Protocol of the Session on May 10, 2017

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Entschließungsantrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der SPD, der FDP und der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/1067 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! (Dafür SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Abg. Tassis (AfD))

Stimmenthaltungen?

(LKR)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Entschließungsantrag zu.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen - Verlängerung der Wahlperiode der Bremischen Bürgerschaft Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, der CDU, DIE LINKE und der FDP vom 9. Mai 2017 (Drucksache 19/1068)

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir treten heute in die Beratung darüber ein, ob wir eine Anomalie des bundesrepublikanischen Verfassungslebens beseitigen wollen oder nicht. Bremen ist mittlerweile das letzte Bundesland, das eine Wahlperiode von vier Jahren vorsieht. Alle anderen Bundesländer haben inzwischen eine Wahlperiode von fünf Jahren.

Angefangen hat diese Entwicklung mit der deutschen Einheit. Die fünf ostdeutschen Länder haben

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bei ihrer Gründung schon die fünfjährigen Legislaturperioden zugrunde gelegt. Alle anderen Bundesländer außer Bremen sind dem gefolgt und haben gesagt: Ja, auch wir wollen eine Legislaturperiode, die fünf Jahre umfasst.

Die Begründungen dafür sind so mannigfaltig wie einleuchtend. Man kann sagen, dass ein politischer Prozess, bis sich neue Abgeordnete eingearbeitet haben, lange dauert, dass es nicht so schnell zur Diskontinuität kommt und dass nicht so stark auf Wahlkämpfe geschielt wird. Alles das ist richtig.

Die Abwägungsentscheidung haben alle Länder für sich so getroffen, dass sie auf fünf Jahre gegangen sind. Hier in Bremen haben wir das bisher nicht gemacht. Aber irgendwann muss man sich die Frage stellen: Ist man der einzige Geisterfahrer und alle anderen kommen einem entgegen, oder ist es umgekehrt? Ich denke, das muss man auflösen, indem man weiter fragt: Wollen wir unser Verfassungsleben an dieser Stelle bundesrepublikanisch normalisieren, oder wollen wir das nicht? Viel spricht dafür, dies zu tun, zumal die Dauer von Wahlperioden an sich keinen Wert darstellt. Das sind gesellschaftliche und politische Vereinbarungen, die man so oder auch anders treffen kann.

Ich habe versucht, mich im Internet darüber schlau zu machen, welche Länder welche Wahlperioden haben. Tut man dies, so stellt man fest, dass man in Europa schwerpunktmäßig auf fünf Jahre kommt. Alle nationalen Parlamente außer die Spaniens und Deutschlands haben eine Wahlperiode von fünf Jahren.

In den USA stellt man fest, dass das Repräsentantenhaus eine Wahlperiode von nur zwei Jahren hat. Das ist erstaunlich. Aber dafür hat der Senat eine Wahlperiode von sechs Jahren. Also kann man nicht sagen, dass sich Demokratie dort objektiv an Jahren bemisst. Interessant ist noch, dass es ein Bundesland in Österreich gibt, das eine Legislaturperiode von sechs Jahren hat. Alle anderen haben fünf Jahre.

Alles das ist sozusagen im Bereich des demokratischen Kanons denkbar, möglich und umsetzbar.

Wir werben dafür, dass man auf fünf Jahre geht, aber wir wissen sehr genau, dass man natürlich auch dagegen argumentieren kann. Das haben in der Debatte hier auch einige getan und gesagt, es könnte ein Weniger an Demokratie sein, wenn eine Wahlperiode kürzer ist. Das muss man ernst nehmen, weil in der Tat in 20 Jahren der Existenz eines Parlaments eine Wahl ausfiele. Deshalb ist es selbstverständlich: Wenn in 20 Jahren eine Wahl ausfällt, soll derjenige, der sonst die Möglichkeit

hätte, in 20 Jahren eine Wahl mehr zu haben, entscheiden, ob es eine richtige Maßnahme ist, sich den anderen Bundesländern anzupassen, oder ob das eine falsche Maßnahme ist. Deshalb halten wir es für ausgesprochen wichtig und sinnvoll, dass wir diese Fragestellung dem Volk zur Entscheidung überantworten. Das Volk soll sagen: „Ja, macht es wie die anderen Bundesländer!“ oder: „Nein, bleibt bei den vier Jahren, so wie es bisher gewesen ist!“ Ich finde, das ist eine ausgewogene Lösung.

