Protocol of the Session on April 5, 2017

(Beifall CDU, LKR)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Welt.

(Zuruf CDU: Jetzt sind wir aber gespannt!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank für Ihren Beitrag, Frau Schnittker! Als Politiker haben wir eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber unseren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Mit großer Besorgnis müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Gewalt gegen diese Einsatzkräfte immer mehr zunimmt. Das ist ein verdammt ernstes Thema, meine Damen und Herren. Mehr als 60 000 Polizisten werden jedes Jahr Opfer von Gewalttaten. Das ist eine Zunahme von über 30 Prozent in den letzten zehn Jahren. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte haben einen besonders schwierigen und gefährlichen Job zu machen und benötigen deshalb ganz besondere Unterstützung und besonders gute Einsatzmittel. Als SPD-Fraktion ist es uns wichtig, dass die Ausrüstung unserer Einsatzkräfte immer wieder modernisiert und immer wieder der Zeit angepasst wird.

(Abg. Hinners [CDU]: Ihr stimmt also zu?)

Ich möchte noch einmal sagen, wir haben nicht nur die Pistole als Deeskalationswaffe, wie Sie gesagt haben. Es gibt noch andere Sachen. Schauen wir uns zwei Einsatzmittel der Polizei an, die selbstverständlich nur

in einem ganz engen Rahmen und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingesetzt werden dürfen. Es gibt den Schlagstock, der, wenn er eingesetzt wird, grundsätzlich beim tatverdächtigen Störer immer zu Verletzungen führen kann. Da man bei einem körperlichen Einsatz, etwa bei einem heftigen Widerstand, selten in der Lage ist, den Verlauf zu steuern, kann der Einsatz des Schlagstockes zu wirklich schweren Verletzungen führen. Dann verfügt die Polizei über das Reizstoffsprühgerät. Das ist sehr effektiv, hat aber den Nachteil, dass sich der Inhalt, auch wenn das Gerät zielgenau eingesetzt wird, in der Luft quasi in einer Wolke verteilt und auch bei den Beamten und bei unbeteiligten Personen heftige Augenreizungen hervorrufen kann. In geschlossenen Räumen ist der Einsatz deshalb allein von den Auswirkungen her kaum möglich.

Die nächste Stufe ist die Schusswaffe, deren Gefährlichkeit ich Ihnen hier wohl nicht beschreiben muss und deren Einsatz immer lebensgefährlich sein kann. Zwischen dem Schlagstock, dem Pfefferspray und der Pistole klafft eine riesige Lücke. Der Einsatz der Schusswaffe darf nur das letzte Mittel sein und kann und darf nur erfolgen, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges erfolglos angewendet worden sind, aber offensichtlich keinen Erfolg versprechen.

Im Falle einer äußersten Eskalation bleibt den Beamtinnen und Beamten tatsächlich nur der Schusswaffengebrauch zum Eigen- und Fremdschutz. Leider lässt sich eine Eskalation nicht immer schon beim Eintreffen der Kräfte am Einsatzort abschätzen. Eine harmlose Ruhestörung oder eine Familienstreitigkeit können schnell ausarten. Spezielle Einsatzkräfte werden in der Kürze der Zeit nicht unbedingt hinzugerufen werden können. In Bremerhaven oder Bremen-Nord zwei Stunden auf das SEK zu warten, ist in der Praxis in vielen Fällen einfach nicht möglich.

Der Taser, über den wir hier sprechen, ist sicher keine Wunderwaffe. Er ist aber ein geeignetes Gerät, um das Leben und die Gesundheit unserer Einsatzkräfte, insbesondere aber auch des polizeilichen Gegenübers zu schützen.

(Beifall SPD, CDU, LKR)

Der Taser ist ein Gerät, das im Einsatz nur geringe Risiken birgt. Der Vergleich mit den USA hinkt gewaltig. Dort gibt es ganz andere Voraussetzungen, als wir sie hier haben. Dieses Gerät schließt die Lücke zwischen dem Schlagstock, dem Pfefferspray und der Schusswaffe und soll nur dann zum Einsatz kommen, wenn ansonsten die weitaus gefährlichere Schusswaffe verwendet werden würde. Als verantwortungsvolle Politiker müssen wir alle dafür sorgen, dass der Gebrauch der gefährlichen und oft tödlichen Schusswaffe und selbst die Androhung des Gebrauchs der Schusswaffe so selten wir möglich vorkommen.

