass wir nicht entscheiden. Ich finde, das ist auch gut so. Allen Diskussionen, die es bisher gegeben hat, ist eines gemeinsam: Alle sagen, die Teilnahme an Wahlen und die Berechtigung zu wählen, ist das höchste Gut in einer Demokratie. Deswegen sagen wir als CDU-Fraktion auch, die Frage, wie oft der Wähler, der Souverän, von diesem Recht Gebrauch machen will, entscheidet er am besten selbst.

Wir werden deshalb dem vorliegenden gemeinsamen Antrag selbstverständlich zustimmen. - Vielen Dank!

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Hilz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei den Freien Demokraten ist das Thema der Verlängerung der Legislaturperiode intensiv diskutiert worden. Wir haben uns mit dem Thema im

Rahmen eines Landesparteitags ausführlich auseinandergesetzt, und am Ende hat sich eine große Mehrheit dafür ausgesprochen, die Legislaturperiode aus den bisher genannten verschiedenen Gründen auf fünf Jahre zu verlängern.

Es kommt noch ein Grund hinzu: Über das moderne Petitionsrecht, das wir eingeführt haben, ist eine Beteiligung der Bürger in den letzten Jahren während der Legislaturperiode am politischen Prozess deutlich vereinfacht worden, sehen wir einmal von den kleinen Einschränkungen, die kürzlich aus der Koalition gekommen sind, ab.

Wir sind der Meinung, dass eine kontinuierliche Arbeit in einer fünfjährigen Legislaturperiode ein guter Weg ist, zukünftig die Parlamentsarbeit zu stabilisieren. Das neue Abgeordnete hinzukommen, ist auch ein Argument. In dieser Legislaturperiode sind die Abgeordneten der FDP alle neu hinzugekommen, und wir mussten uns als Fraktion erst einmal finden. Das ist ein Erlebnis, dass wir möglichst nicht wiederholen wollen, Sie vielleicht schon. Wir werden jedoch alles dafür tun, dass es sich nicht wiederholt.

(Beifall FDP)

Ich finde es in diesem Zusammenhang gut, dass wir die Entscheidung nicht selbst treffen. Wir ersparen uns dann die Diskussion - wenn nicht wir, sondern unsere Nachfolger auf fünf Jahre gewählt werden -, dass wir es gewesen sind, die sich selbst die Legislaturperiode verlängert haben.

Alle Macht geht vom Volke aus, und so soll es auch in dieser Frage sein. Natürlich bietet die anstehende Bundestagswahl einen hervorragenden Zeitpunkt, um die Befragung durchzuführen und den Entscheid herbeizuführen. Deswegen befürworten wir natürlich diesen Antrag, wir befürworten die fünfjährige Legislaturperiode, lassen aber das Volk entscheiden.

Wir bekennen uns zu dem Antrag, wir werden für ihn stimmen, und wir werden entsprechend Werbung machen. - Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind auch sehr froh, dass wir uns entschieden haben, dass alle Fraktionen gemeinsam den Weg gehen wollen und sagen, die Entscheidung, ob die Legislaturperiode auf fünf Jahre verlängert werden soll, fällen nicht wir mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament,

Landtag 3233 43. Sitzung/10.05.17

sondern wir führen eine Entscheidung des Volkes herbei.

Ich bin schon der Meinung - und das hat auch der Kollege Röwekamp eben deutlich gemacht -, dass es Argumente gibt, die relativ gewichtig sind und die gegen eine Verlängerung der Legislaturperiode sprechen. Hierbei geht es natürlich um die demokratische Beteiligung. Es ist für uns deswegen absolut sinnvoll und nötig, an dieser Stelle zu sagen, dass das Volk befragt wird und selbst entscheiden soll, in welchen Abständen es zukünftig wählen will.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist richtig, das ist hier auch schon gesagt worden, dass 15 Landesparlamente - Hamburg hat in der vorletzten Legislaturperiode eine entsprechende Entscheidung getroffen - für fünf Jahre gewählt werden. Es ist richtig, dass das Vorteile haben kann. Das ist ja auch erwähnt worden. Ich nehme einmal nicht die Zeit nach der Konstituierung, denn es ist immer eine gewisse Zeit notwendig, um das politische Geschäft aufzunehmen - das ist völlig klar -, aber es ist eben eine Unterbrechung der politischen Arbeit, und es ist eine demokratisch gewählte Regierung, die sich finden muss, um dann mit der Arbeit zu beginnen. Deshalb ist das für mich gar nicht so entscheidend.