Ich freue mich, dass alle in der Bürgerschaft vertretenen Fraktionen diesen Weg gemeinsam gehen wollen. Ich weiß, dass zumindest eine Fraktion immer für vier Jahre geworben hat, aber ich finde es gut, dass wir einen breiten interfraktionellen Konsens darüber haben, der Frage nachzugehen, ob wir die Wahlperiode im bundesrepublikanischen Kanon verlängern sollen. Dafür bedanke ich mich. - Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Tschöpe hat es schon gesagt: Wir sind das letzte Bundesland, das noch eine vierjährige Legislaturperiode hat. Alle anderen Bundesländer haben schon eine fünfjährige Wahlperiode. Wir sind quasi eine Insel oder das letzte gallische Dorf. Es gibt gute Gründe, warum die anderen Bundesländer gewechselt haben und warum man sich auch an ihnen orientieren kann und mit ihnen im Gleichklang gehen sollte.

Aus unserer Sicht ist es im politischen Alltag sinnvoll. Wie sieht das bei vier Jahren aus? - Früher, als ich noch klein war - klein bin ich mit 1,59 Metern immer noch -, aber auch jünger war,

(Heiterkeit)

gab es klare Mehrheiten. Je nach Bundesland hat entweder die SPD oder die CDU gewonnen. Dann konnte man relativ schnell reagieren. Heute ist das anders. Die Zeiten haben sich geändert. Nach einer Wahl müssen sich die Parteien meistens erst einmal sortieren, wer mit wem koaliert. Dass das nicht immer ganz einfach ist, sieht man an dem Beispiel Schleswig-Holstein, wo seit dem letzten Wochenende gleich mehrere Koalitionskonstellationen möglich sind. Das heißt, zwischen den unterschiedlichen Parteien finden zunächst Sondierungsgespräche statt. Dann kommt es zu Koalitionsverhandlungen. Das dauert oft mehrere Wochen. Erst wenn sich das Parlament konstituiert hat, kann die eigentliche politische Arbeit losgehen.

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Gerade neue Abgeordnete brauchen dann allerdings auch eine Eingewöhnungszeit. - Robert Bücking zeigt gerade auf sich. - In der letzten Legislaturperiode waren bei der Grünen-Fraktion mehr als die Hälfte der Abgeordneten neu. Wie in jedem anderen Job muss man sich erst einmal orientieren, wie der Betrieb läuft, wo was stattfindet, welche Regularien es gibt, wann man Anfragen und wann besser Anträge stellt und wie man sich vernetzt. Das braucht eine Zeit, bis es richtig losgeht. Bei einer verlängerten Legislaturperiode bedeutet das in der Relation eine geringere Einarbeitungszeit.

Ein anderer Grund ist, dass viele politische Vorhaben, vor allen Dingen auch Gesetzesvorhaben, sehr komplex sind und für ihre Umsetzung Zeit brauchen. Das ist in einer fünfjährigen Legislaturperiode besser zu realisieren, als wenn inmitten dieser Prozesse Wahlen stattfinden.

Ich finde, es gehört auch zur Wahrheit, zu sagen, dass Wahlen und Wahlkämpfe Zeit binden. Das bedeutet oft, dass am Ende in Legislaturperioden kaum noch etwas umgesetzt oder angeschoben werden kann. Einige Vorhaben und Beschlüsse - das kennen viele ebenfalls - fallen am Ende der Diskontinuität zum Opfer.

