Protocol of the Session on April 5, 2017

(Beifall SPD)

Eine persönliche Anmerkung von mir dazu: Derjenige, der im Alltagsleben immer wieder durch charakterliche Mängel auffällt und straffällig wird, muss sich von der Gesellschaft auch gefallen lassen, dass alles, was ihn betrifft – auch seine Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs – nicht nur hinterfragt werden kann, sondern auch sanktioniert wird.

Sie konstruieren hier im Antrag den Fall, ein Verurteilter mit einem großen Vermögen kann sich einen Chauffeur leisten, während jemand ohne Vermögen dies nicht vermag. Das kann ich nun wirklich nicht als Grund anerkennen, um ein gutes Gesetz abzulehnen.

(Beifall SPD)

Ähnlich wie bei der Geldstrafe kann die Richterin oder der Richter auch hier feinjustieren. Kritikern, die behaupten, dass hier eine Ungerechtigkeit in der Belastung entsteht, kann man entgegenhalten, dass das auch bei anderen Strafen der Fall sein kann. In dem Gesetz der Großen Koalition auf Bundesebene geht es nicht um Täterschutz, sondern um Sanktionen gegen Täter, deren Schuld festgestellt wurde. Es geht darum, die Gesellschaft vor Tätern zu schützen, und darum, die Täter einer gerechten Strafe zuzuführen, die diese wirklich spüren. Bei jeder Strafe sollte auch ein Lerneffekt einsetzen.

Die SPD-Fraktion hält die Initiative der Großen Koalition unter Federführung des Justizministers Maas für vernünftig und sinnvoll. Deshalb lehnen wir den Antrag der FDP ab. – Danke!

(Beifall SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt einige Politikfelder, bei denen ich die FDP richtig lieb habe, und mit diesem Antrag hat sie absolut recht.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Fahrverbote und Führerscheinentzug als eigenständige Sanktionen im Strafrecht einzuführen, ist widersinnig, ungerecht, unwirksam und wahrscheinlich auch verfassungswidrig. Deswegen sollte man das verhindern und solche Forderungen zurückweisen.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Zenner hat eben schon erklärt, worum es geht. Die Große Koalition möchte Fahrverbote als alternative Sanktionsmöglichkeiten im Strafprozess für Leute schaffen – so die Begründung –, für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt. Ein entsprechender Referentenentwurf liegt vor.

Warum ist das problematisch? Ich kann Ihnen das ganz einfach erklären. Bislang können Fahrverbote und Führerscheinentzug als Nebenstrafe verhängt werden, wenn damit zukünftig voraussichtlich die Verkehrssicherheit gewährleistet wird. Dem Motorradraser, der in Walle einen Rentner totgefahren hat, wurde neben der Haftstrafe selbstverständlich – in diesem

Fall auch zu Recht – der Führerschein abgenommen. Das ergibt Sinn und ist in Paragraf 69 StGB, Führerscheinentzug, und in Paragraf 44 StGB, Fahrverbot, verankert. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich aber um verkehrsspezifische Strafen beziehungsweise Maßregeln. Verkehrsbezogene Strafen werden für verkehrsbezogene Delikte verhängt. Das ist der bisherige Grundsatz.

Deutlich darüber hinaus geht das, was nun von einigen Bundesministern gefordert wird. Herr Zenner hat eben schon Frau Schwesig erwähnt. Frau Schwesig möchte unterhaltspflichtigen Elternteilen, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, ein Fahrverbot erteilen. Ich hege überhaupt keine Sympathie für zahlungssäumige Eltern. Allerdings muss man hier in Bremen ebenso wie in anderen Bundesländern einfach den Vollzug verbessern und die Zahlungspflicht mit den bestehenden Rechtsmitteln durchsetzen. Das halte ich für wesentlich wirksamer.

(Beifall DIE LINKE)

Es war in der öffentlichen Debatte schon die Rede davon, Steuerhinterziehung mit Fahrverboten zu ahnden. Ich glaube nicht, dass es Uli Hoeneß davon abgehalten hätte, Steuern zu hinterziehen, wenn man ihm mit einem Fahrverbot gedroht hätte. Eine Verhältnismäßigkeit ist da nämlich nicht gegeben.

Strafen und Sanktionen müssen verhältnismäßig sein und im Übrigen dem Gleichheitsgrundsatz folgen. Beides ist nicht gegeben. Rund ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung hat gar keinen Führerschein. Für sie kann diese Strafe also gar nicht in Betracht kommen. Diejenigen, die einen Führerschein haben, wären von einem Fahrverbot als Ergebnis eines nicht verkehrsbezogenen Delikts sehr unterschiedlich betroffen. Menschen in der Stadt können deutlich einfacher auf ein Fahrzeug verzichten und auf den ÖPNV umsteigen. In ländlichen Regionen ist das für viele Menschen überhaupt nicht möglich. Den einen wird daher ein Fahrverbot als Ersatzstrafe vor Gericht kaum oder gar nicht treffen, den anderen dagegen sehr hart. Für ihn kann es im Zweifelsfall sogar den Jobverlust bedeuten. Diese Strafe ist also weder mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar noch verhältnismäßig. Daher halten wir diesen Referentenentwurf für völlig unsinnig und stimmen dem Antrag der FDP zu. – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Timke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Geht es nach dem Willen der rot-schwarzen Bundesregierung, dann sollen Fahrverbote künftig auch als Sanktionsmaßnahme bei allgemeiner

Kriminalität verhängt werden. Bisher konnte der Führerschein für bis zu drei Monate gerichtlich eingezogen werden, wenn ein Straftäter für das begangene Verkehrsdelikt verurteilt wurde. Damit stand das Fahrverbot in unmittelbarem Zusammenhang zur begangenen Tat.