Das Problem der Diskontinuität ist ebenfalls nicht entscheidend, denn es wird auch mit einer fünfjährigen Legislaturperiode nicht aufgehoben. Die Diskontinuität tritt lediglich ein Jahr später ein. Frau Dr. Schaefer, politische Prozesse können dann trotzdem unterbrochen und im Zweifelsfall nicht wieder aufgenommen werden, weil es Neuwahlen und andere Prozesse gegeben hat. Das ist nach fünf Jahren genauso.

Wir haben ziemlich genau vor einem Jahr, und zwar am 23. April, einen Landesparteitag durchgeführt, der sich mit der Frage befasst hat, wie wir mit einer Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre umgehen und wie wir uns positionieren. Wir haben uns auch mit den Nachteilen befasst, die mit der Verlängerung der Legislaturperiode einhergehen. Die Verlängerung hat nämlich auch Nachteile. Ich möchte das einfach einmal an einem kleinen Zahlenspiel deutlich machen.

Nehmen wir einmal an, ältere Mitbürger, die 1946 die erste Bürgerschaft nach dem Faschismus wählen durften, sind heute noch aktiv, und sie gehen wählen. Seit der ersten und bis zur letzten Bürgerschaftswahl im Jahr 2015 sind 69 Jahre vergangen. Ohne außerplanmäßige Neuwahlen entspricht das aufgrund des vierjährigen Turnusses 18

Wahlen. Die Bürgerinnen und Bürger, die bei der ersten Bürgerschaftswahl im wahlfähigen Alter gewesen sind, konnten achtzehnmal entscheiden, wer die politischen Geschicke dieses Landes bestimmen sollte. Wenn wir für den gleichen Zeitraum eine fünfjährige Legislaturperiode gehabt hätten, dann wären es nur 14 Wahlen gewesen.

An diesem kleinen Zahlenspiel sieht man schon, dass es eine Einschränkung ist, die die Menschen in ihren demokratischen Belangen betrifft.

(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Dann sollte man auf drei Jahre verkürzen!)

Sie brauchen gar nicht dazwischenzureden, Herr Dr. Güldner!

(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber das ist doch die Logik!)

Ich meine, es ist ein signifikanter Unterschied, weil die Bevölkerung seltener darüber abstimmen kann, wie sich das Parlament und damit auch die zukünftige Regierung zusammensetzen.

Wir sind der Meinung, dass das genau das Kernstück der repräsentativen, im Gegensatz zur direkten Demokratie ist. Wahlen sind der unmittelbare Ausdruck der politischen Meinungsbildung in der repräsentativen Demokratie. Sie sind deswegen auch die direkte Möglichkeit der Kontrolle. Wahlen sind - verfassungsrechtlich formuliert - die Umsetzung der Volkssouveränität.

Wir haben deswegen gesagt, dass wir wollen, dass dieser Volksentscheid umgesetzt wird. Wir sind auch froh, dass in der letzten Legislaturperiode nicht mit der Zweidrittelmehrheit entschieden worden ist. Wir werden aber bei diesem Volksentscheid - mehrheitlich ist das so beschlossen worden - für ein Nein gegen die Verlängerung werben.

Wir sind der Meinung, dass demokratische Prozesse ausgebaut werden müssen, aber nicht unter dem Gesichtspunkten einer angeblichen Effizienz diskutiert werden sollten. Ich bin sehr froh, dass heute niemand das Kostenargument bemüht hat, denn dieses Argument habe ich in der Bevölkerung schon gehört. Wenn ich mit Leuten diskutiert habe und gefragt worden bin, was eine Wahl kostet, dann finde ich es sehr schwierig, denn das ist ein Argument, das sich eine Demokratie, wie ich finde, nicht leisten darf. Die Mitbestimmung und die Demokratie kann man nämlich nicht an den Kosten messen, denn sonst landet man in der Herrschaftsform der Technokratie, und das will, glaube ich, niemand in diesem Hause.

(Beifall DIE LINKE)