Die Distanz-Elektroimpulswaffe ist keine neue Erfindung und gehört in etlichen Staaten wie Öster

reich – Sie haben es schon gesagt –, der Schweiz und auch in vielen Bundesländern in Deutschland bereits zur erfolgreichen Standardausrüstung der Polizei. Streifenpolizistinnen und -polizisten in Bremen und Bremerhaven sind damit nicht ausgestattet. Im Februar dieses Jahres hat die SPD-Fraktion einen Antrag entworfen, den Senat aufzufordern, ein Konzept für einen probeweisen Einsatz von sogenannten Tasern im Einsatzdienst der Polizei in Bremen und Bremerhaven zu entwickeln. Danach sollte ein wissenschaftlich begleiteter Probelauf in Bremen beginnen. Irgendwie fand diese Ideenskizze, dieser Entwurf den Weg in die Presselandschaft und stieß dabei auf ein riesiges, positives Medienecho. Persönlich freue ich mich, dass die CDU unseren Entwurf gut findet und fast eins zu eins übernommen und sogar einen Antrag formuliert hat.

(Beifall CDU)

Es gibt allerdings zwei Gründe, warum wir als SPDFraktion diesen Antrag der CDU ablehnen.

(Lachen CDU – Zurufe CDU: Ah! – Abg. Röwekamp [CDU]: Weil er von uns ist?)

Ja! Der erste Punkt ist, unser Koalitionspartner wollte unseren Entwurf nicht mittragen und lehnt einen Probelauf in Bremen ab. Das ist Demokratie. Wir haben das diskutiert. Das ist die eine Sache.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Eigentlich ist das Diktatur!)

Der zweite und wesentliche Punkt ist folgender: Als Bremerhavener Abgeordnete pflege ich selbstverständlich Transparenz zur SPD-Fraktion der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven. Hier war das Interesse an der Idee und dem Entwurf der SPDBürgerschaftsfraktion so groß, dass man dort selbst einen Antrag in die Stadtverordnetenversammlung einbringen wird. Die Koalitionäre in Bremerhaven und andere Parteien – die Ortspolizeibehörde, die GdP und der Personalrat – haben sich schon öffentlich für einen Probelauf ausgesprochen. Nun wird eine Testphase in Bremerhaven stattfinden.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Aber nicht bei der Lan- despolizei!)

Zwei Testphasen in einem Bundesland halten wir für nicht zielführend. Die Testergebnisse aus der Seestadt werden aber sicher in einem umfassenden Evaluationsbericht zum Umgang, den Erfolgen und den Risiken beim Einsatz von Distanzimpulsgeräten dem Senat und damit der Bremer Polizei zur Verfügung gestellt werden, wie es die CDU in ihrem Antrag fordert. Ich bin sicher, dass es zwischen den Polizeien Bremen und Bremerhavens auch in diesem Punkt eine gute Kooperation geben wird.

(Beifall SPD)

Ich bedanke mich!

(Beifall SPD – Abg. Röwekamp [CDU]: Von Bremer- haven lernen heißt siegen lernen!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Timke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Am Silvestermorgen 2007 wurden Polizeibeamte in Bremen-Nord mit Feuerwerkskörpern beschossen und mit Flaschen beworfen.

(Abg. Hinners [CDU]: 2017!)

Entschuldigung, 2017! Danke schön, Herr Kollege! Das war natürlich der Silvestermorgen 2017, als sie mit Feuerwerkskörpern beschossen wurden.

(Zuruf SPD: 2016!)

Nein, das war 2017, morgens um 0.35 Uhr! Das können Sie nachlesen.

Die Beamten mussten sich dann leider zurückziehen. Zwei Streifenwagen wurden beschädigt. Nur einen Monat später gab es den nächsten Vorfall. Bei einer Routinekontrolle in Gröpelingen stürmte eine Gruppe von sechs bis acht mit Holzlatten bewaffneten jungen Gewalttätern auf die Polizeibeamten zu und schleuderten eine mit Nägeln gespickte Holzlatte nach den Beamten.

Meine Damen und Herren, das sind nur zwei Beispiele von gewalttätigen Übergriffen, denen Polizeibeamte in Bremen und Bremerhaven in diesem Jahr während ihrer Dienstausübung ausgesetzt waren. Die Anzahl der Angriffe auf Polizeibeamte hat sich in den letzten Jahren stets gesteigert, wobei die Aggressivität, die Skrupellosigkeit und die Härte beim polizeilichen Gegenüber stets gestiegen sind. Im vergangenen Jahr wurden 329 Gewalttaten gegen Bremer Polizeibeamte und 90 Gewalttaten gegen Bremerhavener Ordnungshüter registriert, also insgesamt 419 Angriffe auf diejenigen Menschen in unserem Bundesland, die unsere Sicherheit schützen.

Die Politik steht hier in der Verantwortung, für den Schutz der Polizeibeamten zu sorgen; denn jeder Angriff auf einen Polizeibeamten ist ein Angriff auf den Staat und damit auf uns alle. Den Polizeien in Bremen und Bremerhaven fehlt generell ein geeignetes Distanzmittel, um die Lücke zwischen Einsatzmehrzweckstock und Pfefferspray auf der einen Seite und der Schusswaffe auf der anderen Seite zu schließen. Deshalb muss es unser aller Anliegen sein, die Beamtinnen und Beamten so auszustatten, dass sie Angriffe möglichst unbeschadet abwehren können. Hierzu

ist das Distanzimpulsgerät, auch Taser genannt, ein probates Mittel.