Das wollen SPD und CDU nun ändern. Künftig sollen auch andere Straftäter wie beispielsweise Einbrecher, Steuersünder oder Schläger ihre Fahrerlaubnis abgeben, sofern das Gericht ein entsprechendes Urteil fällt. Genau das lehnen wir Bürger in Wut aber ab. Ein Fahrverbot als Sanktion bei Straftaten zu verhängen, die keinen Bezug zu einer begangenen Verkehrsstraftat haben, ist weder sinnvoll noch zielführend. Ich möchte das an vier Punkten verdeutlichen.

Erster Punkt: Ein Fahrverbot ist ungerecht. Nehmen wir einmal an, zwei Gewalttäter werden auf frischer Tat ertappt. Eine Inhaftierung ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Einer der beiden ist im Besitz einer Fahrerlaubnis, der andere nicht. Dann kann das Gericht nach dem Willen von SPD und CDU künftig die Fahrerlaubnis als Nebenstrafe zu einer Geldstrafe bei dem einen Täter einziehen. Bei dem anderen Täter kann lediglich eine Geldstrafe ausgesprochen werden, denn er besitzt ja gar keinen Führerschein. Das ist nicht gerecht, denn die Frage der Strafbemessung und der einheitlichen Bestrafung darf nicht davon abhängen, ob jemand im Besitz einer Fahrerlaubnis ist oder nicht.

Außerdem sind Fahrverbote auch unter dem Gesichtspunkt der schuldangemessenen Gleichbehandlung sehr problematisch. Ein Fahrverbot kann nicht individuell im Verhältnis zur jeweiligen Schuld ausgestaltet werden wie beispielsweise eine Geldstrafe. Ein reicher und ein armer Straftäter zahlen ja auch nicht dieselbe Geldstrafe, wenn sie beide zu 20 Tagessätzen verurteilt werden. Bei einem Fahrverbot ist das anders. Hier kann die wirtschaftliche Situation nicht berücksichtigt werden und würde in dem eben genannten Beispiel mit zwei Tätern bedeuten, dass der reiche und der arme Rechtsbrecher für dieselbe Tat ungleich bestraft werden.

Zweiter Punkt: Es gibt ein Kontrollproblem. Ein Verstoß gegen ein vom Gericht verhängtes Fahrverbot könnte regelmäßig nur dann aufgedeckt werden, wenn Verkehrskontrollen stattfinden. Solche Kontrollen finden aber aus Personalmangel bei der Polizei nur noch selten statt. Das wissen wir aus Bremen und Bremerhaven. Die Polizei ist in ihrer derzeitigen Situation also gar nicht in der Lage, Verkehrskontrollen in dem notwendigen Umfang auszuweiten und die steigende Zahl gerichtlich verhängter Fahrverbote zu kontrollieren. Ein Fahrverbot, dessen Einhaltung nicht kontrolliert wird, ist aber sinnlos und hat auf den Täter nur einen sehr begrenzten erzieherischen Effekt, auf den es bei der Verhängung der Strafe eigentlich ankommen soll.

Dritter Punkt: Fahrverbote bei Allgemeinkriminalität sind unverhältnismäßig. Herr Zenner hat vorhin

schon angesprochen, Vielfahrer und Fahrer, die ihr Fahrzeug beruflich benötigen, würde ein Fahrverbot ungleich härter treffen als Rentner, die das Auto nur in der Freizeit nutzen und deshalb leichter darauf verzichten können.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Das ist ja heute schon so!)

Für letztere Fahrer wäre die Strafe nicht so gravierend wie für die erste Gruppe der Kraftfahrzeugnutzer, deren berufliche Existenz dadurch sogar gefährdet werden könnte. Ebenso wären Anwohner aus ländlichen Regionen mit schlechten ÖPNV-Anbindungen stärker von dem Fahrverbot betroffen als Städter mit guter öffentlicher Verkehrsanbindung.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Das ist doch jetzt auch schon so!)

Bei Städtern wäre das Strafverbot eher eine Strafe ohne Strafwirkung.

Außerdem gibt es keinen empirisch belegbaren Beweis dafür, dass Fahrverbote zur Prävention vor allgemeinen Straftaten geeignet wären. Glauben Sie ernsthaft, die Mitglieder ethnischer Clans in Bremen lassen sich davon beeindrucken, wenn sie vor Gericht stehen und für eine Bedrohung oder eine Körperverletzung den Führerschein entzogen bekommen? Das glauben Sie doch selbst nicht, meine Damen und Herren!