Meine Damen und Herren, eine verlängerte Legislaturperiode geht also mit einer verlässlichen, kontinuierlichen politischen Arbeit einher. Das erhöht auch die Qualität der politischen Arbeit, was die anderen Bundesländer dazu bewogen hat, die Zeitspanne zwischen den Wahlen zu verlängern. Das ist auch der Grund, warum sich die Fraktion der Grünen mehrheitlich für diesen Antrag entschieden hat.

Ich will aber nicht verhehlen, dass es auch in unserer Partei kritische Stimmen gibt, die einer Verlängerung der Legislaturperiode skeptisch gegenüberstehen. Herr Tschöpe hat gesagt, dass viele dadurch eine mögliche Schwächung der Demokratie befürchten.

Wahlen, meine Damen und Herren, bieten den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, mit ihrer Stimme direkt Einfluss auf die Politik zu nehmen. Sie entscheiden dann, welche Partei oder welche Politiker ihre Interessen vertreten sollen. Eine Verlängerung der Wahlperiode bedeutet natürlich ein größeres Intervall zwischen diesen direkten demokratischen Beteiligungen.

So wie bei uns auch die Vor- und Nachteile einer Verlängerung abgewogen worden sind, wird dies sicherlich auch in der Bevölkerung diskutiert wer

den. Aus diesem Grund ist es für uns Grüne absolut richtig, dass eine solche Entscheidung über die Verlängerung der Legislaturperiode wirklich nur vom Volk selber getroffen werden kann. Wenn nicht von den Bürgerinnen und Bürgern, von wem dann sollte eine solche Entscheidung gefällt werden? Ich finde, meine Damen und Herren, das ist gelebte Demokratie. Das Volk kann und soll selber entscheiden, wie lange eine Wahlperiode sein soll.

Andere Landesparlamente haben die Verlängerung der Wahlperiode ohne Beteiligung des Volkes entschieden. Ich meine, dass das nicht wirklich glücklich ist, weil das den Beigeschmack hinterlässt, Politik wolle sich selber die Macht verlängern, wenn dies für zukünftige Legislaturperioden gelten soll. Aus diesem Grund ist es ein sehr gutes Signal, dass alle hier im Parlament vertretenen Fraktionen geschlossen sagen: Wir wollen für diese Frage einen Volksentscheid.

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass über die Verlängerung der Legislaturperiode, für die es wirklich sehr gute Qualitätsgründe gibt, einzig nur vom Volk entschieden werden kann. Das wäre für Bremen der erste Volksentscheid. Ich finde, es ist ein urdemokratisches Anliegen, dass die Bürgerinnen und Bürger parallel zur Bundestagswahl entscheiden können. Daher unterstützen wir Grünen diesen Antrag. - Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind hier ja in dieser Beratung quasi unter uns.

(Heiterkeit)

Deswegen will ich einmal kurz erzählen, dass mich die Frage, ob wir mit der vierjährigen Legislaturperiode eigentlich richtig aufgehoben sind, schon seit Beginn meiner parlamentarischen Tätigkeit beschäftigt. Ich hatte damals als junger Jurastudent das Gefühl, dass man einmal darüber reden müsste, ob man die Legislaturperiode nicht verlängern sollte, und habe diesen Vorschlag einfach einmal in die Beratung der CDU-Fraktion eingespeist, weil ich dachte, dass in der Demokratie jeder sagen kann, was er denkt. Ich wurde damals, gleich am Anfang, von unseren Altvorderen darauf hingewiesen, dass das ein bescheuerter Vorschlag sei, die Legislaturperiode zu verlängern; das würde eine Opposition nie beantragen. Okay, habe ich

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gedacht, und ich habe es wieder eingepackt. Dann war das auch kein Thema mehr.

Dann kam die CDU in die Regierung. Mein funktionierendes Wiedervorlagesystem hat dazu geführt, dass ich gedacht habe: Jetzt ist die Gelegenheit, die Geschicke des Landes zu beeinflussen und deinen alten Vorschlag wieder herauszuholen. Ich habe ihn herausgeholt, und die Altvorderen haben mich wieder gefragt, wie man solch einen bescheuerten Vorschlag machen könne.

(Heiterkeit)