Bei dem Einsatz des Schlagstocks besteht das Problem, dass man an das polizeiliche Gegenüber sehr nah herantreten und versuchen muss, es unter Einsatz des Schlagstocks und mit Hilfe weiterer Eingriffstechniken zu überwältigen und schließlich schnellstmöglich zu fesseln. Das Verletzungsrisiko ist dabei auf beiden Seiten, also auf der Seite des Straftäters und auf der Seite des Polizeibeamten, sehr hoch. Das Pfefferspray ist hingegen von geringem Einsatzwert und führt oft nicht zur gewünschten Wirkung. Durch die Streuwirkung und den späteren Kontakt mit dem polizeilichen Gegenüber, das nun Anhaftungen des Sprays aufweist, kommt es auch bei den einschreitenden Beamten häufig zu Kontakt mit dem Pfefferspray und den dadurch herbeigeführten Reaktionen und eingeschränkten Möglichkeiten auf polizeilicher Seite.

Ein Taser kann ein zusätzliches geeignetes Einsatzmittel sein, um problematische Situationen zu lösen. Der Taser ist ein probates Mittel, um auf bestimmte Distanzen Angriffs- und Handlungsunfähigkeit zu erzielen. Elektroimpulsgeräte sind geeignete Einsatzmittel bei Bedrohungs- und Suizidlagen sowie bei Festnahmen bewaffneter oder besonders gewalttätiger Personen. Die Erfahrungen in anderen Ländern haben zudem gezeigt, dass bereits die Androhung mit dem Taser eine Gefahrensituation deeskalieren kann. Das dient nicht nur dem Schutz der Polizeibeamten, sondern auch anderer Personen, die sich am Einsatzort aufhalten. Es ist daher sinnvoll, die persönliche Ausrüstung der Polizeibeamten um den Taser zu ergänzen.

Meine Damen und Herren, letztlich geht es auch darum, durch die Einführung des Tasers zukünftig selbst rechtlich zulässige Schusswaffengebrauche zu verhindern, und das nicht nur aus Sorge gegenüber dem Straftäter oder Angreifer, sondern auch aus Fürsorgepflicht gegenüber den Polizeibeamten, die nach jetzigem Ausrüstungstand gezwungen wären, zu schießen, und dies psychisch verarbeiten müssten. Diese Beamten müssen ihr Leben mit der Gewissheit verbringen, jemanden an- oder erschossen zu haben. Häufig traumatisieren diese Erlebnisse ein Leben lang.

Noch ein Letztes! Wer sich vor dem Hintergrund steigender Gewalttaten gegen Polizeibeamte gegen die Einführung des Tasers sperrt, der verharmlost auch ein Stück weit die Gewalt gegen unsere Ordnungshüter. Deshalb stimmen Sie dem hier vorliegenden Antrag zur Einführung des Distanzimpulsgerätes zu. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme mein Handy

mit an das Rednerpult, weil ich mir noch einmal die Statistiken angeschaut habe. Vorweg: Ich billige Gewalt gegen Polizeibeamte überhaupt nicht und habe auch überhaupt kein Verständnis dafür.

(Präsident Weber übernimmt wieder den Vorsitz.)

Von allen Vorrednern wurde behauptet, dass die Gewalt gegen Polizeibeamte in Bremen steigt. Wenn man sich die Statistik ansieht, stellt man fest, die Anzahl ist 2016 gegenüber 2015 zum Glück gesunken.

(Abg. Hinners [CDU]: Auf welchem Niveau denn, Frau Kollegin?)

Ich finde, das muss man ehrlich erwähnen. Ich glaube, dass es dafür Gründe gibt. Vielleicht kann der Staatsrat gleich etwas dazu sagen.

Zu dem Antrag! Die CDU fordert heute, Polizistinnen und Polizisten im Streifendienst mit den sogenannten Tasern auszurüsten. Vorangegangen war ein ähnlicher Vorstoß der SPD, der bislang glücklicherweise von den Grünen verhindert wird. Taser sind Elektroimpulswaffen, die Drähte mit Widerhaken verschießen. Das ist hier schon gesagt worden. Über die Drähte werden starke Elektroschocks von – man kann es einstellen – bis zu 50 000 Volt geleitet. Die beschossene Person soll damit kampfunfähig gemacht werden.

(Abg. Hinners [CDU]: Handlungsunfähig, Frau Kol- legin!)

Das wird damit begründet, dass es ein milderes Mittel sei. In Bremen sind bislang nur die Spezialeinheiten SEK und MEK mit diesen Elektrowaffen ausgerüstet. Die Studien von Amnesty International über den Taser-Einsatz in den USA sprechen von 600 Toten. Man muss durchaus sehen, welche Lobbyarbeit die Herstellerfirmen in Deutschland leisten. Diese sollte man nicht unwidersprochen lassen, weil Taser definitiv nicht ungefährlich sind.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)