(Abg. Hinners [CDU]: Ja! – Abg. Frau Grotheer [SPD]: Herr Timke, haben Sie schon einmal gehört, dass es mehrere Formen von Strafen geben kann, über die das Gericht entscheidet?)

Sie können gleich hierher kommen und das sagen.

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Das kann ich auch so sagen! Vielen Dank!)

Vierter Punkt: Letztlich ist aber auch mit einer Prozessflut zu rechnen, denn wer als Straftäter zusätzlich ein Fahrverbot auferlegt bekommt, wird dagegen voraussichtlich Berufung einlegen und durch alle Instanzen gehen. Wir wissen aber mittlerweile, wie es um unsere Gerichtsbarkeit bestellt ist.

Deshalb sollten Fahrverbote als Nebenstrafe nach wie vor nur dann verhängt werden, wenn das abzuurteilende Delikt im Zusammenhang mit einer Straftat im Straßenverkehr steht, zum Beispiel mit Trunkenheitsfahrten oder auch mit Unfallflucht. Hier macht die Denkzettel-Funktion der zeitweiligen Einziehung des Führerscheins Sinn, bei allgemeiner Kriminalität dagegen nicht. Deshalb lehnen wir Bürger in Wut den Vorstoß der Bundesregierung ab und unterstützen den hier vorliegenden Dringlichkeitsantrag, mit dem der Bremische Senat aufgefordert wird, sich auf Bundesebene gegen ein Fahrverbot als zusätzliche

Sanktionsmaßnahme bei allgemeiner Kriminalität einzusetzen. – Vielen Dank!

(Beifall LKR)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.

(Abg. Senkal [SPD]: Jetzt spricht die Juristin! – Abg. Frau Grotheer [SPD]: Eine Volljuristin!)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Die Pläne von SPD und CDU auf Bundesebene halten auch wir Grünen für verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Lassen Sie mich das kurz begründen. Ein Fahrverbot kann nicht individuell schuldangemessen ausgestaltet werden, wie es bei Geldstrafen möglich ist, deren Höhe sich an dem Einkommen des Verurteilten orientiert. Ein Fahrverbot würde zudem die faktische Ungleichbehandlung der bestehenden Fahrverbotsregeln noch verstärken. Das, was auf dem Lande existenzbedrohend wirken kann, belastet den Bewohner einer mit öffentlichen Verkehrsmitteln versorgten Metropolregion wenig.

Auch wird möglicherweise derjenige benachteiligt, der gar keine Fahrerlaubnis hat und dadurch keine Freiheitsstrafe abwenden kann. Die Vorstellung, Unterhaltspflichtige durch den Entzug des Führerscheins zu motivieren, Kindesunterhalt zu zahlen, ist aus meiner Sicht besonders absurd. Die überwiegende Zahl der Unterhaltspflichtigen wird schon deshalb nicht zur Zahlung verurteilt, weil sie schlicht nicht leistungsfähig ist, oder die Zwangsvollstreckung scheitert an den Pfändungsfreigrenzen.

All diese Fälle sind zudem strafrechtlich nicht relevant, es sei denn, man kann die Verschleierung von anderweitigem Einkommen nachweisen, worauf Sie, Herr Welt, eben in Ihrer Rede Bezug genommen haben. Das muss man den Leuten nachweisen können, sonst scheitert es tatsächlich an den Pfändungsfreigrenzen. Durch den Entzug von Mobilität werden die Erwerbsaussichten der Unterhaltspflichtigen jedenfalls in keinem Fall besser.

Jetzt zu den Kritikern! Es sind nicht irgendwelche Kritiker, die die Pläne von CDU und SPD einfach so kritisieren. Der Deutsche Richterbund hat kritisiert, dass die Pläne, das Fahrverbot als Strafe auch bei Delikten wie Diebstahl einzuführen, verfassungsrechtlich sehr problematisch seien, weil diese neue Sanktion nicht so einfach mit dem Gleichheitsgrundsatz in Einklang zu bringen ist. Wenn ein Dieb das Glück hat, eine Fahrerlaubnis zu besitzen, muss er wegen seiner Straftat einen Monat lang sein Auto stehen lassen. Jemand, der keinen Führerschein hat, hat diese Chance nicht. Er muss in Haft oder eine Geldstrafe bezahlen. Außerdem könnte der Vollzug der Strafmaßnahme überhaupt nicht überwacht werden.

Darauf wurde vorhin auch Bezug genommen. Wenn jemand trotz Fahrverbots am Steuer sitzt, fällt das nur zufällig auf, wenn der Fahrer in eine Kontrolle gerät. Auch das kritisiert der Deutsche Richterbund.

Deswegen sehen wir das als verfassungsrechtlich sehr problematisch und auch nicht als zielführend an. Wir als Grüne finden die Intention Ihres Antrags richtig, vertreten aber eine ganz andere Auffassung. Lieber Herr Zenner, Sie wissen ja, wie das ist. Solange man hier nicht allein regiert, sondern in einer Koalition, gibt es bestimmte Regularien. Deswegen müssen wir leider Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau Sprehe [SPD]: Das war aber schwach!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Lübke.